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3 Seiten

Müll

Trauriges · Kurzgeschichten
© Fuchsal
Irgendwo zwischen zwei Mülltonnen sitzt er und denkt an sie. Es sind keine guten Gedanken, denn sie machen ihn krank. Das weiß er und doch kann er sie seit dem Tag, an dem sie sagte es sei vorbei, nicht vergessen. Sie hat ihn einfach so verlassen. Sie hat sich keine Zeit genommen, ihm nicht erklärt warum sie weggeht, ihm nicht gesagt, warum sie die Liebe einfach ablegt wie ein altes Kleidungsstück. Zwei Jahre sind seit dem vergangen und doch ist sie immer noch da. In seiner Wohnung liegen noch ihre Sachen, er hat nichts angefasst, das ihr gehört. Es soll für immer so bleiben. In Wirklichkeit ist sie gar nicht weggegangen, in Wirklichkeit ist sie noch immer sein.
Seine Augen sind müde und ihm ist kalt. Der Regen säuselt auf ihn nieder, gleichmäßig, beruhigend. Er will schlafen, hier in dieser Engen Gasse, zwischen den Mülltonnen. Wenn er doch nur schlafen könnte, nur ein bisschen. Schlafen ist das Beste, was er hat. Er schläft, wann immer er kann, manchmal auch, wenn er gar nicht muss. Dann trinkt er einfach ein bisschen. Alkohol ist gut, wenn man Alkohol trinkt, ist es als ob man schläft. Sie ist dann wieder da und sagt ihm liebe Dinge ins Ohr. Aber nur ganz leise, sodass nur er sie hört. Es sind seine Worte, seine ganz allein. Natürlich trinkt er nicht so oft, denn niemand darf merken, dass er leidet. Auch sein Leid gehört ihm allein. Aber es ist schwer, es zu verbergen. Manchmal will er lieber schlafen, als zu arbeiten. Eigentlich fast immer, aber er will seine Arbeit nicht verlieren. Dann kommt sie sicher nicht zurück, glaubt er. Freunde hat er auch nicht mehr, aber das ist ihm egal. Die braucht er nicht, er braucht nur sie. Sie wird bald kommen, das spürt er. Seine Liebe zu ihr ist sehr stark, darum wird sie zurückkommen.
Es regnet immer noch und er ist völlig durchnässt. Seine müden Glieder sind sehr schwer und er will nicht aufstehen. Später, später kann er auch noch aufstehen. Nur nicht jetzt, jetzt will er schlafen. Als er schläft, hat er einen wunderbaren Traum. Sie haben ein hübsches Haus gekauft, außerhalb der Stadt. Sie lachen und wirbeln herum. Ihr schwangerer Bauch fühlt sich warm und geschmeidig an. Es wird ein kleines süßes Mädchen und es wird genauso aussehen wie sie. Wunderschön, sie ist so wunderschön.
Unsanft wird er von einer lauten Stimme geweckt. Benommen öffnet er die Augen. Sie ist es, sie ist wieder da. Sein Herz klopft vor Freude doppelt so schnell. Er hat es immer gewusst, sie wird zurückkommen. Sie vergisst ihn nicht. Langsam legt sich der Schleier des Schlafes und er sieht goldenes Haar. Lang und kräftig, aber sie ist nicht blond, sie ist brünett. Nun sieht er auch die blitzenden grünen Augen. Nein, ihre sind blau. Zögernd sinkt er wieder zusammen. Die blonde Frau lässt jedoch nicht locker. Sie schüttelt seinen Arm und endlich versteht er auch ihre Worte. Gib dich nicht auf, sagte sie. Aber das tut er doch gar nicht, er wartet nur. Wut kocht in ihm hoch. Diese unwichtige Frau soll ihn in Ruhe lassen. Er murmelt etwas unverständliches und sie tätschelt seinen Arm. Es ist schwer zu sprechen, wenn man viel getrunken hat. Er hat viel getrunken heute, damit er schlafen kann. Müde schließt er wieder die Augen, vielleicht geht sie dann. Noch einmal sagt sie, dass er sich nicht aufgeben soll, dann geht sie. Er hasst es, wenn fremde Leute sich in seine Angelegenheiten einmischen. In einer kleinen Ecke seines Gehirnes weiß er, dass diese Leute recht haben. Doch das andere ist stärker. Das andere versperrt die Sicht auf diese kleine Ecke und das andere hat auch eine viel lautere Stimme. Dass er so machtlos ist, stört ihn nicht. Es ist einfach so. Irgendwo in seinem Gehirn spukt auch noch ein altes Sprichwort herum. Die Hoffnung stirbt zuletzt, heißt es. Er liebt dieses Sprichwort, denn Hoffnung ist alles, was er hat. Außerdem glaubt er, dass Hoffnung etwas gutes ist. Immer und egal in welcher Form.
Bald wird es dunkel, dann wird er vielleicht nach Hause gehen. Der Regen hat seine Kleidung so durchnässt, dass er friert, aber das ist nicht schlimm. Schnee wäre schlimm, aber es ist erst Spätsommer. Noch brauch er nicht aufstehen, noch ist es nicht so kalt.
Niemand der vorbeigehenden Menschen weiß, dass er heute nicht mehr aufstehen wird. Sie sehen ihn gar nicht, dort in dieser kleinen Gasse, zwischen den Mülltonnen. Die, die doch in diese Gasse schauen, sehen nur den Müll. Und Müll interessiert sie nicht. Die eine Frau, die ihn trotz des Mülls gesehen hat, ist ein guter Mensch, aber auch sie will eigentlich nur etwas in die Mülltonnen werfen.
Irgendwann wird die Stadtreinigung kommen und die Mülltonnen leeren. Dann sehen sie, dass dort ein Mensch liegt. Zusammengesunken, tot. Sie wissen nicht, warum er gestorben ist, aber es interessiert sie auch nicht wirklich. Das Leben geht weiter. Sie vergessen schnell, dass sie irgendwann mal einen Toten zwischen zwei Mülltonnen gefunden haben, sie hoffen nur, dass sie nicht auch so Enden werden. Wie Müll weggeworfen und verbraucht.

~ENDE~
 
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Kommentare  

Ich bin ein Volltrottel! Deine Erklärung steht ja schon hier. Hätte mir vielleicht zuerst die Kommentare durchlesen sollen. Naja, egal.

Jan (09.07.2004)

Hallo Fuchsal,
nicht schlecht geschrieben, wirklich nicht. Aber das Ende verwirrt schon ein bißchen. Ich finde auch, daß es noch Erklärungsbedarf gibt, warum der Typ plötzlich tot ist. Oder hast Du das mit Absicht als Interpretationsfläche offen gelassen? Gebrochenes Herz oder so? Aber sonst gut und flüssig geschrieben.
Viele Grüße


Jan (09.07.2004)

Also wieder eine schöne und sehr bewegende Geschichte von dir. Das er am Ende an gebrochenem Herzen, stirbt fand ich eine sehr gute Idee. Warum man es evt. als etwas plötzlich ansehen kann ist sicher der Passage "...dass er heute nicht mehr aufstehen wird." anzuhängen. Dadurch das du am Anfang noch stark den Eindruk erweckst als würde er auf ewig so weiterleben, kommt man beim ersten mal lesen nicht sofort darauf, dass du seinen Tod damit schon leicht vorankündigst (Ich denke mal das das so gedacht war). Im ganzen wieder eine wirklich schöne Geschichte!

Sebi (26.06.2004)

ich hab aber keine fantasie XD

Mjoellnir (07.05.2004)

@Mjoellnir: er stirbt an gebrochenem Herzen... (womit auch Anikas Problem geklärt sein sollte) dachte mir, dass dies bei genauerem nachdenken (und vlt. auch mit ein bisschen Fantasie*g*) klar wird.

Fuchsal (07.05.2004)

Hmmm.. gefällt mir nicht ganz so gut. Außerdem verstehe ich nicht, warum er zum Schluß einfach tot ist.

Anika (02.05.2004)

Ich sag schon garnix mehr ;-)

Klasse Geschichte auch wenn das Ende traurig ist.Das wirkt sich natürlich nicht auf meine Wertung aus


NoYaFoes (02.05.2004)

Sehr gute Geschichte Fuchsal : )
hab au schon bewertet.Woran stirbt er denn? *g*


Mjoellnir (29.04.2004)

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