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4 Seiten

Karaleni lebt....

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Mit einem Stück Seife spricht sie zu ihrer wunderschönen Haut: „Werde sauber vermaledeite Haut, auf dass sich keine Schmutzherde ergeben und Infektionen auslösen von denen dann im Enddefekt vielleicht Herpesviecher profitieren.“

Nee, nee auf Herpes hat sie nun wenig Bock. Was sie daran am meisten hasst, ist nicht, sie zu haben, sondern sie zu bekommen. Dieses verdächtige Kribbeln, dass sie mit Labello und Creme versucht zu betäuben. Dieses in der Nacht einschlafen und den letzten Gedanken der Herpesfurcht zu schenken.
Mit den Blicken kann sie gut leben und sie weiß, wenn man nicht daran fummelt, geht es wieder weg. Fasst man an, wird es noch schlimmer.

„Das ist wie mit Pickeln. Drückt man ihnen herum und lässt sie nicht in Ruhe blühen, werden daraus hartnäckige Unkrautstellen die ein ganzes Gesicht in einen Talgschrottplatz verwandeln können.“

Doch dies soll nur ein kleiner Zwischeneinblick sein. Eigentlich sollte erzählt werden, warum Sie heute in der Wanne liegt und nicht auf der Arbeit ist. Sie arbeitet nämlich am Bahnhof beim Brötchenstand und gibt Cafe und Brot aus. Manchmal auch Kaugummis, die liegen gleich bei der Kasse. Schulkinder, die mit den Zügen aus den Vororten kommen nehmen gerne Hubba-Bubba.
Sie, die auch einen Namen hat – Karaleni, sagt immer;

„Sag mir die Kaugummimarke und ich sag Dir, wie alt der Kauer ist.“

Das würde natürlich nicht immer klappen, aber es testet ja niemand diese Behauptung.

Hat der Name Karaleni sie verwundert? Ja, aber nicht nur sie. Sogar die Eltern waren überrascht nachdem sie nach dem Rausch wieder aufwachten.

„Aber sie sollte doch Caroline heißen. Sie wie Fürstin Caroline von Turn und Taxis.“

Die Krankenschwester konnte aber nichts mehr machen, berichtigte die Eltern noch kurz in Adelskunde und gab dann die Geburtsurkunde aus.

„Karaleni Pesspatten“

Vielleicht hätte man es lassen sollen. Also ich meine das mit der Alkoholgeburt. Doch die Mutter hatte im 8. Monat ein schönes Buch in die Hand bekommen. „Alternative Heilmethoden“. Und darin stand, dass Alkohol bei Verabreichung der ersten Wehen förderlicher wäre als schadhaft. Er öffne den Muttermund und verringere das Schmerzempfinden. Und so geschah es, dass Mutter und Vater total betrunken waren und nicht mehr viel mitbekamen. Auch konnten sie dem Arzt und den Schwestern nicht mehr flüssig sagen, wie denn das Kind heißen soll.

Heraus kam „Karaleni“.

Vor zwei Tagen und einem zerquetschtem bediente sie einen Streuselkuchenkunden. Er war besonders nett und gab sogar 50 Cent Trinkgeld. Mit einem Lächeln ging er und bedauerte, dass er nicht länger bleiben könne. Er habe Geschäftstermine im Nahen Osten. Als sie daraufhin fragte:

„Im Nahen Osten? Dann wollen sie sicher zum Flughafen?“

antwortete er:

„Nein, in den nahen Osten dieser Stadt. Deswegen ja nah. Ich bin Vertreter für Schreibmaschinenpapier. Ich hab da einen Kunden. Bis dann.“

Sein Gesicht behielt sie, bis in den Abend hinein, fest im Kopf und das war etwas besonderes, weil ja so viele Kunden pro Tag kamen. Jede kleine Bewegung hatte sie in ihrem Köpfchen gespeichert, seine Lippen wenn er spricht und seine schönen tiefen Augen. Sie träumte und fühlte sich irgendwie zu 0,7 % verliebt. Sie wusste, dass er ein Weg in die Liebe sein könnte und was macht Frau da, wenn sie so ein Gefühl hat? Sie brauch das noch mal bestätigt und will es jemandem erzählen und weil es neben dem Sorgentelefon kein Freudetelefon gibt ruft sie ihre Freundin an. Übrigens ein kleines bummeliges Ding, dass sich durch ihre Lustigkeit versucht auszugleichen. Also ihre Nichtschönheit zu kompensieren.

„Franka?“

„Ja, ähh..wer ist denn da.“

„Hier ist Karaleni. Hast Du schon geschlafen?“

„Schau mal bitte auf die Uhr. Ich muss morgen früh raus und Du auch. Was ist denn los?“

„Du ich glaub, ich bin zu 0,7 % verliebt!“

„Das freut mich für Dich. Bis morgen“

Am nächsten Tag erzählte sie ihrer Kollegin dann den Rest und dabei strahlte sie wie nichts. Den ganzen Tag hindurch hatte sie gute Laune und das änderte sich erst, als der Gedanke kam:

„Was soll ich denn nun mit diesem Verliebtsein anfangen? Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich ihn wiedertreffe, ob er hier noch mal auf dem Bahnhof ist“

Und da hatte sie auf einmal 1,4 % Liebeskummer. Das ist die Rechnung des Lebens. Die Kraft des Liebesschmerzes, also Liebeskummers, ist doppelt so stark wie die Liebe. Könnte man für seine Liebe sein Leben geben, wird man bei der Trennung zweimal sterben.

Beim Cafeausschenken goss sie jedes Mal daneben, weil sie in den Menschenmassen nach seinem Haar, Gesicht, Körper und Gang forschte. Doch er kam und kam nicht.

Kurz vor Feierabend fiel es ihr dann wie Brötchen von den Augen. Es gab eine Möglichkeit ihn zu finden. Er hatte eine Fährte gelegt, an die sie gar nicht gedacht hatte. Mensch, hatte er nicht gesagt, dass er als Vertriebsmitarbeiter für eine Schreibmaschinenpapierfirma arbeitet? Das war es! Aus den hängenden Mundwinkeln wurden augenblicklich aufgerichtete und hurtig lief sie rüber zum Zeitschriftenladen und lieh sich dort die „Gelben Seiten“ aus.

Wo sollte man jetzt hinschlagen nach dem aufschlagen? Unter Schreibmaschinen fand sie nichts. Den Treffer machte sie bei Papierfabrik. Das klang verheißungsvoll. Sie schrieb sich die Nummer heraus und machte Feierabend.

Ihr Kopf glühte wie ein heißgelaufener Mähdrescher im Sommer. Als sie von zuhause die Nummer wählte zitterten ihre Beine, ihr Puls raste immer mehr ins Plus und sie fühlte auf der imaginären Verliebtseinsskala hatten sich ein paar Prozentchen mehr aufgeschwungen. Das leichte Kribbeln im Bauch war ein gutes Anzeichen für die 15%-Marke.

Es tutete, klingelte, bimmelte aber keiner hörte es. Sie schaute auf die Uhr. Na klar, da arbeitet keiner mehr. Trotzdem wählte sie noch einmal, nachdem sie aufgelegt und erneut wieder abgenommen hatte. Ihr Instinkt leitete dieses Drücken im Kopf ein.
Eine unterbewusste Stimme sagte so was wie;

„Warum nicht noch mal anrufen? Kann ja nichts schaden und von anklingeln kann man nicht arm werden. Außerdem hat er Dir doch 50 Cent Trinkgeld gegeben. Was machen da ein paar Anrufe. Auch wenn der Anrufbeantworter rangeht. Los, versuch es noch mal.“

Und jemand ging ran. Es war der Pförtner des Hauses.

„Ick bin noch keene 5 Minütchen nicht weg, da rufen se an. Watn los?“

Sie fing dem fremden Mann an alles zu erzählen und er hörte zu. Interessierte sich auch. Alles lief super.

„Wie heest er denn? Vielleecht kann ick über meinigen Schatten springen und ihnen mal die Nummer aus der Personalabteilung stibitzen!“

„Wie er heißt, weiß ich nicht, aber er ist im Vertrieb tätig.“

Mit diesen raren Informationen, schaltete er sie in die Warteschleife, legte auf, wechselte den Raum und nahm wieder ab.

„In welchem Vertrieb denn? Zeitungspapier?“

„Nein. Schreibmaschinenpapier!“

„Mh. Det ist hier jarnich aufgeführt. Sind se sicher, det sie hier richtig sind?“

Karaleni legte auf und fiel im selben Moment in eine tiefe Ohnmacht. Der Körper schützte so ihren Geist. Sie war völlig fertig, aufgelöst, fast nicht mehr da und brauchte den Schlaf.

Am nächsten Tag fand sie sich im Flur und es war wirklich ein Selbstfinden, denn sie lag mit ihrem Kopf genau vor dem Flurspiegel und an ihrem Ohr lag noch der Hörer. Zuallererst dachte sie, sie sei im Bett und wollte sich grad selbst „Guten Morgen“ wünschen. Der Blick auf den Hörer brachte aber alles zurück und ihr Herz fing auf einmal total arg zu tuckern an. Auch blieb die Luft weg.
Wie sollte sie ihn finden? Was sollte sie mit einem Leben anfangen ohne ihn? War das noch Verliebtsein? Das kann doch nicht möglich sein. Es ist die Liebe meines Lebens und ich finde ihn nicht wieder.

Und so ging sie nicht zur Arbeit, sitzt jetzt in der Badewanne und wird nach dem Einseifen das Radio benutzen. Es steht schon am Rand und wird sich gleich in die Tiefe stürzen, draufgehen und Karaleni mitnehmen.

Im Flur liegt ein Zettel.

„Auf meinem Grabstein soll stehen. Mit 100% Liebe alles erreicht was ich wollte.“



Tragikextra:

Die Vertriebsfirma in der, der Mann arbeitet befindet sich im gleichen Haus. Man hat nur noch kein Schild anbringen lassen, weil gesuchter Mann es verschludert hat. Er musste immerzu an die Kleine vom Bahnhofsbäcker denken und konnte dafür keine klaren Gedanken fassen. Als die Totenscheinverschenker sie nach unten tragen geht er an ihr vorbei und weiß gar nichts.
 
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