3


64 Seiten

Fight for the Night

Romane/Serien · Spannendes
1.Teil

Die Menschen fürchten schon seit Ewigkeiten Vampire jede Nacht, doch sie vertrauten darauf, dass Werwölfe nur bei Vollmondnächten erscheinen. Damit hatten sie unrecht, denn die Wolfsmenschen werden nur in diesen Nächten gesehen, weil das Vollmondlicht in ihnen die Gier nach Menschenfleisch erweckt.
Man sagt sich, dass Zeus einst einen Mann in einen Wolf verwandelte, weil dieser ihm einen Menschen als Opfergabe überreicht hatte. Dieser Mann hatte die Chance wieder in einen Menschen verwandelt zu werden, wenn er neun Jahre lang kein Menschenfleisch essen würde. Doch in diesen Jahren zeugte er mit einer Wölfin viele Welpen, die am Tag menschliche Gestalt und in der Nacht Wolfsgestalt annahmen. Wurde ein Mensch von einem solchen Wesen gebissen, musste auch er die Nacht als Wolf verbringen, dabei überkamen ihn die tierischen Triebe währenddessen auf die Jagd zu gehen und Leben für das eigene Überleben auszulöschen. Um Werwölfe töten zu können brauchte man Silberwaffen. Dennoch breitete sich die Rasse dieser Kreaturen schnell aus und machte der der Vampire Konkurrenz.
Ein blutsaugender Dämon, der nachts den Menschen das Blut aussaugt, bezeichnete man als Vampir. Der Vampir gehört zu den schädigenden Toten, man versteht darunter speziell die Toten, die nachts ihr Grab verlassen um den Lebenden das Blut auszusaugen, sodass diese sterben mussten. Man kann Vampire unschädlich machen, indem man einen Pfahl durch dessen Herz schlägt, außerdem zerfallen Vampire zu Asche, sobald sie in Berührung mit Sonnenlicht kommen.

Der Kampf um die Nacht, bestritten von den Vampiren und Werwölfen, dauerte nun schon viele Jahre an. Da beide Rassen so gut wie unsterblich sind, würde er noch Ewigkeiten andauern. Doch vor hundert Jahren bat Draculas Sohn um eine Kampfpause, um sich von seinen Vater zu verabschieden, der im Kampf umgekommen war. Zusätzlich litt Draculas Sohn, Beelzebub genannt, an einer seltenen Krankheit, die ihn sehr zusetzte. Das Oberhaupt der Werwölfe stimmte der Bitte zu, da auch seine Rasse hohe Verluste erleiden musste. Zu dieser Zeit ließ Beelzebub einige Vampire nach einer bestimmten Jungfrau suchen, deren Blut er trinken wollte, um angeblich von seiner Krankheit geheilt zu werden. Damit die Suche nach diesem Weib am Tag auch weiter gehen konnte, sandte Beelzebub seine Leute vorerst aus, um einen weisen Friedhofsgeist für diesen Job anzuheuern.

First Chapter - Ankou

Es heißt, dass ein unglückliches Opfer, das als erstes lebendig auf einem neuen Friedhof begraben wurde, auf ewig umgehen müsste, um die Gräber und den Friedhof vor Eindringlingen zu schützen. Er erhält die Körperlichkeit, die er zu Lebzeiten besaß und ihm werden so genannte dämonische Kräfte zugesprochen. Die Menschen, auch wenn sie diesem Friedhofsgeist nicht oft begegnen, nennen ihn ‚Untoten’ oder auch ‚Ankou’. Manchmal suchten Menschen ihn auf, um durch ihn zu den Verstorbenen reden zu können. Doch diesmal waren es Vampire, die einen bestimmten Ankou auf seinem Friedhof aufsuchten. Dieser Ankou saß wie immer, auch in dieser nebligen Nacht, auf der Friedhofskirche, angelehnt an ein Kruzifix. Auf seinem weißen Leinenhemd war ein solches Kruzifix schwarz aufgedruckt. Seine Hose sowie seine Schuhe waren ebenfalls schwarz. Sein linkes Auge wurde durch eine dunkelbraune Augenklappe verdeckt, dieses hatte er nach seinem unfreiwilligen Tod geopfert um mehr Weisheit zu erlangen. Sein Haar war kurz, strubbelig und leicht gelockt, die Farbe war hellbraun.
Ankou vernahm außer dem üblichen Geruch von nassem Boden, noch den Geruch von getrocknetem Blut und alten, abgetragenen Sachen. Er stand aus seiner bequemen Sitzposition auf, schon in diesem Moment waren zwei Vampire lautlos vor ihm gelandet. „Du musst der Ankou dieses Friedhofs sein. Ziemlich jung, meinst du nicht?“, begrüßte einer der Vampire ihn. Ankou hatte keine Angst vor ihnen, was sollte ihm schon passieren, er war schließlich schon tot: „Gerade noch jung genug, um sich nicht dagegen zu wehren lebendig begraben zu werden.“
„In welchem Alter wurdest du begraben?“
„Mit neunzehn, ich wüsste aber nicht, was euch das angehen sollte!“ Nun meldete sich der andere der Vampire zu Wort, er sah erfahrener, als der erste aus: „Das ist allerdings sehr gut, das könnte dir vielleicht bei deinem neuen Job zugute kommen. Unser Graf möchte dir nämlich ein Angebot machen.“
„Ich mach keine gemeinsame Sache mit untoten Mördern!“, wandte sich Ankou ab. „Hör es dir an und du wirst nicht ablehnen können.“
„Dann redet endlich, ich hab nicht ewig Zeit.“
„Genau darum geht es! Dein Wunsch ist es doch nicht auf ewig ‚leben’ zu müssen, doch im Moment bist du noch dazu verdammt. Der Graf würde dich von deinem momentanen Dasein erlösen, wenn du für ihn eine Frau suchst!“
„Ich dachte Dracula hat genug Bräute?“
„Oh nein, wir reden nicht von Dracula, sondern von seinem Sohn. Unser neuer Graf trägt eine Krankheit in sich. Nur mit dem Blut einer einzigartigen Jungfrau kann er sich davor schützen.“
„Wo ist diese Frau?“
„Das wissen wir nicht genau, deswegen brauchen wir doch deine Hilfe. Sie soll irgendwo hier in Transsilvanien leben.“
„Ihr Name?“ Die Vampire grinsten sich an, als sie die Neugier von Ankou bemerkten. Der erfahrenere von beiden antwortete schnell: „Dyanna!“
„Ihr Aussehen?“
„Sie lebt in ärmlichen Verhältnissen, also kann sie nicht allzu fein gekleidet sein.“
„Ich meine, ob sie gut aussieht oder nicht?“
„Bestimmt, wir sind uns aber nicht sicher.“ Ankou ließ noch einmal den Blick über seinen Friedhof schweifen: „Wer passt hier auf?“
„Das machen wir schon und nachts helfen wir dir auch bei deiner Suche!“
„Ich brauch eure Hilfe nicht, ich mach das lieber allein!“
„Wenn das dein Wunsch ist, soll es so sein. Übernimmst du nun die Aufgabe unseres Grafen?“ Der Vampir hielt ihm die Hand hin zum Einschlagen. Zögernd schlug Ankou dann endlich ein. In diesem Moment veränderte sich das Kruzifix auf seinem Hemd, es wurde zu einem umgedrehten Kreuz. Außerdem trug er jetzt drei Ohrringe mit der Form einer sechs im Ohr. Ankou versuchte sich den Schmuck und das Hemd vom Körper zu reißen, doch es klappte nicht. Darauf lachte einer der Vampire und der, der kurz zuvor Ankou die Hand gereicht hatte, sagte: „Du dienst jetzt nicht mehr Gott oder sonst irgendwem, sondern der Schöpfung des Teufels! Du arbeitest vorerst für das Geschlecht Draculas. Diese Zeichen sollen dich daran erinnern!“ Angewidert schaute Ankou an sich hinab. Kurz darauf waren die zwei Vampire lautlos verschwunden.
Um das ganze möglichst schnell hinter sich zu bringen, machte sich Ankou sogleich auf die Suche nach Dyanna. Bevor er durch die Zauntore den Friedhof verließ, klopfte er noch auf einen Grabstein. Aus dem Boden schwebte ein Geist hervor. Er war groß, hatte breite Schultern, eine Hakennase und trug adlige Kleidung: „Was willst du von mir, Ankou?“
„Du wirst sicher mitbekommen haben, dass ich einige Zeit weg sein werde.“ Der Geist rieb sich zufrieden seine durchscheinenden Geisterhände: „Oh ja!“
„Ihr werdet diesmal kein Fest geben, das letzte Mal musste ich zwei Wochen aufräumen. Kein Fest, hast du das verstanden?“
„Ja ja!“ Grinsend verschwand der Geist wieder in seinem Grab und begann mit den Vorbereitungen für das nächste Fest. Mit dem quälenden Gedanken bei der Rückkehr länger als zwei Wochen aufzuräumen machte sich Ankou endgültig auf die Suche.
Ankou war den ganzen Tag durch eine nahe gelegene Stadt geirrt, doch die Mädchen, die er ansprach, waren schon lange keine Jungfrauen mehr, sondern eingebildete Weiber. Sie versuchten sich an den für die damaligen Verhältnisse gut aussehenden Ankou ranzuschmeißen, aber er ließ sie abblitzen und verließ genervt die Stadt. Kurz bevor die Nacht einbrach, hatte er einen angrenzenden Wald durchquert. Abgelegen stand eine kleine Hütte. Ein Mädchen, nur ein bisschen jünger als Ankou, harkte das bisschen Gras, was vor ihrem Zuhause wuchs. Spontan beschloss Ankou sie anzusprechen, wobei er nicht an den Packt mit Beelzebub dachte. Elegant setzte er sich auf den Holzzaun, was allerdings mit Schmerzen verbunden war, da der Zaun mit silbernen Stacheln überzogen war. Seit er den Friedhof verlassen hatte, fühlte er sich wieder wie ein lebender Mensch. Er spürte Schmerzen und hatte sogar wieder stärkere Gefühle, als auf seinem alten, vermoderten Friedhof. „Was willst du von mir?“, fragte das Mädchen gereizt, während Ankou zum ersten Mal seit seinem Tod wieder solch lieblicher Geruch in die Nase stieg. „Ich wollte nur deine wohlklingende Stimme hören!“
„Das hast du bereits, also geh endlich!“ Ankou rieb sich seinen wunden Hintern und wollte sich nicht so leicht abschütteln lassen: „Sag mir erst noch deinen Namen!“ Sie stellte den Besen gegen die Hauswand: „Ich heiße Dyanna und jetzt geh endlich auf dieser Seite des Waldes ist es nach Einbruch der Dunkelheit sehr gefährlich.“ Als Ankou den Namen des Mädchens hörte, änderte sich seine gute Laune sofort. Langsam verfinsterte sich der Himmel immer mehr über ihnen, wie Dyanna bemerkte. Rasch betrat sie ihre Hütte. Das Holz war schon vergammelt, das Dach hatte Löscher und der Schornstein war halb zerstört. Sie ließ die Tür hinter sich offen stehen. Nach einer halben Minute schaute sie erneut durch den offenen Türspalt: „Komm schon rein. Es ist zu spät, um noch den Wald zu durchqueren.“ Ankou folgte ihr in die Hütte und verriegelte wegen böser Vorahnungen hinter sich die Tür: „Bist du noch Jungfrau?“
„Was soll denn diese Frage? Denkst du wirklich, dass ich auf so’ ne billige Anmache reinfalle?“ Er packte sie hart an den Schultern: „Das ist keine Anmache, also antworte … Bitte!“ Dyanna nickte schüchtern mit dem Kopf, worauf Ankou sie enttäuscht los ließ: „Wenn das so ist, muss ich dich wohl zu Draculas Sohn bringen!“
„Niemals! Warum sollte ich freiwillig zu ihm gehen?“
„Weil er es wünscht…“
„Ach, und du arbeitest für ihn? Deswegen dieser komische Aufzug. Ich habe besseres zu tun, als irgendeinem Vampir den Durst zu löschen. Halt mich also bitte nicht weiter von meiner Arbeit ab!“ Zornig zog Dyanna sich über ihr langärmliges weißes Leinenmiederkleid ein braunes Wildlederkleid, das kürzere Ärmel, als ihr Mieder hatte. Ihr langes gewelltes Haar hing ihr über die Schultern, glänzte dunkelbraun im Mondlicht, und kurz darauf steckte sich einen Silberdolch in den Stiefel. Ein Schwert, ebenfalls aus Silber, steckte sie an den Bund ihres Kleides und an einem Lederband um ihren Oberschenkel heftete sie Silberkugeln, passend zu dem Revolver, der an ihrer Schleife des Kleides hing. All diese Sachen holte sie aus einem Schrank zu ihrer Rechten. Ankou striff einen zerfetzten Vorhang, der an Dyannas Fensterrahmen genagelt war, zur Seite und beobachtete, wie gerade die Sonne unterging und der Mond hell am Himmel leuchtete: „Die Sonne ist gerade untergegangen!“
„Ich weiß, deswegen wird es auch höchste Zeit, dass ich mich auf den Weg mache. Du bleibst die Nacht hier.“, erwiderte Dyanna, kramte erneut etwas aus ihrem Schrank und steckte es sich auf die Fingerspitzen. Es waren Krallen aus Silber. Als Ankou sie ansah, musste er einfach über sie spotten: „Was bist du? Eine Werwolfjägerin?“
„Ja!“, antwortete Dyanna ernst. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“
„Doch! Ich jage und töte Werwölfe seit fünf Jahren.“ Wieder blickte Ankou nervös aus dem Fenster: „Deswegen will er dein Blut. Beelzebub erhofft sich dadurch unbesiegbar zu werden! Und ich bin auf ihn reingefallen.“
„Es gibt sicher noch andere Möglichkeiten ihn unschädlich zu machen. Ich wünsch dir viel Glück dabei, aber ich muss jetzt los!“
„So weit ich weiß, können nur Werwölfe das Geschlecht Draculas besiegen!“ Ankou drehte sich zu Dyanna um und sah, wie ein Vampir ihr den Mund zuhielt und lautlos hinter sich her schleppte. Mit wenigen graziösen Bewegungen war er mit Dyanna aus dem zerstörten Schornstein verschwunden. Ankou trat in seiner Hektik Dyannas Tür ein und versuchte mit dem Tempo des Vampirs mitzuhalten. Immer wieder schrie er Dyannas Namen und folgte dem Vampir sogar mit in den Wald, obwohl er davor gewarnt wurde. Er rannte an mehreren Schildern vorbei, auf denen entweder ‚Betreten verboten!’ oder ‚Betreten auf eigene Gefahr!’ stand. ‚Die Schilder sind mir vorher gar nicht aufgefallen!’, dachte Ankou, wonach all seine Gedanken Dyanna galten, weil er sie aus den Augen verloren hatte. „Lass dich nicht beißen!“, erklang es über Ankou, der sofort aufschaute und den Schatten des Vampirs im Mondlicht davonfliegen sah. Dann hörte er leises Rascheln ganz in seiner Nähe. Konfus wirbelte er um sich und versuchte den Auslöser des Raschelns zu erkennen. Ein knurrendes Geräusch kam ihm nun immer näher, ruckartig drehte er sich in alle Richtungen, als ihn plötzlich etwas mit einem brutalen Hieb gegen einen Baum schleuderte. Die Kreatur sprang auf ihn zu und drückte ihn fest auf den Boden. Der Mundgeruch hätte Ankou umgebracht, wenn er nicht schon tot gewesen wäre und dann tropfte ihm auch noch der Speichel dieser Kreatur auf die Augenklappe. Das Mondlicht brach durch die Wolken und flutete den Wald mit düsterem Licht, sodass Ankou endlich seinen Gegner erkannte. Es war ein Werwolf, der drauf und dran war Ankou mit Haut und Haaren zu fressen. Die kleine Mahlzeit des Werwolfes stemmte seine Füße gegen den Körper der Kreatur und schleuderte ihn so von sich weg. „Despartos!“, sagte Ankou ruhig nachdem er sich das sabbrige Zeug von der Augenklappe gewischt hatte. Er hielt nun eine große Armbrust in der Hand und spannte auf diese einen Silberpfeil. Als der Werwolf auf ihn zusprintete, schoss er ab. Mit einem winselndem jaulen ging die Kreatur zu Boden und das Fell verschwand von dessen Körper. Vor Ankou lag ein junger Mann, den er schon einmal bei einer Beerdigung auf seinem Friedhof gesehen hatte. Sofort nachdem Ankou seinen Pfeil aus dessen Brust gezogen hatte, sprangen drei andere Werwölfe aus den Büschen und machten sich über das saftige Fleisch des Exwerwolfes her. Ankou, der sich unbeobachtet fühlte, nahm schnell die Fährte von Dyannas Entführer auf. Vorsichtshalber behielt er, die durch einen Zauber entstandene, Armbrust in der Hand.
An der nächsten Lichtung des Waldes raschelte es plötzlich neben Ankou. Er hatte es gerade noch geschafft ein Zucken seines Zeigefingers zu unterdrücken und somit nicht den Auslöser seiner Armbrust zu betätigen, als eine Frau aus den Büschen fiel. Sie hatte Bisswunden am Hals und die Achillessehnen wurden ihr durch geschnitten damit sie nicht fliehen konnte. Trotz ihrer Gehuntauglichkeit hatte sie es geschafft sich davon zu stehlen. Ankou, der der Frau die letzte Ehre erwiesen hatte, verfolgte ihre Blutspur zurück und hörte schon aus weiter Entfernung das Gegröle der Vampire: „Nur ein Biss!“
„Gibt’s nicht! Sie ist für den Grafen.“
„Warum warten wir dann hier noch länger?“
„Du hast doch gesagt. Das dich dieser Ankou verfolgt hat, oder? Auf den warten wir jetzt.“
„Wieso? Er hat das Mädchen beschafft und das war’s dann für ihn.“
„Es interessiert ihn sicher, dass…“ Ankou trat aus seinen Büschen hervor, sofort packte einer der Vampire Dyanna sicher am Hals. „Was könnte mich interessieren?“, fragte Ankou. „Unser Graf hat sein Versprechen eingehalten! Seit du deinen Friedhof verlassen hast kannst du wieder wie ein Mensch Schmerzen fühlen, aber deine Sinneseindrücke sind noch immer ein wenig geschwächt. Du sollst dich ja nicht zu schnell an dieses Leben gewöhnen und deine Wunden heilen zudem auch schneller, damit du den Weg zurück zu deinen Friedhof überlebst.“
„Was soll das? Ihr habt versprochen, dass ich endlich in Frieden ruhen kann!“
„Na ja, du hast deinen Wunsch nicht so direkt spezifiziert, außerdem hast du ihm das Mädchen noch nicht gebracht.“ Enttäuscht sah Ankou die Vampire an und bemerkte dabei, wie Dyanna versuchte an den Dolch in ihrem Stiefel zu kommen. Um von ihrem Vorhaben abzulenken, sagte sie: „Der Graf will mich haben? Dann soll er mich holen!“
„Denkst du er bewegt sich extra für dich?“, fingen die Vampire an zu lachen. Daraufhin griff Ankou den Vampir an, der Dyanna nicht am Nacken gepackt hatte. Er schmiss seine Armbrust in die Luft und blickte erwartungsvoll zu Dyanna. Wie erhofft warf sie ihm den Dolch zu. Er rammte ihn in die Brust des Vampirs, was zur Folge hatte, dass dieser zu Staub zerfiel. Was allerdings nur funktionierte, weil er den Dolch mit dem letzten Fläschchen Weihwasser übergossen hatte, welches er bis jetzt in seiner Hosentasche aufbewahrt hatte. In einem Zug fing er Dyannas Dolch und seine Armbrust auf, zur gleichen Zeit hatte Dyanna dem anderen Vampir ihren Ellenbogen in die Rippen gebohrt. Der Vampir versuchte zu fliehen, doch Ankou feuerte ihm einen Pfeil seiner Armbrust durch das Herz. Seine Asche wehte mit dem Wind davon. Dyanna riss Ankou ihren Dolch aus der Hand und scheuerte ihm eine: „Du steckst mit denen unter einer Decke?“
„Nein, ich wollte dir helfen.“
„Ich brauche deine Hilfe nicht. Ich schaff das alles sehr gut alleine.“
„Das sah für mich aber ganz anders aus!“
„Dann hast du eben eine Sehschwäche.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff sich Dyanna an ihren Kettenanhänger, der die Form eines Wolfkopfes hatte. „Komm jetzt erstmal mit, wir klären das Morgen, wenn es sicherer ist.“ Erst durchstreifte Dyanna im normalen Tempo den Wald, aber dann wurde sie immer schneller, bis sie letztendlich durch den Wald sprintete. Ankou tat es ihr gleich, wobei er Dyanna einige Fragen stellte: „Warum jagst du eigentlich Werwölfe, das ist doch gefährlich?“
„Weil meine Eltern, als ich zwölf war, von Werwölfen gefressen wurden. Seitdem töte ich jeden Werwolf der mir über den Weg läuft!“
„Und das machst du ganz allein?“
„Jetzt schon. Bis vor kurzem allerdings, half mir mein Verlobter noch. Er hieß Dahr, doch bei einer Jagd wurde er vor kurzem von den Werwölfen erwischt!“
„Tut mir leid.“
„Macht nichts.“ Nach einer, für Ankou, unendlich langen und anstrengenden Tour hatte Dyanna endlich ihr Ziel erreicht. Sie blieb vor einem riesigen schon halb verrostetem Tor stehen, das mit einem ebenfalls rostigen Zaun verbunden war. Der Rasen dahinter war samt Unkraut schon Kniehoch gewachsen und das Schloss im Mittelpunkt des Grundstücks sah sehr düster und alt aus. Einige Fenster waren schon zerstört und das Wasser in einem kleinen Springbrunnen davor war zu einer schleimig grünen Masse geworden. „Es ist unbewohnt!“, erwiderte Dyanna auf Ankous nicht definierbaren Blick. „Wer hätte das gedacht. Ich war eigentlich der Meinung es wär eins deiner idyllischen Zweitheime.“ Sie überhörte seine sarkastische Bemerkung und öffnete mit einem Ruck das rostige Tor: „Schließ das Tor gut hinter dir, bis jetzt sind noch keine Werwölfe hier rein gekommen!“
„Was? Verfolgen uns diese stinkenden Viecher schon wieder?“ Ohne eine Antwort zu verlangen trat er ebenfalls in das hoch wuchernde Gras ein und schloss das Tor hinter sich, wobei er seine Armbrust erneut fest umklammerte. Was beide nicht bemerkten, als sie sich mit einer ‚Machete’, eigentlich war es Dyannas Dolch, den Weg durch das Gras bahnten, war, dass das Tor wieder aus dessen Schloss sprang und nun offen stand. Sie hatten endlich die Tür erreicht, woran Dyanna sofort rüttelte: „Warum ist sie seit neuestem abgeschlossen?“ Ankou blickte durch das Schlüsselloch und richtete sich rasch wieder auf: „Ich hab da eben ein nicht Mut zusprechendes Geräusch gehört.“
„Red keinen Quatsch!“ Dyanna trat die Tür ein, sodass beide endlich eintreten konnten, doch Ankou hatte sich viel sicherer draußen gefühlt, weil er nicht wusste, was dort drinnen auf sie warten würde. Sie befanden sich in einem gigantischen Wohnzimmer. Überall standen Stühle, manche von ihnen waren umgestoßen. Der dazu gehörige Tisch stand in einer ganz anderen Ecke. Um den Kamin standen Sessel mit großen Lehnen, die schon einige Rissspuren im Stoff hatten, von denen Dyanna wusste, das sie noch frisch sein mussten. Dyanna zündete dennoch einige Kerzen an, während Ankou versuchte die Tür so gut wie möglich wieder im Rahmen zu befestigen. Der Gedanke, jetzt wieder Schmerzen fühlen zu können, stimmte ihn nicht gerade wohler im voraussichtlichen Kampf gegen die Werwölfe. Wie ein übliches Ritual schritt Ankou zu einem Fenster mit Ausblick zum verrosteten Tor: „Bist du dir sicher, dass wir hier sicher sind?“
„Natürlich! Es kann uns nichts passieren, solange das Tor geschlossen ist. Soweit ich weiß können Werwölfe noch keine Türen beziehungsweise Tore öffnen.“ Unwohl zu Mute drehte sich Ankou zu ihr: „Und was wäre, wenn das Tor wie gerade jetzt ganz weit offen stehen würde?“
„Hast du…“ Sie hörten leise etwas plätschern, wobei nach und nach die Kerzen ausgingen. Dyanna hörte zusätzlich lautes Glasklirren. Da sie sich an die erneute Dunkelheit noch nicht gewöhnt hatte, sah sie nicht wie Ankou von einem riesigen Wesen mit aus seinem Ausblicksfenster gerissen wurde. Er hatte seine Armbrust verloren und versuchte nun mit aller Kraft den riesigen Kopf des Werwolfes von sich wegzudrücken. Es kam Ankou eigenartig bekannt vor, wie das Vieh auf ihm drauf lag, und somit stützte er wieder seine Füße an dessen Magen ab und stieß ihn wie schon einmal von sich Weg. Mit einer Drehung auf dem Boden wollte Ankou zu seiner Armbrust rollen, aber genau in diesem Moment verschwand sie mit einem Puffen. Fluchend schlug Ankou auf den Boden, doch dann fühlte er sich plötzlich dazu gezwungen zurück ins Haus zu fliehen, als er sah wie eine Horde wilder Werwölfe durch das Eingangstor genau auf ihn zu rannten. Bei dem Sprung durch das Fenster schnitt er sich die Hand an den Scherben auf und fiel, erschrocken zum ersten Mal wieder solch starke Schmerzen zu fühlen, auf den staubigen Boden. Am Kamin sah er Dyanna stehen: „Wo ist deine Waffe?“
„Ja mir geht es gut! Danke der Nachfrage.“
„Das wollte ich nicht wissen!“
„Ist ja gut, hysterische Kuh! Sie war durch einen Zauber erschienen und wenn ich sie länger als eine Minute nicht berühre, verschwindet sie wieder, damit sie nicht in falsche Hände fällt.“ Dyanna konnte ihn nicht für seine Dussligkeit bestrafen, da sie von dem heißen Atem, den sie in ihrem Nacken spürte, abgelenkt wurde. Sie drehte sich sogleich in diese Richtung, aber dann war der Atem schon wieder zu ihrer Rechten. Erneut wedelte sie um sich und plötzlich tropfte etwas auf ihre Schulter. Sie sah nach oben und dort saß natürlich ein Werwolf auf dem Kronleuchter. Mit einem Schuss aus ihrem Revolver, wurde das Monster von der Silberkugel umgebracht. Von dem Kronleuchter fiel eine nackte, tote Frau hinab. „Rechts!“, schrie Ankou um Dyanna zu warnen. Sie drehte sich in die von ihm genannte Richtung, doch sie schoss ins Lehre, denn Ankou hatte eigentlich das andere ‚Rechts’ gemeint. Von hinten drückte nun ein anderer Werwolf sie gegen die Wand neben dem Kamin, die voller Spinnweben war. Dabei bohrte sich das Werkzeug zum Wenden der Asche in ihre Schulter, worauf sie ihren Revolver fallen ließ. Sie schaute dem Werwolf mit schwarzen Fell in die Augen: „Hast dich ganz schön verändert Dahr!“ Von der Seite nahm Ankou Anlauf und schleuderte mit einem Fußkick den Werwolf von Dyanna weg: „Tollen Verlobten hast du da!“ Die Augen verdrehend zog Dyanna sich die mit Ruß beschmutzte Stange aus der Schulter und warf ihren Dolch, den sie aus ihrem Stiefel gezogen hatte, in die Kehle eines kleineren Wolfes, der Ankou angreifen wollte. Blut spuckend fiel ein zehnjähriger Junge zu Boden. „Ich hab kein Silber mehr! Wenn du an meinen Revolver ran kommst, hätten wir vielleicht ne Chance!“, schrie Dyanna nervös, während sie hektisch um sich schaute. Ankou schlug dem schwarzen Werwolf noch mal kräftig ins Maul und wollte dann Dyannas Revolver holen, doch eine der übrigen wilden Kreaturen setzte seine Pfote auf Ankous Hand ab. Dyanna, die das natürlich sah, hechtete zu dem Tisch zu dem eigentlich die unkoordiniert rum stehenden Stühle gehörten. Sie schnappte sich ein Messer von dem darauf liegenden Besteck: „Ganz vorsichtig Freundchen!“, sagte sie zu der Bestie, die Ankou mit seiner Pfote auf dem Boden festnagelte. „Ich hab hier ein Silbermesser und ich wage es auch das Ding einzusetzen!“ Alle Werwölfe schauten zu ihr und schritten langsam auf sie zu. Der ‚Festnagler’ von Ankou hüpfte von einem Stuhl auf den anderen und kam Dyanna immer näher. Aus Notwehr warf sie das Messer auf den Wolf zu. Es traf ihn genau zwischen den Augen, allerdings ging von ihm nur ein leises, klägliches Jaulen aus, bevor er das Messer aus seiner Stirn stieß. Erschöpft sank Dyanna in sich zusammen. „Da hast du ja ganz schön geblufft, was?“, flüsterte Ankou, während er Dyanna auf seine Arme stemmte. Als die Werwölfe merkten, dass die beiden wehrlos waren, rannten sie ihnen wie bei einer Hetzjagd (in vornehmeren Kreisen Schnitzeljagd genannt) hinterher. „Ich hab echt nicht geblufft, ich dachte das wär echtes Silberbesteck.“
„Der Hausherr war wohl zu geizig echtes zu holen, außerdem lag so viel Staub auf dem Besteck, dass du es nicht erkennen konntest.“ Ankou drückte Dyanna fest an sich und rannte was das Zeug hielt einen langen Gang entlang. An den Wänden hingen Bilder von düsteren Gestalten, dessen Augen Ankou folgten und es regnete überall von draußen hinein, sodass sich schon auf dem Boden Pfützen bildeten. Der Wind zog durch die undichten Dielen und Wände, wodurch knarrende und zischende Geräusche zustande kamen. Dadurch konnte Ankou nicht bestimmen aus welcher Richtung das Hecheln der Wölfe kam. Er sah nur in den Pfützen ihre Spiegelbilder, die seinem eigenem immer näher kamen, zudem war der Gestank von nassem Wolfsfell mittlerweile unerträglich geworden. Hinter ihm bellten und jaulten seine Verfolger, was nichts Gutes zu bedeuten hatte. Das wusste Ankou spätestens nach der nächsten Ecke ganz genau. Denn nun kamen ihm eine weitere Horde Werwölfe entgegen, an der Spitze der mit dem schwarzen Fell. „Sonst jagt ihr doch auch nur leichte Beute, warum habt ihr es auf uns abgesehen?“ Dyanna beantwortete Ankous im Zorn gestellte Frage: „Weil sie heute darin eine Chance sehen mich zu töten.“
„Das können die vergessen! Ich werd dich immer beschützen, dass verspreche ich dir.“ Ankou nahm Anlauf und wollte sich wie bei einem Rugbyspiel durch die Massen der Gegner kämpfen. Plötzlich klappte vor ihm die Wand auf. Dyanna konnte gerade noch „Achtung!“ schreien, als Ankou auch schon mit voller Wucht gegen diese Wand geknallt war. Ohnmächtig sank er mit Dyanna auf dem Arm zu Boden. Die Wand schloss sich wieder und zog die beiden einerseits wahrscheinlich erleichtert andererseits ungewollt mit in eine dunkle Höhle. Wie begossene Pudel standen die Werwölfe vor dieser Wand. Dyanna, die nicht so doll wie Ankou mit dem Kopf gegen die Wand geknallt war, bemerkte, dass ihre Feinde vergebungslos ihre Klauen in die Wand rammten. Erstmal waren Dyanna und Ankou in Sicherheit, dennoch wussten sie nicht, was in der Dunkelheit auf sie warten würde.

Second Chapter - Raskus

Nachdem es Dyanna leid war noch länger auf Ankous Erwachen zu warten, schüttelte sie ihn unaufhaltsam durch: „Wach auf!“ Darauf erwachte Ankou zwar, doch dafür kotzte er ununterbrochen in eine kleine dunkle Ecke. Er wischte sich sein Gesicht an Dyannas Kleidzipfel ab und war dann endlich bereit einen Weg aus diesem eigenartigen Schloss zu finden. „Die Nacht erscheint mir unendlich lang, dir auch?“, fragte Ankou um endlich mal etwas ‚Stimmung’ in diesen Laden zu bringen. Ein ‚Ja’ ähnliches Gähnen erklang aus Dyannas Mund. Während sie sich streckte übernahm sie die Führung bei dem Hinabsteigen einer langen, steinigen Treppe, die in eine ungeahnt bedrohliche Finsternis führte. Als sich an ihren Fuß eine Ratte lang schlängelte, krallte sich Dyanna erschrocken in Ankous Brust. Dieser kreischte laut auf, dabei hörte er sich an, als würde er mitten im Stimmbruch sein: „Verdammt! Was sollen diese scheiß Krallen überhaupt bedeuten?“ Nacheinander zog Dyanna schön langsam ihre Silberkrallen wieder aus Ankous Fleisch: „Ich bin so blöd!“
„Stimmt, aber warum fällt dir das erst jetzt auf?“ Sein Kommentar hatte ein schmerzhaftes tiefer Hineindrücken einer Kralle von Dyanna zur Folge, wobei sie ihre Selbstbeschuldigungen näher erläuterte: „Ich hätte doch damit die Werwölfe unschädlich machen können…“
„Das waren doch viel zu viele. Das hätte deinen sicheren Tod bedeutet. Apropos, wie geht es eigentlich deiner Schulter?“
„Das ist doch nur ein Kratzer!“ Eingebildet steckte sie ihre Allzweckkrallen in eine eingenähte Tasche ihres Kleides und schritt von dannen. „Willst du die Wunde nicht wenigstens verbinden?“, schrie ihr Ankou hinterher. In genau diesem Moment kam ihm Dyanna schon wieder entgegen und umklammerte ihn erneut ängstlich: „Da war ein Geist!“
„Bist du nicht schon etwas zu alt für so was?“ Von alleine entzündeten sich nun Fackeln entlang der Wände, die die Treppe umschlangen. Zum Vorschein kamen überall verstreute Knochen und Schädel von Verstorbenen. Für Ankou ein gewohnter Anblick, doch Dyanna kniff angeekelt die Augen zusammen. Gemeinsam schritten sie die Treppe weiter hinab, wobei Dyanna immer näher an ihrem jetzigen Beschützer heran rückte. Es störte ihn keineswegs. Schon bald kamen sie an ein Plateau mit zwei möglichen Gängen. „Ich gehe einige Meter in den linken Gang. Du wartest hier so lange, wenn ich nicht bald wieder da bin, gehst du den anderen entlang.“, schlug Ankou mutig vor. Dyanna nickte zustimmend. Danach schnappte er sich eine Fackel und verschwand in der Dunkelheit des rechten Ganges. Dyanna pendelte überrascht mit dem Kopf hin und her, während sie laut dachte: „Mit ‚links’ und ‚rechts’ hat er wohl noch einige Probleme?!“
Außer einigen Goldreserven, eigenartigen Gemälden und weiteren Knochen von Toten fand Ankou nichts Auffälliges vor. Dann sauste urplötzlich etwas Kleines an ihm vorbei. Ankou konnte es nicht definieren, dennoch wusste er genau, dass es gerade auf dem Weg zu Dyanna war. Bei einem lauten Schrei Dyannas ließ Ankou seine Fackel fallen und rannte schnellen Schrittes zu ihr. Pitschnass vom Kopf bis zum Fuß stand sie vor ihm und steckte ihm die Zunge raus, als er sie auslachte. „Ich find das gar nicht lustig!“
„Ich schon! Du siehst aus wie…“
„Ich will es gar nicht wissen.“ Ankou kam der völlig aufgelösten Dyanna näher und dann roch er es: „Ist das Alkohol?“ Sie nickte, während sie vergeblich versuchte ihr Kleid auszuwringen. „Das ist ja hervorragend, dann ist deine Wunde wenigstens desinfiziert!“ Durch ihr feuchtes Kleid konnte er die Wunde deutlich sehen: „Es blutet ja nicht mal, warum mach ich mir eigentlich Sorgen?“
„Ich hab doch gesagt es ist nur ein Kratzer.“ Ohne Vorwarnung küsste Ankou dreist einen Tropfen Alkohol von Dyannas Nasenspitze: „Schmeckt gut.“ Die Hände an den Oberarmen reibend schaute sie zitternd an ihm vorbei: „Ganz schön kalt.“
„Verständlich, schließlich bist du völlig durchnässt.“
„Ich meine deine Lippen. Sie sind eiskalt.“
„Das ist halt so, wenn man in gewisser Weise tot ist.“ Ankou drehte sich zornig von ihr weg und trat gegen die Wand, die das Plateau umschloss und von der sogleich Staub rieselte: „Ich bin verdammt auf ewig umgehen zu müssen. Ich bin nicht tot, dennoch füllt meinen Körper kein richtiges Leben! Außer Schmerz fühle ich bis jetzt nichts.“ Nicht etwa ein bemitleidendes Wort kam von Dyanna zurück, nein, es ging von ihr nur ein klägliches Stöhnen aus. Vor ihr hatte sich ein Geist aufgerichtet, dessen Gesicht sich zu einer hässlichen Fratze verzog. Dyanna wurde bleich vor Angst. „Küss ihn doch mal, der ist bestimmt noch kälter, als ich!“, schrie Ankou, als der Geist seine blutigen Reißzähne Dyanna entgegen streckte. Wieder einmal versteckte sie sich nun hinter Ankou. In seiner Hosentasche entdeckte sie ihren Revolver: „Hast du ihn doch noch geholt?“ Der Geist flog nun mit einer Fackel auf Ankou zu, der sich schnell schützend über Dyanna beugte und sie lächelnd ansah: „Ich halte immer meine Versprechen!“
„Auch das Versprechen mit Draculas Sohn, mich zu ihm zu bringen?“ Sie bekam keine Antwort, weil der Geist Ankou gerade mehrmals mit der Fackel auf den Rücken schlug. Ankou biss sich auf die Lippe und presste Dyanna ganz dicht an seinen Körper, sodass sie das Einreißen seiner schon blutbefleckten Haut hören konnte. Dyanna in dem Arm zu halten und ihr mit Alkohol getränktes Haar zu riechen, machte die Schmerzen einigermaßen erträglich. Nach dem vierten Schlag stoppte der Geist auf einmal. Von der Treppe, die Dyanna und Ankou zuvor hinab gestiegen war erklang eine widerhallende Stimme: „Hinfort mit dir, blöder Geist!“ Nachdem der Geist durch eine Wand geflohen war, hörten die zwei ein leises Fluchen und kurz darauf rollte ein weiterer Geist die Treppe hinab. Auf dem Plateau angekommen, schüttelte er sich unauffällig den Staub von seiner schwarzen Pfarrerkutte, obwohl es bei Geistern eigentlich nicht nötig wäre. „Ein Poltergeist! Diese Dinger haben einfach keinen Anstand Gäste willkommen zu heißen!“, wandte sich der Geist an Dyanna, die den erschöpften Ankou zur Seite gelegt hatte und nun ihre Faust in den Bauch des Geistes rammte. Sie glitt hindurch, doch als sie ihre Hand wieder aus dem kalten, nebelartigen Körper ziehen wollte, gelang dies ihr nicht. Der Geist hatte nämlich feste und nicht die übliche gräulich, durchscheinende Gestalt angenommen. Somit war es Dyanna nicht möglich sich zu befreien, dennoch versuchte sie weiterhin ihren Arm aus dem Körper des Geistes zu reißen, was den Zustand ihrer Wunde an der Schulter nicht gerade verbesserte. Langsam begann Blut aus der Verletzung zu strömen, während Dyanna noch immer umherwütete: „Ihr verfluchten…“ In diesem Moment hatte Ankou ihr die Augenlieder nach unten gestrichen, was sie endlich zum Schweigen brachte. Schlafend fiel sie ihm in den Arm und mit sich zog sie auch den noch fremden Geist. Erfreut und glücklich sagte dieser: „Hui! Netter Bu…“ Ankou schaute ihn scharf an. Angestrengt und Kopf kratzend dachte der Tote in Pfarrerkleidung nach und kam letztendlich zu der Erkenntnis: „Puh, da könnt ich es jetzt drehen und wenden wie ich will. Trotzdem hast du mich ertappt, wie ich ihr heimlich was weggeguckt habe. Zu dumm aber auch!“
„Ich sag’s keinem, aber könntest du jetzt bitte Dyannas Arm frei lassen?“ Der unsittlich veranlagte Pfarrer nahm mit Mühe und Not seine übliche Geistgestalt an: „Dafür kann ich nichts. Das mit der ‚festen’ Gestalt passiert manchmal einfach so, ich kann es nicht beeinflussen! Ich heiße übrigens Raskus!“ Ankou schüttelte Raskus die Hand insofern das ging und stellte sich ebenfalls vor. Als er auf Dyanna zu sprechen kommen wollte, nickte Raskus leicht mit dem Kopf und roch an ihrem Haar: „Ich weiß schon: Dyanna, nicht wahr? Hach, dieser Geruch des anonymen Alkoholikers. Wie ich ihn liebe!“ Ankou verdrehte die Augen, setzte sich dann allerdings auf den Boden und hielt Dyanna noch immer im Arm: „Hat mich gefreut deine Bekanntschaft zu machen, aber ich muss jetzt unbedingt ein bisschen schlafen. Kannst du mich bei Sonnenaufgang wecken?“ Beim Anlehnen hatte Ankou noch ziemliche Schmerzen im Rücken. Doch er hörte schon nicht mehr, was Raskus ihm antwortete, weil er sofort vor Müdigkeit eingeschlafen war. „Ich pass dann mal auf, dass euch keine Poltergeister mehr belästigen!“ Nachdem er drei, vielleicht waren es auch vier, kleine Kieselsteine davon geschossen hatte, reckte und streckte Raskus sich und weckte dann schon wieder Ankou: „Die Sonne ist gerade aufgegangen!“ Träge erhob sich Ankou. Ohne eine Anmerkung darüber zu machen, dass er nur wenige Minuten geschlafen hatte, packte er Dyanna sicher mit beiden Händen an Hüfte sowie Oberschenkel. Das allerdings sehr vorsichtig, um sie nicht zu wecken. Neidisch wurde Ankou bei seinen vorsichtigen Handbewegungen von Raskus beobachtet. „Folg mir, ich zeig dir den Weg!“, sagte Raskus frohen Mutes und schwebte direkt auf die Wand zwischen den zwei Gängen zu. Ungewollt nahm er schon wieder seine feste Gestalt an und knallte mit voller wucht gegen die steinerne Wand. Kleine Vögel schwirrten bei seinem wellenlinienförmigen Sinkflug um seinen Kopf. „Wie schön, dass du genau so wenig wie wir durch Wände gehen kannst!“, murmelte Ankou wieder hellwach vor sich hin. Kurz nachdem er auf dem Boden platz genommen hatte, wedelte Raskus die Vögel über seinem Kopf weg und sprang schnell auf. Er klappte die einzige kupferne unter den hölzernen Fackeln um. Nun verschwanden Stück für Stück die Steine zwischen den zwei dunklen Gängen und eine Treppe hinauf zum Sonnenlicht erschien.
Während des Aufstiegs zum Tageslicht fiel es Ankou immer schwerer Dyanna zu tragen. Das lag nicht daran, dass sie zu viel auf den Rippen hatte, sondern daran, dass sie wie wild um sich schlug im Schlaf. „Einen leicht unruhigen schlaf hat die Kleine, was?“, stellte Raskus fest, doch Ankou sah ihn nur genervt an. Erschöpft ließ er Dyanna in das kniehohe Gras fallen. Sie wachte sogleich auf und starrte auf ihren Arm, der vor ihrem Einschlafen noch in Raskus Körper gesteckt hatte. Einer ihrer umherschweifenden Blicke erblickte plötzlich Raskus. „Was macht der denn hier?“, fragte Dyanna im flüsternden Ton an Ankou gerichtet, wobei er ihren wütenden Blick sofort bemerkte. „Er hat uns freundlicherweise aus diesem Schloss geführt.“ Dyanna schien schlagartig etwas einzufallen: „Hast du nicht letzte Nacht, kurz nach Sonnenuntergang, genuschelt, dass Beelzebub sich erhofft durch mein Blut unbesiegbar zu werden?“ Die Frage war wieder an Ankou gerichtet. „Ja, wieso?“
„Dann versucht er anschließend sicher die unwissenden Werwölfe anzugreifen?“
„Der Meinung bin ich auch, warum sollte er denn sonst dein Blut verlangen?!“ Rasch verabschiedete sich Dyanna von Raskus und bahnte sich erneut einen Weg durch das Gras. „Wo willst du hin?“, fragte Ankou, von dem sie sich nicht verabschiedet hatte. „Morgen gibt es hier in der Nähe ein Turnier. Meinem Wissen nach nehmen dort viele Werwölfe teil. Ich werde sie vor ihm warnen, damit sie eine Chance auf einen fairen Kampf haben.“
„Bist du blöd? Wenn er sie besiegt, wärst du deine Sorgen auf einen Schlag los!“
„Nur ich darf sie Töten! Das ist meine Rache und nicht irgendein anderer soll sie erledigen. Nur ich!“
„Liegt es an deinem geliebten Verlobten, der einer von denen ist?“ Raskus merkte, dass bald schlechte Laune aufstiege, wenn er nicht einschreiten würde. Deswegen machte er irgendwelche eigenartigen Turnübungen vor Dyannas Augen und sagte: „Sieh nur! Ich kann dich beschützen, wenn dich irgendjemand angreift. Nimm mich mit!“ Dyanna stoppte ihn weiter diese schrecklichen Übungen zu machen. Danach fragte sie unsicher: „Bist du dir sicher, dass du das willst?“
„Ist es denn gefährlich?“ Ankou nickte eifrig mit dem Kopf um Dyanna anzudeuten, dass sie genau jetzt ‚Ja’ sagen musste, aber sie war noch immer eingeschnappt und beachtete ihn nicht. „Ach quatsch da passiert nie was. Erstens ist das Turnier am Tag und zweitens ist Vollmond erst letzte Nacht gewesen. Sie jagen also nur kleine Hoppelhäschen und plüschige Schäfchen.“ Ankou ging an Raskus, der sich wieder dehnte, vorbei und stellte Dyanna zur Rede: „Warum hast du nicht gesagt, wie gefährlich es wirklich werden kann, dann wären wir ihn los gewesen.“
„Es kann nun mal wirklich nicht sehr gefährlich werden.“
„Werwolf bleibt Werwolf egal welcher Mond scheint. Die fressen alles was ihnen in den Schoß fällt und ich sag dir eins: Deinen Verlobten kannst du anhaken, der hat dich längst vergessen!“ Dyanna schlug mit einem einzigen Schlag Ankous Wange rot. Das war kein Wunder, wenn man die Wut in ihrem Gesicht sah. Ankou war mit einer wunden Wange noch gut davon gekommen. „Weißt du warum ich ihn lieber mitnehme, als dich?“, fragte Dyanna und fasste Raskus auf die Schulter, was allerdings schwerer war, als es aussah, da er seine übliche Geistergestalt seit dem Treppenaufgang angenommen hatte. Ankou wartete auf ihre Erklärung. „Er sieht wenigstens anständig aus, durch die Pfarrerkutte.“
„Ich hab auch ein Kreuz auf dem Shirt!“
„Ja, aber ein umgedrehtes!“ Ankou schwieg. „ Seine blonden Haare sehen auch viel gepflegter aus als deine.“
„Das sind Naturwellen! Da kann ich nichts für, außerdem sind die Locken gar nicht so doll! Ich kann sie sogar glatt kämmen.“
„Er sieht nicht so abgemagert aus!“
„Das lag bei uns in der Familie. Alle waren so dünn.“
„Er könnte mein Vater sein!“, das schien Raskus nicht gerade aufzubauen und er erwiderte: „Ich bin gerade mal zweiunddreißig bei meinem Tod gewesen.“ Keiner beachtete ihn, als er sich die Tränen aus dem Gesicht wischte und somit versuchte Ankou sich immer noch zu verteidigen: „Ich bin froh nicht dein Vater sein zu müssen! Dein Gelaber hält man ja nicht lange aus!“
„Dann verschwinde doch endlich! Ich hab sowieso gesagt, dass du in meinem Haus bis zum Sonnenaufgang warten sollst und dann endlich deinen eigenen Wegen folgen.“
„Ich hab dir aber versprochen dich zu beschützen.“
Dyanna hatte eingesehen, dass es nichts brachte, weiterhin zu versuchen Ankou los zu werden. Dieser Kerl ließ sich einfach nicht abschütteln egal was sie auch auf dem Weg zu der Turnierarena versucht hatte. Sie versuchte ihn eine Klippe runterzustürzen, aber er konnte sich gerade noch vor dem Absturz retten. Sie rannte vor ihm weg, versteckte sich, doch dabei verlor sie nur Raskus, den sie dann wiederum mit Ankou suchen musste. So kam es, dass die drei gemeinsam am Nachmittag die Arena erreichten. Dyanna wollte sich bei dem Turnier einschreiben und musste dazu an den Tisch eine ‚wunderschönen’ Mannes. Seine Haut war runzlig, er stank so heftig nach Schweiß, das alle Blumen in der Umgebung eingegangen waren und seine buschigen Augenbrauen waren so dicht zusammen gewachsen, dass es wirkte als hätte er nur eine. Zusätzlich hingen ihm lange, total fettige Haare die Schulter runter, dass deren Fett die Eintragungsformulare versaut hatte, war ihm egal. Er sah Dyanna mit funkelnden Augen an und klatschte ihr auf den Po: „Bei diesem Turnier sind schon welche umgekommen, meinst du nicht, dass das zu gefährlich für dich ist?“ Um sich für den widerlichen Poklatscher zu bedanken, presste sie ihren Dolch so doll an die Kehle dieses schleimigen Kerls, dass es begann ein bisschen zu bluten: „Fassen sie mich nie wieder an, sonst schneide ich ihnen ihre Hand ab.“ Raskus klatschte begeistert in die Hände, weil er einerseits begeistert von Dyannas Schlagfertigkeit war und anderseits um zu zeigen, dass er noch beide Hände besaß. Der Schleimige sah ihn entgeistert an, aber Raskus hatte mitgedacht und um kein Aufsehen zu erregen hatte er es unter hoher Konzentration geschafft seine feste Gestalt anzunehmen, was vorerst auch so bleiben sollte. „Wie viele von euch wollen teilnehmen?“, fragte der nach Schweiß stinkende Mann grinsend. „Er und ich, also zwei!“ Sie zeigte abwechselnd auf Ankou und dann auf sich. „Das macht dann hundert.“
„Wir müssen was bezahlen?“
„Natürlich alle Teilnehmer zahlen eine Gebühr von fünfzig Silbertalern.“
„Müsste mein Vater auch was bezahlen? Er will doch nur zuschauen.“
„Ja, fünfundzwanzig!“
„Vater, du wartest vor der Arena bis ich wieder da bin! Dann macht das nur hundert. Ich hab aber leider kein Geld!“ Dyanna schaute erwartungsvoll zu Ankou und Raskus, die pfeifend davon schritten: „Uns brauchst du nicht anzuschauen.“ Sie steckte ihren Dolch zurück in ihren Stiefel und schnappte sich anschließend zwei von den triefenden Formularen: „Wir kommen morgenfrüh vor dem Turnier wieder. Mit dem Geld!“
„Kommt aber nicht zu spät!“, erwiderte der Formularausgeber und winkte ihnen freundlich hinterher. Als sie weg waren atmete er erleichtert aus. Jetzt musste er den nächsten Einschreiber begrüßen. Die Haare des Neuankömmlings waren etwas länger als Ankous und stark verfilzt, was man heutzutage als Dread-Locks bezeichnen würde. Seine Hose, erschwert von den vielen Ketten, die daran hingen, war bis fast in die Kniekehlen hinunter gezogen. Sie überdeckte nur knapp die Schienbeine, danach grenzten seine schwarzen Stiefel an, in denen vorne, deutlich sichtbar, Stahlkappen eingearbeitet waren. Sein ärmelloses Leinenhemd war an einigen Stellen schon aufgerissen, sodass es die Unterhose, die von der heruntergezogenen Hose freigelegt wurde, nicht ganz verdeckte. Um noch etwas gefährlicher auszusehen, hatte er sich auf sein schwarzes Lederhalsband silberne Stachel gesteckt. Das gleiche trug er um den rechten Arm, um den linken hatte er sich schwarze Stofffetzen gebunden. Seine Augen hatten so ein strahlend helles Blau, dass sie schon unheimlich wirkten, zumal sie überhaupt nicht zu den dunklen Haaren passten. Er füllte sein Formular aus, bezahlte die fünfzig Silbertaler und sagte zum Abschied: „Solltest dich mal wieder waschen, Alter!“ Dann folgte er dem gleichen Weg wie Dyanna, Ankou und Raskus.
Auf ihrem Weg zur nächsten Stadt grübelten Dyanna, Ankou und Raskus wie sie am schnellsten zu dem Geld kamen, welches sie zum Eintritt in das Turnier benötigten. Als erstes machte Dyanna einen Vorschlag: „Ich könnte doch mit einem Mann die Nacht verbringen. Für Geld selbstverständlich!“ Entsetzt blickte Ankou sie an, während sein Kiefer nach unten geklappt war. Raskus hingegen war zu ihr geeilt und versuchte wie eine alte Glucke ihr schmutziges, kaputtes Kleid noch weiter zuzuschnüren, damit niemand etwas von ihrer weit entwickelten Weiblichkeit zu Gesicht bekam: „Es erschreckt mich zutiefst, dass du über so etwas überhaupt nachdenkst! Wenn, dann machen Ankou und ich das! Aber doch nicht du. Du bist doch unser kleines Nesthäkchen.“ Er befeuchtete seinen Daumen mit etwas Spucke von Dyanna und versuchte letzten Endes ihr den Dreck aus dem Gesicht zu wischen. Ankou konnte es immer noch nicht fassen woran Dyanna insgeheim dachte und stotterte vor sich hin: „Ei … ei … eigentlich w … w … würde ich lie … lieber wissen, ob dort n … n … nicht vie … viele Wer … Wer … Werwölfe rumlungern.“ Dyanna schob Ankous noch immer heruntergeklappten Unterkiefer nach oben und antwortete: „Du meinst wegen dem Turnier, was hier stattfindet? Ich erkenne einen Menschen, der nachts zum Werwolf wird. Ich könnte euch ja vor ihnen bewahren, aber nur, wenn ihr mit mir einen reichen Fuzzi sucht, der willig ist!“ Endlich hatte Ankou es geschafft wieder in den Normalzustand zurück zu kehren, was er sogleich unter Beweis stellte: „Das kommt überhaupt nicht infrage! Lieber werde ich von einem Werwolf verspeist bevor du was mit so nem alten Knacker anfängst!“ Raskus hatte jedoch Einwände: „Also ich will nicht unbedingt als Mitternachtssnack eines Werwolfs enden!“ Als hätten sie mit solch einer Antwort gerechnet, schrieen Dyanna und Ankou gleichzeitig den wehrlosen Raskus an: „Du bist doch schon längst tot! Dein Gehirn hast du wohl unterwegs verloren, als du ins Diesseits zurückgekehrt bist?“
„Stimmt ja! Oh, da vorne! Ich sehe schon die Stadt …“ Rasch flüchtete er gepeinigt.
Die Mittagssonne stand hoch am Himmel, als Dyanna und Ankou die Stadt erreicht hatten. Raskus war noch immer nicht nach seiner Flucht in Sichtweite. Die Einwohner wirkten glücklich und die Stadt samt aller die darin ihr zu Hause fanden fröhlich. Im Zentrum befand sich ein gepflegter Springbrunnen und drum rum hatte man einen Marktplatz aufgebaut. Erst dann folgten Gasthäuser, viele Familienhäuser und Ställe für die Pferde. „Meinst du echt, dass wir hier sicher sind?“, fragte Ankou und studierte währenddessen die Einwohner. „Am Tag auf jeden Fall.“
„Aber vielleicht haben die Vampire auch schon ein Mittel entwickelt, das sie gegen Sonnenlicht unempfindlich macht?“
„Träum weiter!“ In diesem Moment schritt die Vorstufe aller Punks beziehungsweise Hip-Hopper an ihnen vorbei und zwinkerte Dyanna mit einem Lächeln zu. „Der sieht mir nicht ganz geheuer aus. Halt dich lieber von dem fern, Dyanna. Dyanna?“ Ankou blickte um sich, aber keine Spur von Dyanna. Wie von einer Biene gestochen raste er durch die Gassen der Stadt, doch alles was er fand war Raskus. „Hast du Dyanna gesehen!“, fragte er hektisch und völlig außer Atem. „Bleib mal ganz ruhig! Sie ist da vorne in diesem Wirtshaus.“ Ankou schliff Raskus hinter sich her genau in das Wirtshaus, während er wütend vor sich hin brummelte: „Wie kann sie jetzt daran denken sich den Bauch voll zu hauen?“
„Tut sie doch gar nicht, sie sucht nach Arbeit.“ Er ließ Raskus los und bemerkte nicht wie er ihm die Tür genau vor der Nase zuschlug. Ankou drehte Dyanna an der Schulter um neunzig Grad, sodass sie ihn ansah. „Ich hab mit dir geredet bevor du abgehauen bist.“
„Na und! Was wolltest du mir denn so dringendes sagen, dass du wie ein Wilder hier rumtobst?“
„Ich hatte gesagt, dass du dich vor diesem komischen Typen in Acht nehmen sollst!“
„Welcher denn?“
„Der, der dir zugezwinkert hat.“
„Da gibt’s so viel, du musst dich wohl deutlicher ausdrücken!“ Sie sah Ankous eifersüchtigen Blick und rechnete mit keiner Präzision von ihm: „War doch nur ein Scherz, ich weiß natürlich wen du meinst!“ Mit einem überaus gekünsteltem Lächeln drehte sie sich von ihm weg und sah in Raskus, der sich gerade die Nase rieb, die Rettung: „Weißt du wen er meint?“ Raskus schüttelte unauffällig mit dem Kopf um sein Unwissen preiszugeben. Sie drehte sich noch einmal kurz zu Ankou um: „Für mich sah der wie ein ganz normaler, hilfsbereiter Bewohner dieses Planeten aus.“ Anschließend führte sie ihr Gespräch mit dem Besitzer dieses Wirtshauses weiter. „Sie weiß nicht wen ich meine, oder?“, flüsterte Ankou Raskus zu, der diesmal mit den Schultern zuckte.
Das Gespräch dauerte Ewigkeiten. Noch bevor Dyanna wieder zu den zwei ungehobelten Männern ging, hatten diese einem kleinen Kind dessen Lunchpaket gestohlen. Obwohl sie keinen Hunger verspüren konnten, wollten sie aus Lust mal wieder etwas essen. Erschöpft stieß auch Dyanna endlich wieder zu ihnen und aß die Reste des Lunchpaketes von dem nun hungrigen Kind. Ankous und Raskus Blicken nach zu schließen wollten sie wissen was bei Dyannas ellenlangem Gespräch raus gekommen war. Sie schluckte ein Stück Brot herunter und erzählte dann alles Schritt für Schritt: „Ich kann in seinem Haus heute Abend tanzen. Dafür brauche ich nur noch ein Kleid, das wir irgendwie ohne Geld beschaffen müssen. Der Haken an der ganzen Sache ist, dass ich nur das Trinkgeld behalten darf, weil er meine eigentliche Bezahlung dafür nutzt die Rechnung für das unser heutiges Zimmer zu begleichen. Es ist nur ein Doppelbett in dem Zimmer, du musst dir also selbst was zum Übernachten suchen, Ankou. Vielleicht findest du ja ne kleine Hundehütte, oder so was in der Art?“
Eingeschnappt folgte Ankou Dyanna und Raskus bei ihrer Shoppingtour durch die Stadt. Die Stände auf dem Marktplatz taugten alle nichts. Keiner gab freiwillig ein Kleid heraus ohne Geld dafür zu bekommen. Dyanna konnte ihnen nur versprechen das Kleid unversehrt wieder zurückzubringen, natürlich reichte dies und ein freundliches Lächeln von Raskus nicht. Ohne Rat und völlig erschöpft setzten sie sich hin, wobei Ankou laut dachte: „Wir könnten eins klauen.“ Raskus versuchte sofort Ankou aufzuklären: „Dummer Junge! Wie kommst du nur aufs Klauen, da liegst du völlig falsch. Klauen ist eine tolle Sache, aber wir würden das Kleid nur unerlaubt leihen, weil wir es zurück bringen. Verstehst du den Unterschied?“ Ankou hätte nie damit gerechnet, dass ein Pfarrer, ein Heiliger, ihm mal den Unterschied vom Klauen und Leihen erklären würde und dazu noch behauptete, dass es etwas Gutes wäre zu klauen. Raskus interpretierte den Blick von Ankou völlig falsch und verdeutlichte den Unterschied dieser zwei Taten anhand kurzer Definitionen genauer. Völlig in einer Diskussion vertieft wie sie das Kleid am besten ‚unerlaubt Leihen’ konnten, bemerkten die beiden nicht wie der Junge, vor dem Ankou Dyanna gewarnt hatte, sich vor sie hinkniete. Er konnte nicht viel älter als sie selbst sein, das bemerkte Dyanna, als der Unbekannte ihren Handrücken küsste: „Etwas so schönes hier zu sehen hätt ick nich jedacht. Den janzen Tach konnt ick meinen Blick nicht abwenden. “ Dyanna stieg das Blut in den Kopf, was man an ihrem roten Kopf sah. Ankou, der heimlich das Geschehen beobachtet hatte, unterbrach verfrüht seine Diskussion mit Raskus. Er zog Dyannas Bewunderer an den verfilzten Haaren von seinem Schützling weg: „Komm ihr nicht noch mal so nahe!“
„Mach ma nich so’n Stress, Alter. Ick wollt dir nich die Freundin ausspann’.“
„Du hast es aber versucht!“
„Probiern jeht über studiern.“
„Wenn du nicht wissen willst, was wahre Schmerzen sind, dann solltest du schleunigst verschwinden!“
„Is jut, ick bin weg, aber nur weil ick nich will, dass deene Freundin zur Witwe wird!“ Ankou ballte die Fäuste. Sein gegenüber machte eine Andeutung nach links, rannte dann aber rechts an Ankou vorbei. Dieser folgte ihm, doch trotz der vielen Ketten an der Hose, schaffte er es einen großen Bogen zurück zu Dyanna zu rennen. Er striff rasch ihr langes Haar zurück und roch an diesem sowie an ihrem Hals: „Bist du mein rettender Engel, der mich vor dem Absturz in die Hölle schützt?“ Dyanna wusste keine Antwort darauf, weil sie nicht verstand, was er damit sagen wollte. Ohne zu Ankou zu schauen, der gerade angerannt kam um dem sturen Typen Beine zu machen, schlug sie ihn mit der Faust ins Gesicht. Ankou viel zu Boden und hörte Dyannas harte Worte nur schwach: „Du nervst, lass ihn doch mal ausreden!“ Mister Ich-häng-mir-gern-Eisenketten-an-die-Hose setzte Ankou gegenüber den Sieger blick auf und flüsterte Dyanna etwas leise ins Ohr: „Ihr solltet dort nach nem Kleid suchen. Der Hausherr findet einen sicher schnuckelig von euch.“ Dyanna, Ankou sowie Raskus schauten zu dem Laden auf dem der eigenartige Typ gezeigt hatte. Als Dyanna zurück schaute um sich zu bedanken, war er verschwunden. Ankou war wohl sehr erleichtert darüber, was er mit einem lauten ‚Einglück’ kundtat. Auf die direkteste der direkten Arten ging Dyanna auf den Laden zu. „Du gehst da nicht rein!“, sagte Ankou im befehlerischen Ton. Dyanna machte sich erst etwas daraus, als er sie am Arm festhielt, wobei Raskus die Chance nutzte um Ankou das Nasenblut aus dem Gesicht zu wischen. Dyanna riss sich los: „Du hast mir nichts zu verbieten! Hau einfach ab, okay?!“
„Ja ist okay, wenn du das so willst!“ Zum Abschied hob er kurz die Hand und dann hatten ihn die kaufwütigen Massen des Marktplatzes verschluckt. „Er kommt sicher gleich wieder. Glaubst du doch auch, oder?“ Dyanna versuchte unberührt zu klingen, aber das Zittern in ihrer Stimme war deutlich zu hören. Raskus nickte mit dem Kopf, obwohl er eigentlich der Meinung war, dass sie Ankou nicht so schnell wieder sehen würden. „Ich warte so lange draußen. Lass mich aber nicht wieder so lange warten.“ Mit getrübter Miene betrat sie den Laden und wich so der bedrückten Stimmung aus, die gerade eingetreten war. Während Raskus auf Dyanna wartete, striff sein Blick immer umher, auf der Suche nach Ankou. Eigentlich hatten beide gehofft, dass er irgendwo in ihrer Nähe sei, um sie heimlich zu beschützen, doch sicher konnten sie sich nicht sein.
Als Dyanna endlich wieder aus dem Laden gestürmt kam, überrumpelte sie Raskus mit ihrer überaus guten Laune. In der einen Hand ein neues Kleid haltend sprang sie auf ihn zu: „Er hat es mir geliehen! Ist das nicht toll? Ich weiß gar nicht was dieser dumme Ankou hatte.“ Erstaunt begutachtete er das Kleid: „Wow, das ist wunderschön! Was musstest du ihm versprechen, damit er es dir aushändigt?“
„Ach, nichts besonderes …“ Unscheinbar versuchte Dyanna an dem Gluckenverschnitt von Pfarrer vorbei zu treten. „Was bedeutet ‚nichts besonderes’?“, hakte Raskus nach. Ertappt! Sie schaute zu dem Laden von dem freundlichen Verkäufer, um dem Blick des toten Pfarrers auszuweichen. „Ich hab ihm versprochen, dass du ihn heute noch einmal allein besuchen kommst.“, nuschelte Dyanna. Raskus sah in das schleimige Lächeln des Ladeninhabers. „Wenn genug Alkohol im Spiel ist, mach ich alles!“, kam es von Raskus, der das Lächeln erwiderte und dazu noch verführerisch zu dem Schleimbolzen winkte. Mit so einer Reaktion hätte Dyanna nun gar nicht gerechnet. Vermutlich lag es daran, dass Ankou nicht mehr solch einen schlechten Einfluss auf ihn ausübte, dachte sie im Stillen.
Nun mussten die beiden sich aber sputen, da sie doch tatsächlich mit Ankou im Schlepptau den restlichen Tag gebraucht hatten um ein lächerliches Kleid zu besorgen. Sie hasteten zurück zu dem Wirtshaus, dass sich am anderen Ende der Stadt befand, wobei Raskus die ganze Zeit eine Frage auf der Zunge brannte: „Wollen wir ihn nicht suchen gehen?“
„Wen denn?“
„Ankou natürlich! Du vermisst ihn doch auch, gib es zu.“
„Ich weiß echt nicht von wem du sprichst, ich habe die letzten vierundzwanzig Stunden aus meinen Erinnerungen gestrichen.“
„Du redest wirres Zeug, wenn du unter Liebeskummer leidest. Hat dir das schon mal jemand gesagt?“ Mit ihrem Kleid schritt Dyanna über die Türschwelle ihres heutigem Geldeinnahmezentrums: „Ist nett von dir, dass du mich bis hierher begleitet hast. Jetzt solltest du aber schnell zu deiner Verabredung gehen!“ Sie schlug die Tür zu, in genau dem Moment, wo Raskus einen Schritt auf sie zugehen wollte. Erneut stieß er sich die Nase, was ihn nur unnötig an Ankou erinnerte. In Gedanken malte er sich aus wie das arme Opfer Dyannas Zorns in den möglichsten Gefahren schwebte. Er könnte doch im Springbrunnen ertrinken oder im Kampf mit einem Hund um eine warme Übernachtungsmöglichkeit schwere Wunden davon tragen. Abwesend stieß er dabei gegen eine Person. Raskus schaute nicht auf, sondern meckerte nur still vor sich hin: „Kannst du nicht aufpassen, Penner?“ Dabei vernahm er unbewusst und ohne es für wichtig zu halten Kettengeklimper.

Third Chapter - Kathan

Dyanna war in ihr kleines Zimmer im Dachgeschoss eingetroffen. Die Sonne ging langsam unter. Deswegen suchte sie nach etwas zum Anzünden der Kerzen. Natürlich ohne Erfolg. Plötzlich sprang hinter ihr das Fenster auf. Dyanna wusste, dass es Draußen nicht windig genug war, um solch eine Last aufzudrücken. Da es immer frischer im Zimmer wurde, wollte sie das Fenster, was sich eigenständig gemacht hatte, schließen. Doch je näher sie der düsteren Dunkelheit kam, die außerhalb des Fensters lauerte, hörte sie einen schweren Atem immer lauter werden. Trotz des wenigen Lichtes erkannte sie etwas Tiefschwarzes an ihrem Fenster vorbei springen. Dazu das Geräusch von flatternder Kleidung und das markerschütternde Kratzen von Fingernägeln an der Scheibe sowie Hauswand. Urplötzlich klopfte es auch noch an ihrer Tür. Kreidebleich schrie Dyanna kurz auf. Während ihr Herz wie wild klopfte drehte sie sch vom Fenster weg, dem sie schon bedrohlich nahe gekommen war. Warum hatte sie nur so schreckliche Angst, fragte sich Dyanna. Das war doch früher auch nie so gewesen. Verließ sie sich doch schon zu sehr auf die Hilfe von Ankou? In diesem Moment wäre es wohl wirklich besser gewesen, wenn sie nicht allein in diesem dunklen Zimmer gewesen wäre. Denn sie bemerkte nicht wie zwei Hände durch den Fensterrahmen nach ihr Schnappen wollten. Immer näher kamen sie Dyannas Kopf, bis unerlaubt die Tür aufsprang. Ruckartig zogen sich die Hände zurück. Das Licht aus dem Flur beschien die Person, die in der Tür stand, sodass Dyanna nur dessen Silhouette erkennen konnte. Doch das reichte schon, denn diese Frisur war wirklich immer zu erkennen: „Du bist es nur! Ich hab mich fast zu Tode erschreckt!“
„Einglück lebste noch! Wat machste och keen Licht an? Ganz schön dunkel hier drin.“ Es war wieder der Junge, der ihr schon die Suche nach einem Kleid wesentlich erleichtert hatte. Scheinbar verfolgte er sie regelrecht. Von draußen holte er eine Kerze. Dyanna fasste sich an den Kopf: Wieso war sie nicht selbst darauf gekommen, fluchte sie. Mit seiner unverwechselbaren Frisur und Kleidung wartete er immer noch im Türrahmen darauf eintreten zu können: „Darf ick?“
„Na klar! Du kommst gerade recht. Du kannst mir nämlich dabei helfen.“ Grinsend hielt sie ihr geliehenes Kleid hoch. Sie wusste echt nicht wie sie das anziehen sollte. „Ick helf immer gern!“, freute sich Kathan, so hieß der junge Mann, wie er Dyanna kurz darauf erzählt hatte. Ohne, dass sie es bemerkte, schloss er heimlich die Tür hinter sich ab. Denn Dyanna war schon eifrig dabei ihr Überkleid auszuziehen. Anschließend winkte sie Kathan zu sich, er war sofort zur Stelle. Nachdem sie eine Weile gebraucht hatten um die ganzen hell- und dunkelblauen Schleifen und Bändchen aufzuknoten, waren sie endlich bereit Dyanna in das ebenfalls dunkelblaue Kleid zu zwängen. Kathan wollte ihr die Haare hochhalten und sie sollte rasch hineinschlüpfen, doch da ließ er die Haare wieder fallen und sein Blick richtete sich starr auf das immer noch weit offen stehende Fenster. Er ging langsam darauf zu. Ohne damit zu rechnen erlosch das Feuer der Kerze. „Geh zu dem Alten unten und lass’se wieder anzünd’n. Ick wart hier.“ Nachdem sie aus Reflex die Tür wieder aufgeschlossen hatte, tat Dyanna das, was Kathan kurz zuvor abwesend gesagt hatte und ging in ihrem Mieder die Treppe hinunter. Währenddessen schloss er das Fenster und verriegelte es mit dem dafür zuständigen Hebel. Er zog den Vorhang vor die Scheibe und lehnte sich erleichtert dagegen. Diesmal war es Kathan, der hörte wie lange spitze Fingernägel Kratzer in die Scheibe ritzten. Erschrocken riss er die Augen auf, als sich auch noch an seinem Ellenbogen etwas regte. Sein Blick wanderte langsam zu der Stelle, wo er etwas gespürt hatte. Er sah wie dort der Vorhang Falten schlug. Es war der Hebel, der sich langsam wieder zurück drehte. Als die Verriegelung offen war, riss Kathan das Fenster auf. Der Vorhang peitschte ihm ins Gesicht und er konnte nur hören wie etwas in das Zimmer sprang. „Geh zurück in dein Schloss seniler alter Sack!“, schrie Kathan und zog etwas aus seiner Schuhsohle, musste es allerdings schnell wieder wegstecken, da Dyanna gerade die Treppe hinauf kam. Sein Blick wanderte von der Tür zurück zum Fenster, wovor Kathan eigentlich eine düster verhüllte Gestalt erwartete. Sie war weg! Er stand ganz allein in Dyannas Zimmer, als sie mit einem freundlichen Lächeln eintrat. „Ich muss jetzt runter hat der alte Kauz gesagt. Mein Auftritt beginnt gleich.“, erklärte Dyanna.
Mit Kathans Hilfe hatte Dyanna es in wenigen Minuten geschafft in das Kleid zu schlüpfen und rechtzeitig auf der Bühne des Wirtshauses zu stehen. Und dann ging es los: Die Musik setzte ein. Dyanna bewegte sich immer passend zum Takt. Bei langsamer Musik waren ihre Bewegungen elegant und geschmeidig, bei schnellerer sprang sie mit anspruchsvollen und anmutigen Gestiken die Bühne entlang. Sogar Ankou ließ sich diesen Spaß nicht nehmen und war rechtzeitig im Wirtshaus eingetroffen. Wie erwartet schaute Dyanna nicht mehr zu ihm, als sie ihn entdeckt hatte. Wohlmöglich war der alte Greis, der neben ihm saß ein weiterer, stark dazu beitragender Grund. Im tosenden Beifall ging Dyanna durch die jubelnde Menge um ihr Trinkgeld in Empfang zu nehmen, immer in der Hoffnung es könnte für das morgige Turnier genügen. Still beobachtete Ankou Dyanna, doch als sie hinter den Vorhängen verschwand und Ankou Kathan kurz darauf auch dahinter verschwinden sah, ging Dyannas heimlicher Beschützer in die Offensive. Er versuchte sich durch die noch immer tosende Menge zu drängeln, ohne Erfolg. Was er auch versuchte es war vergebens und die Zeit lief gegen ihn. Er quetschte sich durch zwei Menschen, aber die nächsten schubsten ihn schon wieder nach hinten. „Lasst mich durch. Ich muss zu Dyanna. Dyannaaaa!“, rief er ohne sichtliche Reaktion. Bei seinen Versuchen Dyanna zu erreichen, kratzte ihn einer der Leute und riss ihn kleine Hautfetzen von dem Arm. Ankou schaute zurück: Eine verhüllte Gestallt stand dort, aus dessen tief herunter gezogene Kapuze etwas Blut auf den Boden tropfte. Beim Weiterdrängeln dachte sich Ankou im Stillen: ‚Ist auch egal, war sicher nur Tomatensoße.’ Er war immer noch nicht weiter gekommen und es war schon viel zu viel Zeit vergangen. Was mag mit Dyanna in dieser Zeit schon passiert sein? Ankou wusste es nicht er hatte nur ein mulmiges Gefühl und einen guten Plan. Er rief laut umher: „Ich bin Arzt! Lasst mich durch, da hinten gibt es Verwundete.“ Endlich zog sich die Masse zurück und Ankou fand einen freien Weg. Nun konnte er mit Leichtigkeit zu Dyanna gelangen.
Dyanna hatte sich zu tiefst erschrocken, als wieder einmal urplötzlich Kathan auftauchte. „Sah echt klasse aus. Haste echt jut jemacht!“
„Danke. Es war auch echt anstrengend ich muss jetzt unbedingt schlafen gehen.“
„Darf ick noch kurz mit hoch komm’n?“
„Das wär sicher nicht so gut. Ankou hätte was dagegen.“
„Wat int’ressiert mich der.“
„Hast wohl Recht, der kann mir echt gestohlen bleiben, aber ich möchte trotzdem lieber gleich schlafen gehen.“ Sie drehte sich um und wollte die Treppen zum Obergeschoss hinauf gehen, da hatte sie Kathan schon von hinten umarmt. Um ihn abzuschütteln, versuchte Dyanna ihm am Arm wegzuziehen. Dabei schnitt sie sich jedoch an den spitzen Stacheln von seinem Armband. Liebevoll leckte er das Blut von ihrem Finger: „So lecker, zu lecker. Warum haste nur so köstlichet Blut?“, flüsterte Kathan mit schwerem Atem und ließ Dyanna unerwartet los. Sie drehte sich zu ihm und sah, wie Kathan verkrampft und nervös an seinen Fingernägeln kaute. Dyanna legte behutsam ihre Hand auf seine Schulter, was der Auslöser für Kathans Hyperventilieren war. Er drückte Dyanna am Hals mit seinem Arm gegen die Wand. Er lockerte den Druck seines Armes und zog mit dessen Hand Dyannas Kopf zur Seite. Ihr Hals war nun freigelegt. „Sorry, aber ick kann nich anders.“ Dyanna konnte Kathan nicht sehen, aber in ihren Gedanken malte sie sich absurde Sachen aus: ‚Er wird wohl kaum ein Perverser sein, aber ein Vampir … Das kann nicht sein! Das Sonnenlicht hat ihm nichts ausgemacht.’ Nichts desto trotz hatte Dyanna mit ihrer Vermutung Recht: Kathan war ein Vampir. Er wollte gerade in ihren Nacken beißen und ihr das warme Blut aus den Adern saugen, als Ankou es endlich geschafft hatte sich den Weg durch die Massen zu bahnen: „Griffel weg!“ Kathan ließ von Dyanna ab: „Du schon wieder. Willste unbedingt jung sterben?“
„Das bin ich schon!“ Kathan verstand nicht. Warum auch, nur Dyanna wusste ansatzweise über ihn bescheid. Ankou wollte Kathan mit der Faust schlagen, doch dieser wich elegant aus und der Schlag ging verdammt knapp an Dyannas Gesicht vorbei. Jetzt wo Dyanna bereit war Ankou wieder in die Augen zu sehen, war er es nicht. Er entschuldigte sich nicht für den Schlag, der sie fast getroffen hatte und blickte sie nicht einmal wenige Sekunden an. Es schien als sei er noch immer verletzt über Dyannas harte Worte. Mitten im Gefecht fragte sie nach dem Grund seiner Unkonzentriertheit: „Was ist los mit dir Ankou?“ Keine Antwort, darum hakte Dyanna weiter nach: „Was kann ich tun, damit du endlich wieder konzentrierter kämpfst und nicht nur Kathans Schläge einsteckst?“
„Entschuldige dich!“, antwortete Ankou endlich, mit nach Luft ringender Stimme. „Wofür?“ Kathans und Ankous Blick war gleich. Es war der Blick, der zeigte wie ein Mann feststellen musste, dass Frauen es nicht bemerkten, wenn sie ihn verletzten. „Sagt dir ‚Hau einfach ab!’ was?“ Dyanna starrte in die Luft, was zeigen sollte, dass sie angestrengt nachdachte. Ab und zu änderte sie ihre Position und Ankou wusste, dass sie sich nicht erinnern konnte. Der Kampf ging also weiter. Ankou wollte Kathan die Beine wegtreten, doch der sprang hoch. Krallte sich an Ankous Haarschopf fest und lief schnell die Decke über Ankous Kopf entlang. Er hatte wie ein Vampir keine Probleme mit der Schwerkraft. Kurz bevor Kathan hinter Ankou auf dem Boden aufsetzte trat er diesem kräftig mit seinem Stahlkappenschuh(Springerstiefel) in die rechte Seite seines Brustkorbes, dass er merken konnte wie darin die Knochen nachgaben. Die Wucht des Trittes schleuderte Ankou gegen die nächste Wand. Ankou spuckte Blut, was sich jedoch schon nach wenigen Malen legte, da seine Wunden schneller heilten, als bei normalen Menschen. Doch die Schmerzen waren noch so stark, dass Ankou sich nicht bewegen konnte. Kathan zog das aus dem Schuh, was er schon einmal in Dyannas Zimmer zücken wollte. Dyanna konnte es nicht erkennen, erst als er sich nicht mehr so schnell bewegte. Er hatte drei lange, scharfe, spitz endende Klingen unter seiner Schuhsohle herausgezogen. Was trägt der denn noch für komische Sachen bei sich, fragte sich Dyanna. Die Klingen hatte sich Kathan zwischen die Finger, nahe den Knöchelchen, gesteckt, sodass sie wie riesige Klauen wirkten. Er holte damit aus, und es hatte den Anschein, als wollte er Ankou mit diesen eigenartigen Klauen aufschlitzen. Das scharfe Werkzeug bohrte sich rechts und links von seinem Hals in die Wand und schnitt sanft in sein Fleisch. Die mittlere Klinge hatte Kathan jedoch im letzten Moment so nach oben gerichtet, dass sie auf Ankous Nasenspitze zeigte und nicht seinen Kehlkopf spaltete. Das wäre wohl sehr schmerzhaft gewesen und hätte ihn garantiert getötet, egal wie schnell seine Wunden heilten. Sogleich stieß Dyanna eine Stange aus dem Treppengeländer heraus und richtete diese auf Kathan: „Du hast ihn genug gedemütigt, wenn du weiter machst fühle ich mich gezwungen dieses Provisorium von Pflock einzusetzen.“ Kathan zog seine Klingen aus der Wand, worauf kurz etwas Blut Ankous Hals hinunter lief. Dann steckte Kathan sie weg: „Is schon jut, ick tu euch nüscht. Ihr seid doch meene Freunde, aber manchmal kann ick echt nüscht gegen meenen Blutdurst tun. Also leg dit Stöckchen weg, dat bringt sowieso nüscht. Noch nich!“
„Wieso nicht, du bist doch ein Vampir?“
„Nich würklich.“ Dyanna legte den provisorischen Pflock so neben sich, dass sie im Notfall immer noch rankäme: „Was heißt das?“ Auf diese Frage hatte Kathan wohl sehnsüchtig gewartet, denn endlich konnte er sein Leiden erzählen: „Ick bin nur ein halber Vampir. Meene Mutter, diese perverse Hure, hatte mal dat Verlangen mit’nem Vampir zu fick’n! Wat dabei raus kam bin ick.“ Dyanna war sichtlich erzürnt über die Wortwahl Kathans gegenüber seiner Mutter. Sie wusste nicht, was man darauf hätte antworten können, deshalb ging sie zu Ankou hinüber, dem man keine Reaktion ansah, weil er noch immer mit seinen Schmerzen zu tun hatte. „Ick werd dann mal abzischen. Tut mir echt leid, dat ick euch belästigt hab. Man sieht sich und seid uff der Hut heut Nacht, da braut sich wat zusammen. Ick spür dat.“ Somit verabschiedete sich Kathan und war genau so schnell verschwunden, wie er immer aufgetaucht war.

Dyanna wagte es einige Schritte auf den Verletzten zuzugehen. Noch immer schaute Ankou sie nicht an. Aus diesem Grund kniete sie sich vor ihm hin, packte ihm am Kinn und richtete seinen Kopf auf sich: „Du kannst mir nicht mehr in die Augen blicken, oder? Warum denn?“
„Das bildest du dir nur ein.“ Ankou redete nichts als Schwachsinn, denn sein Kopf war zwar auf Dyanna gerichtet, doch sein Blick zeigte in Wirklichkeit in eine gänzlich andere Richtung. „Ist es, weil ich doch mit Kathan geredet habe, obwohl du mich vor ihm gewarnt hast? Ich gebe zu, dass du in gewisser Weise mit ihm Recht hattest, aber ich war auch nicht im Unrecht. Er ist schließlich ein ganz netter Kerl, wenn man es nicht in betracht zieht, wie er dich zugerichtete hat.“
„Dann folg ihm doch!“
„Musst du jeden Mann immer gleich als Rivalen sehen? Durch deine Eifersucht könnte ich mir echt nichts Ernsteres mit dir vorstellen. Man kann auch ...“ Als Dyanna Ankou anschrie, hatte dieser ihr plötzlich direkt in die Augen geschaut, sodass ihr abrupt die Worte fehlten. Ihr Herz schlug wie wild, doch sie wusste nicht warum. Sie sah nur diese klaren, liebevoll glänzenden Augen, die keineswegs dasselbe meinten wie es Ankou aussprach: „Da haben wir ja eine Gemeinsamkeit. Ich könnte mir nämlich auch keine feste Bindung mit dir vorstellen.“ Dieses noch nie erlebte Gefühl des Herzrasens ließ Dyanna unsicher werden, worauf sie Ankou weg stieß. Da seine Wunden noch nicht völlig geheilt waren, schaffte er es gerade so sich wieder ordentlich hinzusetzen: „Was soll denn der Scheiß? Wie kann man einen Verwundeten einfach umschupsen? Du kennst wohl absolut kein Schamgefühl!“ Dyanna hatte in der Zeit, die Ankou zum Aufrappeln gebraucht hatte, die Treppe erreicht: „Stimmt ja, du bist verletzt. Das tut mir aber leid! Um dir mein Bedauern unter Beweis zu stellen, erlaube ich dir heute in meinem Bett zu schlafen. Dazu musst du aber erstmal hochkommen, weil ich dich nicht tragen werde. Ich könnte mir ja irgendwas dabei verrenken. Und wehe du kommst mir zu nahe, du bleibst schön in der kleinen Ecke.“
Abwesend und in Gedanken vertieft ging sie hinauf in ihr Zimmer, das der Inhaber dieses Wirtshauses Dyanna als Lohn für ihren Auftritt zur Verfügung gestellt hatte. Kaum hatte sie sich auf dem Bett niedergelassen, klopfte es auch schon an der Tür. Dyanna dachte im Scherz: ‚Seine Wunden sind aber schnell geheilt.’ Sie öffnete gespannt die Tür und musste feststellen, dass es tatsächlich Ankou war, der geklopft hatte. Mit ihm hatte sie nicht so schnell gerechnet: „Was machst du denn schon hier?“ Ankou lächelte so schleimig eklig, wie sie es vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. Bei diesem Anblick wurde ihr spei übel und sie wünschte sich, dass Raskus oder Kathan jetzt hier wäre, denn bekanntlich ist ja geteiltes Leid gleich halbes Leid. Zu dem Lächeln kam noch seine widerwärtige Stimme, als er auf Dyannas Routine mäßige Frage antwortete: „Was glaubst du denn.“ Sie klang eigenartig tief und es hörte sich fast so an als ob Ankou näseln würde. „Deine Stimme!“, begann Dyanna. „Hast du dir einen Schnupfen eingefangen, während du da draußen mit Hunden gerungen hast? Oder hast du dich entschieden doch noch in den Stimmbruch zu kommen?“ Sie bekam keine Antwort. Ankou trat nur unaufgefordert ein. Das alles machte Dyanna sichtlich Angst, normalerweise hätte er doch sicher gekonnter, aber nun lächelte er einfach vor sich hin. Liebend gern wäre Dyanna jetzt gern im Gefecht mit hunderten von Werwölfen gewesen, anstatt in einem Raum mit diesem Verrückten. Diese Wunschvorstellungen waren nicht ohne Grund, denn nun zerrte Ankou Dyanna auf das Bett. Beim Fall auf die eigentlich kuscheligen Kissen, stieß sie sich den Kopf an der Wand und verlor das Bewusstsein.

Fourth Chapter - Beelzebub

Mit Kopfschmerzen wachte Dyanna wieder auf. Sie wusste nicht wie lange sie wehrlos dort gelegen hatte und was Ankou alles mit ihr angestellt hatte, aber es konnte nicht viel gewesen sein, da er, wie wahrscheinlich auch alle anderen Männer dieser Welt, noch immer Probleme hatte dieses schreckliche Kleid zu öffnen. Sie atmete erleichtert aus und dankte innerlich Kathen noch einmal, dass er ihr diesen Laden gezeigt hatte. War das nur Zufall, dass sie solch ein kompliziertes Kleid bekommen hatte oder hatte Kathan Ankous eigenartiges Verhalten voraus gesehen? Sie würde wohl so schnell keine Antwort darauf bekommen. Erst als sie wieder vollkommen bei Besinnung war, fielen ihr die düsteren Gestalten hinter Ankou auf. Gemeinsam mit ihm versuchten sie des Rätsels Lösung zu finden. Keiner von ihnen wusste jedoch wie sie das Kleid hätten öffnen können. Am Rande der Verzweiflung schlug Ankou seinen Mitstreitern vor: „Gebt mir etwas um das Kleid aufzuschneiden. Das ist doch zum Haare ausraufen, ich zerfetze es in Tausend Teile! Oder…“ Er schob ihr Kleid ein Stück hoch. Endlich schaffte es auch Dyanna ihre Gedanken wieder in Worte zu fassen: „Lieber würde ich sterben, als zuzulassen, dass ihr dieses Kleid beschädigt. Ich muss es nämlich unversehrt dem Besitzer zurück bringen. Ich könnte es mir natürlich auch unter gewissen Umständen selbst ausziehen.“ Mit gierigem Blick nickte Ankou und stand vom Bett auf, um Dyanna freie Hand zu lassen. Doch anstatt sich auszuziehen, zog sie ihren Revolver unter dem Kleid hervor und richtete ihn lässig auf Ankou: „Ich bring dich um! Du kannst mir meine Würde und meinen Stolz nehmen, aber meine Unschuld nimmt mir niemand. Verstanden? Das ist alles was mir nach dem Tod meiner Eltern geblieben ist…“ Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand, dennoch rief Ankou seine Leute zurück, die drauf und dran waren sie unter Einfluss von Gewalt zu entwaffnen. Zu Dyannas Erleichterung klopfte es erneut an diesem Abend an ihrer Tür: „Dyanna? Bist du noch wach?“ Als sie die Stimme erkannte, stieß sie ungläubig aus: „Ankou?“ Dabei vernachlässigte sie jedoch ihre Deckung und Ankou, der ihr gegenüber stand, schlug ihr die Waffe aus der Hand. Langsam öffnete sich die Tür knarrend. Zum Vorschein kam ein zweiter Ankou, der etwas blöd aus der Wäsche schaute, als er die seltsamen Gestalten, Dyanna und sein Ebenbild erblickte. Reflexartig tastete der im Türrahmen stehende Ankou nach seiner Augenklappe, um diese sicher über seinem linken Auge zu wissen. Dyanna sah keinen erdenklichen Sinn für diese Reaktion, aber sie würde es schon bald am eigenen Leibe erfahren müssen. Dennoch war sie noch nie so froh gewesen Ankou, den sie vor kurzem noch versucht hatte loszuwerden, vor sich zu sehen. Aber wer war dann das mit dem Ekel erregenden Lächeln?
„’tschuldigung, falsches Zimmer!“, sagte plötzlich der kürzlich aufgetauchte Ankou und schloss leise hinter sich die Tür. Entsetzt starrte Dyanna auf die geschlossene Tür: „Was war denn das für eine Aktion?“ Während sie um ihre Sicherheit fürchtete, waren sie anderen glücklich über diese Wendung, denn nun konnten sie sich wieder voll und ganz Dyanna widmen.
Aus ihren Lungen erklang ein Mark erschütternder Schrei. So eben war die Tür mit lautem Schmettern aufgesprungen, was Dyanna fast zu Tode erschreckt hätte. Ankou richtete seine Armbrust auf den schleimig Lächelnden vor Dyanna. Jeder Mann hätte in solch einem Moment ein Auge zugekniffen und seinen Kopf zur Seite geneigt, um zu demonstrieren, dass er ganz bei der Sache war und genau zielte damit er seine ‚Liebste’ retten konnte. Doch das ging leider nicht bei Ankou, weil bei ihm schon ein Auge mit seiner Augenklappe verdeckt war. Obwohl er es liebend gern den anderen Männern gleich getan hätte, wirkte Ankou in Dyannas Augen auch so cool genug. „Hände hinter den Kopf!“, befahl Ankou, während er einige Schritte in den Raum setzte. Was war nur so erfreulich an diesen Worten, dass der andere Ankou wieder anfing wie blöde zu grinsen. Nichts desto trotz legte er seine Hände hinter die Ohren. Nun mussten alle Anwesenden zusehen wie er seine Fingernägel in das Fleisch bohrte. Von den Ohren ab riss er sich die Gesichtshaut vom Schädel. Ankous Antlitz sank wie eine Maske zu Boden. Auch der Rest von dem was aussah wie der Körper des Friedhofgeistes glitt wie eine seelenlose Hülle zu Boden. Der Person, die nun anstelle des widerlich grinsenden Ankous da stand, wurde ebenfalls ein schwarzer Umhang über die Schultern gelegt. Es war kein Skelett, welches nun dort stand, was man hätte denken können nachdem sich die Person gehäutet hatte, es war ein Mensch. So glaubte zumindest Dyanna und in gewisser Weise hatte sie auch recht damit. „Seid ihr wohl auf, Graf?“, hörte es das verwirrte Mädchen von den düsteren Gestalten. Der Mann sah tatsächlich so aus, wie sich Dyanna Graf Dracula immer vorgestellt hatte. Da sie ihm glücklicherweise noch nie vorher begegnet war, konnte sie über dessen Aussehen spekulieren. Sie vermutete, und so war es auch, dass er weiße Haut, blutrote Lippen und langes, glattes, schwarzes Haar hatte. Ankou unterbrach die Spannung steigernde Stille: „Was willst du, Beelzebub?“
„Du hast mich erkannt?“
„Als ob das so schwer wäre. Jetzt antworte auf meine Frage!“ Beelzebub winkte seine sich sorgenden Untertanen fort. „Ich wollt mir nur meine zukünftige Frau ansehen.“
„Und sie nebenbei zu einem blutleeren Zombie machen?“
‚Yes!’, dachte sich Dyanna ‚Das ist eindeutig der richtige Ankou. Der kann wenigstens ordentlich kontern.’ Außerdem sah sie noch die Blutspuren von den Schnittwunden an Ankous Hals, die ihm Kathan zugefügt hatte. Irgendwie musste Kathan es geahnt haben, dass ein verrücktes Ankoudouble Dyanna belästigen würde und hat durch den Angriff dem richtigen ein Erkennungszeichen gesetzt.
Die beiden anderen bekamen Dyannas Gedanken natürlich nicht mit und plauderten deshalb genüsslich weiter. „Mit deinen Hautfetzen hast du mir beträchtlich dabei geholfen. So war es mir möglich dein Aussehen anzunehmen.“, ergänzte Beelzebub zu seiner letzten Aussage. „Du warst das also? Wusste ich doch, dass das keine Tomatensoße war.“ Dyanna sah ihn verwundert an. Auch Beelzebub schien nicht recht zu verstehen, aber er konnte geschickt von seinem Unwissen ablenken: „Ich habe genug für diese Nacht erlebt. Vergiss aber nicht dein Versprechen. Ich sehe es als nicht eingehalten an, schließlich musst du sie in mein Schloss bringen!“ Wie schon kurz zuvor seine Gehilfen verschwunden waren, tat der Graf es ihnen gleich.
Dyanna wusste, dass sie Ankou nicht noch einmal auf sein Versprechen, fast schon Packt, mit den Vampiren ansprechen brauchte. Beim letzten Mal hatte er ihr schon nicht darüber geredet. Sie hielt es daher für besser ihm im Stillen kurz zu umarmen. Dadurch brauchte sie sich auch nicht direkt bei ihm bedanken, das hätte ihr Stolz zudem nie zugelassen. So kam es, dass sie Ankous Arm samt der Armbrust zur Seite schob und ohne Worte an seiner Brust ruhte. Zögernd legte auch er einen, aber wirklich nur einen, Arm um ihre Schultern. Endlich wusste sie Ankou wieder an ihrer Seite. Obwohl er kalt wie der Tod war, empfand sie die Umarmung doch als sehr erleichternd, sodass das Gefühl von lang ersehnter Vertrautheit und des Wohlfühlens in ihr aufstieg. Dass sie es als sehr befreiend empfand, wollte sie sich auf keinen Fall eingestehen und verdrängte somit das Gefühl, dass er für sie ohne es zu wollen zu einem festen, nicht entbehrbaren Teil im Leben geworden war. „Eigentlich wollte ich mich ja jetzt waschen, aber ich glaube du hast es nötiger“ Mit diesen Worten wandelte Dyanna die positiven Wellen in negative um und stellte somit die alte angespannte Atmosphäre zwischen den beiden her.
Ankou schnupperte kurz an sich. „Wenn du nicht Recht hättest, würde ich dir diese versteckte Beleidigung sicher übel nehmen.“, versicherte er Dyanna, die sichtbar stolz auf seinen Sarkasmus und nicht auf irgendein schleimiges Lächeln war. Anschließend zog er sein Oberteil aus. Ankou war sehr erstaunt darüber, zumal er beim letzten Versuch sich dieser Sachen zu entledigen gescheitert war. Es lag wohl daran, dass er es nicht bewusst oder gewollt auszog, vermutete Ankou und war sich ziemlich sicher, dass sonst Beelzebubs Zauber sein Vorhaben verhindert hätte. Als Dyanna einen schweifenden Blick über Ankous Oberkörper warf, erkannte sie längliche Narben auf seinem Rücken. „Woher stammen diese Narben?“
„Ach die alten Dinger, ich hatte sie schon fast vergessen! Die sind vom meinem alten Lehrer, er fand es erregend die Prügelstrafe ein zu setzten.“
„Du bist zur Schule gegangen? Ist ja toll, ich musste mir das Lesen und Schreiben selbst beibringen. Was ich mich schon die ganze Zeit frage, ist ‚Ankou’ nur ein Begriff für Friedhofsgeist?“
„Ja.“
„Wie ist dann eigentlich dein richtiger Name?“
„Hab ich nach meinem Tod vergessen.“ Ankou klang genervt, doch Dyanna hakte weiter nach: „Wie war deine Familie so?“ Dyanna merkte Ankous unruhigen und ebenfalls zornigen Blick. „Macht es dir Spaß mich zu nerven?“ Am liebsten hätte Dyanna ‚Ja!’ gesagt, aber sie schwieg stattdessen. Und so fuhr Ankou fort: „Ich will mich gar nicht an mein Leben vor dem Tod erinnern, also lass mich mit deinen dummen Fragen in ruhe!“
„Ich wollte dich nicht wütend machen. Woher soll ich denn wissen, dass dein Leben so scheiße war.“
„Vergessen wir die Sache, okay? Wie geht’s deiner Schulter?“ Es kostete Ankou viel Kraft seinen Zorn im Zaum zu halten. Er konnte ihn allerdings mit seiner Besorgnis um Dyannas Schulter übertonen. „Ich hab doch schon gesagt, dass sie in Ordnung ist!“
„Die Stange hat sich doch genau durch das Schulterblatt gebohrt. Ich guck mir das nachher noch mal genauer an.“ Dyanna nickte nur, dann verschwand Ankou in das kleine Badezimmer. Leise sagte sie noch etwas zu ihm: „Ankou, ich wollt mich bei dir entschuldigen. Weil ich dich heute weg gejagt habe.“
„Hast du was gesagt?“ Ankou lugte mit dem Kopf aus dem Bad und lächelte sie freundlich an. Sie schüttelte mit dem Kopf und wusste genau, dass Ankou die ganze Sache schon längst wieder verdrängt hatte. Deswegen entschied sie sich ihre Entschuldigung nicht noch einmal zu wiederholen, sonst würden sich die beiden wieder streiten.
Nachdem Ankou das Badestübchen verlassen hatte, musste er mit ansehen wie auch Dyanna vergebens versuchte sich allein diesem schrecklich zusammengeschnürten Kleid zu entledigen. „Warum tut ihr Frauen euch nur so was an?“, fragte Ankou, während er sich das Haar trocken rubbelte. Danach demonstrierte er wie leicht es doch Männer hatten sich anzuziehen. Sie sahen zwar nicht immer nobel und fein aus, aber wenigstens hatten sie etwas auf der Haut. In solchen Beziehungen dachten sie ganz anders als Frauen. Noch immer griente Ankou vor sich hin, weil er wieder einmal bewiesen hatte, dass die männliche Spezies in manchen Sachen eindeutig überlegen war. Doch Frau weiß sich in einer solchen Triumphphase des anderen Geschlechts zu helfen, um den Höhenflug eines Mannes zu stoppen: „Als ich das Kleid vorhin angezogen habe, hat mir Kathan geholfen. Hat er echt gut gemacht, aber ob du das auch schaffst?“ Dyanna nutzte einfach das Können einer anderen Mannes um Ankous eigentliche Unbeholfenheit zum Ausdruck zu bringen. Innerlich tobte er, aber natürlich wollte er sich seine Eifersucht nicht anmerken lassen. Er tat einfach so, als hätte er nichts gehört und setzte sich schüchtern auf eine der vier Bettkanten. Sofort kam Dyanna zu ihm angekrabbelt und wedelte mit einer ihrer Kleidschnüre vor seiner Nase rum. Sie summte folgende Worte wie eine Beschwörungsformel: „Hilf mir!“ Er schnappte sich die Schnur und erklärte ihr die richtige Technik: „Du musst zuerst den untersten Knoten öffnen, dann lockert sich der darüber Liegende und so machst du dann weiter.“
„Du kannst das ja richtig gut! Ziehst du auch öfters solche Kleider an?“ Dyanna spaßte nur, doch Ankou sah sie sprachlos, seinen Zorn zurückhaltend an. „Gerade eben wollt ich noch sagen, dass dir das Kleid steht, aber ich muss mich geirrt haben. Es ist eine Schande für das Kleid an dir gesehen zu werden.“ Er verdrehte die Augen und schmiss sich eingeschnappt auf das Doppelbett. „Ich helf dir nicht mehr! Öffne deine Schnürchen doch selbst!“ Er rollte sich genau so hin, dass er beide Betthälften für sich einnahm. Dyanna wandte Ankous Trick weiterhin an und hatte es schon bald geschafft alle Schnüren zu öffnen. Als sie sich das Kleid über die verwundete Schulter zog, biss sie sich auf die Lippe. Ankou konnte das zischende Geräusch hören, als sie vor Schmerzen Luft durch den kleinen Spalt zwischen Lippe und Zähne einzog. Er richtete sich auf und sah Dyannas Schulter, die sie mit irgendwelchen verdreckten Stoffresten umwickelt hatte, um die Blutung zu stoppen. Durch diese äußerst unkluge Maßnahme hätte sie sich leicht eine Blutvergiftung zuziehen können. „Es ist alles in Ordnung mit deiner Schulter, was? Du bist wohl völlig bescheuert, das sieht echt nicht gut aus!“ Ankou war außer sich vor Wut über Dyannas nicht vorhandenes Verantwortungsbewusstsein. Er packte sie grob an ihrer gesunden Schulter: „Schließ die Augen!“
„Nein!“, schrie Dyanna und versuchte sich von Ankous Griff loszureißen. Es war ihr nicht geheuer fast nackt vor ihm zu stehen, kurz nachdem was ihr Beelzebub in seiner Gestalt antun wollte. „Fass mich nicht an.“ Dyanna schlug wie wild um sich und stieß Ankou von sich, dabei stürzte sie auf das Bett. „Ich tu dir schon nichts.“, erwiderte Ankou. Er setzte vorsichtig auf ihre Beine und drückte sanft ihren Kopf zur Seite. Dann entfernte er mit einem kurzen Ruck die provisorischen Verbände von ihrer Schulter. Er richtete seinen Blick starr auf ihre Wunde und schob dann langsam seine Augenklappe hoch. Dyanna spürte, wie die Schmerzen erträglicher wurden und letztenendes gänzlich verschwanden, dafür spürte sie ein warmes Kribbeln in der Schulter. Schwach sank Ankou zur Seite und sah ziemlich mitgenommen aus. Sofort überprüfte Dyanna ihre Schulter. Es war keine Wunde mehr zu sehen. Dafür schien es Ankou sehr schlecht zu gehen. Mit letzter Kraft schaffte er es seine Augenklappe wieder richtig über seinem Auge zu platzieren. Dann erst sah Dyanna, dass nun Ankou die gleiche Wunde hatte wie sie. „Was hast du getan?“
„Lass mich in Ruhe.“ Er drehte sich von Dyanna weg, während er bemerkte, dass die Wunde leider nur sehr langsam mithilfe Beelzebubs ‚gut gemeintem’ Fluch ausheilte. Dyanna sah ein, dass ihr Ankou wieder einmal geholfen hatte. Da er nun unzurechnungsfähig war, beschloss sie ihn erst einmal schlafen zu lassen und sich selbst ins Bad zu begeben.
Schläfrig wie er war, schlummerte Ankou sofort ein. Allerdings suchte ihn nun ein eigenartiger Traum heim. Er befand sich mit Dyanna und Raskus vor einem riesigen Haus wieder. Vor ihnen versammelten sich über hundert Vampire, an deren Spitze sich natürlich Beelzebub befand. Zur Raskus’ Rechten war der schwarze Werwolf, Dyannas Verlobter, an einen Baum gebunden. Er konnte sich ungewollt von seinen Ketten losreißen und sprintete nun auf den Grafen zu. Raskus zog sich bescheiden aus dem Geschehen zurück und Dyanna sowie Ankou waren mit den angreifenden Vampiren beschäftigt. Bis plötzlich Dahr außer Kontrolle geriet und nun auf Dyanna zustürmte. Bei dieser abrupten Wendung ließ Dyanna versehentlich ihren Revolver fallen. Sie schaffte es nicht mehr ihn aufzuheben, weil sie sonst von den Reißzähnen ihres Verlobten zerfleischt worden wäre. Nicht einmal bei einer Vollmondnacht hatte sie solch ein aggressives Verhalten eines Werwolfes bemerkt, aus diesem Grund hielt sie es vorerst für besser vor dem Wolf zu fliehen. Schneller und noch schneller musste sie werden, denn hinter ihr kam das Knurren und Hecheln immer näher. Raskus, der Angsthase, traute sich nicht ihr zu helfen und Ankou war noch immer mit den Vampiren beschäftigt. So mussten beide mit ansehen wie ein Gleichgesinnter von Dahr aus den Büschen gesprungen kam. Dyanna konnte nicht mehr abbremsen und geriet mitten in den Sprung des Werwolfes. Die beiden Kräfte prallten aufeinander, sodass Dyanna erst durch die Luft geschleudert wurde und dann samt Wolf auf den Boden aufprallte. Das Geräusch einer zerberstenden Wirbelsäule konnte sogar Ankou noch hören, aber wahrscheinlich hatte Dyanna davor noch gespürt wie ihr die Kehle durchgebissen wurde.
Schweißgebadet schrak Ankou aus seine Traum auf. Sein Blick suchte sofort nach Dyanna. Sie lag wohl auf neben ihm. Er streichelte ihr sanft über die Wange, wobei sie aufwachte: „Was ist los?“ Sie rieb sich schlaftrunken den Schlaf aus den Augen und gähnte lauthals. Ankou musste die Chance einfach für wahrnehmen und umarmte sie sanft. Durch seinen Traum wurde ihm erst richtig bewusst, dass es das letzte Mal hätte sein können, schließlich befanden sie sich mitten im Kampf zwischen den mächtigsten Wesen der Nacht. Doch die Umarmung war nicht von Dauer, denn Dyanna begann sich plötzlich aufzulösen. Als Ankou nur noch warme Luft, anstatt Dyanna, in seinen Armen spürte, bildete sich vor ihm das Gesicht Beelzebubs ab: „Danke, dass du mir geholfen hast. Ich werde sie jetzt an mich nehmen und du kannst zurück auf deinen Friedhof gehen!“
„Nein! Du hast dein Versprechen nicht eingehalten, also gib sie mir wieder!“ Ankou schrie Beelzebub an und versuchte ihm mit der Faust ins Gesicht zu schlagen, aber er traf nur das Nichts. Zusammengekauert saß er nun ganz allein in diesem dunklen Zimmer und schrie immer wieder Dyannas Namen so laut er konnte. Bis er plötzlich einen stechenden Schmerz in der linken Wange spürte. Ein Schmerz wie von einer Ohrfeige. Außerdem rief jemand seinen Namen, aber wer konnte das sein? Es war eindeutig Dyannas Stimme, da war sich Ankou sicher. Doch er sah sie nicht, wo konnte sie nur sein? „Wach auf!“, erklang wieder Dyannas Stimme. ‚Aufwachen? Aber ich bin doch schon wach!’, fragte sich Ankou und schloss die Augen. Danach öffnete er sie wieder. Er saß im gleichen Zimmer, auf der gleichen Stelle des Betts, wo er sich auch befand bevor er die Augen geschlossen hatte. Doch diesmal war der Raum in ein schummeriges Licht gehüllt und nicht stockfinster. Dyanna hatte sich über ihn gebeugt: „Du hattest wohl einen schlechten Traum? Ich hab dich die ganze Zeit unruhig seufzen hören.“
„Hab ich etwas gesagt?“
„Nein!“, flunkerte Dyanna, die genau wusste, dass Ankou öfters laut ihren Namen gerufen hatte.
Eine Nacht neben Dyanna war der reinste Horror, das musste Ankou am eigenen Leibe erfahren. Sie schlug, boxte und trat wie wild um sich. Solch einen unruhigen Schlaf hatte er noch nie erlebt. Dennoch hatte er es geschafft die Barriere aus Schlägen und Tritten zu durchbrechen. Denn als Dyanna aufwachte fand sie ihn, wie ein Baby an ihrer Brust, schlafend. Im Laufe der Nacht musste er sich wohl angekuschelt haben, obwohl sie es ihm strickt verboten hatte. Normalerweise hätte sie ihn sofort zur Strafe verprügelt, aber dann fiel ihr auf, dass er schon ein blaues Auge und etliche blaue Flecke hatte. ‚Von wem nur?’, fragte sie sich unschuldig, dabei wusste sie genau, dass sie es selbst gewesen war. Dyanna musste sich also selbst Schuld eingestehen, denn er konnte in seiner Ankuschelposition keine Schläge mehr einstecken. Instinktiv hatte Ankou also im Schlaf den sichersten Ort aufgesucht. Dank des blauen Auges hielt Dyanna die
Verprügelaktion für erledigt. Ihr Blick blieb jedoch auf seiner Augenklappe ruhen und ihre Neugier wuchs. Sie wollte endlich wissen, warum er dieses Ding trug. Also versuchte Dyanna vorsichtig Ankous Augenklappe zur Seite zu schieben. Plötzlich packte er sie am Handgelenk: „Versuch das nie wieder!“
„Warum nicht?“
„Ich hab mein Auge der Weisheit zu Liebe geopfert – kein schöner Anblick.“
„Von Weisheit merk ich bei dir aber nichts!“ Ankou konnte nicht kontern, weil von draußen lautes Gegröle erklang. Raskus kam in das Zimmer gestürzt. Dabei stolperte er über den Türrahmen und trug eine deftige Alkoholfahne mit hinein. Als er sich wieder gefangen hatte, sah er Dyanna und Ankou gemeinsam im Bett liegen. Sein Gesicht rief rot an, was allerdings nicht an dem Alkohol lag, den er intus hatte. Verlegen kicherte er vor sich hin und stellte sich in Gedanken die absurdesten Dinge vor. Dyanna warf etwas nach Raskus, um ihn davon abzuhalten diese Vorstellungen ausführlicher auszubauen. Dabei fiel er nach hinten auf seinen heiligen Hintern. „Was um Gottes Willen hast du nur die Nacht getan?“, fragte Dyanna und zog sich ihr altes, dreckiges Kleid wieder an. „Nüscht!“
„Das glaub ich dir nicht.“
„Ich auch nicht!“, mischte sich Ankou ein. „Du hast eine Fahne! Ich will gar nicht wissen, was er mit dir angestellt hat.“ Dyanna schaute zu Ankou und erklärte ihm: „Wenn genug Alkohol im Spiel ist, macht er alles. Das hat er mir gestern gesagt.“ Er verzog angewidert das Gesicht, weil er verstand, was Dyanna damit sagen wollte. Dann schnürte er wie aus Routine Dyannas Schleife ihres Kleides zu. Dieses Benehmen erntete erneutes Grinsen eines Betrunkenen, der an perverse Dinge dachte. Gleichzeitig stöhnten Dyanna und Ankou genervt auf. Leider hatte Dyanna keine Ahnung wie sie ihn wieder nüchtern machen konnte, Ankou hingegen hatte scheinbar eine Idee. Denn er ging zu seinem sehr ‚gläubigem’ Freund. Er hielt ihm die Nase zu und zog Raskus’ Kiefer nach unten, sodass sein Mund leicht geöffnet war. Aus Dyannas Sicht sah es so aus, als würden sie sich gleich küssen. Sie schaute schnell weg. ‚Zwei Gleichgesinnte! Warum lern ich nur immer die falschen Leute kennen?’, fragte sie sich im Stillen. Aber Dyanna lag völlig auf der falschen Fährte. Ankou hatte Raskus nur in den Mund gepustet, zwar wäre ihm fast von dem Gemisch aus Alkohol- und Mundgeruch schlecht geworden, aber es schien auch Wirkung zu zeigen. Davon wusste Dyanna natürlich nichts und als sie wieder zu den Männern schaute, konnte sie an nichts anderes denken. Die beiden standen ganz normal nebeneinander, das konnte doch nicht sein, nach einem Kuss, oder doch?
Ankou klopfte Raskus auf die Schulter und ging dann in das Bad. Als er Dyanna beim Vorbeigehen anlächelte, wurde sie rot und wandte den Blick gleich wieder ab. Er dachte sich nichts dabei und fragte noch einmal Raskus aus: „Wozu hat dich dieser Kerl denn nun gezwungen? Ich hab mir gleich gedacht, dass die Hilfe von diesem anderem Typen Folgen hat.“
„Nicht das woran du denkst!“ Entsetzt musste Dyanna feststellen, dass Raskus wieder völlig nüchtern war. Wie schaffte Ankou das nur alles. Er hatte sie schon einmal zum Schlafen gebracht, ihre Schulter geheilt und nun das mit Raskus. Alles sehr verdächtig. „Er wollte nur, dass ich mir sein sündiges Verhalten anhöre und für ihn bete. Er hat mir seine Lebensgeschichte erzählt und mir dann einen Drink angeboten.“, fuhr Raskus fort. „Den Drink hast du, als anständiger Katholik natürlich abgelehnt.“
„Den ersten schon. Die zehn danach nicht mehr.“
„Nur zehn Drinks und du bist voll.“
„Zehn Drinks und die restlichen Vorräte der letzten fünfzehn Jahre aus seinem Keller.“ Kopfschüttelnd kam Ankou mit leicht nassen Haaren wieder in das Hauptzimmer des Gesprächs: „Was werden wir als nächstes machen? Außer zu versuchen dir deine Pflichten als Pfarrer beizubringen.“ Sofort kramte Dyanna etwas aus ihrem Dekolleté hervor und warf es auf das Bett: „Nur achtzig. Das reicht noch nicht für das Turnier.“
„Mit dem dürfte es genügen.“ Ankou warf ein weiteres Säckchen voll Geldstücken auf das Bett. Erstaunt starrten Dyanna und Raskus darauf. „Wo hast du das her. Wem hast du es …“
„Geliehen?“, vervollständigte Ankou Dyannas skeptische Frage. „Der alte neben mir ist eingeschlafen, ich hab mir das Trinkgeld geschnappt, was für den Kellner gedacht war.“
„Ich hab es nachgezählt! Ein Trinkgeld von fünfhundert vergibt heute keiner mehr.“
„Ist doch egal.“ Dyanna nahm sich den benötigten Betrag von fünfundvierzig Geldstücken aus dem Säckchen und steckte sich ihr eigenes wieder ein. „Bring das Trinkgeld dem Kellner.“
„Gibt’s nicht!“ Wieder einmal waren die Männer auf der gleichen Seite, denn Raskus stimmte seinem ‚Schüler’ zu: „Er hat es sich doch von dem älteren Herrn geliehen, also kann er es jetzt nicht einfach dem Kellner geben. Ich würde sagen, wir bewahren es für den alten auf!“
„Macht doch, was ihr wollt! Ich bring jetzt erstmal das Kleid zurück.“
Schweigend folgte Ankou Dyanna zu dem Laden von dem Raskus erst vor kurzem zurückgekehrt war. Die drei bedankten sich recht herzlich und verließen dann sofort wieder den Laden. Ankou streckte sich, um die Müdigkeit abzuschütteln. „Und was nun?“
„Jetzt gehen wir zu dem Turnier.“
„Was willst du denn da?“
„Meine Feinde warnen. Denn Beelzebub wird nur Erfolg haben, wenn die Werwölfe untätig bleiben.“
„Ich verstehe echt nicht, warum du diese Show abziehst.“ Gerade wollte Dyanna antworten, als sie und Raskus bemerkten, dass er ihr nicht zuhören würde. Wie angewurzelt stand er auf einen Fleck und starrte eine kleine Gruppe Kinder an. Sein Blick war ängstlich. Doch Dyanna hielt es für unwahrscheinlich, dass ein Kerl wie Ankou Angst vor kleinen Kindern, im Alter von sechs oder sieben Jahren, haben würde. Es musste also einen anderen Grund geben. Bei Raskus schien sie keine Antworten auf ihre Fragen zu finden, denn der schaute genauso ratlos drein wie sie.
Plötzlich wandte eines der Kinder seinen Blick den drei Besuchern in dieser Stadt zu. „Noah!“ Schmerz durchzuckte Ankous linkes Auge. Er spürte wie seine Beine schwach wurden, er konnte sich kaum noch auf den ihnen halten, als das Kind auf ihn zu gerannt kam: „Noah! Noah!“, schrie es immer wieder. „Nein, das kann nicht sein. DU kannst es nicht sein!“ Alles was geschehen war, seit Dyanna Ankou das erste Mal begegnet war, verwirrte sie nur noch mehr. Was wollte das Kind von ihm und warum hatte Ankou solche Angst vor dem kleinen Jungen, der auf ihn zu rannte. Sie würde wohl nie etwas über ihn erfahren, dafür war er einfach zu verschlossen, oder konnte er sich wirklich nicht an seine Leben vor dem Tod erinnern?
Der Schmerz breitete sich nun in Ankous ganzem Kopf aus und als das Kind ihm noch freudig das Bein umklammerte, wurde ihm letztendlich völlig schwarz vor den Augen.
Es war als würde er sich plötzlich im Wasser befinden, über ihm dieses Kind. Es rang nach Luft, Ankou konnte den Herzschlag des Kleinen hören. Das Herz versagte schon fast, weil es keinen Sauerstoff mehr bekam. Ankou wollte ihm helfen, doch in diesem Moment zog schon eine Person, die Ankou nicht erkennen konnte, den Jungen aus dem Wasser. Es ging viel zu schnell, dass jemand einen Sinn in diesen Bildern erkannt hätte, doch Ankou wusste genau, was sie bedeuteten. Seine Vergangenheit, sein baldiger Tod.
Völlig mitgenommen schrak Ankou auf und versuchte schnellstmöglich diese schreckliche Vision zu vergessen. Raskus sah auf ihn hinab, während Dyanna seinen Kopf auf ihren Schoß genommen hatte. „Geht’s dir wieder gut?“
„Was ist passiert?“
„Dieses Kind kam auf dich zu und dann bist du umgekippt. Er hat einen Namen gerufen, war das vielleicht deiner?“ Ankou antwortete nicht, er zitterte am ganzen Körper und klammerte sich an Dyanna. Erschöpft lehnte er sich an ihre Schulter. „Kanntest du den Jungen?“, wollte sie wissen. „Nein.“ Eine ausführlichere Antwort hatte sie auch nicht von Ankou erwartet, doch zu ihrer Überraschung fuhr er noch fort: „Er sah nur einem Bekanntem verdammt ähnlich.“
„Erinnerst du dich an noch mehr aus deinem Leben?“ Ankou schaute zu Raskus. Auf seinem Gesicht triumphierte ein Lächeln, das für diesen Augenblick eigentlich eher unpassend war. Als Raskus den Blick bemerkte, verschwand das Grinsen sofort. „Das brauch dich nicht zu interessieren.“, erwiderte Ankou hart auf Dyannas Frage. Enttäuscht atmete sie aus. Wieder hatte sie nichts über ihn und sein Leben erfahren, dabei hatte das Gespräch doch sehr gut angefangen. „Nero.“
„Was?“, Dyanna verstand nicht recht, was Ankou ihr sagen wollte. „Der Bekannte, er hieß Nero. Aber er ist tot, deswegen kann der Kleine es nicht gewesen sein.“ Ankou spürte wie sehr sich Dyanna danach sehnte, etwas über ihn in Erfahrung bringen zu können und diesmal hatte er ihr den Gefallen getan.
Sie war überaus stolz etwas von Ankou erfahren zu haben. Auch wenn es nichts Erfreuliches war. Dyanna kam so langsam der Gedanke, dass es sicher auch nicht viele schöne Dinge in seinem Leben gab. Denn erinnern konnte er sich sicher daran, erzählen wollte er es nur nicht, da war sich Dyanna sicher. Und das machte ihn verwundbar, weil er dadurch fast nur in Gedanken vertieft war.
Etwas Nasses tropfte Dyanna auf das bisschen Haut, was sie zeigte. Kaum hatte Ankou zum zweiten Mal etwas Genaueres aus seinem Leben erzählt, fing er schon an zu weinen und am ganzen Leib zu zittern. Er umklammerte Dyanna mit beiden Armen, damit sie ihn auf keinen Fall loslassen konnte. Es muss wirklich etwas Schreckliches passiert sein, an das ihn diese Begegnung erinnert hatte.
Um nichts sagen zu müssen, nahm sie ihn ebenfalls fest in den Arm, um ihm das Gefühl von Geborgenheit zu übermittelt. Er lag nun zusammen gekauert wie ein ängstliches und tief verletztes Kind in ihren Armen. Zum ersten Mal in seinem toten sowie lebenden Dasein nahm er so etwas wie Trost von einem anderen Menschen in Anspruch.

Fifth Chapter - Esmeralda

Ohne noch einmal großartig über Ankous Zusammenbruch zu sprechen, hatten sich die drei auf den Weg gemacht. Um den etwas längeren Weg nicht durch Stille zu füllen, beschloss Ankou Dyanna endlich die Frage zu stellen, die ihn schon lange quälte. „Dyanna?“, begann er vorsichtig und sie beschloss ihm wenigstens dieses Mal zuzuhören. Mit speziell gewählten Worten und leichtem Sarkasmus in der Stimme fuhr er fort: „Warum hast du eigentlich so einen ‚leicht’ unruhigen Schlaf?“
„Was? Das ist dir aufgefallen?“ Dyanna lachte gekünstelt. Warum sollte ihm das Rumgetrampel auch nicht aufgefallen sein. Sie erinnerte sich noch gut an sein morgendliches, blaues Auge, obwohl es zu diesem Zeitpunkt schon wieder seine natürliche Farbe angenommen hatte. Damit er nicht ganz als Außenseiter dastand, versuchte auch Raskus sich mit einem Hüsteln in das Gespräch einzumischen. Dazu kam noch eine kleine Ergänzung von ihm: „Nachts verarbeitet man die Geschehnisse des Tages und durchlebt noch einmal den vergangenen Tag.“ Dyanna wandte sich ab, damit die Jungs nicht ihre Trauermiene zu Gesicht bekamen. „Raskus hat Recht! Nur bei mir, einer elenden Mörderin, ist es anders. In meinen Träumen verarbeite ich all meine Morde. Ich träume von den Leichen, von den Menschen, die ich umgebracht habe, weil sie Werwölfe waren. Einige meiner Opfer sind noch so jung gewesen, dass sie keine Zeit hatte richtig zu leben. Andere sind so alt, dass sie bald ihrem eigenen, natürlichen Tod erlegen wären. Es ist schrecklich Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, aber ich muss diese widerlichen Werwölfe einfachen töten. Es ist ihr Recht mich heimzusuchen, mir das Leben schwer zu machen und mich zu quälen, aber ich kann nicht alles in meinen Träumen verarbeiten. Lange halte ich diesen Druck sicher nicht mehr aus!“ Ankou hatte es ganz sicher nicht gewollt Dyanna auch noch am Tag an ihre schrecklichen Nächte zu erinnern. Aber es war zu spät! Jetzt doch schweigend gingen sie den kaum von Sonnenstrahlen erhellten Waldweg entlang.
Gerade noch rechtzeitig hatten sie es geschafft dem Mann, dessen Haare an diesem Tag noch fettiger aussahen, insofern das überhaupt ging, die Anmeldeformulare abzunehmen. Wie üblich wurde das Alter, die Größe, der Name etc. erfragt. Dyanna sah, wie Ankou seinen Blick immer wieder grübelnd über die Fragen schweifen ließ. Sie dachte, dass er sich an nichts aus seinem Leben erinnern könnte, wie er es ihr bestätigt hatte. Ihr einziger Rat war: „Denk dir doch irgendwas aus!“ Ankou fasste endlich den Mut und füllte das Blatt aus.
Während Dyanna für sich, Raskus und Ankou bezahlte, konnte sie einen kurzen Blick auf das oberste Formular werfen. Es stammte eigentlich von Ankou, doch in dem kurzen, schweifenden Blick konnte sie nur das Wort ‚Noah’ erhaschen. Der kleine Junge hatte ihn so genannt, vielleicht war das auch der Grund für Ankou sich diesen Namen auszudenken. Sicherlich gab es keine größeren Zusammenhänge mit Ankous längst vergangenem Leben.
Schon wenige Minuten später standen die zwei in der Arena. Raskus befand sich in den Aufenthaltsräumen der Kämpfer, als offizieller Zuschauer und Vater von Dyanna. Von außen hatte die Arena wie ein halbes Ei aus Sandstein ausgesehen, doch von innen wirkte alles viel prunkvoller und füllte Dyanna voller Stolz. Sie stand hier vor tausenden von Zuschauern, die gespannt auf ihren kalten Plätzen saßen. Die Arena hatte keine senkrechten Wände, sondern nur riesige steinerne Sitzplätze die im 120° Winkel Richtung Himmel stiegen. „Liebe Zuschauer, liebe Gäste, liebe Kämpfer heute findet das alljährliche Turnier der Hobbykämpfer statt. Die Regeln sind ganz leicht: Es gibt keine! Gekämpft wird bis zur Ohnmächtigkeit, oder bis jemand die bekannte Zählzeit am Boden liegt. Disqualifiziert wir derjenige, der seinen Gegner tötet! Der Kämpfer, der bis heute Abend das Turnier lebend übersteht, erhält die größte Chance seines Lebens. Er darf nämlich im Finale auf den amtierenden Champion treffen. Auf Lykaon!“ Ein tosender Beifall durchströmte die Arena, als der Kommentator und Schiedsrichter in einem das Turnier eröffnete. Alle jubelten dem Champion zu, der zu fein war sich blicken zu lassen. Noch immer hallte der Applaus durch die Arena, als Dyanna und Ankou sich in die Teilnehmerräume zurückzogen. „Hast du schon mal von dem Typen gehört?“
„Von Lykaon?“, hakte Dyanna nach. Ankou nickte leicht. „Natürlich.“
„Und? Muss ich dir etwa alles aus der Nase ziehen?“, fragte Ankou genervt.
„Du wirst ihn schon kennen lernen, oder hast du etwa nicht vor das Turnier zu gewinnen?“
„Ich dachte wir sind nur hier, um deine Werwölfe zu warnen?“
„Ja, und dafür müssen wir das Turnier gewinnen, also gib dir Mühe!“
„Mach ich doch immer! Ich bin mir nur nicht sicher, ob du so gut kämpfen kannst?“ Das Gespräch wäre sicher wieder in einen Streit ausgeartet, doch Raskus, der wie üblich in seiner festen Gestalt war, schlichtete diesen rechtzeitig. „Habt ihr euch eure Gegner angeschaut?“ Beide schüttelten mit dem Kopf und schoben jeweils dem anderen die Schuld in die Schuhe. „Dann ruht euch noch ein bisschen aus und bereitet euch gut vor. Dyanna du bestreitest den ersten Kampf. Gegen eine gewisse Esmeralda.“
„Das wird ein Klacks!“ Dyannas Höhenflug wurde von Ankou unterbrochen, der Dyanna leicht am Arm packte: „Guck ganz unauffällig hinter dich! Da sitzt so ein muskelbepacktes Etwas. Ich kann es keinem Geschlecht unterordnen.“ Vorsichtig folgte Dyanna seinen Anweisungen und erblickte dieses Etwas. Ziemlich groß, aufgebläht durch die Muskeln und schweißdurchtränkt. Es trug leider nur eine knappe, zu kurze schwarze Hose und eine ebenfalls schwarzes Oberteil, das gerade mal die Brüste bedeckte. Das lange blonde Haar war zu einem Zopf geflochten und hing bis fast auf den Boden. Schnell wendete Dyanna wieder den Blick ab. „Warum hast du mich darauf aufmerksam gemacht?“, schrie sie Ankou zornig an, wobei Raskus versuchte auch einen Blick von dem Muskelmonster zu erhaschen. „Tut mir ja leid, aber ich glaube es starrt die ganze Zeit in unsere Richtung. Wir werden jetzt einen Test wagen, also beweg dich langsam auf die Toiletten zu.“ Wieder tat Dyanna, was Ankou ihr befahl. Während die beiden Raskus allein stehen ließen, wedelte Ankou mit der Hand vor Dyannas Po herum. Als er zu dem Etwas schaute, durchbohrte ihn ein zorniger Blick, der ihn kurz aufschreien ließ. „Es schaut auf deinen Allerwertesten, man hab ich ein Glück, dass es nicht mich anstarrt!“
„Und was machen wir jetzt?“
„Ich wüsste was, aber du wärst sicher nicht einverstanden.“ Dyanna schaute über ihre Schulter und musste feststellen, dass sie immer noch begafft wurde. „Wenn du nicht bald etwas unternimmst, guckt es mir noch irgendwas ab.“ Ankou stellte sich vor Dyanna und sah genau den Zwitter und Raskus, der sich heimlich etwas von den anderen Teilnehmern ‚auslieh’. „Soll ich wirklich?“
„Ja! Mach was du willst, aber mach irgendwas!“ Sanft strich er ihr das Haar aus ihrem Gesicht. Alle Anwesenden hörten, wie ‚es’ zornig grunzte. Auch Raskus wurde dadurch wieder auf die beiden aufmerksam und beobachtete wie Ankous Hand über Dyannas Po streichelte. In genau diesem Moment flog haarscharf an Raskus Kopf ein Tisch vorbei. ‚Es’ hatte ihn geworfen. Dyanna konnte sich allerdings von der Überrumpelung durch Ankous anfänglicher Sanftheit schnell wieder fassen und hätte ihm am liebsten nieder geschlagen, doch er fing ihre Hand ab und legte sie sich zärtlich um den Hals. Dann drehte er sich mit ihr um und drückte sie sanft gegen die Toilettentür. „Was…“, wollte Dyanna einen zornigen Schrei beginnen. Allerdings hatte Ankou ihr schon die Hand auf den Mund gelegt. „Mach einfach mit, ist doch lustig!“ Das Zwitterlein wurde immer wütender, besonders in dem Moment, als es sah wie Ankou Dyanna küsste. Ein wirklich langer und schöner Kuss, bei dem Raskus vor Schock sein Diebesgut fallen ließ. Der anständige Gedanke, dass man jemandem nicht die Freundin ausspannen durfte, ließ sich Zwitterlein für einen Moment beruhigen, doch es verbannte sogleich dieses Hirngespinst aus seinem eher nicht vorhandenen Gehirn.
Dyanna öffnete langsam die Augen. Sie wollte etwas sagen, doch sie bekam nur ein: „Mmhmmh!“ heraus. Unauffällig versuchte sie dann Ankou loszuwerden, indem sie ihren Arm von seinem Hals gleiten ließ und ihm einen leichten Schlag in den Magen verpasste. Es hatte geklappt! Sie war ihn losgeworden. Sie drehte den Kopf des mitgenommenen Ankous zur Seite, sodass er zum Zwitter schauen musste. Gemeinsam mit Dyanna sah er dessen Kopf vor Wut dampfen. „Ich glaube du hast es mit deinem Plan eher wütend gemacht!“
„Das kann doch gar nicht sein, ich geh einfach mal rüber und rede mit dem Etwas ein ernstes Wörtchen. Ich lass doch nicht zu … Ach vergiss es einfach!“ Ankou versuchte Dyannas zornigen Blick zu verdrängen und machte sich sogleich auf den Weg. Er hatte doch nicht wirklich etwas falsch gemacht, da war er sich im Klaren. Aber es machte ihm auch zu viel Spaß Dyanna auf die Palme zu bringen, sodass er frohen Mutes auf ‚Es’ zuging. Vorsichtig folgte Dyanna ihm, versteckte sich jedoch schon im nächsten Augenblick hinter Raskus, während Ankou fast über dessen aufgehäufte Kleptomanenware gestolpert wäre. „Hat dieser Flegel dich etwa wirklich geküsst? Soll ich deine Lippen von dieser Schandtat reinigen?“
„Das würde er sich doch niemals trauen!“
„Nach deinem Tonfall zu schließen, wünscht du dir das Gegenteil, oder?“
„Schwachsinn!“ Raskus versuchte den Schrecken, ausgelöst durch Dyannas wütenden Aufschrei, runterzuschlucken, sodass man deutlich das Glucksen seines Kehlkopfes hören konnte. „Von hier aus sah das aber wie ein echter Kuss aus. Ich glaube sie hat das auch so gesehen!“ Raskus zeigte beim Sprechen auf den Zwitter. Doch keiner der beiden schenkte dem Beachtung, was es gerade mit Ankou anstellte. „Um das ein für alle mal klar zu stellen: Er hat mich nicht geküsst!“ Danach sagte sie noch etwas leiser, vielleicht etwas enttäuscht: „Er hat die Hand zwischen unsere Lippen gehalten.“ Sie stellte sicher, dass das Gespräch zwischen Ankou und ‚Es’ gut verlief. Es hatte ganz den Anschein, schließlich hing er nur, an der Gurgel gepackt, ungefähr einen Meter in der Luft. Wird schon seine Richtigkeit haben, dachte sich Dyanna und wandte sich wieder Raskus zu: „Du meinst dieses geschlechtlich nicht definierbare Wesen ist eine Frau?“
„Ja, ich kenne sogar ihren Namen.“
„Wie heißt es, ich meine sie, denn?“
„Schau dir einfach ihren Rücken an!“ Durch einen glücklichen Zufall, konnte Dyanna gerade ihren charmanten Rücken erblicken, aber sie sah nichts. „Du musst noch ein Stück höher schauen.“ Ihr Blick wanderte nach Raskus Anweisungen den Rücken von ‚es’ entlang. „Noch höher … ein bisschen höher noch… Jetzt müsstest du es sehen.“ Das blanke Entsetzen stand in Dyannas Gesicht geschrieben, weil sie endlich das sah, was Raskus schon vor einer ganzen Weile erblick hatte. Auf das knappe Oberteil des Zwitters was fein säuberlich ein Name aufgestickt. „Du hast es erfasst, sie ist deine erste Gegnerin. Esmeralda!“, versuchte Raskus Dyanna einfühlsam zu übermitteln. Kurz darauf zischte Ankou an den beiden vorbei und flog genau in den Toilettenraum. Die Wucht seines Fluges hatte ihn alles darin zertrümmern lassen, sodass eine große Staubwolke den Raum in Dunst hüllte. Dyanna wollte zu ihm eilen, doch sie wurde von Raskus aufgehalten. Auch Esmeralda hatte mit Ankous Leben abgehackt und dachte ihn sicher im Jenseits zu wissen. „Komm schon Ankou, du kannst doch nicht einfach sterben.“, flüsterte Dyanna leise vor sich hin. Wie erhofft ließ sich der junge, mutige Begleiter Dyannas nicht von einer sehr, sagen wir einfach, maskulinen Esmeralda fertig machen. Er stieg aus den Trümmern hervor und verließ die Staubwolke. Sein Gesicht und seine Arme waren mit tiefen Schnitten versehen, tiefe blutende Risse, die eigentlich sofort hätten verarztet werden müssen. Doch Ankou schien sie nicht einmal zu spüren, geschweige das sie ihn überhaupt störten. Langsam hörten sie auf zu bluten, auf ihnen bildete Schorf, der letztendlich durch völlig gesunde Haut ersetzt wurde. Bis Ankou sich eingeschnappt auf einen Stuhl, weit weg von Esmeralda und Dyanna, fallen ließ, renkte er sich seinen Kiefer wieder ein und rieb sich seinen wunden Hals. Alles schien schon ganz normal und wie in Routine bei ihm abzulaufen.
Dyanna schaffte es endlich zu ihm vorzudringen, hockte sich vor seinen Stuhl hin und schaute ihn an als wäre er ein kleines, verletztes Hündchen. „Sag nichts!“, ermahnte er Dyanna, weil er ihren Blick schon längst gedeutet hatte, der in etwa folgendes zum Ausdruck bringen sollte: „Was hab ich gesagt? Du hast sie durch deinen tollen Plan doch sauer gemacht!!“
Trotzdem er sauer war, berichtete er Dyanna, was er erfahren hatte: „Jetzt kannst du dich auf was gefasst machen! Wie du vielleicht schon gemerkt hast, ist ‚sie’ deine erste Gegnerin.“ Das Wort ‚SIE’ betonte er mit einem herrlich sarkastischem und abfälligem Tonfall. „Ich glaube du hattest Recht!“
„Ha!“ Wie besessen brachte Dyanna ihren Triumph durch eine spontane Steppeinlage zum Ausdruck, bevor Ankou fortfahren konnte: „Damit meine ich, dass wir sie dich lieber anstarren hätten lassen sollen, eh sie noch wütender wurde. Sie versucht jetzt wahrscheinlich mit aller Macht mir meine Freundin auszuspannen.“
„Ach, du hast ne Freundin???“ Dyanna schien diese Frage wirklich ernst zu meinen, denn Ankou, wahrscheinlich auch jeder andere auf dieser Welt, konnte an ihrer Mimik nicht erkennen, ob sie nur Spaß machte. „Du wirst schon sehen, was ich meine! Nimm dich auch vor ihrem Fischgestank in Acht! Die hat vielleicht gemüffelt, ich wär fast ohnmächtig geworden.“
„Tja, manche Frauen riechen nun mal etwas… fraulicher!“
„Da bin ich aber beruhigt, dass du in dieser Hinsicht nicht so fraulich bist.“
„War das jetzt ein Kompliment? Oder doch eher eine versteckte sarkastische Andeutung?“ Ankou stand von seinem Stuhl auf und zog Dyanna zu sich hoch, dann roch er noch einmal prüfend an ihrem Haar: „Du kannst es auffassen wie du willst, aber ich finde, dass dein Duft überaus angenehm ist.“ Kurz darauf flüsterte er noch etwas Wichtiges in Dyannas Ohr: „Setz bei ihr auf Schnelligkeit, sie mit ihren Muskelmassen, kommt schneller außer Atem.“
Wie bestellt wurden in diesem Moment die ersten Kämpfer aufgerufen, sodass Ankou nichts weiter erklären musste.
Und so kam es, dass Dyanna letztendlich neben Esmeralda vor dem riesigen Eingang zu der Kampfarena stand. Vorsichtig hub sie ihren Kopf, um zu ihrer Gegnerin aufzusehen. Dabei kam ihr wohl das Grausigste zu Gesicht, was sie je sah. Und damit ist nicht der buschige Urwald unter Esmeraldas Axeln gemeint, den Ankou höchst wahrscheinlich auch schon an seinem Nacken kraulen gespürt hatte. Nein, es war ein ganz anderer Schrecken: Esmeralda glitt erotisch, zumindest versuchte sie es, mit ihrer Zunge über ihre spröden, völlig rauen Lippen. Sexy wie sie war, hatte das natürlich eine ganz besondere Wirkung auf Dyanna.
Bevor das Turnier endlich beginnen konnte, entledigte sich noch einmal ihres Mageninhalts und kotzte buchstäblich was das Zeug hielt, in einen kleinen Krug, von Raskus Kleptomanengut.
Völlig am Ende musste sich nun das arme Mädchen vor dem Publikum ihre Waffe aussuchen. Während also Raskus seinen Krug nachtrauerte und ihn wohlbehalten auf seinen alten Platz stellte, hatte Dyanna die Wahl zwischen einer Axt, einem alten rostigen Schwert und einem schlichten zwei Meter langen Stock. Sie erinnerte sich an das, was ihr Ankou geraten hatte: Setz auf Schnelligkeit! ‚Also muss ich sie erst außer Atem bringen, um ihr dann den entscheidenden Schlag zu verpassen.’ Der Plan stand in Dyannas Gedanken fest und somit musste sie nur noch sie zur Auswahl stehenden Waffen auf ihr Gewicht testen. Wie nicht anders zu erwarten war, war der Holzstock das leichteste Werkzeug. Zum Erstaunen aller anderen, Raskus mit eingeschlossen, die Wahl von Dyannas Waffe und der von Esmeralda, denn diese verzichtete ganz auf eine. Dann begann der ‚Schiedsrichter’ erneut eine seiner Ansprachen: „Meine Pflicht ist es, vor Beginn des Kampfes, noch einmal zu fragen, ob sie eigene Waffen dabei haben. Es sind nämlich keine anderen außer der zur Wahl stehenden Waffen erlaubt.“ Schnell griff Dyanna unter ihr zerlumptes Kleid und zog den Revolver hervor, die Silberkugeln ließ sie an Ort und Stelle. Ankou reagierte sofort auf ihr Pfeifen und erwartete schon ihren Revolver, den sie eilig zu ihm geworfen hatte. Laute Buhrufe dröhnten durch die Arena. Über neunzig Prozent der Zuschauer hatten die typische Waffe eines Werwolfjägers erkannt. Was bedeutete, dass nur etwas zehn bis zwanzig Leute in diesem Stadion normale Menschen waren. Dyanna hatte mit nichts anderem gerechnet, doch Raskus rannte kurz vor dem Durchdrehen durch den Vorbereitungsraum. Während er anschließen Ankou am Kragen packte und ihn durchschüttelte schrie er immer wieder: „Was hat das zu bedeuten? Sag mir, dass ich hier nicht sterben werde.“ Natürlich vergaß er dabei, dass er eigentlich ein Geist und schon längst tot war.
Der Kampf begann und Esmeralda stürmte, jetzt schon schwitzend, auf Dyanna zu. Da der Stock sie mit seiner Länge nur behinderte, sprang sie mit dessen Hilfe über Esmeraldas Kopf hinweg, was man heutzutage als Stabhochsprung bezeichnen würde. Sicher gelandet, entschied sich Dyanna ihre Waffe in zwei gleichgroße, etwas handlichere Teile zu teilen und zerbrach den Stock über ihrem Knie. Endlich hatte Esmeralda die Orientierung wieder gefunden und starrte Dyanna an. Diese hielt sich eine Stockhälfte schützend vor den Körper und die andere zum Angriff über den Kopf. Dyanna war völlig stolz auf ihren Einfallsreichtum, doch sie bemerkte auch, wie Ankou andauernd mit dem Kopf schüttelte, egal was sie auch tat. Völlig verunsichert wusste sie nicht mehr, was sie tun sollte. Und so beschloss Dyanna auf Esmeraldas Angriff zu warten. Dyanna sah nicht ein, warum sie vor Esmeralda fliehen sollte. Es machte zwar schon Sinn sie erst einmal außer Atem zu bringen, aber auf Ankous hilfsbereite Idee zurück zu greifen, hielt sie für unangebracht. So kam es, dass Dyanna durch ihre Eitelkeit letztendlich auf den Boden gedrängt wurde. Da lag sie nun auf ihren Rücken gedrückt, Esmeraldas Gewicht auf ihrem Körper spürend und das Verfluchen von Ankou ahnend. Dyanna konnte sich kaum rühren, dazu kam, dass sie nur schwer atmen konnte. Von Esmeraldas Stirn tropfte Schweiß, der sich wie hoch konzentrierte Säure in den Boden fraß. Nur keine Panik, dachte sich Dyanna. ‚Es’, um wieder zu dem passenderen Namen zurück zu kommen, warf einen triumphierenden Blick zu Ankou, bevor sie sich genüsslich noch weiter hinunter zu Dyanna beugte. Okay, jetzt war es Zeit in Panik auszubrechen. Selbst Ankou wäre fast in den ‚Ring’ gestiegen und hätte dieses Monstrum von seinem Eigentum gestoßen, aber solch eine Aktion hätte Dyanna ihm sicher nie verziehen. Oder etwa doch? So langsam stieg Dyanna das Blut vor Wut in den Kopf, dafür fehlte es in den anderen Körperteilen, die Esmeralda mit ihrem sagenhaften Kampfgewicht von hundertzehn Kilo abquetschte. Was hatte es nur vor? Warum versuchte Esmeralda die Lippen zu spitzen? Ein Gedankensblitz durchzuckte das arme am Boden liegende Geschöpf. Es versuchte sie zu küssen. Dafür sollte Ankou büßen, schließlich hatte er Esmeralda erst auf Dyanna angesetzt. Aber auch ihm tat leid, was er verursacht hatte, dabei hätte er natürlich nie zugegeben, dass er irgendwas mit der Sache zu tun hatte. Er fühlte sich eher ein bisschen für Dyanna verantwortlich, er konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. In weniger als zehn Sekunden würde Esmeralda Dyannas zarte Lippen berühren. Vergebens suchte Ankou nach einem Gegenstand, den er dem Muskelmonster an den Kopf schmeißen konnte. Wirkung würde es wahrscheinlich nicht zeigen, schließlich war nichts in ihrem Kopf drin, was auch nur ansatzweise einem Gehirn ähneln konnte. Esmeralda würde also keine Schmerzen spüren.
Nur noch acht, sieben, sechs… Immer noch nichts Brauchbares gefunden. Fünf, vier, drei… Kurz vor Countdownschluss zischte ein Stein an Ankous Kopf vorbei, direkt auf Esmeralda zu. Das Ziel wurde getroffen und ein hohles Geräusch schallte durch die Arena. Ankou atmete auf, da hatte scheinbar jemand die gleiche Idee wie er, aber wer?
Verwirrt kratzte sich Esmeralda am Kopf, wodurch sich ihr Griff lockerte und Dyanna sich befreien konnte. Sie krabbelte hektisch davon, zu schwach aufzustehen. Ihr Magen drehte sich zweimal um bei dem Gedanken an das Unheil, dem sie nur knapp entgangen war. Dyannas Mageninhalt breitete sich auf dem Boden vor ihr aus. Es war nicht viel, weil das gleiche schon einmal, beim letzten Annäherungsversuch von Esmeralda, geschehen war. Dyanna schaute sich suchend nach ihrem Gegner um. Niemand war mehr auf dem Schlachtfeld zu sehen. Keuchend richtete sie sich auf, wischte sich über dem Mund und sah zu Ankou und Raskus. Letzterer zeigte entsetzt auf etwas hinter Dyanna, während er wie eine Frau schrie. Im letzten Moment schaffte sie es noch Esmeraldas Würgegriff auszuweichen, dabei stürzte Dyanna allerdings und fiel dabei auf ihren Fuß. Ein stechender Schmerz ging durch ihren ganzen Körper. Doch ihre Gegnerin ließ ihr keine Chance zu einer kurzen Pause. Esmeralda stürzte erneut auf Dyanna zu. Aber mit einer gekonnten Rückwertsrolle schaffte sie es erneuet knapp ausweichen. Aus der Hockposition stieß sich Dyanna ab und peste mit dem Kopf wie eine Rakete in Esmeraldas Unterleib. Beide sanken in den Staub. Eilig versuchte Dyanna von ihrer Gegnerin wegzukrabbeln. Da spürte sie auch schon wie ihr verletztes Fußgelenk umklammert wurde. Sie fluchte und wurde dann über den Boden geschleift ehe Esmeralda sie am Gelenk über ihren Kopf stemmte und ruckartig wieder auf den Boden schleuderte. Der Aufprall war so stark, dass Dyanna wie ein Medizinball noch einmal in die Höhe sprang. Regungslos lag sie da, während etwas Blut aus ihrer Nase tropfte. Esmeralda wies den Kommentator darauf hin, dass er das bewegungslose Ding auszählen sollte. Als er bei fünf angekommen war, schrie Ankou zu Dyanna: „Du kannst doch jetzt nicht aufgeben. Weißt du nicht mehr, warum wir eigentlich hier sind?“ Raskus hielt den Moment für unpassend jetzt danach zu fragen, warum sie gleich noch mal hier waren. Also verschob er es auf einen späteren Zeitpunkt.
Es wurde weiter abgezählt, sodass Dyanna fast raus aus dem Turnier war. Aber es wäre doch langweilig, wenn Esmeralda weiterhin im Turnier gewesen wäre und so tat uns Dyanna allen den Gefallen wieder die Augen zu öffnen und sich dem Schwergewicht erneut entgegenzustellen. Das Publikum buhte, sie waren eindeutig auf Esmeraldas Seite. Wenn die wüssten wie scheiß egal das Dyanna war, hier ging es nur darum zu gewinnen, zu überleben und dem Ziel einen Schritt näher zu kommen.
Um an ihren zweigeteilten Stock zu kommen, musste Dyanna ein kleines Stück rennen, dabei schmerzte ihr Fuß so dermaßen, dass sie kaum noch klar denken konnte. Sie rannte und rannte, vergaß dabei ganz ihre Stöcke, dennoch rannte sie weiter. Um dem Kampf endlich ein Ende zu setzen, begann Esmeralda Dyanna zu verfolgen, doch diese rannte und rannte.
Gelangweilte Buhrufe drangen an Dyannas Ohr und rissen sie aus ihrem Wach-Ohnmächtigkeits-Zustand. Als sie vor sich hinschaute, was sie eigentlich tat, erblickte sie das ‚zarte’ Hinterteil von Esmeralda. Jetzt fiel es Dyanna wieder ein, sie hatte versucht an ihre Stöcke zu kommen und ist dann allerdings weiter gerannt. Scheinbar bis zu diesem Zeitpunkt und Esmeralda hatte versucht sie einzuholen. Wie blöd muss man eigentlich sein? Warum sie sich nicht einfach umgedreht? Dyanna wäre ihr doch dann direkt in die Arme gelaufen. Na ja, auch egal. So hatte Dyanna wenigstens einen Vorteil. Sie legte sich noch einmal ins Zeug und sprintete bis ganz dicht hinter Esmeralda heran. Mit ihrem eigenen Fuß legte sie während des Rennens Esmeraldas rechten hinter ihren linken Fuß. Diese stolperte und schlitterte einige Meter über den Boden. Dyanna nutzte Esmeraldas Verwirrung, drehte sie um und trat mit ihrem Fuß auf die Kehle ihrer Gegnerin. Dann schlug sie immer wieder in den Esmeraldas muskulösen Bauch, bis diese ohnmächtig wurde. Das hatte ungefähr eine viertel Stunde gedauert, erst danach konnte man mit dem Auszählen beginnen. Dyanna wurde zum Gewinner des ersten Kampfes erklärt, während im Hintergrund Esmeralda davon transportiert wurde.
Erschöpft ging die Gewinnerin in den Aufenthaltsraum der Teilnehmer, wo ihre Freunde sie schon erwarteten .Ankou begrüßte sie sogleich mit preisendem Lob: „Das hast du toll gemacht. Obwohl es ganz schön lange gedauert hat, hättest du gleich meinen Trick angewandt dann wäre es erst gar nicht dazu gekommen und du…“
„Halt einfach den Mund, okay? “Unerwartetherweise legte Dyanna ihren Kopf auf seine Schulter um sich etwas auszuruhen und auch Raskus nutzte die Chance, indem er mit einer raschen Bewegung die beiden ‚Schmusekätzchen’ so fest umarmte, dass sie alle ganz dicht aneinander gedrückt wurden. Ankous mürrischen Brummen nach zu urteilen, hätte Raskus so etwas nie versuchen, geschweige denn es jemals ein zweites Mal wagen zu sollen. Rasch zog er sich zurück.
„Hast du Fieber? Oder Schmerzen?“, fragte Ankou, unsensibel wie schon öfters, als Dyanna immer noch näher und länger als nötig an seiner Schulter verweilte. „Nein, mir geht es den Umständen entsprechend.“ Ankou holte etwas aus seiner Hosentasche und überreichte ein kleines Tuch Dyanna. „Wisch dir mal das verkrustete Blut aus dem Gesicht, sieht echt nicht schön aus.“
„Behalt deinen Sarkasmus für dich!“
„Das war kein Sarkasmus, das war mein Ernst.“
„Ist ja noch besser.“
Irgendwas wollte er für Dyanna, nach ihrem tollen und scheinbar sehr anstrengenden Kampf, tun, aber mit Freundlichkeit, Sarkasmus oder einer Umarmung kam er bei ihr nicht sehr weit. Zum Glück wurde ihm eine Entscheidung abgenommen, denn nun war er an der Reihe zu kämpfen.
Auch er durfte sich eine Waffe aussuchen und entschied sich für die Axt. Vor ihm stand ein junger, zierlicher Mann mittleren Alters. Dieser zitterte am ganzen Leibe und als Ankou leicht seine Axt schwang, sah er nur noch eine Staubwolke vor sich. Der Mann flüchtete schreiend durch die Zuschauerplätze und war schon bald weder zu sehen noch zu hören. ‚Was war denn das für ne Aktion und dafür hab ich mich bewegt?’ Enttäuscht verließ er das Feld, gab die Axt zurück und machte sich auf die Suche nach den anderen. Er fand Raskus schon bald, der lachend auf einem Stuhl neben der zerstörten Toilette saß. „Seh ich echt so Angst einflößend aus?“, fragte Ankou ernst. „Ich würde eher sagen ‚aggressiv’!“
„Wo ist eigentlich unsere mutige Kämpferin?“
„Sucht was Nahrhaftes, aber sie müsste bald wieder kommen.“
Aus einer Ecke trat ein junger Mann hervor ungefähr im gleichen Alter wie Ankou Er war völlig in schwarz gekleidet, trug einen eigenartigen Wanderstock, an dem drei Ringe hingen, mit sich herum und sein Haar glänzte im Licht silbern. Seine Haare waren schon so lang, dass er sie sich zu einem kleinen Zopf zusammen binden konnte und seine grünen Augen strahlten förmlich vor Mut. Wie auch Ankou sah er allerdings nicht wie ein mutiger, starker und guter Kämpfer aus. Was durch den schlanken Körperbau, die makellose, weiche und eigenartig helle Haut zum Ausdruck gebracht wurde. Auf Ankou wirkte er wie eine Art neumodischer Priester, Pfarrer oder irgendein anderer diese Leute. Vielleicht teilte er sogar die gleichen Interessen wie Raskus: Alkohol, Frauen und Kleptomanie?
„Ich würde gerne allein mit dir sprechen. Ginge das?“ Ankou sah sich fragend um. Aber es war weit und breit niemand zu sehen, den der junge Mann sonst ansprechen hätte können. Mit einem nicken ging er einige Schritte voraus und der Schwarzgekleidete folgte ihm sogleich, wobei Raskus sie misstrauisch beobachtete.
Sie begannen das Gespräch in einer Ecke, von der sie glaubten, dass sie sicher sei, dabei hatte Ankou sich zu Beginn des Gespräches den überaus veralteten und doch für ihn unbekannten Schmuck seines Gegenübers genauestens angeschaut. „Kannst du Wunden heilen? Ich weiß, dass du es kannst, gib es zu!“ In einer rasenden Geschwindigkeit sprudelten die Worte aus dem Mund des Fremden, sodass Ankou eine Weile brauchte, um überhaupt zu verstehen, was er nun eigentlich von ihm wollte. „Na ja, …“
„Antworte richtig, könntest du deine Freundin retten, wenn sie kurz vor dem Tod wäre?“
„Ich glaube kaum, dass es bei diesem Turnier so weit kommen würde.“
„Doch, es wird so weit kommen, und wenn nicht heute, dann ein anderes Mal. Also, könntest du das?“
„Ja, verdammt noch mal! Ich könnte es, aber dann …“ Der Zorn über die Frechheit des Kerls verschnürte Ankou regelrecht die Kehle. „Dann würdest du sterben, hab ich Recht?“
„Ja, obwohl…“
„Du eigentlich schon tot bist, ich weiß. Aber du würdest das Risiko eingehen?“
„Ja.“
„Gut.“ Der eigenartige Fremde drehte sich um und verschwand irgendwo in eine andere Ecke, noch bevor Ankou ihn aufhalten konnte um nach dem Grund dieses eigenartigen Gespräches zu fragen.
Seit der Begegnung mit dem Schwarzgekleideten fragte sich Ankou, was eigentlich der Sinn dieses Gespräches gewesen war und woher dieser Fremde soviel über das komplizierte Leben beziehungsweise Nichtleben von Ankou wusste. Aber er fand keine Antwort auf seine Fragen, wie es schon allzu oft in den letzten Tagen war.
Gleichzeitig trafen sich Dyanna und Ankou wieder bei Raskus. Schonwieder hatten sie es verpasst sich die anderen Teilnehmer anzusehen. Allerdings hatten sie von Raskus erfahren, dass noch sechs weitere Kämpfe r im Rennen waren.
Nun begann also die zweite Runde und Dyanna musste sich bereit machen.

Sixth Chapter - Hothoris

Kurz bevor Dyanna den Kampfplatz betrat, zog Ankou sie zu sich an die Seite und sagte: „Viel Glück!“
„Das kann ich auch gut gebrauchen, denn im Gegensatz zu deinen Gegnern rennen meine nicht weg!“
„Warum bist du nur immer so gereizt? Du versprühst förmlich negative Energien. Pass trotzdem gut auf dich auf und wenn du merkst, dass du fast am Ende deiner Kräfte bist, gib lieber auf. Ich hab keinen Bock dich hier in einem schwarzen Sack wieder raus zutragen!“
Ohne Worte machte Dyanna kehrt und stand erneut vor der Waffenentscheidung. Sie hatten ihr sogar den zweigeteilten Stock zu Auswahl bereitgelegt. Außer dem Stock, dem Schwert und der Axt lag diesmal noch eine Dolchduett bereit. Sie sah sich ihren Gegner auf der anderen Seite des Kampffeldes an. Er hatte sich für die Dolche entschieden und um ihm in nichts nachzustehen entschied sich Dyanna ebenfall für die zwei Dolche.
Der Kampf war für eröffnet erklärt. Ihr Gegner sah nicht aus wie Esmeralda oder der von Ankou, also so eine Mittelstufe, wahrscheinlich ein etwas ernster zunehmender Gegner.
„Na Schätzchen? Willst du nicht lieber aufgeben und verschwinden, bevor wir dich dran kriegen.“
„Ich denke nicht dran, Logan! Schließlich habe ich nichts zu befürchten, ich bin doch in friedlichen Absichten hier.“
„Das hast du beim letzten Mal auch gesagt und dann hast du Lykaon versucht umzubringen, aber das kann ich diesmal nicht zulassen. Ich werde dich vorher töten.“
„Träum weiter, ich werde DICH umbringen! Vielleicht nicht jetzt, aber eventuell heute Nacht, wenn du deine andere Gestalt angenommen hast.“
„Du hättest nicht herkommen sollen, diesmal entkommst du uns nicht lebend!“
Logan, ein alter Bekannter gegen den sie schon oft kämpfen musste, war also ihr Gegner. Nachdem er lange genug mit Dyanna geredet hatte hielt er es für angebracht endlich den Kampf offiziell zu beginnen. Er stürzte auf seine Gegnerin und Feindin zu. Der Angriff kam so abrupt, dass Dyanna Logans Angriff mit beiden Dolchen abwehren musste, aber er hatte noch eine Hand frei. Ankou schüttelte mit dem Kopf. Was für ein Anfängerfehler, dachte er. Genau so war es auch, denn nun hatte Logan die Chance mit seinen zweiten Dolch in Dyanna rechte Seite zu schneiden. Sie schrie nicht auf, aber der Schmerz war ihr ins Gesicht geschrieben. Mit einem Fußtritt stieß sie Logan weit von sich weg, bevor sie ihn auf dem Boden festnagelte. „Du solltest mal wieder ein bisschen trainieren. Oder warum bist du so eine Lusche geworden?“ Sie sagte nichts. „Liegt das vielleicht daran, dass du einen neuen Freund hast. Ich glaube Dahr ist davon nicht sehr begeistert. Aber keine Angst deinen neuen machen wir auch noch fertig.“ Dyanna ohrfeigte ihn, warum wusste sie auch nicht, konnte ihr doch eigentlich egal sein, was die Werwölfe mit Ankou machten. Logan musste über die Ohrfeige lachen: „Wie niedlich!“ Er zog Dyanna näher an sich heran: „Du weißt, dass wir immer noch für dich einen freien Platz haben, du musst dich nur endlich beißen lassen.“ Er küsste sie, aber Dyanna fühlte rein gar nichts dabei, denn ihr Blick war leer wie nie zuvor. Sie legte nur die Hände um seinen Hals und drückte fest zu. Dann schnappte sie sich einen Dolch, der ganz in ihrer Nähe lag und wollte auf Logan einstechen, aber sie stoppte. „Du bist einfach zu lieb!“ Er drehte ihren Arm um bis er ein knackendes Geräusch vernahm. Gebrochen. „Ich hab dich extra aufgegeben, damit Dahr auch mal ein bisschen Spaß mit dir haben konnte. Aber jetzt nimmst du gar keinen von uns. Nur irgendein Weichei. Warum?“
„Weil er im Gegensatz zu euch kein Werwolf ist.“
„Ich verstehe. Wenn wir ihn zu einem machen würden, müsstest du ihn selbst umbringen, weil du ja vorhattest alle Werwölfe auszulöschen. Würde dir das gefallen?“ Dyanna warf einen Dolch nach Logan, verfehlte aber, weil ihr Blick schon vor Schmerzen getrübt war. „Schatz, es macht echt keinen Spaß mehr mit dir!“
Ankou sah sich hektisch das Geschehen an. Logan hatte Dyanna gegen die Arenabegrenzung geschmissen, sodass sie an der Stirn eine Platzwunde davon getragen hatte. Danach griff er sie mit dem Dolch an, die Wunden hätten sie nur langsam umgebracht, schließlich waren Werwölfe darauf trainiert ihre Opfer langsam umzubringen. Sie spielen lieber mit ihrer Beute und töten sie nicht sofort. „Sie kann sich doch gar nicht mehr wehren, warum greift er sie dann noch an?“
„Solange sie sich noch bewegt, kann sie nicht ausgezählt werden.“, erwiderte Raskus auf Ankous Frage. „Na dann soll sie halt aufhören sich zu bewegen.“
„Sie ist zu stolz!“
„Ich hab ihr doch gesagt, dass … Ich geh da jetzt raus.“ Ankou sah sich noch einmal die Zuschauer an, alles Werwölfe. Wie sie nach Dyanna Blut gierten, einfach widerlich. Dann sah er zwei normale Menschen. Sofort zog er sich noch weiter zurück in die Kabine. „Was ist los? Wolltest du nicht Dyanna helfen?“
„Ich kann nicht.“
„Aber dann wird sie sterben.“
„Er darf sie gar nicht umbringen.“
„Er ist ein Werwolf, oder hast du nicht gehört wie sie sich unterhalten haben?“
„Ich kann da nicht raus!“
„Warum denn nicht?“ Ankou sah zu Dyanna, ihr Blut war schon überall verteilt, besonders an Logans Händen. Zornig schlug er gegen die Wand. „Nun geh schon!“, befahl Raskus. „Halt du doch die weiße Fahne raus.“, warf Ankou ihm an den Kopf und grübelte währenddessen über einen sichereren Plan nach.
„Aber… Geh du doch endlich!“ War ja klar, Raskus wagte es nicht die weiße Fahne zu wedeln.
„Ich geh da nicht raus, weil … Mein … Meine Schwester und ihr Vater sind da draußen!“
„Ist doch wunderbar. Ein fröhliches Familienwiedersehen!“
„Du kennst unsere Familienverhältnisse nicht. Außerdem dürfen sich nicht wissen, dass ich wieder lebe.“ Das ‚lebe’ setzte Ankou bildlich mit seinen Händen in so genannte Gänsefüßchen. Ein rascher Blick zu Dyanna folgte, er wollte schauen wie sie sich da draußen machte. Nicht sehr gut, sie hatte bis jetzt noch keinen Kampf auf die Reihe bekommen, nicht einmal in Raskus Schloss, was war nur los. Sie kämpft wahrscheinlich immer so schlecht und hat einfach nur eine große Klappe, beschloss Ankou. Dann schaute er zu seiner Schwester und ihrem Vater. So ein alter räudiger Mann war er doch geworden. Aber seine Schwester sah noch immer so gruselig wie früher aus, nur etwas erwachsener. Ihre übliche schwarze Kleidung, ihre blasse Haut und die blonden Harare, ließen sie wie eine Tote erscheinen. Dann plötzlich sah auch sie zu ihm mit ihren blutroten Augen. Ihre Blicke trafen sich und Ankou blieb fast das Herz stehen. Hatte sie ihn wirklich gesehen oder war es nur ein Zufall. Egal, wenn sie ihn wirklich gesehen hatte, konnte er jetzt auch Dyanna helfen gehen. Gedacht, getan. Er machte sich schnellen Schrittes auf den Weg zu ihr und ließ Raskus verblüfft zurück.
„Was willst du denn?“, fragte Logan sogleich. „Dyanna gibt auf!“
„Das hast du nicht zu bestimmen!“ Ankou war schon längst an Logan vorbei gegangen und wollte Dyanna auf seinen Arm heben. Logan ließ das nicht zu, er stieß ihn weg von seiner Beute. In Ankou stieg die Wut auf, Dyanna konnte schon gleich tot sein. Mit einem gezielten Faustschlag schmetterte er Logan zu Boden. Dann schnappte er sich Dyannas Dolche und setzte sie auf die Hände des verwirrten Logan. Ankou stemmte sich mit ganzer Kraft darauf und stieß somit die Klingen durch die Handflächen und den Boden. Wütend knurrte Logan vor Schmerzen auf. Aber Ankou vernahm es nur leise, denn er hatte Dyanna schon auf seien Arme gestemmt und war auf dem Weg zurück in die Aufenthaltsräume. Auf seinem Weg schaute er ein letztes Mal zu seiner Schwester. Ihr Blick und der ihres Vaters folgten gespannt seinen Bewegungen. Mit einem fiesen, hinterhältigen Lächeln formte sie ihre Lippen zu folgenden Worten: „Ich krieg dich!“
Sanft legte er Dyanna auf den Boden. Ihr ganzer Köper war übersäht mit Wunden. „Was können wir tun?“, fragte Raskus und stützte vorsichtig Dyannas Kopf. „Na ja, es gibt da eine Möglichkeit.“
„Es gibt zwei.“ Ankou drehte sich um, um den zu sehen, der das gesagt hatte. „Du schon wieder!“ Ankou erkannte ihn, es war der schwarzgekleidete Fremde, der vor kurzem gefragt hatte, ob Ankou Dyanna retten könnte. „Woher wusstest du, dass so etwas passieren würde.“
„Intuition? Aber es war nicht schwer zu erraten, bei solch einem Turnier.“ Bevor er wieder verschwand, flüsterte er noch etwas in Ankous Ohr. Sie lächelten sich zu und dann machte Ankou sich daran Dyanna zu helfen. Er sah in ihr Gesicht, strich ihr Haar aus dem Weg und säuberte es vorsichtig mit dem Ende von Raskus’ Kutte. „Was hast du vor?“, wollte Raskus wissen und riss Ankou sein Kuttenende aus der Hand. „Ihre Wunden heilen.“ Ankou umklammerte ihre Hände und beugte sich über Dyannas Gesicht. Dabei überhörte er Raskus’ Kommentar, das da lautete: „Eigenartige Methoden hast du!“ Dann beobachte er allerdings lieber neugierig das Geschehen weiter. Ankou schloss die Augen und konzentrierte sich stark.
Sanft legte er seine Lippen auf ihre. Beschämt wandte Raskus trotz der Neugier seinen Blick ab. Als er nach einigen Minuten wieder hinsah, erhaschte er noch wie etwas Flüssigkeit, die nicht wie Speichel aussah, von Ankous Zungenspitze tropfte, als er sich von Dyannas Lippen löste. „Was hast du getan? Mein armer kleiner Schützling, beschmutzt von dir. Ich werde am besten sofort ihre Lippen säubern.“ Lüstern beugte sich Raskus auch über Dyanna, aber Ankou konnte ihn zurück halten. „Lass mal gut sein, ich hab sie nicht geküsst.“
„Das sah für mich aber anders aus.“
„Na ja, also eigentlich… Nein, nichts eigentlich! Ich habe ihr lediglich etwas von meiner Kraft abgegeben, damit ihre Wunden schneller verheilen.“ Raskus sah ihn beeindruckt an, aber sein Blick sagte noch etwas anderes aus, es schien als müsste er sich unbedingt diesen Gedanken einprägen. „Hat dir diesen Tipp der Fremde gegeben?“
„Ja.“ Erschöpft lehnte sich Ankou gegen die Wand, dabei hielt er immer noch eine Hand von Dyanna fest umklammert. „Kannst du was zu trinken holen. Dyanna wird sehr durstig sein.“ Raskus tat wie ihm befohlen, doch davor half er Ankou noch sich Dyanna auf den Schoß zu legen. Sie brauchte jetzt angeblich viel Wärme, aber eigentlich wollte eher Ankou ihre Wärme.
Als Dyanna ihre Augen öffnete, sah sie wie Ankou schlief und sie ganz fest an sich gedrückt hatte. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, wollte sie sich davonstehlen. „Du solltest dich noch nicht so viel bewegen!“ Leise fluchte Dyanna. „Ich hab nicht geschlafen, falls du das dachtest.“
„Sah aber so aus.“
„Ich brauche nicht so viel schlaf wie du.“
„Und was brauchst du dann? Ich hab übrigens alles mitgekriegt.“ Ankou sah sie fragend an: „Ich weiß nicht wovon du redest.“
„Hast du mich geküsst?“
„Nein!“, schrie Ankou entsetzt aus und hörte dabei nicht direkt auf das, was Dyanna danach sagte. „Es war eher eine Art Notlösung.“ Dyanna sah ihn an, als auch Ankou zu ihr sah, war er so überrumpelt von der Klarheit ihrer Augen, dass beide erst einmal kurze Zeit nichts sagten. Währenddessen verarbeitete auch endlich Ankous Gehirn, was Dyanna eigentlich noch gesagt hatte: „Hast du mich geküsst? Wenn ja, dann tu es noch mal!“
Ganz leicht spürte er Dyannas süßen Atem in seinem Gesicht. Sein Verlangen wurde immer größer, aber er konnte der Versuchung ihre zarten Lippen zu berühren noch knapp widerstehen. Diese Frau brachte ihn fast um den Verstand mit ihrem ewigen Hin und her. Dann endlich zog sie ihn an sich, sodass sie mit Zähnen und Lippen gegeneinander stießen und ihre Leidenschaft mit dem salzigen Geschmack von Blut geziert wurde. Fast hätte Ankou über Dyannas Ungeschicklichkeit gelacht, doch dieses kleine Missgeschick war sofort vergessen, als sie liebevoll seine Zunge mit ihrer umspielte. Anschließend biss er ihr zärtlich auf die Lippe um Dyanna wenigstens irgendetwas entgegen bieten zu können.
Von Dyanna ging ein leises Schmerz erfülltes Stöhnen aus. Ängstlich löste sich Ankou und überprüfte, was der Auslöser war. Erst als er sichergestellt hatte, dass es nichts Ernstes war, kehrten seine Lippen zu ihren zurück.
Nachdem sie sich endgültig von einander getrennt hatten, wagte es keiner auch nur kurz den anderen anzusehen. Um es völlig abzuhaken sagte Dyanna: „Na ja, war ja gar nicht mal so schlecht.“ Ankou schüttelte eifrig mit dem Kopf und gab ein piepsendes Geräusch von sich, was in etwa ‚Ja’ bedeuten sollte. Endlich kam auch Raskus mit etwas Wasser zurück. Ankou nahm es sofort an sich und trank es aus. „Ich dachte es wäre für Dyanna?“, schrie Raskus beleidigt. „Ich hatte aber Durst!“
„Und was ist mit Dyanna?“
„Ist schon gut, ich hol mir selbst was.“ Sie stemmte sich so doll wie möglich bei Ankou ab und trat ihm dabei absichtlich auf die Hand. Noch etwas wackelig stand sie auf den Beinen, aber ihre Wunden waren fast vollständig verheilt, durch Ankous Hilfe natürlich.
Ankou bestritt den zweiten Kampf in der zweiten Runde, noch zwei weitere würden folgen, bis die dritte Runde beginnen würde. Sein Gegner war niemand geringeres als der Schwarzgekleidete mit dem silbernen Haar. Irgendwie hatte Ankou das schon befürchtet.
Lange hatten sie sich angestarrt. Der Fremde hatte eine sichelförmige Waffe in der linken Hand. Eigentlich unfair, dachte Ankou und wählte für sich das alte verrostete Schwert, das sicher genau so gut schnitt wie geschliffenes Holz. „Willst du wirklich gegen mich kämpfen oder was hast du Vor?“, fragte Ankou, nachdem der ‚Der-die-Waffen-aushändigt’ das Feld verlassen hatte. Selbstsicher antwortete sein Gegner: „Natürlich! Und ich werde gewinnen.“ Er lachte und musste sogleich einige dumpf klingende Schwertschläge von Ankou abwehren, während dieser ein bisschen Konversation ausübte: „Von wo kommst du, dass du dir einbildest dich hier so aufspielen zu können?“ Sein Blick huschte über die Ohren des Fremden, die nicht gerade menschlich aussahen, sondern spitz nach oben hin endeten. Ankous Gegner verfolgte den Blick und bevor er antwortete, legte er sich rasch einige Haarsträhnen über die Ohren: „Ich komme von sehr, sehr weit her. Wenn ich dir den Namen sagen würde, könntest du ihn ja doch nicht einordnen.“
„Sag ihn schon.“
„Fallacy!“ Ankous Blick sagte alles – er kannte den Ort wirklich nicht, aber vielleicht war es auch gar kein Ort auf diesem Planeten. Mit weiteren speziellen, außergewöhnlichen und sehr konkreten Fragen versuchte er sein Unwissen zu vertuschen: „Dein Name?“
„Hothoris. Und deiner? Ach, das brauchst du ja eigentlich nicht zu sagen ich kenne ihn doch schon, und er ist nicht der den alle nennen.“
„Fein!“ Misstrauisch kämpfte er weiter.
Es fiel Ankou schwer zu atmen, weil er während des Kampfes geredet hatte. Es fühlte sich an, als würde man ihm von innen mit Messern gegen die Rippen stechen, dennoch hatte er seinem Gegner noch keinen Schaden zuführen können. Er merkte, dass auch er nicht besonders gut im Kampf war, aber vielleicht trotzdem noch etwas besser als Dyanna. Hothoris fiel Ankous Schwäche auf und zügelte aus diesem Grund sein Tempo etwas: „Bemerkst du nicht, dass ich gewinnen würde? Du bist doch schon völlig am Ende, außerdem würde sich mein Körper schneller regenerieren als deiner, aber du landest ja nicht mal einen Treffer. Und ich habe noch nicht einmal ein Drittel meiner Kräfte eingesetzt.“
„Deswegen bist du doch auch nicht hier. Ich merk doch da was faul ist.“ Hothoris warf einen Blick zu Ankous Freunden. Raskus sah ihm wütend entgegen und ging nervös umher. Dyanna genoss genüsslich ein Glas Wasser. Dann drückte er Ankou an der Kehle mit seiner Waffe auf den Boden: „Also hör zu, meine Zeit wird knapp, tu einfach so, als ob wir immer noch kämpfen würden.“ Ankou tat, als würde er gegen seinen Gegner ankämpfen, aber in Wirklichkeit lauschte er gespannt auf das was Hothoris ihm sagen würde. „Mein Meister hat mich geschickt, um dich zu warnen.“ Allmählich verblasste Hothoris’ Körper, er wirkte fast wie ein Geist, doch Ankou wagte es nicht ihn zu unterbrechen, um nach dem Grund zu fragen, weil er wusste, dass ihm kaum noch Zeit blieb, aus welchem Grund auch immer.
„Trau niemandem! Weder deinen Feinden noch deinen Freunden, nicht deiner Dyanna, dem Pfarrer oder sonst wem. Nichts ist so wie es scheint…“ In diesem Moment, riss Raskus ihn von Ankou weg. Mit einem flüchtigen Grinsen sagte Hothoris zu Raskus: „Zu spät!“ Dann hatte er sich völlig aufgelöst. Wütend sprang Ankou auf, der noch mehr Antworten von dem eventuellen Freund haben wollte. „Was hast du mit ihm gemacht?“
„Nichts! Ich wollte dir nur helfen, hast du nicht mitbekommen, was er mit dir angestellt hat?“ Verwirrt sah Ankou an sich hinab und bemerkte, dass er am ganzen Körper schreckliche Wunden hatte. Aber er spürte keinen Schmerz, außerdem verschlossen sich die klaffenden Risse auf seiner Haut schon wieder. Also nicht der Rede wert. „Komm, ruh dich etwas aus.“ Freundlich stützte Raskus seinen Freund und brachte ihn zu Dyanna, die immer noch seelenruhig ihren Drink schlürfte.

-Fortsetzung folgt-
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Find ich gut...ich, weiß, das ist kein besonders kostruktiver Kommentar, aber sowas überlass ich lieber denen, die ne Ahnung von sowas haben. Jedenfalls find ichs lustig...am Besten gefällt mir das "Fortsetzung folgt"....;)
Gruß,


Eden (13.10.2004)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Fight for the Night - Inhaltsangabe  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De