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3 Seiten

What price paradise?

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
© ThiloS
„Könntest Du mir auf kurz, also so 14 Tage, bis mein erstes Gehalt kommt, 500,- € leihen?“ fragt mich Manfred, mein bester Freund, der mich ganz spontan in meinem Büro besucht.

Ja, das könnte ich. Aber eigentlich will ich nicht. Manfred ist bekannt dafür, eine Zahlungsmoral wie ein Raubritter zu haben und Manfred hat schon viele „beste Freunde“ gehabt, die mittlerweile seine besten Feinde sind, weil er ihnen Geld schuldet.

Manfred ist eigentlich ein Netter. Charismatisch, gutaussehend, er hat Humor. Er ist großzügig, wenn er es sich leisten kann und auch, wenn er es sich nicht leisten kann und mit ihm um die Häuser zu ziehen macht einfach Spaß. Er ist ein echter Bringer, wenn es um das Thema „Fun“ geht.
Manfred war schon immer selbständig. Da hat er hart gearbeitet, hart gefeiert und in den einschlägigen Kaffeehäusern des Schtetls immer gut und schnell Kontakte geknüpft. Zu Geschäftspartnern, die wirklich etwas „auf der Naht“ hatten. Die waren dann Manfreds Freunde, weil, siehe oben.

Manfred hat auch bisher konsequent jedes seiner Unternehmen und Geschäfte in den Sand gesetzt. Weil er gearbeitet hat, bis ein wenig Geld da war und sich dann wie James Bond im Märchenland gefühlt hat und die Knete dann gerade mal wieder weggeballert hat – bevors die Inflation frisst, natürlich.

Manfred war gnadenhalber als Geschäftsführer einer Firma eingesetzt, bis er sich über den „besten Freund“, der ihn auf den Posten mit seinem eigenen Startkapital gehievt hat, geärgert hat und deshalb Geschäfte an jenem vorbei getätigt hat. Der hat ihn dann achtkantig ´rausgeschmissen und die Butze dichtgemacht, was Manfred heute noch ärgert und was er als absolut ungerecht empfindet.

Dann hat Manfred eine eigene Firma mit einem gekauften GmbH-Mantel, dem Namen seiner Freundin und dem Startkapital eines anderen „besten Freundes“ gegründet, wieder wie ein Blöder gerackert und zum Zeitpunkt der höchsten Auftragslage mal ganz kurz 14 Tage Urlaub in den USA gemacht, leider dabei auch versehentlich „vergessen“, dass die Entnahme von Firmengeldern in einer GmbH ohne Mitteilung an den „besten Freund und Gesellschafter“ eine verdeckte Gewinnentnahme ist. Nicht schön.

Im Ergebnis wurde er nach seiner Rückkehr fast noch am Flughafen von einem aus Staatsanwaltschaft und Konkursverwalter bestehenden Empfangskomitee abgeholt.

Und jetzt sitzt er vor mir. Er hat schon wieder eine neue Stelle, diesmal in einem im wahrsten Sinne des Wortes durchsichtigen Geschäft, nämlich als Vertriebler von Fenstern für einen serbokroatischen Hersteller, diesmal als Angestellter.

Und bis das erste Gehalt kommt, hätte er gerne von mir ein auf „in 14 Tagen“ befristetes, zinsloses Kleindarlehen von 500 Öcken, quasi nur, um den Kühlschrank zu füllen, bis, hehe, sein erstes Gehalt da ist. Wir kennen uns ja auch schon seit über 15 Jahren und ich wisse ja, dass er seine Schulden stets pünktlich zurückzahlt und es wäre ja nur für kurz und so sei das ja unter Freunden üblich und er hätte mir ja auch schon mal 300,- € geliehen.

Das stimmt!

Ich hatte sie mir Samstags geliehen, weil ich im Media-Markt keine Bankkarte dabei hatte und sie ihm Montags wieder gegeben.

Und ich hatte ihm schon einmal 100,- € „für eine Woche“ geliehen und dann 3-6 Monate drauf gewartet, weil ihm das „vollkommen entfallen“ war.

Ich mag Manfred. Ich mag ihn wirklich. Ich betrachte ihn wirklich als Freund. Und gerade deswegen, gerade weil ich ihn seit 15 Jahren kenne, will ich mein Geld eigentlich lieber für mich behalten.

Was tun? Ich könnte ihm natürlich sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, ein Glas Wasser in der Wüste auszuschütten, in der Hoffnung, dass daraus eine Oase mit Trinkwasser entsteht, ungleich höher ist als die Wahrscheinlichkeit, dass er mir die Flocken in 14 Tagen oder je zurückzahlt, aber natürlich will ich auch nicht, dass er sein Gesicht vor mir verliert und außerdem dürfte ihm dieser Gang zu mir sowieso schon peinlich genug sein. Nehme ich wenigstens an, weil ich von mir auf ihn schließe.

Andererseits: ich muss für 500,- € auch arbeiten und bekomme sie nicht geschenkt.

Ein Sprichwort hilft weiter: „Verleihe kein Geld, wenn Du es Dir nicht leisten kannst, es nicht wieder zu bekommen.“

Nun, ich kanns mir leisten, gottlob, und so wage ich das Experiment und leihe ihm die Knete, um unserer Freundschaft Willen und weil ich ihn mag und weil wir uns seit 15 Jahren kennen und weil ich neugierig bin, ob es mir besser als seinen sonstigen Gläubigern geht.

Das war, ich gebs zu, Anfang Dezember 2007.

Um Silvester herum erhielt ich dann ein Lebenszeichen in Form einer beantworteten SMS zum neuen Jahr. Aber kein Geld.

In der ersten Januarwoche rief mich Manfred dann an, ich solle ihm, warum auch immer, meine Bankdaten per SMS (und nicht jetzt hier am Telefon, weil, er hätte gerade nichts zum Schreiben da) mitteilen, er würde mir dann das Geld noch diese Woche, spätestens Freitag, überweisen. Ich habs getan und seitdem hat er 500,- € plus die Kosten einer SMS bei mir offen.

In der dritten Januarwoche sah ich ihn mit zwei neuen besten Freunden in der Fußgängerzone beim Spazierengehen, einem Immobilienmakler und einem Immobilienverkäufer, Ich hab ihm noch gewunken, aber er hat mich nicht gesehen. Ich nehme an, er war gerade in Vertragsverhandlungen für einen großen Fensterauftrag.

Mittlerweile ist es Anfang Februar und ich habe alles – außer Manfred oder meinem Darlehen, seitdem gesehen.

Ich habe ihm einen Brief geschrieben. Und ihm die 500,- € geschenkt.

Er braucht sie nötiger als ich. Der arme Kerl.
 
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