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Briefe an den Erzbischof #2

Romane/Serien · Schauriges
Hochverehrter Erzbischof Alexander,

der Brief, den ich Euch schrieb, scheint Euch nicht erreicht zu haben, ob denn ich ihn mehrfach an Euch sandte. Dieser hier wird vom Boten des Grafen persönlich übergeben werden, dass ich hoffe, schnellstens Hilfe in unserer misslichen Lage zu erhalten.

Geradezu diabolische Geschehnisse verfinstern das Ansehen unseres ehrwürdigen Klosters der Heiligen Letitia. Zu den Untaten, die in den Monaten Januar und Februar hier vergangen wurden, häuften sich weitere bis in den April hinein.
Seit den Tagen, an denen ich den ersten Brief verfasste, hatte sich der Himmel über unserem Fleck Land verdunkelt, so scheint es mir. Die Sonne hat schon lange nicht ihr Antlitz auf unser Kloster gerichtet, unsere Gärten verwelken merklich unter dieser Finsternis. Auch die nahe Stadt ist davon betroffen und man schilt uns dafür. Zwar stehen wir unter dem Schutz des gutmütigen Grafen, doch wird auch er nicht verhindern können, dass die Städter aufmarschieren entgegen unserer Mauern. Jedoch geht es mir nicht um das weltliche Wohl des Klosters, sondern vielmehr um den geistigen Zustand der Nonnen.
Vor zwei Wochen schickte ich nach einem budapester Professor, da ich nach dem ersten Brief Eure Hilfe noch nicht erhalten hatte. Rasch erreichte uns der Gelehrte und auch wenn die Kirche solche Doktoren missbilligt, musste ich auf ihn vertrauen. Jede einzelne des Klosters wurde geprüft, es konnte jedoch kein Schaden an dem Geiste der Schwestern festgestellt werden. So denn auch die Wissenschaft uns nicht helfen konnte, die Wurzel des Übels hier herauszufinden, schreibe ich erneut an Euer Hochwürden und bitte flehentlichst um Eure Mithilfe. Ihr wisst unser Institut zu schätzen, da wir Euch manches Relikt bestimmt haben, und ich hoffe Ihr seid auch um unser Wohl besorgt.

Im Januar, wie ich Euch schon berichtete, bat ein junges Mädchen, Seralia, um Asyl bei uns. Ich gewährte ihr dies und nahm sie zeitweise hier auf. Doch seitdem geschehen diese schrecklichen Dinge, doch mag ich keinen Rückschluss auf sie ziehen. Mit dieser Meinung stehe ich allerdings alleine in dem Kloster da, fast alle der Schwestern sind gegen die Adelsdame, es kam schon zum Angriff auf sie, auch wenn außer dem Opfer keiner der Beteiligten sich daran erinnern konnte. Bitte, steht Ihr mir wenigstens bei. Ich wage nicht zu glauben, dass sie des Teufels ist, wie ich immer wieder zu Ohren bekomme, nichts weist darauf hin, lammfromm ist sie, die Reinheit in Person, sage ich Euch.
Wir sind nun nur noch fünfundzwanzig, eingeschlossen Seralia, zur Feier der Geburt Christi zählten wir vierzig! Und falls uns nicht schleunigst Hilfe durch Eure Geistlichkeit erreicht, werde am Ende nur noch ich in dieser meiner Kammer sitzen, allein in diesen nun schon unheimlichen Gemäuern. Denn nicht nur die ungewöhnliche Dunkelheit mitten im Frühling machte diesen Ort zu einem unbehaglichen, sondern auch Veränderungen hier im Kloster, besser gesagt des Klosters, liegen mir auf der Seele.
Doch beginne ich zunächst von vorne. In der Mitte des März, einige ruhige, wenn auch dunkle, Wochen sind vergangen, das Leben hier normalisierte sich zunehmend. Eines Montags erhielten wir durch einen Boten eine Kiste, in dem ein Relikt aus dem Orient zu identifizieren war. Mit freundlichen Grüßen hatte uns ein reisender Adliger seine Beute aus einem Basareinkauf gesandt. Es handelte sich um ein goldenes Siegel, dass das Zeichen der Juden, den Davidstern, beinhaltete. Wir machten uns sofort ans Werk, zum ersten Mal konnte ich unserem Dauergast Seralia unser geistiges Handwerk, die Aufgabe unseres Klosters vermitteln. Als ich ihr das goldene Ding aushändigte, umschloss sie es sofort mir ihren zarten Fingern, doch so fest, wie wenn sie es mir nicht wiedergeben wollte, ich fürchtete, es würde zerbrechen. Und ihr Blick, der auf das Siegel gebannt war, schien förmlich zu glühen. Es war zwar nur für einen kurzen Moment, in diesem einzigen jedoch, zweifelte ich an ihr. Sie ließ es aus ihren Händen gen Boden entgleiten (ich konnte es gerade noch vor dem Aufschlag bewahren) und fiel erschöpft zurück, lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand. Ich fragte sie nach ihrem Befinden, in diesem Augenblick schien es ihr aber schon besser zu gehen. Es ist sehr merkwürdig, ihr Verhalten, besonders, als sie mir danach erzählte, was es mit diesem Relikt auf sich hatte. Und als ich es gründlich mit verschiedenen Schriften und Abbildungen verglichen hatte, erwies sich ihre Aussage als vollkommen richtig.
Als ich sie darauf ansprach, erzählte sie mir, ihr Vater war leidenschaftlicher Sammler solcher Objekte gewesen, sie hatte dieses schon einmal in der Hand gehabt. Seralia vermutete, dass die Mörder ihrer Familie deren Besitz schon bis in den Orient verschifft hatten. Sie sagte, sie würde schon bald aufbrechen und Rache üben, im Sommer vielleicht.
Diese Geschehnisse an sich sind schon dubios, schon bald ereignete sich weiteres. Eine der mit der Archivierung beauftragten Schwester war des Abends beim Gebet nicht mehr gesehen wurden. Es hatte an diesem Tag geregnet, die Boden des Waldes um das Kloster war aufgeweicht. Auf Grund dieser Tatsache konnten wir ihre Spur am nächsten Morgen verfolgen. Sie endete an einem Fluss unweit einer Brücke, die zur Stadt führte. Der Fluss ist nicht sehr tief und doch fanden wir die Leiche der Schwester flussaufwärts an einer Biegung. Das ist mir völlig unerklärlich. Es konnte nur so geschehen sein, dass sie aufwärts geschwommen ist und dann an der Kälte des Flusses ohnmächtig geworden war, so dass sie schließlich ertrank. Bei ihr fanden wir das Siegel, das wir noch gar nicht vermisst hatten. Hatte es sie dazu getrieben, so weit zu fliehen und sich schließlich zu ertränken? Wir fürchteten uns vor den diabolischen Kräften des Gegenstandes und sandten es am Tag darauf zurück an Adligen.
Eine Woche später erreichten uns die ersten Klagen über die plötzliche Dunkelheit über der Stadt und dem Kloster. Wir mussten den Bürgern unterbreiten, ihrer Sünden hätten den Herrgott erzürnt, auf dass Er ihnen das Sonnenlicht nahm. Ich bat den Herrn schon um Vergebung und bitte auch Euch darum, dieser Lüge zu vergessen. Doch was hätten wir ihnen sagen sollen, wenn nicht dies, dass sie schon nicht glauben?
Wie dem auch sei, zur Zeit der Auferstehung unseres Heiland Jesu Christi ward wie jedes Jahr ein Fest in der Stadt gefeiert, das unser Kloster und die Stadtkirche gemeinsam ausrichteten. Deshalb wollte ich unsere kleine Ernte an Kartoffeln in diesem Jahr zusammen mit einigen anderen Schwestern aus dem Keller holen. Ich hatte ihn seit dem Überfall auf meinen Schützling nicht betreten, ahnte ich schon, dass mir dort schlechtes widerfahren würde. Jedenfalls betraten wir die dunkle Vorratskammer und als ich die Lampe entzünden wollte, stieß mich eine Stichflamme aus der Kammer. Das Feuer nährte sich an den Kartoffeln, bis wir es löschen konnten, hatte es die Kammer vollständig verbrannt. Seit diesem Tag danke ich dem Herrn immer doppelt für mein Leben und fühle immer stärker die Qual der Zeit, will sagen ich freue mich, wenn ich am Morgen aufwache, unbeschadet und in dieser Welt.

Ich hatte vergessen Euch zu schreiben, dass ich auch mit dem Pater der Stadtkirche über unsere übernatürlichen Probleme gesprochen habe. Er hatte sich dazu bereit erklärt, falls es weiterhin zu unerklärlichen Geschehnissen kommen sollte, die Schwestern des Kloster aufzunehmen. Bisher hat niemand dieses Angebot beansprucht. Jene Schwestern, die diese ständige Angst nicht mehr ertragen konnten, sind nun ganz gegangen. Es stimmt mich traurig, wie wenig Glaubenskraft sie besitzen, mit der sie die Angst bekämpfen können.
Als letztes und überzeugendstes, was mir auch den Anstoss zu einem erneuten Brief gab, will ich Euch von der bisher grausamsten und unerklärlichsten Begebenheit berichten. Es fällt mir jetzt immer schwerer zu schreiben, verzeiht also, wenn meine Offenheit ins Stocken gerät.
Es war Ende April, jetzt einen Monat her, und das Dunkel über diesen unseren Landstrich währte weiterhin. Ein Tag, an dem ein Teil von uns den Friedhof besuchten, um den Verstorbenen Ehrfurcht zu erweisen. In Bußgewändern zogen wir von Grab zu Grab und lasen unsere Ehrerbietung für die jeweilige Person vor. Nebel und eine gewisse Kühle umgaben den Gottesacker, es herrschte fast vollkommene Windstille. Eine sehr düstere Atmosphäre, schon allein das hätte mich aufmerksam machen sollen, dass wieder etwas geschehen würde.
Die Prozession hatte am späten Nachmittag begonnen, recht spät, doch eine Alte aus der Stadt, eine frühere Schwester unseres Klosters, verlangte von mir die letzte Salbung. Da wir den Umzug nicht auf einen anderen Tag verlegen wollten, mussten wir ihn so spät ansetzen, was einigen Schwestern von Anfang an Unbehagen bereitete. Seralia war furchtlos, als wüsste sie um das Geheimnis der Nacht, das jedermann für gewöhnlich erschaudern ließ. So waren wir bei den jüngsten Gräbern erst als es schon tiefe Nacht war, angelangt. Ich weiß, es klingt nach dem närrischen Aberglauben der einfältigen Landmenschen, doch zu dieser Zeit erschienen uns Irrlichter, alles war sehr beängstigend.
Es muss gegen Mitternacht gewesen sein, als wir die allerletzten Gräber erreichten. Hier ruhte unter anderem Schwester Anna, die, wie ich im letzten Brief berichtete, an einer unbekannten Krankheit verstorben war. Selbst diese Tatsache machte die Situation noch grauenerregender, obwohl wir doch wussten, dass ihre Seele nun beim Herrgott war und sie nun in Frieden ruhte. Beim Vorlesen der Ehrenschrift über Schwester Annas Grab, wurde die Vortragende, Schwester Johanna, durch ein ungewohntes Geräusch unterbrochen. Es klang wie ein Stöhnen, das rund um uns ertönte. Ein furchterregender Seufzer, als sei er von einem Bittklagenden der Hölle geäußert worden. Wahrlich, ich konnte mir in dem Moment vorstellen, was die armen Seelen im Reiche des Teufels erleiden mussten. Wir alle waren wie erstarrt in diesem Moment, ich sah mich und die anderen zittern. Und einige der Schwestern kreischten auf, als ein erneutes Stöhnen erklang, und versetzten uns alle in Panik. Jedoch vermochte keine es, alleine zurück zum Kloster zu laufen, was nicht mehr als einige fünfzig Meter waren. Ich versuchte, die Frauen zu beruhigen, doch konnte ich mich selbst kaum noch beherrschen vor Zittern, als der dritte Seufzer aus dem Boden drang. Ja, ich wusste, dass er aus dem Boden kam, ich glaubte zu spüren, dass der Erde unter mir vibrierte, ganz unauffällig.
Doch, Euer Hochwürden, das ist es nicht, was als schrecklich zu bezeichnen war und ist. Jenes folgte, nachdem Johanna weiter, nun stockend, im Text ging. Kurz bevor sie die Verstorbene segnen konnte, hallte ein viertes und viel lauteres Stöhnen aus dem Grab vor ihr. Das Gekreische ging wieder los, einige der Schwestern knieten sich hin und beteten zum Herrn, er möge ihre Seelen beschützen. Doch als schien ihn das nur erzürnt zu haben, lockerte sich vor Johanna die Erde, Ihr lest recht, sie bewegte sich, als wenn Würmer in ihrer Graben würden. Plötzlich spritze die schwarz-braune Erde auf, alle wurden wir besudelt damit, und aus dem Grabe stieg langsam der Sarg der verstorbenen Anna, türmte sich mit einem Ruck auf. Ein fauliger, übler Geruch entwich dem Boden, als habe der Teufel uns seinen Atem entgegen gespien. Das Geschrei war verstummt, selbst dazu ließ die Angst die Frauen, mich eingeschlossen, nicht mehr kommen. Wir alle blickten nur noch gespannt und zu Tode geängstigt auf den Sarg, der nun fast senkrecht stand. Langsam und knirschend öffnete sich der Sargdeckel. In diesem Moment stand mein Herz still, ich glaubte, die Besinnung zu verlieren, fürchtete, dass sich hier die Pforte zur Hölle aufgetan hatte. Der Deckel schob sich auf, und vor uns fiel die Leiche der Schwester Anna, ich konnte gerade noch einen Schritt zurück tun, so dass ihr von Würmern zersetzter Schädel vor mir lag. Manche der damals Anwesenden behaupteten später, die Leiche hätte den Namen Seralia gehaucht, bevor sie stürzte. Nach diesem Moment schrien wir alle wie wild auf und jede rannte, wohin wussten sie nicht, denn nur eine Lampe hatte uns den Weg geleuchtet und diese lag nun fallengelassen auf dem Boden. Und die Nacht war finster, noch finsterer als sonst durch die dunklen Wolken über dem Kloster, nicht einmal der Mond war zu sehen.

Diese Nacht werden die Beteiligten wohl nie vergessen, mich schaudert es jetzt wieder, nachdem ich es erneut im Kopf durchleben musste. Am nächsten Morgen hatte sich auch die letzte der Schwestern wieder zurückgefunden, noch zitterten alle, einige versuchten dieses Zittern durch Wein, man verzeihe es ihnen, zu unterdrücken. Erst einige Wochen später begruben die mutigsten von uns den noch stärker verwesten Körper der Schwester Anna wieder, auf dass er nun die ewige Ruhe empfangen sollte.
Doch es drang nichts von der Nacht ins Dorf, man hätte einen offenen Aufstand gegen uns riskiert. Niemand außerhalb des Klosters soll jemals davon erfahren, außer Euer Hochwürden. Ich hoffe nun, dass diese Ereignisse Euch dazu erbarmen, selbst oder durch ausgewählte Vertreter die Lage zu beurteilen und diesen Ort endlich wieder zu einem Platz der Gottesfürchtigkeit zu machen.

In starker Sorge und untertänigstem Bitten,

Oberschwester Valeska
 
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Kommentare  

ich lese das gerade noch mal, was eindeutig für diene story spricht, allerdings ist mir gerade ein fehlerchen aufgefallen: "Ich hoffe nun, dass diese Ereignisse Euch dazu erbarmt, " wird wohl "erbarmen" heißen;)

lg darkangel


darkangel (04.08.2007)

juppiii, feinfeinfein, bin gespannt auf nr 3^^

darkangel (25.01.2007)

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