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Und wir werden Freunde bleiben ... (3 von 3)

Romane/Serien · Nachdenkliches
© Middel
„Es muss doch irgendeinen Weg geben, hier raus zu kommen“, dachte sie, „raus aus dieser Situation, weg von ihm.“ Seine Hände waren nun überall, auf ihren Brüsten, zwischen ihren Beinen ... Sie versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen, als sie die Weinflasche in Reichweite bemerkte. Sollte sie das tun? Sollte sie diese Flasche nehmen und .... Alles drehte sich in ihrem Kopf, sie wusste für einige Sekunden nicht, ob sie zu so etwas fähig wäre. Wozu überhaupt? Welche Folgen würde es haben? Und würde es ihr überhaupt gelingen?
Plötzlich durchfuhr sie ein unglaublich starker Schmerz, der sie wieder zurückholte, zurück in die Gegenwart, ins Jetzt und Hier. Er hatte ihr inzwischen die Hose bis zu den Knien gezogen und war mit einem Finger in sie eingedrungen. Es tat so unglaublich weh. Ohne weiter darüber nachzudenken versuchte sie an die Flasche zu kommen. Es klappte nicht, sie befanden sich mittlerweile zu weit weg vom Tisch. Wenn auch nur einige Zentimeter, so war es doch eine Distanz, die über ihr Wohl oder Wehe entscheiden sollte. Oder nicht? Was, wenn ihr Zögern nun ihre letzte Chance zunichte gemacht hat? Seine Zunge wollte wieder in ihren Mund, sie weigerte sich und bekam einen Schlag ins Gesicht. Ihr Kopf dröhnte. Ein zweiter Finger drang in sie ein. Sie wand sich, versuchte, mit seinem schweren Körper auf ihr, irgendwie näher an den Tisch zu gelangen. Seine Zunge leckte über ihr Gesicht, stieß immer wieder zwischen ihre Lippen. Ihre Augen gingen automatisch zu und sie musste sich zwingen sie wieder zu öffnen. „Die Flasche“, dachte sie, „die Flasche.“
Überall Blut, auf dem Teppich, auf dem Tisch, an der Flasche, an ihm und an ihr. Überall Blut, es schien, als sei das ganze Wohnzimmer in rot getränkt worden. Sie stand mitten im Zimmer, die zerborstene Flasche noch in der Hand. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, woran sie zerplatzt war. An seinem Kopf, am Tisch, am Boden? Es war ihr auch egal. Ihre Hose lag irgendwo unterm Tisch, ihr BH hing, von einem Träger irgendwie gehalten, unterhalb ihrer geschundenen Brüste und ihr Slip, blutig und zerrissen, hing ihr zwischen den Beinen. Alles schmerzte, es schien als bestand ihr gesamter Körper nur aus Schmerz.
Doch war es überhaupt ihr Schmerz? Irgendwie schien dieser Körper mit diesen Schmerzen jemand anderem zu gehören und nicht ihr. Ihr würde so etwas doch nicht passieren. Sie würde nie in eine Situation geraten, in der ihr irgendjemand weh tun könnte. Niemals ging sie nachts alleine weg. Niemals ließ sie sich auf Treffen mit Leuten ein, die sie nicht kannte und niemals, wirklich nie, ging sie mit zu fremden Männern oder kurzfristigen Bekanntschaften.
Steffi nahm ihre Kleider oder das, was davon übrig geblieben war und steckte sie in ihre Handtasche, die Flasche ließ sie achtlos fallen. Sie ging ins Bad, duschte, versuchte sich so gut es ging wieder herzurichten und ging zurück ins Wohnzimmer. Ohne den leblosen Körper am Boden auch nur im geringsten zur Kenntnis zu nehmen, ging sie zum Tisch, nahm eine der brennenden Kerzen und schlenderte ganz bedächtig zum Fenster. Sekundenlang starrte sie in die Nacht, bemerkte die Sterne und den Mond. Es war Vollmond und sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter ihr einmal erzählt hatte, dass sie in einer Vollmondnacht auf die Welt gekommen sei. „Eine wirklich wunderschöne Vollmondnacht“, dachte sie und hielt die Kerze an die Gardine. Innerhalb von Sekundenbruchteilen fing sie Feuer. Steffi stellte die Kerze zurück auf den Tisch, nahm ihre Handtasche und löschte das Licht.
An ihrem Auto angekommen blieb sie kurz stehen und atmete tief ein. Sie stand einfach nur da und dieser eine Satz, den sie vor nicht allzu langer Zeit gesagt hatte ging ihr nicht aus dem Kopf. Wieder und wieder leuchtete er auf wie eine Leuchtreklame in der Nacht.
Und während schon die ersten Flammen aus dem Fenster im zweiten Stock stießen, wurde ihr klar, dass diese Nacht so nie stattgefunden hatte. Lächelnd stieg sie in ihr Auto und sagte leise zu sich selbst: „... und wir werden Freunde bleiben.“
 
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Kommentare  

Hallo, ein klasse Ende, interessante Wendung, mit der man nicht unbedingt gerechnet hat. Habe mich gewundert, denn eigentlich dachte ich, ich hätte schon kommentiert. Gruß sabine

Sabine Müller (14.09.2007)

Hallo Middel,

eine ganz schön heftige Geschichte ...
Es gefällt mir, wie du hier den Übergang zwischen einem normalen Konflikt nach der Trennung eines Paares hin zum Extremen beschreibt.

Es gibt zwar eine sehr krasse Wendung, aber dennoch erscheinen einem die Handlungen der Hauptpersonen noch nachvollziehbar. Kommt in der Realität ja auch leider häufiger vor.

Was mir aufgefallen ist: "alles drehte sich ..." -> "Alles drehte sich ..."

LG Nausicaä


Nausicaä (10.09.2007)

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