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2 Seiten

Vielleicht morgen, mal schauen ...

Trauriges · Kurzgeschichten
© Middel
Jeden Tag sitzt sie vor ihrem Monitor in diesem stickigen Zimmer. Neuerdings ohne Licht, da die letzte Strompreiserhöhung an ihrem mageren Budget nagt. Was zudem nagt sind ihre Zähne und zwar an ihren Fingernägeln. Früher fiel das nicht so auf, da sie da das Geld für die wöchentliche Maniküre locker aufbringen konnte. Locker aufbringen kann sie derzeit gar nichts mehr. Ihr Aschenbecher füllt sich mit jeder ausgedrückten Zigarette und sie schwört sich bei jeder Schachtel, dass es die letzte sein wird. Doch welchen anderen Luxus gönnt sie sich denn? Und was macht es schon, dass jeder Zug an diesen Glimmstängeln ihr Leben verkürzt? Will sie noch mal 25 Jahre auf diesem Planeten verbringen? Noch einmal all das durchmachen müssen, was sie in den letzten Jahren hat durchmachen müssen? Gibt es Hoffnung, Aussicht auf Besserung? Solange sie diese Frage immer und immer wieder mit „Nein“ beantwortet in ihren unzähligen inneren Monologen, solange wird sie wohl auch nicht aufhören zu rauchen.
Die Heizung ist aus, das Fenster auf kipp und der Straßenlärm lässt sie teilhaben am Einerlei dieser verschrobenen Welt aus Stress und Lärm. Der Bus hält nur wenige Meter neben ihrer Wohnung und wenn sie sich hin und wieder die zwei Etagen nach unten wagt, dann ist er meist gerade weg. Dann sitzt sie an der Haltestelle und wartet auf den nächsten und auch wenn es meist nur Minuten sind, so kommt ihr die Zeit an der Haltestelle doch endlos vor und sie wünscht sich wieder in ihr sicheres stickiges kleines Zimmer zurück, dorthin, wo die Welt in Ordnung ist und alles seine geregelten Bahnen geht.
Sie hat viele Freunde, einige kennt sie sogar mit ihrem realen Namen, aber die meisten bleiben lieber anonym, heißen Sonne82 oder MisterLover69 und könnten so alt sein wie sie, oder wie ihre Mutter, wer weiß das schon? Das wichtige an Freunden, das hat sie mittlerweile begriffen, ist, dass sie immer da sind. Ihre Freunde im Netz sind größtenteils rund um die Uhr da, das bringt Sicherheit. Sie teilen auch die selben Hobbys, Rollenspiele zum Beispiel oder Chatten. Das steht zumindest in ihren Profilen. Mit den guten Freunden schreibt sie sich regelmäßig. Entweder in Foren oder in Chatrooms, manchmal auch per Mail. Daher weiß sie von einigen auch, wie sie aussehen. Obwohl sie das nicht wirklich interessiert. Sie selbst findet sich nicht hübsch, nicht mehr. Und wer würde sie schon mögen, wenn er sie real kennen würde? Manchmal überlegt sie, was sie von sich denken würde, wenn sie sich selbst kennen lernen würde. Doch diese Gedanken sind ihr dann zu unheimlich und absurd und außerdem macht sie das immer ziemlich melancholisch und dann fängt sie an in alten Fotoalben herumzustöbern und darüber nachzudenken, warum sie sich nicht mehr raus traut.
Ihr Computer ist wohl mit Abstand das Wertvollste, das sie besitzt. Wenn sie auch nicht viel Geld hat, so achtet sie doch darauf, dass die wichtigen Rechnungen immer pünktlich bezahlt werden. Sie würde es wohl nicht überleben, wenn ihr PC nicht mehr läuft. Allein der Gedanke lässt sie nach Luft schnappen und sich eine Zigarette anmachen – zur Beruhigung. Sie bemerkt, dass da noch eine im Aschenbecher glimmt. So was passiert ihr in letzter Zeit öfter. Manchmal vergisst sie auch völlig, etwas zu essen, das bemerkt sie meist abends, wenn ihr schwindlig ist und der Magen komische Geräusche macht. Früher hat sie gerne gekocht, doch die Zeit dafür ist ihr nun zu kostbar. Sie hat das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn sie das Zimmer verlässt. Gesegnet sei die Mikrowelle, der Toaster und die Kaffeemaschine. Diesen Spruch hat sie sich sogar ausgedruckt und ans Pinnbrett gehängt. Direkt neben dem Foto von ihrem letzten Freund. Er war der Grund, warum sie aufgehört hat in der Firma. Es war schon schwierig genug mit dem Freund in der gleichen Abteilung zu arbeiten, mit dem Ex-Freund auf der gleichen Etage, das hätte sie nicht ertragen.
Drei Stunden Schlaf pro Nacht, mehr braucht sie zur Zeit nicht. Dass das nicht gut ist weiß sie selber, aber es ist ja nicht für immer. Dass sie ein Problem hat, das sagen die Anderen, die wenigen, die sie noch hin und wieder anrufen, ihre Schwester, ihre Mutter; sie selber sieht das nicht so dramatisch, schließlich ist es ihr Leben und wenn sie wieder etwas mehr Regelmäßigkeit in ihrem Leben benötigt, dann wird sie es ändern. Derzeit ist es genau das Richtige für sie, alles läuft doch irgendwie, wenn auch nicht optimal, so doch zumindest weiter. In welche Richtung weiß sie zwar noch nicht, aber sie wird sich schon ihre Gedanken dazu machen, irgendwann. Vielleicht morgen, mal schauen ...
 
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Kommentare  

Hab die Story nochmal völlig verändert und unter neuem Namen eingestellt:

http://www.webstories.cc/stories/story.php?p_id=109264&p_kat=


Middel (05.02.2008)

Da bekommt man ja Genickstarre. Das Internet ist sicherlich sehr anziehend und interessant, aber darüber hinaus gibt es ja zum Glück noch genug andere Möglichkeiten, sich zu beschäftigen.
Es ist schade, wenn der PC das einzige Medium ist, dass interessiert und sich Menschen aufgrund dessen (und auch anderer Faktoren) isolieren.

Gruß Sabine


Sabine Müller (05.02.2008)

Eigentlich keine Geschichte - eher eine Reflektion. Mir persönlich ein klein wenig zu mager. Wenn das der erste Teil einer längeren Geschichte wäre, in der die Protagonistin was erleben würde, wärs besser. Sie könnte versuchen, sich aus der Isolation zu lösen, vielleicht sich verlieben und all das und das Ende: tja...falls kein gezuckertes Happy End käme, könntest du EXAKT diese Schreibe wieder an den Schluss stellen, wenn sie die neue Stelle aufgab, weil der schmierige Chef sie betatschen wollte und sie rausschmiss, als sie nicht mitmachte und sich die neue Liebe als Flop rausstellte, weil er es jeden Tag mit ner Anderen trieb, und ... und ... und ...
Aber so ganz allein ist mir der Text zu mager, ist mir die Suppe zu dünn. Das macht nicht satt. Die "Geschichte" ist weder gut noch schlecht, eher "middle"...


Stefan Steinmetz (06.01.2008)

Vielleicht morgen, mal schauen?

LG
CC


CC Huber (05.01.2008)

Vielen Dank für die Kritik. Ich hab diesen Text gestern so runtergeschrieben und einfach mal gepostet, gerade um solche Kritiken zu bekommen. Ich lasss ihn mal ein paar Tage ruhen und werd dann schauen, was sich draus entwickelt.

Middel (05.01.2008)

Hi Middel,
deine Geschichte, wohl eher Sozialreflektion oder derartiges, hat mich an zwei Artikel erinnert, die ich letzte Tage las.
Zum einen "Einsamkeit", wenn man sich selber so reduziert, dass wirklich die eigene Wohnung, ein einzelnes Zimmer als der einzig sichere Ort erkannt wird und zum anderen die psychologische Betrachtung der 5fachen Kindesmörderin aus dem Kreis Plön zu Weihnachten. Schlimme Schicksale, die nachdenklich stimmen.

Wegen der Gliederung gebe ich Christa Recht. Zwischenzeitlich fühlte ich mich ein wenig wie ein Blatt im Wind.
Deine Sprache schwankt auch hin und wieder. Mal liest du sich sehr harmonisch, dann hüpft plötzlich eine Formulierung der modernen Teenysprache hinein.

Liebe Grüße,

Shan


Shannon O'Hara (05.01.2008)

Schreibfehlerteufel:
"Wir sind, was wir denken"
Sorry
CC


CC Huber (05.01.2008)

Hallo Middel,
zu dieser Geschichte fällt mir spontan ein Gedanke von Buddha ein:
"Wie sind, was wir denken.
Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken.
Mit unseren Gedanken erschaffen wir die Welt."

Etwas Gliederung würde der nachdenklich machenden Geschichte gut tun.

LG
Christa


CC Huber (05.01.2008)

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