21


5 Seiten

Jimmy

Schauriges · Kurzgeschichten
Jimmy lag wach. Er konnte die Uhr noch nicht, aber die Dunkelheit draußen, verriet ihm, dass es sehr spät war. Er musste dringend auf die Toilette, doch in der Dunkelheit, wusste er nicht, wo er nach dem Lichtschalter tasten sollte. Er mochte dieses Zimmer nicht. Er mochte dieses Haus nicht. Er mochte die ganze Stadt nicht. In der "alten Stadt", wie seine Mutter immer sagte, gefiel es ihm besser. Aber hier in der "Neuen Stadt" gefiel es ihm ganz und gar nicht. Und auch das "Neue Haus" und das "wunderschöne neue Zimmer" gefiel ihm nicht. Nach dem Umzug vor drei Tagen, hatte er das neue Haus schon öfters durchstreift, aber nichts interessantes gefunden. Nichts sonderlich interessantes zumindest, von einer alten Socke im Keller mal abgesehen. Er dachte an den Tag, als er und seine Familie hier einzogen. Schon im Auto hatte er geschlafen. Er wusste nicht genau, wovon er geträumt hatte, er sah nur immer wieder das Bild einer... Er hatte es seinem Vater erklärt, er nannte es Sternschnuppe. "Ja, es war ganz hell und kam so vom Himmel in der Nacht. Und es sah aus, als hätte es einen brennenden Strich hinter sich!", hatte er aufgeregt im Auto erzählt. Das war, als sie noch in der Nähe der alten Stadt waren, da hatte Jimmy auch noch nicht angefangen zu schreien. Es begann kurz vor dem Ortsschild: Jimmy schreckte aus einem Traum hoch und schrie: "Wir dürfen hier nicht hin! Nein, Mami, bitte, es ist schlecht! Es ist nicht richtig! ES IST BÖSE!" Seine Mutter beugte sich vom Beifahrersitz zu ihm nach hinten und sagte sanft: "Nein, das war ein Traum. Es ist alles in Ordnung! Ich bin ja hier!" Doch selbst Jimmy merkte, das seine Mutter diesen Vorfall schnell vergaß. Seit diesem Zeitpunkt mochte er die neue Stadt nicht. Sie war böse und nicht richtig. Jimmy kannte das Wort Vision noch nicht, aber wenn, dann hätte er es in Verbindung mit seiner Sternschnuppe gebracht.
Er musste dringend. Jetzt viel ihm wieder ein, warum er aufgewacht war. Er riss die Decke hoch und saß aufrecht im Bett. In der Dunkelheit sah er sich im Raum um. Langsam gewöhnten sich seine Augen daran. Er sah über seine Batman Actionfigur auf dem Fußboden über seine Zeichnung von Scooby Doo hinweg zum Schrank. Er erkannte, dass sich die Tür leicht bewegte. Er zuckte zusammen. Wegen den ganzen Umzugskartons führte keine Weg an der Schranktür vorbei. Es ist das Monster, dachte Jimmy, das gleiche Monster was in meinem alten Zimmer unter meinem Bett hockte. Es ist mir gefolgt! Es will mich fressen! Er dachte an einen Film über Bigfoot, den er mal gesehen hatte und fuhr noch mehr zusammen. Es will mich fressen! Über ihm ratterte etwas. Er sah hoch. Es war ein Fenster, das leicht offen stand. Könnte es da rein gekommen sein? Ein eisiger Windzug strich durch Jimmys Bett und er fing panisch an zu zittern. Wagte er es, den Blick wieder auf den Schrank zu lenken? Es hätte ja auch schon hinter ihm stehen und auf ihn lauern können! Vorsichtig sah er die auf die Batman Figur. Da war Scooby Doo. Und hier die Füße. Er wagte nicht, an den Füßen hoch zu sehen, er hatte schon so genug Angst. Seine Augen wurden größer. Wie gebannt starrte er auf sie. Waren da nur vier Zehen? Sein Herz schien bis in den Hals zu pochen. Urplötzlich zogen sich die Füße zurück in den Schrank. Jimmy hielt es nicht aus. Er fing lauthals an zu kreischen. Er kreischte, so laut er nur konnte. Seine Mutter schreckte hoch und rüttelte seinen Vater wach. Im Flur ging Licht an. Da die Tür nur halb angelehnt war, erkannte Jimmy im Halbdunkeln grade noch, wie sich die Schranktür wieder zurück ins Schloß bewegte. Er kreischte noch mehr. Seine Eltern stürzten in sein Zimmer und warfen sich zu ihm aufs Bett. "Jim! Jimmy! Alles Okay?" Er sah sie weinend an. Er bemerkte, dass er nun nicht mehr zur Toilette gehen musste... "Es ist das Monster, Dad, Es ist Bigfoot! Er ist mir gefolgt!" Seine Eltern warfen sich einen erleichterten Blick zu. "Jim, wir haben es dir doch schon mal gesagt: Es gibt keine Monster und es gibt auch keinen Bigfoot! Hier ist alles in Ordnung." Seine Mutter wollte auch dieses Ereignis schnell wieder vergessen, aber Jimmy wusste, dass sie DAS so schnell nicht vergessen würde. Er wusste es. Es ist wirklich schade, das Jim das Wort Vision noch nicht kannte.
Er verbrachte den Rest der Nacht bei seinen Eltern. Doch schlafen konnte er nicht. Jedesmal, wenn der Wind gegen eine undichte Stelle am Haus pfiff, fuhr er zusammen. Am nächsten Tag stand Jimmy in seinem Zimmer und lies sich von seiner Mutter schick machen. Heute war ein besonderer Tag.
Heute kam Jimmy in die zweite Klasse und seine Mutter putzte ihn raus. Sie nährte sich dem Schrank und Jimmy dachte an letzte Nacht. Ihre Hand wanderte an den Türgriff. "Nein!", schrie er, "mach nicht die Tür auf! Da ist das Monster!" Seine Mutter sah ihn nur lächelnd an und öffnete gelassen die Tür. Nur Zeug und Bettlacken, die sie in Kartons dort vorläufig untergebracht hatten. "Siehst du, es gibt kein Monster!", sagte seine Mutter ruhig. Zögernd nährte er sich dem Schrank und sah hinein. "Kein Monster?", fragte er unsicher. "Kein Monster! Und jetzt geh, wir wollen doch nicht, dass du zu spät kommst!"

Als Jimmy um drei Uhr Nachmittags mit dem Schulbus wieder zu Hause ankam, berichtete er ganz stolz von seinen Erlebnissen in der Schule. Er war so aufgeregt, dass er in dieser Nacht sogar vergaß den Schrank zu schließen. Er hatte es sich letzte Nacht fest vorgenommen und am liebsten wollte er die Tür noch mit Brettern zu nageln, wie in den Cartoons. Aber er lies sie offen. Und er schlief wunderbar. Er träumte wieder von einer ... Sternschnuppe (Um ehrlich zu sein, mochte er dieses Wort auch nicht). Er schlief Felsenfest, obwohl ihm der Anblick, dieser Sternschnuppe irgendwie Angst machte. Er schlief sogar so fest, das er es nicht bemerkte. Es schlich durch sein Zimmer und öffnete leise die Tür zum Flur. Es hörte schon hier, wie Jimmys Eltern im Schlaf atmeten. Es schlich zur Schlafzimmertür. Es horchte vorsichtig, bewegte seine Hand (falls man das so nennen darf) zum Türgriff. Er wurde umgedreht. Aber nicht von außen. Plötzlich öffnete Jimmys Vater die Tür. Es bemerkte ihn, hatte aber keine Zeit, sich zu verstecken. Es stand nun Auge in Auge mit Jimmys Vater, der noch leicht döste. Doch als er es bemerkte, schreckte er aus seinem Halbschlaf hoch. Er starrte mit den selben angewurzelten Augen auf das Wesen, wie Jimmy in der Nacht davor. Er konnte sich einfach nicht bewegen, er war nicht fähig dazu. Aber es anscheinend, denn es drängte Jims Vater beiseite und sprang mit Anlauf durch das Fenster am Ende des Flurs. Erst beim klirren der Scheibe schien sich der Blick von Jimmys Vater von dem Wesen abzuwenden. "Tom? Tom, bist du wach? Was machst du da?" Es war Jimmys Mutter, die sich langsam aus dem Bett bewegte. "Ich...", stotterte Tom, "Ich weiß es nicht, ich habe es gesehen!" - "Was gesehen?" - "Ich weiß es nicht. Es war im Flur. Es ist durchs Fenster geflohen!" Langsam schien seine Frau wacher zu werden. "War es ein Einbrecher?" - " Nein, das war kein Einbrecher!" Er begann zu flüstern: "Ich bin mir nicht mal sicher, ob das wirklich ein Mensch war..." Einen Moment sah ihn seine Frau mit den selben ungläubigen Augen an, mit der sie schon Jimmy ansah. "Das meinst du doch nicht ernst, oder? Es gibt Einbrecher mit Halloween Masken, die hält man im Dunkeln schon mal für unmenschlich." Er schwieg. "Tom? Du willst mir doch nicht erzählen, du hast ein Monster gesehen, wie es in unser Haus einbrach?" - "Ich finde, es sah so aus, als wäre es die ganze Zeit hier. Es ist nicht eingebrochen!" Ein kalter Windzug zog durch das zerbrochene Fenster. Tom richtete langsam seinen Blick darauf. "Sieh hinaus! Sag mir, ob du es siehst!", flüsterte er seiner Frau zu. "Tom..." - "Sieh einfach nach. Wenn es ein Einbrecher ist, ich meine einen menschlichen Einbrecher, hätte er sich bei einem Sprung aus solcher Höhe bestimmt was gebrochen! Entweder liegt er da unten im Sterben oder ich habe recht!" Langsam bewegte sie sich zu dem zerbrochenem Fenster. Vorsichtig und ein bisschen ängstlich zugleich sah sie nach unten. Nichts lag da. Jetzt bemerkte Tom, das die Tür zu Jimmys Zimmer offen stand.

"Jim, wieso isst du deine Corn Flakes nicht?" Jim saß am Küchentisch und stocherte in der Schüssel herum. "Ich mag das Haus nicht!" Seine Mutter seufzte. Ging das wieder los. Tom kam die Treppe von oben herunter. "Ich hab das nochmals kontrolliert: Aus dieser Höhe kann man zwar unverletzt aufkommen, es ist aber sehr unwahrscheinlich!" - "Aber es ist möglich!", hielt seine Frau dagegen. "Wovon redet ihr?", fragte Jimmy hinter seiner riesen Schüssel. Tom warf einen vielsagenden Blick zu seiner Frau. "Sag mal, Jim, alter Junge, kannst du mir sagen, wie das Monster aussieht, was bei dir im Schrank lebt?" Jimmy war auf so eine Frage nicht gefasst. Erst hatten sie sich einfach geweigert, zu glauben, dass in seinem Schrank ein Monster haust und jetzt? "Ich... Es hat vier Zehen an den Füßen! Warum willst du das wissen?" Tom warf seiner Frau noch einen Blick zu. "Ich habe es gestern Nacht auch gesehen. Es war im Flur oben und als ich es überrascht habe, ist es aus dem Fenster gesprungen!" - "Ist das wahr? Du hast es auch gesehen?" "Ja", sagte Tom. Er wahr inzwischen davon überzeugt, dass es sich bei seiner Erscheinung um kein Mensch handelte.
Jimmys Mutter ging in den Garten und sah die Fußabdrücke. Sie kam mit einem großen Wäschekorb voll gewaschener Sachen, die sie hier an den Wäscheleinen aufhängen wollte. Sie hatten einen großen Garten, größer als ihr Alter. Die Wäschestangen waren etwas verrostet, aber jeder Garten hat seine Macken. Sie hing grade ein Hemd von Jimmy auf, als sie die Fußabdrücke sah. Sie sahen aus, als hatte man sie mit einem Telefonhörer in die Erde gestampft. Einem Telefonhörer mit vier Zehen. Ihr lief es Kalt den Rücken runter. Sie lies Jimmys Hemd fallen. Es landete direkt neben einem Abdruck. Auf dem Hemd war ein glatzköpfiges Alien abgebildet und darunter stand: "I belive we`re not alone"

Danach ging alles sehr schnell. Da sie kaum etwas ausgepackt hatten, mussten sie nicht viel wieder einpacken. Der Entschluß in eine andere Stadt weiter nördlich zu ziehen wurde von allen als gut befunden. Sie ließen ihre Umzugskartons von einer Firma wegschicken. Einige Sachen nahmen sie noch in ihrem Auto mit, jedenfalls beeilten sie sich. Keiner wollte noch eine Nacht hier verbringen. Jimmy hatte in der Schule inzwischen das vollständige Alphabet gelernt und konnte nun alles lesen. Jetzt musste er die Stadt auch nicht mehr "neue Stadt" nennen. Als sie Aus dem Ort fuhren, sah Jim grade Noch das Ortseingangs Schild: "Welcome to Roswell" stand darauf. Unter die großen Buchstaben hatte jemand mit einer Spraydose ein UFO gemalt, wie es abstürzte. Es zog einen leuchtenden Schweif hinter sich her. Eine Sternschnuppe, dachte Jimmy.

ENDE
 
Wenn du registriert und angemeldet bist und selbst eine Story veröffentlicht hast, kannst du die Stories bewerten, oder Kommentieren. Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diese Story kommentieren.
Weitere Aktionen
Wenn du registriert und angemeldet bist, kannst du diesen Autoren abonnieren (zu deinen Favouriten hinzufügen) und / oder per Email weiterempfehlen.
Ausdrucken
Kommentare  

Hallo, sehr schön geschrieben - gefällt mir gut. Gruß Sabine

Sabine Müller (05.02.2007)

Login
Username: 
Passwort:   
 
Permanent 
Registrieren · Passwort anfordern
Mehr vom Autor
Der Mann in Schwarz  
Leben und Sterben lassen  
Unlustige Begegnung der werweiswievielten Art  
Die Zahl 15  
Empfehlungen
Andere Leser dieser Story haben auch folgende gelesen:
---
Das Kleingedruckte | Kontakt © 2000-2006 www.webstories.eu
www.gratis-besucherzaehler.de

Counter Web De