199


9 Seiten

Unter den Mauern von Meadowside

Romane/Serien · Schauriges
1.
In jenen wenigen von uns, die in gewisse Risse und Untiefen geblickt haben ohne wahnsinnig zu werden, liegen Geheimnisse begraben, die mit Sicherheit nie gelüftet werden. Von jenen Abgründen existieren nicht viele, dafür ist es umso schrecklicher, wenn sie entdeckt werden und unversehens ausspeien, was sie beinhalten.
Ich war von Geburt an ein extrem egozentrischer Mensch, der nie viel auf andere gab, geschweige denn seinen Mitmenschen Vertrauen entgegenbrachte, was zur Folge hatte, dass ich ein nahezu vereinsamtes Leben führte. Das machte mir nichts aus, denn so konnte ich meinen Neigungen nachgehen, ohne die Gefahr zu fürchten, meinem Umfeld Rechenschaft ablegen zu müssen. Ich musste mich lediglich vor den Staatsgewalten in Acht nehmen. Ich will diese meine Leidenschaften nicht näher ausführen, doch will ich betonen dass ihnen mehr Menschen frönen als man allgemein annimmt. Auch muss ich hier festhalten, dass bei ihrer Ausübung keinem Lebenden ein Leid geschieht.
Ohne einen festen Beruf erlernt zu haben, ging ich praktischer Weise der Arbeit des Totengräbers nach, wobei meine Arbeitsstelle mir Gelegenheit gab, mich in den frühen Morgenstunden meinen Experimenten zu widmen. Die Stadt, in der die hier festgehaltenen Dinge sich entwickelten, liegt im Westen New Englands, an der flachen Küste zum Atlantik. Sie ist verrufen als Hexenhort, als dunkler Fleck auf der Landkarte, in dem Dinge schwelen und gedeihen, die besser nie an die Öffentlichkeit gelangen.
Es geschah im Jahre 1893, kurz nach dem Beginn des großen Krieges, dass viele Särge diese Stadt erreichten. In dieser Zeit hatte ich viel zu tun und auch viel Freude an meiner Leidenschaft. So hatte der Krieg wenigstens für mich etwas Gutes, jedenfalls bis zu jenem Tag im April des nämlichen Jahres.
Ich hatte noch einen Gefährten, der in meine unchristlichen Tätigkeiten eingeweiht war und mir mehr oder minder fleißig zur Hand ging. Seine Intentionen in der Sache fanden ihren Ursprung, wie auch die meinen, im wissenschaftlichen Interesse an der Sache und aus auf die möglichen Ergebnisse gerichteter Neugierde. Jener Helfer war in der Kirche der kleinen Stadt ironischer Weise beschäftigt als Messdiener, wodurch er mir nach jedem Gottesdienst den neuesten Dorfklatsch berichten konnte. So war ich jederzeit über das bald mögliche Ableben eines Bürgers unterrichtet und in der Lage, mich entsprechend vorzubereiten.
Nicht weit entfernt vom Friedhof gab es ein altes Gemäuer, die Ruinen eines einst wohl prächtigen Anwesens, dessen Räume noch immer erhalten waren, wiewohl diese auch stark im Verfallen befindlich.
Dieses, aufgrund düsterer Geschichten und Andeutungen verruchte, allgemein gemiedene Gemäuer, nutzten wir als Werkstatt für die unrühmliche Ausführung unserer verbotenen Arbeiten.

Der Vorgang an sich nahm nicht viel Zeit in Anspruch, die Vorbereitungen dagegen verlangten nach teuflischer Akribie und höchster Vorsicht, denn in Kriegszeiten sind die Menschen aufmerksamer und gespannter als zu Friedenszeiten. Es geschah am achtundzwanzigsten April, einem Mittwoch, dass die Leiche eines Mannes von der fernen Front heim geholt wurde, womit sich mir nächstens die Möglichkeit bieten sollte, diese für meine Zwecke zu entwenden. Später stellten wir fest, dass sie im ganzen unbrauchbar war, da sie mehrere Schusswunden aufwies, sich wohl aber Teile von ihr verwenden ließen.
Schon lange vor der Beerdigung trafen wir unsere Vorbereitungen, stellten die zur Aushebung des Grabes benötigten Werkzeuge beiseite und schürten das Feuer über die alten Gerüchte, die Meadowside Ruinen betreffend, in den Straßen der Stadt, die zu unserer vollsten Zufriedenheit später aufs äußerste aufgebauscht und entstellt an unsere Ohren drangen. Noch bevor der Körper des tapferen Soldaten in der lockeren Erde verschwand, hatten wir alles hergerichtet und waren bereit, unsere Experimente zu beginnen.
Ich selbst war es, der nach der Beisetzung die Erde über den Sarg häufte, wobei ich mir der grausigen Ironie meiner Tat bewusst war, würde ich den Sarg doch am selben Abend wieder dem Erdreich entreißen. Nach all den Jahren war mir das Begraben eines Leichnams nicht mehr als ein hohler symbolischer Akt, ein höhnisches Eingeständnis an die letzte Ruhe des weltlichen Körpers. Aus praktischen Gründen warf ich eine Menge an Zweigen und ein paar leichte Holzkästen mit in das Loch, um am Abend nicht allzu lange mit dem ausheben der Erde beschäftigt zu sein, da bei solch einer Unternehmung die Zeit einen äußerst kritischen Moment darstellt, machte dies Sinn, zumal nach der Schändung des Grabes das Loch wieder aufgefüllt werden musste.
Nachdem ich meine Arbeit getan hatte, sah ich zufrieden auf mein Werk und fragte mich, welche Offenbarungen die Nacht bringen würde.
Den Rest des Tages verbrachte ich mit dem Reinigen der Werkzeuge und dem Instandsetzen der schadhaften Bahre, auf der wir unsere schwere Last nach Meadowside schaffen würden. Zu meinem Leid fing es am frühen Abend an zu regnen, deshalb sah ich mich genötigt, mein Vorhaben vorzuverlegen.
Wir mussten jetzt schnell handeln, bevor die Erde durch den Regen zu sehr absackte und es uns unendlich viel Mühe mehr kosten würde, an das tote Gut heran zu gelangen.
Ich hatte also meinem Mittäter befohlen, dass er um zwei statt um drei Uhr zum Friedhof kommen sollte, damit wir der Leiche habhaft werden konnten.
Als die Nacht bereits weit fortgeschritten war und die Stadt bis auf das Hafenviertel im Dunkeln lag, trafen wir uns und schickten uns an, die abscheuliche Arbeit auszuführen.
Mit Schaufel, Bahre und Hacke gerüstet machten wir uns auf, den gefallenen Soldaten aus der fauligen Umarmung der Erde zu reißen und die Geheimnisse des Wurms zu ergründen. Ohne ein Wort zu sprechen begaben wir uns zum Grab unseres Opfers.

2.
Trotz meiner umsichtigen Vorbereitungen und dem unermüdlichem Einsatz zweier kräftiger Personen dauerte es ganze zwei Stunden den Sarg auszuheben, da der Regen die Erde hatte zusammensacken lassen. Nach den unmenschlichen Anstrengungen, die wir bewältigt hatten, verwischten wir die unmissverständlichen Spuren, die unsere Tat hinterlassen hatte.
Wenigstens hierbei waren wir dankbar über den andauernden Regen, der unsere Vorangegangene Arbeit so sehr erschwert hatte.
Hernach schnallten wir den Toten auf der Bahre fest und trugen die Last nach dem Gemäuer hinüber. Dort angekommen, gruben wir unsere wasserdicht verpackten Instrumente und Notizbücher aus, die wir auf diese Weise vor einer ungewollten Entdeckung schützten.
Während ich den Leichnam für die Operation vorbereitete, meinte mein Gefährte, außerhalb der Mauern einen umherschleichenden Schatten gesehen sowie ein leises Scharren vernommen zu haben. Ich beschimpfte ihn als Angsthase und Gespensterseher, der vor jedem Schatten kuschen würde und jeden knackenden Zweig für das sichere Nahen eines Polizisten hielt.
Da ich mir sicher war, dass jene Schauermärchen, die wir verbreitet hatten, jedes Gesindel von dieser verfallenen Stätte fernhalten würde, konnte ich mir nur schwerlich vorstellen, dass sich dort draußen jemand herumtrieb. Zumal unsere eigens erfundenen, wilden Geschichten um Menschenfressende Unholde wahrlich dazu angetan waren, jede Neugier im Keim zu ersticken.
Nachdem ich die Instrumente bereitgelegt und das Objekt auf dem braunfleckigen Metalltisch fixiert hatte, begann ich mit den widerwärtigen Dingen, die mir so viel Freude bereiteten und meinen morbiden Wissensdurst stillten. Als ich den Brustkorb des Körpers öffnete und die Verwesungsgase entwichen, verzog sich mein Helfer feige vor die Mauern der Ruinen. Er kaschierte seine Schwäche mit der durchsichtigen Ausrede, den angeblich vernommenen Geräuschen nachspüren zu wollen, die ihn aufgrund ihrer unklaren Natur nun sehr beunruhigten. Ich scheuchte ihn wütend hinaus und gab ihm zu verstehen, wie sehr er mich mit seinem weibischen Gehabe im Stich ließ und das ich gut daran täte, ihn baldigst von meinen Forschungen auszuschließen. Der verfluchte Kerl zeigte sich in der Nacht nicht wieder, dabei war ich auf seine Hilfe bei den mühseligen Nachbereitungen mehr als angewiesen. So musste ich alleine den Körper in jenem Raum verscharren, der früher einmal das Schlafzimmer des Anwesens gewesen sein musste. Die Ergebnisse der nächtlichen Versuche trug ich in meine Bücher ein, ohne mir die Hände zu reinigen oder die Schürze abzulegen.
Dabei kamen einige Verunreinigungen auf das Papier und ein ganzer Absatz wurde nahezu unleserlich gemacht, was meinen Unmut noch steigerte, da ich ihn nun noch einmal schreiben musste.
Um halb fünf war ich endlich mit allem fertig, was getan werden musste, um die Spuren zu verwischen. Erschöpft trug ich die Bahre zurück zu meiner Kemenate auf dem Friedhof, wo ich sie auseinanderbaute und unter den anderen Gerätschaften versteckte, die ich für meine täglichen Verrichtungen benötigte.

Erst am Mittag des nächsten Tages erwachte ich, völlig erschöpft von den nächtlichen Anstrengungen und kaum in der Lage, meinen alltäglichen Arbeiten nachzugehen. Die Stunden verstrichen nur langsam und die Nacht schien sich nicht einstellen zu wollen.
Als der Abend sich näherte, begann ich unruhig zu werden. Der Messdiener hatte sich bisher nicht wieder bei mir blicken lassen, wobei ich mir dachte, er sei aus Angst vor meiner Schelte, die ihn gewiss erwarten würde, von der Arbeit fern geblieben. Ich fragte den Pfarrer nach ihm, doch wurde mir mitgeteilt, dass er sich auch bei ihm nicht hatte sehen lassen.
Mein Verdacht wurde mir also zur Gewissheit. Trotzdem musste ich die Experimente in dieser Nacht weiter fortführen, da der Leichnam zu schnell verwesen würde, als das ich mir eine Unterbrechung hätte leisten können.
In der Dämmerung bereitete ich ein paar zusätzliche Utensilien vor, die ich unter den Bodendielen meiner Baracke aufbewahrte. Hernach pflegte ich, um mir die Zeit bis zur völligen Dunkelheit zu vertreiben, das gestrig geschändete Grab. Und selbst als ich mich anschickte, nach Meadowside zu gehen, wies der untreue Halunke sich nur durch Abwesenheit aus. Sorgen um seinen Verbleib machte ich mir auch jetzt nicht, mit Sicherheit saß er zu Hause und geißelte sich selbst, wie Gläubige das wohl gerne nach einem Vergehen an ihren Werten tun. Mit halblauten Flüchen auf den Lippen öffnete ich das Tor an der zum verfallenen Anwesen gehenden Mauerseite. Das kleine Waldgebiet, ein Ausläufer des Billingtonwaldes, raschelte in seichtem Wind und eine Menge Kleintiere huschte links und rechts neben mir durch das dichte Unterholz.

3.
Tatsächlich war der Wald in dieser Nacht von ungewöhnlich viel Getier belebt, denn auf dem ganzen Weg, der etwas weniger als einen Kilometer maß, kribbelte und knackte, raschelte und rumorte mein Umfeld so laut, das ein weniger geistesstarker und intelligenter Menschen als ich es bin, aus feiger Hasenfüßigkeit geflohen wäre. Doch ich genoss eine hervorragende Bildung und wusste um die harmlose Natur der Geräusche. Mit leichten Schritten legte ich den Rest des Weges zurück, bis ich vor der Ruine des einstmals sehr prächtigen Hauses stand, wo ich das erste Zeichen der Anwesenheit des Messdieners gewahrte. An der schiefen Mauer neben dem offenen Hauseingang lag das weiße Hemd, das der Nichtsnutz in der vergangenen Nacht getragen hatte. Eher von Wut und Ärger als Überraschung erfüllt, hob ich es auf. Da sah ich, das dass Hemd mit einigem Blut bespritzt war. Der anfängliche Ärger steigerte sich sofort zu kaum beherrschbarer Wut und nur meinem überlegenen Geist verdanke ich es, dass ich nicht in Raserei verfiel. Der Hund hatte bereits ohne mich begonnen!
Ich mochte nicht daran denken, wieviel Schaden er schon angerichtet hatte, da nur ich selbst mit den empfindlichen Instrumenten umzugehen wusste, als einziger von uns beiden die Lehre der Physis des Menschlichen Körpers studiert hatte. Streng beherrscht, doch mit harter Miene trat ich in den Raum, in dem die Leiche in Pechgetränkten Leintücher unter allerlei Gerümpel vergraben lag. Doch ich fand mich vollkommen allein. Der Raum hatte sich seit dem gestrigen Abend nicht verändert.

Der Tisch, auf dem ich die Leiche untersucht, war nach wie vor mit der Platte an die Mauer gelehnt. Die morschen Möbelüberreste, die ich über die Stelle mit der vergrabenen Leiche gehäuft hatte, waren nicht angerührt worden. Auch eine Durchsuchung der restlichen Räume zeigte nur, dass ich ohne die zweifelhafte Gesellschaft meines Helfers war. Und mit einemmal befand ich diesen Umstand für gut. Ein Komplize, der vor ein paar Blutspritzern und Verwesungsgerüchen Reißaus nahm, konnte mir wahrlich keine Hilfe sein. Das blutbesudelte Hemd vergaß ich dabei. Es war auch nicht weiter wichtig.
Wieder in meinem kläglich provisorischen Operationsraum angelangt, machte ich mich an die Vorbereitungen der nächtlichen Arbeit. Eine gute Stunde später stand ich in Schweiß, doch froh und glücklich über der auf dem Tisch liegenden Leiche. Mein Wissen wuchs von Minute zu Minute, an diesem Morgen hätte ich eine erkleckliche Menge an Informationen und Zeichnungen in mein Buch einzutragen.
Der Mond stand noch nicht so hoch am Himmel, dass es nach Mitternacht - aber auch nicht so niedrig, das es vor Elf sein konnte, da vernahm ich ein dumpfes Scharren. Ohne mich unnötig darüber zu erschrecken, doch mit dem angemessenen Ernst, suchte ich die Ursache zu erkunden, indem ich aufmerksam um mich lauschte. Mit einiger Verwunderung über das Andauern des Scharrens ging mir auf, dass es keinen überirdischen Ursprung hatte – es kam aus dem Erdreich. Mit einem unerklärlichen Anflug von Erregung gewahrte ich ebenfalls, von wo das Geräusch ausging. Es schien nämlich keinen bestimmten Ursprungsort zu haben, sondern von überall her aus dem Boden zu sickern. Doch aus irgendeinem Grund wusste ich, dass dies keins der seltenen Erdbeben sein konnte, die von Zeit zu Zeit diese Gegend New Englands heimsuchten. Ich drehte mich mit dem Rücken zum Tisch und spähte in den Raum.
Mein messerscharfer Verstand gebot mir abzuwarten und nicht zu spekulieren, oder Angst zu haben wie ein normaler, weniger gegenwärtiger und gebildeter Mensch.
Zu meiner Schande muss ich jedoch bekennen, dass ein gelinder Schreck mich durchfuhr, als mitten im Raum die Erde aufbrach und ein erdverschmutzter, roter Fleischball von der Größe eines Schweins daraus hervorrollte. Knochen stachen daraus hervor, lose, Erdbehaftete Hautfetzen hingen herab.
Eine weitere, wenn auch gelinde Überraschung verursachte der gehäutete Kopf, dessen Aussehen entfernt an das Antlitz eines Menschen denken ließ. Der Fleischball wurde vom Dickdarm zusammengehalten, der in mehreren Lagen darum gewickelt und in den Mund des Kopfes gesteckt war. Interessiert fielen mir noch weitere Details auf. Doch meine Beobachtungen wurden jäh unterbrochen, als der Fleischball mit einem Ruck beiseite gestoßen wurde und eine ghulische, dürre Gestalt sich mit linkischer Grazie aus dem Loch hob. Damit einher stieg aus dem Loch ein übler Geruch auf, den selbst ich nur schwerlich auszuhalten vermochte.
Einen weiteren ärgerlichen Moment der Schwäche erfuhr ich, als ich mich kurz durch den Umstand verwirren ließ, dass das Ding sich die Kopfhaut seines Opfers über den eigenen Schädel gespannt hatte. Wessen Antlitz es trug muss ich hier, denke ich, nicht weiter erwähnen. Sekunden vergingen, bevor mein grotesker Besuch meiner gewahr wurde. Mit der Bemerkung meiner Person ging ein Markerschütterndes Knartzen einher, das wohl einen Warnlaut darstellen sollte und durch kräftiges Mahlen der Kiefer verursacht wurde.
Ohne den Laut zu unterbrechen zeigte der Gräber auf mich, dann auf die Leiche, die ich gerade untersuchte und schließlich wieder auf sich selbst.
Die Botschaft war mehr als klar.
Ich schüttelte energisch den Kopf und nahm zur Unterstreichung der Geste die Knochensäge auf, die ich wehrhaft vor mich hielt.
Das Ding erbrach einen Haufen Erde, offenbar gefiel meine Antwort ihm nicht. Daraufhin vollführte es einen wilden Tanz, indem es mit Händen und Füßen kräftig auf den Boden polterte und dabei die Kiefer aufeinander schlug, als könne es nicht damit aufhören.
Aus dem Loch hinter dem Ding tauchte eine zweite, ebenfalls dürre Gestalt auf, die eben wie die erste eine Totenmaske trug, dieser folgten eine dritte und eine vierte, bis die ghulartigen Geschöpfe den ganzen Raum vor mir einnahmen. Doch es hörte nicht auf aus dem Loch zu quellen. Sie krabbelten auf allen vieren über die Köpfe ihrer Artgenossen, weiter an den Wänden und Decken entlang. Die Biester hielten sich scheinbar mühelos kopfüber an den Deckenbalken fest und klemmten ihre Finger zwischen das Mauerwerk, bis kein Zentimeter mehr von ihnen frei war. Es mochten am Ende ungefähr achtzig der obszönen Gestalten sein, die sich da mit mir alleine in der Ruine befanden. Ihr ausdrucksloser Blick wechselte zwischen mir und der Leiche, die ich so mühevoll aus der Erde befreit hatte.
Ob dieser Übermacht schon ein wenig nachdenklicher als zuvor, zog ich mich hinter den Tisch zurück. Knotige Finger griffen nach meinem toten Schatz, von denen ich einige mit der Knochensäge abhackte oder brach.
Das Vieh, das den Tanz aufgeführt hatte, krabbelte nun über die Rücken der anderen hinweg, bis es den Tisch erreicht hatte.
Fieberhaft dachte ich darüber nach, wie ich meinen wertvollen Leichnam vor den Erdgräbern retten konnte. Nur am Rande fürchtete ich mein eigenes Schicksal.
Der Fleischball, der einmal der Messdiener gewesen sein mochte, wurde unterdessen von den ihn umstehenden Gräbern auseinandergerissen und gierig verschlungen. Mein monströses Gegenüber wiederholte nun zähneklappernd seine Forderung, die ich abermals verneinte, was zur Folge hatte, dass ein jedes der ekelhaften Geschöpfe mit sich der Raserei nähernder Wut die widerlichsten Laute von sich gab.
Mein blitzschnell arbeitender Verstand sagte mir, dass ich keine Sekunde länger zu Leben hätte, wenn ich nicht sofort eine Resolution dieses Schauspiels herbeiführen würde. Diese hatte ich nach nicht einer weiteren Sekunde erdacht und in die Tat umgesetzt, auch wenn es mir aus verständlichen, hygienischen Gründen schwer fiel. Doch machte diese ausgeführte Idee meinen gierigen Besuchern anscheinend klar, dass sie keinen Anspruch auf den Toten hatten.
Denn die Folge war ein noch wütenderes, aber auch resignierendes Zähneklappern der Aasfresser.
Das Ding, das als erstes aus dem Loch gekrabbelt war, spuckte mir eine handvoll Erde in Gesicht. Ich dachte schon, dass meine Idee nicht funktioniert hätte und schloss mit meinem Leben ab, obwohl ich ehrlich gesagt eher um den schönen Leichnam trauerte, von dem sich einige Teile als höchst brauchbar erwiesen hatten. Dann aber verschwanden sie einer nach dem anderen wieder durch das Loch unter die Mauern von Meadowside.
Ich sah nie wieder etwas von ihnen, doch beizeiten vernehme ich ein leises Scharren unter dem Friedhof und manchentags dünkt mich, dass einer der Grabsteine schiefer steht als noch am Vortag, was ich aber in den meisten Fällen auf das natürliche Arbeiten des Erdreiches zurückführe. Meine Versuche und Experimente habe ich einstweilen aufgegeben, sie werden zu anstrengend für einen Mann meines Alters. Ich scheine von der Begegnung mit den Erdgräbern keine bleibenden geistigen Schäden davongetragen zu haben, doch diesen fauligen Geschmack toten Fleisches bekomme ich seitdem einfach nicht mehr aus dem Mund.
 
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Kommentare  

klar ist es möglich in seinem Privatbereich nachzuschlagen. Doch die Beliebtheit einer Geschichte ist nicht gleichzustellen mit einer Leserkritik. Du kanst dich dedizierter äussern als mein Privatbereich.
Ih, was für eine Formulierung... :P
Weitere Geschichten stehen schon hier. Tob Dich ruhig aus. Ich mache mich jetzt auch an Deine.

hochachtungsvoll,
Killing Joke.


Killing Joke (11.11.2007)

Hihi!
Jetzt mal im Ernst. Es ist zwar schön, wenn die Leser sich genauer dazu äußern, aber du kannst bei WebStories auch schon so einiges selbst herausfinden. Du hast einen kleinen Privatbereich, wo du die Statistik zu deinen Stories einsehen kannst. An der Anzahl der Zugriffe kannst du erkennen, welcher von deinen Texten gut und welcher nicht so gut angekommen ist. Danach könntest du dich ausrichten. So, und nun warte ich auf weitere Geschichten von dir, hm, hmm….


doska (11.11.2007)

*Grins*
Je eingehender und genauer die leser meiner geschichten diese beurteilen, desto eher weis ich wo meine stärken liegen und wo meine schreibe verbesserungswürdig ist.

ich freue mich aber das du nichts an dem text zu kritisieren weist, das ist ein großes lob von jemandem der schon mehr erfahrung hat als ich. und das beuhaupte ich jetzt einfach mal von dir. ätsch.


Killing Joke (11.11.2007)

Gut, weil flüssig geschrieben, gruselig vor allem der Schluss, zu meckern gibt es nichts, aber was nützt dir das?

doska (11.11.2007)

Danke doska, aber was fandest du gut, was fandest du schaurig? und dwas daran gefiel dir nicht?

freue mich, dich unterhalten zu haben.


Killing Joke (11.11.2007)

Brrr!
Schaurig und gut,hehe!


doska (11.11.2007)

*Tuchreich*
danke darkangel. ich hatte auch viel spaß beim schreiben. demnächst kommt wieder was längeres, mit mehr masseträgheit.


Killing Joke (27.09.2007)

buärks!
toll geschrieben und leicht verdaulich:P mehr habe ich da eigtl nciht zu zu sagen;)
lg darkangel


darkangel (27.09.2007)

hab dank werte frau rosmarin, hab dank. äpfel helfen den geschmack zu unterdrücken. es freut mich das dir die geschichte gut gefallen hat. das geht runter wie assam.

sincerly, your


Killing Joke (26.09.2007)

hallo, joke, obwohl ich keine freundin von erzählungen bin, gefällt mir die deinige. lach. ziemlich spannend, etwas altertümlicher schreibstil, ala poe, angepasst, ekelig, grausam, schöne wortwahl, flüssig geschrieben. wenig fehler. und, lach, der faulige geschmack auf der zunge wird bis an dein lebensende ein widriger teil von dir sein. uch.
gruseligen gruß von


rosmarin (26.09.2007)

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