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Anne

Trauriges · Kurzgeschichten
Ich liebe eine Frau. Anne ist 22, hat tiefblaue Augen und schwarzes Haar. Ich dachte immer, das sei eine Lüge, wenn jemand meint, er oder sie hätte schwarze Haare, dass die gefärbt wären oder eine Perücke oder was weiss ich.
Aber Anne hat schwarzes Haar. Sie hat eine einzige helle Strähne, auf der rechten Seite ihres Kopfes, fast blond, sie weiss auch nicht warum.

Ich lernte sie vor anderthalb Jahren kennen, ich sass im Café Europa und las ein Buch, wartete auf mein Blind Date, ekstacy_02, welches nie auftauchte. Diese ekstacy_02 kannte ich eben aus dem Chat und wir hatten uns ein paar Monate nach unseren ersten gemeinsamen Stunden im Chat darauf geeinigt, uns an diesem Tag in ebendiesem Café zu treffen, in welchem ich allerdings die Frau meines Lebens treffen sollte.
Anne dass ein paar Tische weiter und beim Frühstücksbuffet standen wir nebeneinander. Zuerst roch ich sie und mir wurde ganz warm und dann sah ich sie und ihre blauen Augen sahen mich an als würde sie mich ewig kennen, dann lächelte sie und sah schüchtern beiseite. Zurück an meinem Tisch hatte ich mein Blind Date vollkommen vergessen und versuchte, mich aufs Lesen zu konzentrieren, dachte aber nur an das Mädchen am Buffet.
Doch als ich zu dem Tisch sah wo sie vorher sass, war sie weg. Tiefe Enttäuschung legte sich auf mein Herz, ich hätte sie nach ihrer Nummer oder einem gemeinsamen Kaffee fragen können.
Weil ich es nicht aushielt, setzte ich mich eine Woche später um dieselbe Zeit wieder in das Café, aber ich sah sie nicht mehr wieder.

Vier Wochen später sagte ich mir, ich solle es noch einmal probieren und wenn sie zum vierten Male nicht da wäre, würde ich es aufgeben. Ich dachte mir viele Namen für sie aus, wie sie wohl heissen möge, ob sie einen exotischen oder einen langweiligen Namen hat, wie alt sie sei, ob sie studierte oder was sie arbeitete. Ich wollte soviel von ihr wissen… hatte fast ein ganzes Buch über sie geschrieben ohne sie zu kennen.

„Wie heisst du“, sagte der Schatten über meinem Buch und ich hätte fast gelacht vor lauter Ironie.
„Michael“, antwortete ich und sah das Mädchen mit den schwarzen Haaren und den blauen Augen an, „und wie heisst du?“
Samira, hätte ich gedacht, oder Marina oder so, irgendein toller Name. „Anne“, sagte sie, „darf ich mich setzen?“
„Klar“, sagte ich locker.
Was soll ich sagen, es war nicht romantisch oder so. Wir frühstückten, ich borgte ihr mein Buch und eine Woche später gingen wir wieder in das Café um zu frühstückten.
Und wie sollte es anders sein, ich verliebte mich in sie.
Ein paar Wochen später schlief sie auf meiner Couch in meinen Armen ein, als wir eigentlich einen Film ansehen wollten.
Ihre Haut war unglaublich weich, genauso wie ihr Haar, ich wollte sie nie wieder loslassen, allerdings wachte sie um fünf Uhr morgens auf um auf die Toilette zu gehen.
„Das ist bei mir immer so“, meinte sie und lachte. Als sie wieder kam und ich immer noch auf der Couch sass, meinte sie:
„Schon komisch, ich bin einfach so eingeschlafen und dich stört das nicht. Warst du die ganze Zeit wach?“
„Ja. Und wieso sollte mich das stören?“
Ich hätte ihr doch so gerne gesagt, wie gerne ich sie habe, aber da zog sie sich schon die Schuhe an und umarmte mich zum Abschied.
„Willst du hier bleiben“, fragte ich.
„Nein“, sagte sie lachend und schüttelte den Kopf. „Schlaf gut!“
Dann gab sie mir einen Kuss auf die Wange und flüsterte „Ich mag dich“, bevor sie ging und zwei Wochen nichts von sich hören liess.

Eines Abends stand sie dann vor meiner Tür, und sie ging nicht mehr wieder. Wir verbrachten all unsere Zeit zusammen, wenn wir nicht gerade arbeiten waren oder sonstigen Verpflichtungen nachgingen. Nicht einen Tag konnten wir uns voneinander trennen. Ich dachte auch, ich wüsste alles von ihr.
Und dann eines Tages, war sie weg. Einfach weg. Für immer.

Ich liebe eine Frau. Anne starb mit 22, ohne dass ich wusste, dass sie krank war.
 
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Kommentare  

Bin durch Zufall auf deine Story gestoßen und muss sagen, hat mir gefallen.

Gerald W. (18.11.2011)

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