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Meine Gerdtimeplanerschnöckerei

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Als ich heute, wie jeden Tag, meine zwei Mülltüten zur Mülltonne, oder auf gut ostdeutsch Aschtonne, brachte fand ich auf dem Mülltonnendeckel ein schwarzes Buch. Da ich Bücher gleich angucken muss, machte ich es auf und sah, dass es sich um einen Timeplaner handelte. Ich natürlich sofort eingesteckt und nun sitze ich hier zuhause und hab gar nicht daran gedacht, dem Menschen seinen Terminkalender zuzuführen. Ich kenn den Menschen ja gar nicht und mir hat damals, als ich meinen Schlüssel verlor, auch keiner den Schlüssel wiedergegeben. Deswegen behalte ich den Timkalender und schnöcker ein bisschen. Übrigens gehe ich davon aus, dass er den Kalender nicht wegwerfen wollte, den er lag so, als wenn auch der Besitzer Müll weggeschmissen , aber dann vergessen hat, den Timeplaner mitzunehmen.
In den Seiten stecken überall Gratispostkarten, die man in Lokalen findet. Auf einer kackt ein Jugendlicher gemütlich in den Wäschekorb seiner Eltern. Die Karten sind alle unadressiert. Vielleicht sammelt der Timeplanerbesitzer solche Karten. Auf der ersten Seite „Persönliche Kontakte“, finde ich die komplette Adresse des Mannes, wie sich nun herausstellt. Sie ist per Firmenstempel in das Buch eingetragen worden. Der Mann hat eine Werbefirma und heißt Gerd. Soviel weiß ich nun schon mal. Er hat auch einen Strafzettel am 11.11.03 bekommen, der steckt auf Seite zwei. Dann eine Einladung der Senioren CDU und ganz lustig, eine zusammengefaltete A-4 Seite auf der geschrieben steht: „Zinnowitzer Zander. Rezept für 4 Personen“. Und dann folgt auch das Rezept. Er hat es sich aus dem Internet ausgedruckt.
Trauriger kleiner Gerd. Bekommst du eigentlich 4 Personen zusammen, für die du kochen kannst? Dein Adressenregister sieht füllreif aus. Außer ein paar Firmen und Marianne und Werner steht da nichts drin. Auch komisch wenig Termine hat er. Irgendwie fangen die Eintragungen erst am 25 August an. Entweder hat er davor schon einen 2003 Kalenderding gehabt und es auch verloren oder er hat die Firma am 25. August gegründet und sich keck gedacht „Na dann kauf ich mir auch mal einen Timeplaner“.
Der erste Eintrag ist schwer zu entziffern. Sowieso hat unser Gerd, eine saumässige Gichtschrift. Da steht: „Brief: Staatsanwaltschaft, Sache Telekom“. Hat Gerd die Telekom verklagt? Vielleicht um sein Gesicht vor seiner Frau zu wahren? „Nein ich hab niemals eine 0190-Numer angerufen“. Darunter „Sofa gestern“ und „Schere?“. Hat er ein Loch im Sofa gefunden und ihm ist im Büro eingefallen, dass er mal schaut ob es die schwere Schere war? Dann stehen da noch überall Nummern drin, die mit 0421 anfangen.
Ich blättre mal in den nächsten Monat.
25.09.03
Das ist ein Donnerstag und Gerd hat viel zu tun. Er hat sich die Vorwahl von Schweden aufgeschrieben. Wenn man das in Verbindung mit dem Zander aus Zinnowitz sieht, dann denkt man unwillkürlich gleich daran, dass Gerd wohl Urlaub machen will.
Scheiße Gerd hat kein Geld. Der hat sich aufgeschrieben, dass er im Postamt eine Telefonkarte und 10 Briefmarken gekauft hat. Muss das sein? Dick in Urlaub fahren, aber son Scheiß aufschreiben!!

Das ist lustig zu schnöckern. Man bekommt langsam ein Bild von Gerd und gerade hab ich mich entschlossen, dass ich den Planer zurückgebe, nachdem der Text fertig ist. Sehr spannend, ob mein Bild dann stimmt.

Gehen wir weiter:
03.10.03
Am Tag der deutschen Einheit hat er groß „Freiheit“ hingeschrieben. Wenn er das lustig meint, ist er ein sympathischer Typ, aber wenn er das wirklich froh meint, dann weiß ich auch nicht. Zwischen dem 03 und dem 02.11 steckt auch noch ein ausgeschnittener Text: „Liebe Leute habt Verstand macht nicht immer auf den Rand! Macht ins Loch und nicht daneben, Reinlichkeit ist halbes Leben.“
Wo er das hinkleben wollte? Zuhause? Dann ist er Vater. Im Büro? Dann hat er Angestellte!
Und ein Kassenbon und der ist genau von heute. Jetzt aber nicht glauben, dass ich spinne, aber der geizige Gerd hat bei Photo Dose eine Fotokopie für 6 Cent erworben, mit 20 Cent bezahlt und behält den Kassbon. Will er das abrechnen?
Ich bin mal schon in den November geflüchtet. Am 12.11 hat er Mülltonnen geschrieben. Mit Ausrufezeichen und alles fett und dick. Also mag er das nicht, hat es ja dann auch auf heute verschoben. Interessant, interessant. Am 11.11 zum Fasching also steht da bei Tagesnotizen: „Brot“. Was das soll, weiß nur Gott oder der Bäcker, bei dem Gerd einkauft. Ist Gerd am Ende sogar als Brot zum Fasching gegangen?
Die Termine, die er morgen hat, könnte ich besuchen und ihm dann das Buch geben, aber das sieht zu psychopatisch und außerdem wüsste er ja dann, dass ich geschnöckert hätte. Morgen kommt auch entweder Fußball im Fernsehen, oder er geht selber spielen. Schätze das erste trifft eher zu. Weil auch 20:15 Uhr dahinter steht und wer geht schon genau um 20:15 Fußball spielen und Gerd kennt doch auch keinen.
An meinem Geburtstag am 26.11 ist er bei einer CDU-Mitgleiedrversammlung. Ha ha und am 04.12 hat er sich selber einen Termin vereinbart. Da steht „Neur Terminkalender“. Ha ha den muss er nun wohl früher kaufen. Ach nee, ich ruf ihn ja an.

Gerd wird kein sympathischer Mensch sein. Er schaut Fußball, ist in der CDU, druckt sich Zanderrezepte aus und besitzt eine marode Werbefirma.
Wenn ich ihm den TimePlaner reiche, werde ich ihn anschauen, mir denken, von dir weiß ich ganzs chon viel und ihm dann sagen „Übrigens heißt das TimePlaner und nicht Terminkalender. Terminkalender ist total osten.“
 
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Kommentare  

Na, mein Taschenkalender dürfte auch niemand in die Hände fallen. Da steht nämlich alles drin, was die NSA noch nicht weiß. Mein letztes Stück Privatleben gut kaschiert.

@ Robert: Wenn du jetzt noch die kleinen Fehlerteufelchen aus deinem TimePlaner verbannst, bekommst du auch von mir einen Grünen.

@ Heidi StN: Kannst du das mit den 5 Punktmöglichkeiten erklären? Ich würde auch mitunter mal abgestuft zwischen einem und fünf Punkte geben, aber gibt es dazu bei Webstories die technische Möglichkeit? Oder ist das noch das frühere - heute nicht mehr existierende - Bewertungssystem, wo man tatsächlich bis zu 5 Punkte geben konnte?


Michael Kuss (08.12.2013)

Was zu "schnöckern" hieß in meiner Kindheit: Was leckeres Süßes futtern.
In Büchern "schmökerte" man.
Das ist totaler Nord- Westen.
"TimePlaner" kämen mir nie ins Haus, dafür habe ich immer noch Taschenkalender...
Was sagt das über mich?


Gerne gelesen, diese Geschichte!


Gringa (08.12.2013)

Wenn ich auch mal einen Timeplaner finde, schicke ich ihn Dir, lieber Robert. Mach was draus!

janina (16.10.2004)

interessant!
habe noch nie darüber nachgedacht, was alles ein Timeplaner einem Fremden verraten kann...
5 Punkte und Gruß,
Heidi StN


Heidi StN (17.11.2003)

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