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3 Seiten

Der Killer

Schauriges · Kurzgeschichten
Er wartete im Schatten der Bäume, unsichtbar, unberechenbar.
Er war gerissen.
Er wusste, dass sie kommen würde. Sie ging jeden Abend hier im Wald spazieren. Sie glaubte nicht daran, dass man hier überfallen werden konnte. Das alles hatte er recherchiert.
Denn er war gerissen.
Der Killer war geduldig. Bei Sarah, Tanja und Tina hatte es auch lange gedauert, aber er hatte gewartet und dann hatte er sie erwischt und es ihnen genommen und niemand hatte etwas bemerkt.
So gerissen war er.
Er war sogar so gerissen, dass er keine Spuren hinterließ. Er trug einen langen, schwarzen Regenmantel, schwarze Stiefel, schwarze Handschuhe, eine schwarze Maske. Sie würde ihn nicht kommen sehen und ihre langen Fingernägel würden einfach an seinem Mantel abgleiten und konnten keine Haare oder Hautfetzen herausreißen, an denen man ihn hätte identifizieren können.
Ja, der Killer war wirklich gerissen.
Sahra, Tanja, Tina, sie alle hatten ihn nur verächtlich angesehen, als er sie gefragt hatte. Aber Sonja hatte gelacht. Sie hatte laut herausgelacht, mit dem Finger auf ihn gezeigt und ihn gefragt, ob er das wirklich ernst meinte. Und dann hatte sie ihn ganz ernst angesehen und ihm gesagt er sei ekelhaft. EKELHAFT! Er sollte sich eine Puppe kaufen, wenn er befriedigt werden wollte. Ja, sie hatte gelacht. Und sie hatte mit ihren Freundinnen getuschelt und mit dem Finger auf ihn gezeigt und dann hatten sie alle gelacht. Aber heute würde sie es bereuen. Kurz bevor es mit ihr aus sein würde, würde er seine Maske abnehmen und sagen, dass das dafür wäre, dass sie gelacht hatte. Das hatte er bei den anderen auch gemacht und ihr panischer Ausdruck war Balsam für seine Seele gewesen. Und dann würde er sie nehmen. Das hatte er bei den anderen auch gemacht. Auch das war Balsam für seine Seele gewesen.
Bald würde sie da sein. Sonja würde kommen.
Der Killer unterdrückte das aufkommende hysterische Gelächter. Er war zu gerissen, um jetzt laut los zu lachen.
Besonders weil er sie jetzt hörte.
Sie war auf dem Weg.
Der Killer konnte sie beinahe schon riechen.
Ihre Augen! Mein Gott, sie hat so wunderschöne Augen!
Der Killer hatte ihre Augen beinahe vergessen. Einen Moment , nur einen kurzen Augenblick, dachte er, er könnte es nun nicht mehr tun, aber dann fiel ihm wieder ein, wie sie gelacht hatte und die Wut stieg wieder auf. Ja, er würde sie töten, jetzt!
Und der Killer sprang aus dem Gebüsch und riss in einer hundertmal geübten Bewegung Sonja zu Boden, ein Hand auf ihrem Mund, eine auf ihrer Kehle. Sie hätte nicht schreien können, selbst, wenn sie die Geistesgegenwart dazu gehabt hätte. Als sie auf dem Boden lag, hockte sich der Killer auf sie, mit den Knien auf ihren Ellenbogen, so wie das die Jungs damals mit ihm gemacht hatten, solange, bis er weinte, manchmal länger, und er hatte eine Hand auf ihrem Mund, eine auf ihrer Kehle.
Jetzt fing sie an zu zappeln – sie war genau wie die anderen Schlampen – und versuchte, sich zu befreien. Aber der Killer hatte trainiert, sie würde ihm nicht entwischen.
Die Hand an ihrer Kehle drückte langsam zu. Sonja überkam Panik. Sie zappelte wilder, verzweifelter. Aus allen Poren drang Schweiß. Sie urinierte. Ihre wunderschönen Augen wurden größer und immer größer und traten aus den Höhlen. Ihr Gesicht nahm eine bläuliche Färbung an.
Es war immer wieder das gleiche, aber doch immer wieder schön, dachte der Killer und drückte fester zu.
Und als er spürte, dass Sonja bald bewusstlos werden würde, da nahm der Killer seine Maske ab und offenbarte sich ihr.
„Na, Süße. Erkennst du mich wieder? Lachst du immer noch, Süße?“
Aber in ihrem Gesicht war nur weiter panische Angst, Todesangst, kein Erkennen.
Verdammt, das durfte nicht sein! Wenn sie ihn nicht erkannte, war alles sinnlos.
Also näherte der Killer sein Gesicht dem ihren und fragte wieder:
„Na, Kleine, erkennst du mich jetzt endlich?“
Aber sie erkannte ihn nicht. Stattdessen befreite sie ihren rechten Arm und zog einen blutigen Kratzer über seine Wange.
Der Killer stöhnte schmerzhaft auf, flüsterte: „Schlampe!“ und brach ihr das Genick.
Es war sinnlos gewesen! Sie hatte ihn nicht erkannt! Alles war sinnlos gewesen!
Aber das hinderte ihn nicht daran, seine behandschuhte Faust unter ihren Rock zu schieben.

Mord im Wald
24-jährige Lehrerin erdrosselt, vergewaltigt und verstümmelt worden.
„Gestern Nacht hat sich in der Heide ein schreckliches Verbrechen zugezogen. Sonja M., Grundschullehrerin wurde bei einem abendlichen Spaziergang überfallen und erwürgt. Daraufhin vergriff sich der Täter an ihr und schnitt ihr die Augen heraus. Diese konnten am Tatort nicht gefunden werden. Die Polizei tappt noch im Dunkeln, aber sobald sie Sperma-Untersuchungen abgeschlossen wären, wüsste man schon viel mehr...“

Der Killer las den Artikel der Zeitung und er lachte und zeigte ihn Sonja.
„Siehst du Sonja, an meinem Sperma wollen sie mich erkennen. Weißt du, wie oft sie das vorher schon geschrieben haben? Drei Mal! Und bisher hat noch kein Polizist an meine Tür geklopft. Verdammt, ich bin ja so gerissen!“
Sonja war bei ihm, ihre Augen zumindest. Er hatte sie in einer Glasschatulle im Wohnzimmer und sie hatte ihn immer noch nicht erkannt. Aber sie würde ihn erkennen. Mit der Zeit würde sie ihn erkennen. Irgendwann musste es ja mal soweit sein!
Doch nun war der Killer nicht mehr so geduldig wie vorher.
Sie sah ihn an, ständig sah sie ihn an, aber sie erkannte in nicht! Sie verfluchte ihn, flehte nach ihrem Leben, zeigte ihre Angst, aber sie erkannte ihn nicht.
Der Killer wurde langsam wütend.
Die Augen glotzten nur dumm in die Luft.
„Na mach schon!“ schrie er die Augen an, „Ich weiß, dass du mich erkennst! VERDAMMT, HÖR AUF, MICH SO ANZUSTARREN!“ Und er nahm die Augen und warf sie aus dem Fenster.
Er konnte diesen Blick einfach nicht mehr ertragen.
Sie würden die Augen finden. Sie würden herausfinden, wem sie einst gehörten und jeder im Haus müsste zur Sperma-Untersuchung, aber das war nicht wichtig. Er war gerissen genug, um auch das zu schaffen. Schließlich wohnte er im zehnten Stock.
Der Killer pfiff ein Lied, während er auf das Fenster zuging, aus dem er gerade die Augen geworfen hatte. Welches Lied war das noch mal? Unwichtig! Wichtig war, dass er sie austrickste und, dass Sonja ihn wiedererkennen würde.
So stieg der Killer auf den Fenstersims. Es war Nacht. Niemand da, der ihn sehen und einen Schock fürs Leben bekommen konnte. Schade eigentlich, aber das war nicht wichtig.
Wichtig war, und das dachte er schon, während er in die Tiefe flog, wichtig war, dass sie ihn nicht kriegten.
Und sie würden ihn nicht kriegen!
Dafür war er viel zu gerissen.
 
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