67


12 Seiten

Wings of Darkness

Romane/Serien · Fantastisches
Prolog

Ein sanfter Wind strich über das Gelände des Palastes, vermischte sich mit dem leichten Regen, der vom Himmel fiel und trieb ihn in Richtung eines offenen Fenster.
Shiro streckte zaghaft eine Hand aus, spürte wie die kalten Tropfen auf ihrer gebräunten Haut landeten, in kleinen Rinnsälen hinunter liefen und schließlich auf die Erde tropften, die das Wasser hungrig einsog.
Es war ein heißer Sommer gewesen, wie der Planet ihn bisher selten erlebt hatte und nur wenige Erwachsene lebten schon lang genug um ihren Kindern und Enkeln von einem ähnlichen Sommer erzählen zu können.
Shiro wusste, dass sie nicht rausgehen sollte, wenn es regnete. Der erste Regen im Herbst war etwas besonderes, etwas heiliges und durfte von niemandem entweiht werden.
Sie zog ihren Arm zurück ins Zimmer, ging vom Fenster weg und schloss es sorgsam. Glas war teuer und es war ihr erst vor einem Monat passiert, dass sie ein Fenster zu hastig geschlossen hatte und dabei die Scheibe zersprungen war.
Sie ging zum kleinen Spiegel in der Ecke, begann sich die dunkelbraunen Haare zu kämmen und hochzustecken wie ihre Mutter es ihr beigebracht hatte und verließ daraufhin den Raum.
Ihr war beigebracht worden sich entsprechend zu kleiden und aufzutreten wenn sie im Palast unterwegs war.
Draußen war es still. Normalerweise waren die Gänge in diesem Trakt erfüllt von Stimmen, da er die Verbindung zwischen dem Tempel und der Eingangshalle darstellte.
Heute jedoch war niemand da. Als sie die Tür hinter sich schloss, konnte sie hören wie das klackende Geräusch des Schlüssels im Gang widerhallte.
Komisch, es war ihr nie aufgefallen, dass es in dem Gang ein Echo gab, doch selbst ihre Schritte hallten seltsam wieder.
Zu ihrer rechten Seite waren die Portraits der ehemaligen Königen aufgehangen. Shiro kannte sie alle, denn sie hatte oft genug hier gestanden und sich vorgestellt wie es sein würde, wenn ihr Bild ebenfalls dort hinge.
Die Bilder hörten mit Inalia auf, der momentanen Königin und Shiros Tante. Ihr hatte Shiro es zu verdanken, dass sie sich überhaupt im Palast befand.
Ihre Eltern waren vor drei Jahren bei einem der Aufstände ums Leben gekommen.
Inalia hatte sie daraufhin in den Palast genommen und dafür gesorgt, dass sich jemand um sie kümmerte.
Shiro war gut genug erzogen und hatte eine hervorragende Bildung genossen, so dass sie es Inalia nicht übel nahm, wenn sie keine Zeit fand sich um ein kleines Mädchen zu kümmern. Schließlich war Inalia ja die Königin.
Sie blieb an einem der großen Fenster stehen, die zum See hinausgingen und konnte aus dem nahegelegenen Wald gelblichroten Rauch aufsteigen sehen.
Sie wusste was das bedeutete. Niemand hatte es ihr erklärt, denn dafür war sie noch zu jung, doch sie hatte oft genug aus dem Fenster geblickt wenn der erste Regen fiel um zu wissen, dass es ein Teil des Rituals war.
<Nächstes Jahr>, redete sie sich in Gedanken gut zu und ein Lächeln legte sich dabei auf ihre Lippen, < Nächstes Jahr werde ich es alles auch erleben>.
Sie war die jüngste, die momentan im Haupttrakt des Tempels lebte, doch nächstes Jahr – es würde ihr zwölfter Sommer sein – wäre sie endlich alt genug um auch an dem Ritual teilzunehmen.
Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf den Rauch, bald würde er weiß werden und dann verschwinden und die Bewohner des Palastes würden vom Ritual zurückkommen und mit dem Festessen beginnen.
Shiro grinste und legte eine Hand vorsichtig gegen die kalte Scheibe, zog sie aber gleich wieder zurück als ihr einfiel, dass die Scheiben erst gestern Abend gereinigt worden waren.
Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Rauch und zuckte erschrocken zusammen.
Für einen Moment schloss sie verzweifelt die Augen, rieb sich über diese, öffnete sie langsam wieder, in der Hoffnung es wäre nur eine Einbildung gewesen, doch das Bild blieb. Der Rauch war schwarz. Nicht weiß ,wie er sein sollte, sondern schwarz.
Shiros Atem beschleunigte sich.<Nein! Das darf nicht sein. >
Sie war noch jung und wusste nicht was genau bei diesen Ritualen geschah, doch sie wusste, dass der Rauch niemals schwarz werden durfte.
Schwarz war schlecht, denn schwarz war das Zeichen der Dunkelheit. Das hatten ihr immer alle erklärt.
Ihre Hände zitterten als sie in Richtung Tempel hastete.
Ihre ältere Schwester hatte ihr einmal erklärt, dass sie, wenn sie ein Problem hatte und niemanden finden könnte, zum Priester gehen sollte, er würde ihr helfen.
Eine kleine Stimme in ihrem Kopf sagte er, dass der Priester gar nicht da sein konnte, schließlich war heute das Herbstritual, doch ihre Beine waren schneller als ihre Gedanken.
Als sie die Tür zum Tempel aufstieß – das silberne Metall fühlte sich eisigkalt unter ihrer Haut an – roch sie sofort den bekannten Geruch von Weihrauch.
Als die Tür hinter ihr von selbst ins Schloss fiel, zögerte sie.
Der Tempel war leer. Sie war schon oft im leeren Tempel gewesen, doch heute hatte das ganze etwas beängstigendes an sich.
Sie schritt den Gang entlang in Richtung Altar. Das Echo war hier viel stärker als im Gang.
Das wenige Licht, dass es heute schaffte durch die Fensterbilder zu dringen, schien ihr seltsam irreal und... dunkel.
Sie schüttelte verwirrt den Kopf. <Wie konnte Licht denn dunkel sein?>
Sie blieb wenige Meter vor dem Altar stehen.
„Priester?“
Es kam keine Antwort. Stattdessen erschien es ihr, nun nachdem ihre eigene Stimme wieder verstummt war noch stiller als zuvor im Tempel.
Sie trat näher an den Altar heran , auf dem umgeben von Blumen und Opfergaben die Schüssel der Königin ruhte.
Shiro erinnerte sich, dass die Schüssel das erste war, worüber ihr Inalia einiges beigebracht hatte.
„Das Orakel ist unsere Hoffnung, unser Schicksal, unsere Bestimmung. Es ist unser tägliches Licht. Egal was passiert, du darfst niemals vergessen, dass das Orakel das heiligste ist was wir besitzen.“
Sie hatte nur verwirrt geblinzelt – schließlich war sie nur ein Kind gewesen - und ihre Tante gefragt: „Aber du bist doch die Königin. Bist du nicht das heiligste?“
Daraufhin hatte Inalia gelächelt, eine Hand auf Shiros Wange gelegt und erklärt: „Ich bin nur die Königin weil das Orakel mich dazu gemacht hat.“ Bis heute hatte sie diese Worte ihrer Tante nicht verstanden...
Sie stand direkt vor der Schüssel, betrachtete aufgeregt die altmodischen Schriftzeichen die in sie eingelassen waren und die sie nicht lesen konnte.
Wie konnte diese Schüssel die Königin auswählen?
Sie streckte sich und erkannte, dass die Schüssel mit Wasser angefüllt war. Kindliche Neugier erfüllte sie mit einem Male und sie streckte zaghaft die Hand aus.
Ob das Wasser warm sein würde? Oder vielleicht doch kalt? Ob sich das Wasser genauso anfühlen würde wie der Regen vorhin?
Ihre Hand näherte sich immer mehr der durchsichtigen Flüssigkeit. Ob das Wasser irgendwie anders sein würde? Schließlich war es doch etwas heiliges.
Ihre Finger verweilten Millimeter über der Flüssigkeit. Durfte sie das hier überhaupt?
Noch einmal lauschte sie, doch sie konnte nichts hören, außer ihrem eigenem Atem, der viel zu flach ging. Niemand würde jemals davon erfahren... es würde ihr kleines Geheimnis bleiben, für immer.
Und dann berührten ihre Fingerspitzen die Wasseroberfläche.
Sie erkannt sofort, dass es eine Vision war, obwohl sie noch nie zuvor eine gehabt hatte.
Sie konnte die Silhouetten von sechs Personen nur verschwommen erkennen. Sie blinzelte ein paar Mal, versuchte so das Bild vor ihren Augen klarer werden zu lassen, doch es funktionierte nicht, denn sie konnte noch immer nichts weiter als schwarze Umrisse sehen, wo die Menschen sein mussten.
Sie standen in einem Kreis, jedoch mit dem Rücken zueinander, weder durch Blicke noch durch Berührungen Kontakt mit einander habend.
Sie hob den Blick leicht und zuckte erschrocken zusammen, als sie erkannte, dass über den Personen eine schwarze Masse schwebte, immer größer und bedrohlicher werdend.
Sie wollte schreien, wollte die Personen warnen, doch ihre Stimme versagte.
Langsam – viel zu langsam wie es Shiro schien – drehten sich die sechs zueinander und streckten langsam die Hände zueinander aus.
Shiro konnte sehen, wie einige sekundenlang zögerten andere viel zu hastig reagierten um über ihre Entscheidung lang genug nachgedacht zu haben.
Als sie alle ihre Hände ausgestreckt hatten, begann sich in ihrer Mitte das Licht zu sammeln, doch es war zu wenig! Viel zu wenig um die Dunkelheit aufhalten zu können, die immer stärker wurde.
Shiro drehte sich um und suchte nach Hilfe, doch niemand war hier, der hätte helfen können. Als sie sich jedoch wieder den Personen zu drehte stand ein siebter Schatten bei den anderen, streckte seine Hand langsam in Richtung Licht.
Und das Licht stieg an und wurde groß und so unglaublich hell, dass Shiro verzweifelt den Drang unterdrückte die Augen geblendet zu schließen.
Mit einem Male stürzte die Dunkelheit von oben auf die Schatten herab , Shiro wollte aufschreien, denn gleichzeitig flog das Licht auch nach oben, die beiden Kräfte trafen aufeinander und eine gewaltige Explosion erschütterte den Boden unter ihr und...
Erschrocken öffnete Shiro die Augen, atmete schwer und erkannte überrascht, dass die Vision sie zu Boden gerissen hatte.
Als sie hochblickte zog sie erschrocken die Luft ein, denn der Priester stand vor ihr, die Arme vor der Brust verschränkt und wütend auf sie starrend.
„W-Was ist passiert?“
Sie versuchte sich aufzurichten, doch ihre Beine gaben unter ihr nach und sie landete erneut hart auf dem Boden. Ihre Knie schmerzten und sie fühlte wie es in ihrem Kopf zu hämmern begann.
Der Priester machte keine Anstalten ihr zu helfen.
Seine Stimme war scharf , kalt und brachte sie zum zittern, als er mit ihr sprach und Shiro war sich nicht sicher, ob es tatsächlich nur an seiner Stimme oder auch an seinen Worten lag.
„Das Orakel hat dich als neue Königin ausgewählt.“

~

Shiro hatte noch nie in ihrem Leben verletzte Menschen gesehen.
Sie hatte natürlich in der Küche gearbeitet und dort kleinere Schnittwunden, auch Verbrennungen gesehen, doch niemals im Leben hatte sie wirklich Verletzte gesehen, denn es hatte seit langem keinen Krieg mehr gegeben und als die Unruhen den Planeten beherrschten, hatten ihre Eltern nicht zugelassen, dass sie das Haus verließ.
So stand sie nur verwirrt da, als die Verletzten des Herbstrituals ins Innere des Schlosses getragen wurden. Niemand hatte ihr bisher erzählt was passiert war, doch es musste etwas mit dem Feuer zu tun haben, denn alle die sie sah hatten starke Verbrennungen und litten durch den Rauch unter Atemnot.
Eine der Dienerinnen trat zu Shiro und verbeugte sich vor ihr. Shiro stand einfach nur da und wusste nicht was sie tun sollte.
„Königin Inalia möchte sie gerne sehen Madam.“
Noch nie zuvor hatte sich jemand vor ihr verbeug oder „Madam“ zu ihr gesagt. Sie brauchte einen Moment um zu erkennen, dass sie damit gemeint war, doch dann folgte sie der Dienerin.
Sie wurde in den Haupttrakt des Palastes geführt in dem sie bisher nur selten gewesen war. Hier befanden sich die Gemache von Königin Inalia, die nur von ihr und ihren Dienerinnen betreten werden durften.
Die Dienerin blieb stehen und verbeugte sich erneut vor Shiro während eine zweite Dienerin öffnete die Tür zu Inalias Schlafsaal.
„Treten sie ein Madam. Ihre Königin wartet schon.“
Sie fragte sich, wie schnell sich das Ereignis im Tempel wohl rumgesprochen hatte, dass alle sie so behandelten, doch der Gedanke verschwand als sie das Schlafzimmer betrat.
Sie hatte niemals ein solches Schlafzimmer gesehen. Die Scheiben waren wie aus Kristall und das Licht, das durch sie fiel glänzte silbern und zauberte wundersame Lichteffekte auf die weiße Seide mit der die Möbel und das Bett überzogen waren.
Weiße Lilien standen in gläsernen Vasen überall herum und auf einem der vielen Holztische in einer Art Wintergarten der an das Zimmer anschloss standen Platten mit Obst und Früchten die Shiro teilweise noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.
Ein schmerzhaftes Stöhnen durchriss die Stille des Raumes und brachte Shiro zurück in die Realität. Sie trat ans Bett, in dem Inalia lag. Als sie Inalia erkannte wich sie erschrocken einige Schritte zurück.
Gesicht und Haut der Königin waren vollkommen verbrannt und hätte Shiro nicht gewusst, dass es Inalia war die dort lag, sie hätte ihre Tante nicht erkannt.
Doch da sie wusste, dass es Inalia war, ihre letzte ihr noch bekannte Verwandte, da war der Schock über die Verletzungen nur noch um ein vielfaches größer.
„Komm her...“, die einst so sanfte Stimme Inalias klang kratzend und ihre Bewegungen waren zitternd als sie eine Hand ausstreckte die nur leicht verbrannt war.
Shiro zögerte aus Ekel und Angst und obwohl Inalia die Abscheu in Shiros Augen sehen musste, hielt sie ihre Hand weiter ausgestreckt, bis das Mädchen wieder ans Bett getreten war und die Hand ergriff.
„Du warst im Tempel Shiro?“ Inalias Stimme war brüchig und Shiros Schuldgefühle kehrten zurück. „Ich wollte keine Regel brechen, Tante, ich wollte niemandem etwas böses.“
Die Königin lächelte sanft. „Es ist in Ordnung Shiro...es war das richtige...nun wirst du die neue Königin.“ „Aber Tante!! Du bist die Königin, wie kann ich dann....“
Shiros Stimme erstarb, als sie die Wahrheit erkannt. Inalia drückte die Hand des kleinen Mädchens beruhigend. „Der Tod ist nichts beängstigendes mein Engel. Er ist nur das Ende einer unserer Existenzen.“
Shiro verstand nicht, doch sie hörte aufmerksam zu, wissend, dass die Worte ihrer Tante wichtig waren.
„Du musste die Stimme des Orakels werden, Shiro, du musst die Beschützerin des Volkes sein. Ich habe es immer gewusst, von Anfang an, sobald ich deine Augen gesehen hatte. Du bist etwas besonderes Shiro. Vielleicht... wirst du die Lichtträgerin aus... der.... Legende... werden...“
Inalias Atem wurde immer flacher. Shiro bemerkte es mit wachsender Nervosität.
„Du sollst nicht reden Tante. Die Dienerinnen haben sicher schon die Heiler gerufen... es wird nicht mehr lange dauern, du wirst wieder gesund Inalia!!“
„Nein... mein Kind.. ich werde sterben.. die Heiler müssen die retten..., die noch eine Chance haben...“ Inalia schloss die Augen und Shiro beugte sich zu ihr, strich ihr über die wenigen unverbrannten Haare.
„Mach die Augen auf Tante. Du bist doch die Königin. Das Volk brauchte dich....“ Die Königin röchelte, als sie versuchte zu antworten und sie drückte unaufhörlich Shiros Hand.
„Nein Shiro... die Hoffnung des Volkes... die neue Königin... das bist... du...“
Inalias Hand erschlaffte und die Königin starb.

~

Es war in ihrem zwanzigsten Winter, als Königin Shiro die zweite Vision ihres Lebens hatte.
Draußen war der erste Schnee gefallen und die Kinder spielten im Garten, eingemummelt in dicke Stoffkleidung.
Shiro zog das Stofftuch, dass um ihre Schultern lag, enger, ging vom Fenster weg, drehte sich zu ihrer Kommode und zupfte etwas an dem Blumengesteck herum, dass neben den Spiegel stand.
Sie blickte in ihren Spiegel und überprüfte wie immer ihr Aussehen, bevor sie den Raum verließ und schritt zusammen mit einer der Wachen, die vor ihren Gemächern gewartet hatte zur Empfangshalle.
Eine Dienerin wartete vor dem Eingang zur Halle auf sie.
„Eure Majestät.“, sagte sie leise, bevor sie sich leicht verbeugte. Shiro lächelte sie an. „Lass es Talia. Du weißt ich mag es nicht wenn du dich so benimmst. Sag, wer wartet dort drinnen auf mich?“
„Ein Abgesandter der Dörfer aus Nuria und ein Redner des Naturvolkes aus Aston.“ „Haben sie erläutert um was es sich handelt?“
„Nein. Sie weigerten sich mit jemandem außer ihnen zu sprechen.“ „Gut.“
Ohne zu zögern trat Shiro in die Halle und nahm auf dem obersten Sitz an der großen Tafel platz.
„Lasst den ersten rein.“
Shiro war erstaunt, als sie den Boten sah der eintrat. Die Naturvölker schickten normalerweise ältere Mitglieder ihres Volkes, doch der Mann der vor ihr stand war nicht älter als 16 oder 17 Jahre.
Die gewellten braunen, leicht verwuschelten Haare wurden von einem roten Stirnband zurückgehalten und er trug die traditionelle Kleidung des Volkes, auf seinem Rücken ein langer Holzstab befestigt und auf seiner Haut gezeichnetes Symbol, dass ihn als Geisterbeschwörer kennzeichnete.
Shiro deutete ihm an näher zu treten. Irgendetwas an diesem Jungen war komisch. „Berichte.“ Forderte sie ihn auf und hörte ihm doch nicht wirklich zu als er redete.
„Der Wald in Aston steht kurz vor der Zerstörung, eure Majestät. Wir brauchen ihre Hilfe. Wesen, die nie jemand zuvor gesehen hat, Geburten der Dunkelheit. Unsere Geister sind machtlos gegen diese Gefahr, unsere Existenz steht auf dem engen Grad zwischen Dunkelheit und Licht. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
Shiro klammerte sich an den Tisch als sie bemerkte, wie das Bild vor ihren Augen verschwamm. Sie erinnerte sich an ihre erste Vision. Die sechs Schattengestalten... dies hing mit ihnen zusammen...
Ihre Stimme zitterte und sie hatte das Gefühl, als wäre es gar nicht wirklich sie die sprach.
„Wie ist dein Name?“ Der Junge schien erstaunt, doch sie war nicht mehr fähig sein Gesicht zu erkennen. „Shinzou. Shinzou Sakuda.“
Ihr Beine drohten unter ihr nachzugeben als sie aufstand, doch für einen Moment hielten sie noch. Mit einem Male war ihre Stimme wieder fest und stark.
„Nein! Du bist.... Nanshe… Du bist Nanshe!!“
Dann brach sie zusammen und mit der Dunkelheit überrollte sie die Vision.

~

Fides betrachtete nachdenklich den langen Holzstab in seinen Händen, bevor er ihn an Nanshe zurückreichte. „Und damit kannst du kämpfen? Ich weiß nicht, aber mir wäre das ganze zu umständlich... ich trete lieber einmal zu und hau dann ab.“
Nanshe schenkte ihm einen verächtlichen Blick, während er den Stab wieder an dem vorgesehenen Riemen befestigte. „Wer abhaut kann sein Volk nicht beschützen.“
„Was bringt es dir denn da zu bleiben und dich umbringen zu lassen. Dann doch lieber wegrennen und wiederkommen wenn man stark genug ist.“, erklärte Calleach und drehte sich lachend von Mati weg, der versuchte ihr durch die Haare zu strubbeln.
Mati grinste und ließ sich zwischen Calleach und Carna fallen und warf dann ein paar trockene Äste in die Flammen des Lagerfeuers.
„Wo geht es denn morgen hin?“ Carna löste den Gurt ihres Schwertes und legte es zu dem restlichen Reisegepäck.
„Zu einem See hier ganz in der Nähe, dort gibt es einen Heiler, den Shiro persönlich kennt und bei dem wir etwas abholen sollen – nein Fides, ich weiß nicht was...auf jeden fall müssen wir dann schauen was wir als nächstes unternehmen.“, erklärte Lucinas, während sie sich ihre Haare zusammensteckte, damit sie nicht länger in ihr Gesicht fielen.
Nanshe brach das Brot durch in das er gerade beißen wollte und reichte eine Hälfte Lucinas, die ihm dankbar anlächelte.
Fides ließ sich zurück ins Gras fallen und starrte in den Sternenhimmel. „Wir hatten schon lange keine so klare Nacht mehr.“
Mati seufzte und blickte ebenfalls kurz nach oben. „Ich wünschte wir wären in einer der StädetHmm..... Mädchen stehen drauf, wenn man mit ihnen Sterne gucken geht. Ihr wisst schon Romantikkram und so.“
Fides grinste verstehend. „Die meisten Jungs stehen auch drauf.“, erklärte er „Sie geben uns nur nicht zu.“
Lucinas, mati und Carna sahen die beiden an und lachten.
Plötzlich hob Calleach den Kopf und blickte in Richtung Osten. „Der Wind hat gedreht.“, erklärte sie und schlagartig waren sie alle still, Fides richtete sich erschrocken auf.
Es dauerte einige Sekunden, dann fragte Nanshe „Und?“
„Sie kommen, wir müssen verschwinden.“
Die Flamme des Feuers erlosch und die Lichtung wurde verschluckt von der Dunkelheit.

~

Shiro atmete heftig, als sie erwachte.
Die Vorhänge waren vor die Fenster gezogen, doch sie waren aus dünner, weißer Seide, so dass sie das Licht kaum zurückhielten.
Sie richtete sich langsam auf und schaute sich um. Auf dem Tisch neben ihren Bett stand ein bronzener Krug und sie erkannte sofort am Geruch, dass es ein Kräutertrank war.
Mit leicht zittrigen Händen griff sie nach dem Krug und trank davon, hoffend dass es ihrem Körper helfen würde sich zu beruhigen.
Eine Dienerin öffnete die Tür und hastete zu Shiro. „Majestät. Bitte bleibt doch liegen. Euer Körper braucht Ruhe.“
Shiro schüttelte den Kopf. „Nein, Nein ich muss aufstehen. Bitte, holt Talia um mich anzukleiden. Ich möchte zu dem Volk sprechen.“
„Aber Majestät, eure Vision war sehr heftig, ihr seid mitten in der Halle zusammengebrochen. Ihr braucht Ruhe.“
Shiro erinnerte sich langsam... Shinzou Sakuda... Nanshe... dieser Junge hatte die Vision ausgelöst, da war sie sich sicher. Es hing alles mit diesem Jungen zusammen.
„Sakuda... ist er noch hier? Oder ist er schon zurückgekehrt?“ Die Dienerin schien über die Frage erstaunt. „Ich weiß es nicht Majestät. Ich werde nachfragen wenn ich Talia hole.“
„Dann tue das.“
Sie blieb einige Minuten alleine in ihrem Raum zurück, bevor die Tür sich wieder öffnete und Talia eintrat. Die Dienerin schien besorgt. Shiro lächelte sie beruhigend an. Sie mochte Talia. Die junge Dienerin war an ihrer Seite, seit sie mit zehn Jahren als neue Königin ausgewählt worden war.
„Shiro! Shiro, du musst liegen bleiben. Oh du bist so unvorsichtig.. hast du wenigstens deinen Trank getrunken? Du musst mehr auf dich achten. Alle waren zu Tode erschrocken als du zusammen gebrochen bist. Ich dachte, du würdest nie mehr aufstehen.“
Shiro lächelte Talia einfach nur an, die verwundert die Stirn kraus zog. „Was? Warum grins du so?“ „Das ist das erste Mal.. seit dem Herbstritual damals... dass du mich nicht Majestät sondern Shiro nennst.. scheinbar musst du nur wirklich besorgt um mich sein...“
Talia schien für einen Moment erstarrt, dann verpasste sie Shiro eine spielerische Kopfnuss, bevor sie die junge Frau stürmisch umarmte. „Oh du!! Tu das einfach nie wieder, ja?“
Shiro nickte und stand auf, zog ihr Nachthemd aus, in das sie gekleidet worden war, während Talia aus dem Schrank ein Kleid heraussuchte.
„Sag.. hat der Bote des Naturvolkes den Palast schon verlassen?“, fragte sie erneut.
„Nein. Er wollte, doch wir hielten ihn zurück. Die Wachen wollten ihn festnehmen, weil sie annahmen, dass er euch vergiftet oder verzaubert hatte, doch ich schritt ein. Er befindet sich in einem der Gästezimmer im östlichen Trakt.“
„Ich möchte mit ihm sprechen.“
Talia half Shiro das Kleid anzuziehen und begann es am Rücken fest zuschnürren.
„Das wird erst heute Abend möglich sein.“ „Wieso?“ „Weil das Volk besorgt ist. Ihr werdet eine Ansprache halten müssen, um es zu beruhigen.“
Shiro seufzte, doch sie widersprach nicht. Sie war die Königin von Nepharius, sie war die Stimme des Orakels und die Hoffnung des Volkes.
Wenn das Volk eine Ansprache wollte, dann würde es eine bekommen. So waren ihre Pflichten als Königin, auch wenn sie sich diese nicht selbst ausgesucht hatte.
Talia legte ihr eine Hand auf die Schuler. „Fertig. Kommt. Priester Hatoki wartet bereits auf euch in der Empfangshalle.“
Shiro nickte.
„Gut. Gehen wir.“

~

„Volk von Nepharius. Wir haben schwere Zeiten hinter uns. Der frühe Frost hat die Herbsternte zerstört und uns nicht genügend Zeit gegeben uns vorzubereiten.
In Zeiten wie diesen ist es wichtig, für einander einzustehen. Wir müssen da sein und aneinander glauben, um unser Ziel zu erreichen und unsere Familien und unseren Planeten beschützen können.
Umso mehr schmerzt es mich euch sagen zu müssen, dass eine neue uns eine neue Gefahr bedroht. Eine Gefahr, die wir bis jetzt nicht fähig waren zu erkennen.
Die Dunkelheit, die wir immer mehr als alles andere gefürchtet haben, droht unseren Planeten einzunehmen. Wälder und Tiere werden zerstört. Ebenso Wesen des Lichts, die unser Schutz waren. Doch fürchtet euch nicht!
Das Orakel, unser Beschützer und unser Heiligtum, das Schicksal unseres Planeten... es hat mir gezeigt, dass das Hoffen nicht umsonst sein wird.
Sechs...Sieben... Krieger werden die Macht haben, die Kraft zu erwecken, die unseren Planeten beschützen und die Dunkelheit für immer vertreiben kann!!
Um diese Krieger zu finden, bitte ich euch... alle die gewillt sind unserem Planeten zu helfen kommt zum Tempel.
Diese Krieger sind die einzige Hoffnung die wir noch haben... und sie sind irgendwo unter uns...
Unsere einzige Rettung wird es zueinander zu stehen... und uns gegenseitig Vertrauen zu schenken. Ich werde alles tun was in meiner Macht steht... um unser Volk zu retten.“

~

Shiro strich sich nervös die offenen Haare aus dem Gesicht, bemerkte noch nicht einmal den Diener, der ihr Brot und verdünnten Wein auf einen der Tische stellte und schaute indessen einfach nur weiter aus dem Fenster ihres Schlafsaals.
Obwohl draußen eine eisige Kälte herrschten war der Hof bevölkert von Menschenmassen, die alle darauf warteten in den Tempel gelassen zu werden um ihren Planeten zu retten – egal was sie dafür tun mussten.
Einige waren mit ihren ganzen Familien angereist, andere alleine gekommen. Sie war erstaunt auch den jungen Nanshe dort zu erkennen. Sie erinnerte sich selbst daran, dass sie noch mit ihm reden musste.
Talia betrat den Raum und legte ihren Mantel sorgsam auf einem der Stühle ab.
„Ich hab veranlasst, dass den Leuten etwas heißes zu trinken und zu essen gebracht wird, genau so wie du es haben wolltest... Aber Shiro!! Du wirst dich noch erkälten! Zieh dir etwas über.“
Shiro reagierte nicht auf Talias Worte und Talia trat besorgt näher. „Shiro?“
Shiros Augen waren seltsam leer und leblos, so als hätte sie ihren Körper verlassen. Sie reagierte auch nicht, als Talia ihr eine Hand auf die Schulter legte, sondern starrte nur weiter nach draußen.
„Es hat begonnen.“, sagte sie langsam und monoton und Talia war sich nun sicher, dass es nicht Shiro war, die dort sprach.
„Was?“, fragte sie dennoch und bemühte sich keine Angst zu zeigen. „Was hat begonnen?“
Shiros Hände zitterten, als sie einen Arm hob und ihre Hand gegen die kalte Glasscheibe des Fensters drückte.
„Der letzte Kampf.“
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Ein toller Anfang und ein schöner flüssiger Schreibstil. Man ist sofort in deiner Story drin. Hat mir sehr gut gefallen.

doska (07.01.2011)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De