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4 Seiten

Die Stimme (Teil 4)

Romane/Serien · Schauriges
„Wird Carla wieder wach?“ – fragte Lisa eine Schwester, die aus dem OP eilte, sie bekam jedoch keine Antwort. Lisa hatte ein Beruhigungsmittel bekommen. Sie hatte es zu sich genommen, denn vielleicht konnte es wenigstens die Stimme zum Schweigen bringen? - DU BRAUCHST MICH! - Die OP ihrer Tochter dauerte schon mehr als 6 Stunden. Es war inzwischen 23 Uhr. Nichts hatte jetzt mehr Bedeutung für sie, als das Wohl ihrer Tochter. Sie betete zu allem, was ihr irgendwie heilig war. An ihre verstorbene Mutter, an das Schicksal, an die Macht der Gefühle und auch an alle ihr bekannten Götter. - ICH WERDE DIR HELFEN!- Diese Stimme, ihre Gedanken und ihre Gebete wanden sich ungeordnet durch ihr Bewusstsein. - ICH BIN BEI DIR! - Der Flur in dem sie saß, kam ihr vor, wie eine Schleuse. Eine Schleuse zwischen dem, was war, und dem, was kommen wird.
Sie wusste nicht wie lange sie hier schon saß, auch nicht, ob sie vielleicht schon eingenickt war. Durch einen Schleier aus Tränen beobachtete sie jetzt das geschäftige Treiben in der Notaufnahme. Die verschwommenen Bilder vor ihren Augen, vermischten sich mit den Momentaufnahmen des Tages: Carlas flehender Blick, kurz bevor sie vom Pferd stürzte. Die vielen erschrockenen Gesichter. Der reglose kleine Körper ihrer Tochter. Lisa versuchte, die Müdigkeit und die Zerrbilder abzuschütteln, vergebens. Sie war nicht in der Lage sich zu bewegen, selbst das Atmen fiel ihr schwer, eine bleierne Müdigkeit lag auf ihr.
- Wahrscheinlich liegt das an diesem Zeug, das die mir gegeben haben. Ich muss mir unbedingt einen Kaffee organisieren, und mich zusammen reißen!-
Als sie ihre Hände zu Fäusten ballen wollte, spürte sie den Stift in ihrer rechten Hand und das Formular auf ihrem Schoß. Das hatte sie ganz vergessen. Jemand hatte es ihr vor einer Weile mit den "freundlichen" Worten, „Wir benötigen noch einige wichtige Angaben zu der kleinen Patientin“, in die Hände gedrückt.
– Was die alles wissen wollen, Organspende? Lebenserhaltende Maßnahmen? -
Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen aus dem Gesicht um sich das Formular besser ansehen zu können. Wilde, geschwungene Linien und Muster, waren über der ganzen Seite verteilt.
– LISA, ICH BIN BEI DIR! ICH HELFE DIR!-

In China, wurde Tom um etwa 8 Uhr morgens, durch das Telefon geweckt. Er war todmüde und ärgerlich, hatte er doch höchstens 2 Stunden geschlafen. „Ja?“ fragte er verschlafen. „ Mister Mikels, eine Ferngespäk fur sie, sie verzeihen?“ Träge setzte er sich auf und sagte knapp: „Bitte stellen sie durch!“, es knackte leise in der Leitung, Tom räusperte sich:“ Hallo, Thomas Michels hier.“ - „Herr Michels? Gut das ich sie erreiche!“ Die Stimme drang nur leise zu ihm durch. „Es handelt sich um einen Notfall! Ihre Tochter ist verunglückt.“ Noch nicht ganz wach, hielt Tom das für einen schlechten Scherz. „Wer sind sie - und was soll das?“ - „Mein Name ist Bentrich, ich bin, - ich arbeite auf dem Reiterhof. - Ihre Tochter nimmt bei uns Reitstunden. Sie erinnern sich? Wir haben uns kennenge...“- „Carla?- Was ist mit ihr? Erzählen sie schon!“ Tom stand auf, und hielt sich das linke Ohr zu, die Verbindung war sehr schlecht, er konnte den Anrufer kaum verstehen. „...Koma... !“ Toms Puls fing an zu rasen. Er setzte sich wieder auf die Bettkante, stand kurz danach wieder auf. Das Gespräch war sehr knapp, er hatte es beendet mit den Worten:“ Ich komme so schnell wie möglich!“ Noch eine ganze Weile lief er kreuz und quer durch sein Hotelzimmer, raufte sich die Haare, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.
– Wo ist mein Koffer? Ich muss die Termine absagen, Mist! Bestrich meinte, Lisa sei nicht ansprechbar? Sie steht unter Schock, das ist natürlich. Jetzt kann ich im Büro noch keinen erreichen. Ich brauche ganz schnell einen Flug nach Hause! Carla, mach bloß keinen Quatsch. -


Der Seelsorger, der versucht hatte, mit Lisa ins Gespräch zu kommen, als sie wie in Trance auf das Formular der Patientenverfügung die Linien schrieb, kam zurück in den Flur der Notaufnahme. „Wo ist Frau Dirks?“ aufgebracht fragte er die Lernschwester, die er gebeten hatte, Lisa nicht aus den Augen zu lassen. „Ich weiß es nicht, Herr Mertens, sie schlief doch, als ich sie zuletzt sah, ich...“ Herr Mertens drehte sich suchend um. “Finden wir sie!“,sagte er, und lief in Richtung Hauptausgang. In der Cafeteria sah er Herrn Bentrich sitzen. „Haben sie den Vater des Kindes erreicht?“ fragte er ihn. „ Herrn Michels? Ja, er ist quasi schon auf dem Weg hierher.“ - „Gut, ähm, danke schön. Haben sie ihn fragen können was mit Frau Dirks nicht stimmt?“ –„Nein, aber wieso? Ich meine, ihre Tochter liegt auf dem OP-Tisch, da ist es doch normal das sie...“ – „Ja,schon gut, aber diese Frau ist verschwunden, und da sie unter Schock steht, - haben sie sie gesehen?“ - „Nein.“

Lisa irrte durch die Flure.
-BLEIB STEHEN, LISA-
Sie suchte einen Ausweg, versuchte zu fliehen, vor der Stimme, vor der Situation, vor Allem.
–Bitte, Carla halte durch! Lieber Gott steh uns bei! Tom, - verdammt, warum bist du nicht hier! Ach Mutter, wenn du mir doch nur helfen könntest. Ich weiß einfach nicht was ich machen soll!-
-ICH HELFE DIR, LISA!-
-Du willst mir helfen? Ach, Verschwinde! –
-ABER WIE SPRICHST DU DENN MIt MIR? ICH BIN ES DOCH, DEINE MUTTER!-
-Du bist tot! Du hast mich doch schon vor Jahren verlassen!-
- NEIN, ICH WAR IMMER DA!-
- Lass mich gehen!-
- SETZ DICH!-
Erschöpft ließ sich Lisa auf den Fußboden in der Kinderstation fallen. Sie versuchte nicht mehr, die Tränen zu unterdrücken.
- JA, WEIN RUHIG, LISA.-
Diesen Sturz hörte die diensthabende Kinderkrankenschwester Maren, die sofort Nachforschungen anstellte, und amüsiert über den Flur schlich. Es war nach 23 Uhr, also viel zu spät für Spielchen, fand sie „Wer will denn jetzt wohl noch verstecken spielen?“ fragte sie in den sonst menschenleeren Flur. Sie hörte ein Schluchzen, welches sie zu der jungen Frau führte, die zusammengekauert auf dem Boden saß. „Geh endlich weg, ich will nicht mit dir reden!“, die Schwester erschrak. „Entschuldigen sie?“ fragte Schwester Maren.
-DU BRAUCHST MICH!-
„Ich brauche dich nicht! Ich brauche nur Carla!“ Verzweiflung und Angst verzerrten diese Worte.
-JA, DU HAST MICH IGNORIERT, SEIT CARLA AUF DER WELT IST. WARUM?-
"Nein, DU hast MICH verlassen, und jetzt lass mich wieder in Ruhe!- Die Schwester verstand, dass sie sich nicht angesprochen fühlen sollte, und sie ging davon aus, dass es sich bei dieser Frau wohl um eine Patientin aus der psychiatrischen Abteilung handeln musste. Langsam beugte sie sich zu Lisa herab. „Hören sie?“ Lisa sah in Schwester Marens freundliches Gesicht. Dankbar nahm sie den Arm der Schwester, die keine Fragen stellte und ließ sich an einen großen Tisch im Aufenthaltsraum der Kinderstation führen. Lisa wurde allmählich ruhiger. Den Eindruck hatte schließlich auch Schwester Maren, jedenfalls hatte das Schluchzen nachgelassen, und sie sagte auch nichts mehr. Diesen Moment wollte die Schwester nutzen, um in der Zentrale anzufragen, ob eine Frau gesucht würde. Leise verließ sie den Raum. Jetzt saß Lisa wie in Trance an diesem Tisch und fixierte mit ihren geröteten Augen, die Materialien, die dort immer für die Kinder griffbereit standen. Zeichenblätter, Stifte, Fingerfarben.
 
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Kommentare  

ok-ok-ok, ich habe mittlerweile das wörtchen geändert! weil du so schön hartnäckig bist. >zwinker<

Karamba Karacho (28.01.2007)

na ja, scheußlich ist übertrieben, aber halt nicht gut, ich will nicht sagen - unliterarisch - weil das auch wieder die frage - was ist das?- nach sich ziehen könnte.
gruß von rosmarin


rosmarin (28.01.2007)

es hört sich scheußlich an und passt nicht in den rahmen. - inzwischen - wäre besser.

rosmarin (27.01.2007)

danke rosmarin für deine aufbauenden worte und für die punkte. tut gut! nur, was du gegen das wörtchen -mittlerweile- hast, versteh ich nicht. hätte zwar kein problem damit das auszutauschen, aber ich lass es erst mal noch drin.
liebe grüße,


Karamba Karacho (27.01.2007)

hallo, karamba, ich kann mich sehr in diese schreckliche situation versetzen, ist auch gut geschrieben, bis, na, du weißt schon..., und das wörtchen - mittlerweile -. es ist zu umgangssprachlich und stört auch. mich jedenfalls, aber es ist natürlich deine sache, es verschwinden zu lassen oder auch nicht.
gruß von rosmarin


rosmarin (27.01.2007)

Danke Holger! Ich habe gerade eben noch ein paar Details verändert. Und endlich weiß ich auch wie die geschichte ausgeht!
Dauert nicht mehr lange...


Karamba Karacho (09.01.2007)

Wieder eine spannende fortsetzung. Freu mich schon auf die nächste.

lg Holger


Homo Faber (09.01.2007)

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