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5 Seiten

Das Dunkel, das ich rief (1)

Fantastisches · Kurzgeschichten
Kapitel 1 - dem Blinden werden die Augen geöffnet

Der schwarze Nachthimmel verdeckte alles ein paar Meter unterhalb von Jeromes Büro und ließ die Stadt so dunkel erscheinen wie seine Gedanken. Alles kreiste um den baldigen Ruin seiner Firma und um die Vorhaltungen, die er sich dann von seinem ach so geliebten Vater würde anhören müssen. Er musste doch wissen, dass Jerome ein guter Geschäftsmann war, immerhin hatte er die Firma seines Vater übernommen und auch dieser hatte gute und schlechte Zeiten in seinem Leben gehabt, auch ihm war die Firma fast Pleite gegangen, wenn er nicht … ja, wenn er nicht diese eine Tat vollbracht hätte, die Jerome ihm nicht abnahm. Er war nicht mehr fünf und er glaubte auch nicht mehr an Geistergeschichten über Dämonen, die sein Vater ihm auftischen wollte, jedes mal, wenn auch nur etwas schief gelaufen war in seiner Karriere, er hatte es alleine geschafft!
Langsam sickerte das schrille Klingeln des Telefon in Jeromes Gedanken und riss ihn aus seinen abendlichen Tagträumen zurück in die Realität. Das dichte, schwarze Haar hing ihm einen Moment vor den Augen, bevor er es mit der gebräunten Hand nach hinten strich und ein tiefen, schweren Seufzer von sich hören ließ. Sie waren lästig, all diese Menschen, die Geld von ihm haben wollten. Geld, das schon lange nicht mehr auf seinem oder den Firmenkonten zu finden war, allen voran seine ex-Frau Mary Allen, die jedes mal mit dem Trumpf Kinder aufwartete sobald Jerome auch nur die leiseste Ahnung davon hören ließ, dass er nicht zahlen konnte oder, was noch schlimmer war, wenn er sagte er habe schon eine Verabredung.
Quälend Langsam drehte er den Kopf weg von der großen, verglasten Front seines edlen Penthouse Büros und blickte auf das schwarze Telefon, das oben auf einem Stapel Akten stand. Der einzige Grund warum er es von dort aus, wo er stand, überhaupt auf dem dunklen Schreibtisch sehen konnte. Seine teuren Halbschuhe klackten jedes mal wenn er mit der Hacke auf den glänzenden Marmorboden trat, ein Widerhall den er liebte und der Grund warum man ihn öfter und einfach so durch sein Büro laufen sehen konnte.
Am Schreibtisch angekommen wartete er einen Moment bis der Gläubiger endlich aufgelegt hatte und hob dann den Hörer ab, um mit einem Handgriff die Schnellwahl zu betätigen.
„Sie können heute früher Schluss machen und...Sorgen sie dafür, dass niemand, ich meine wirklich NIEMAND mehr zu mir durch gestellt wird.“ Auf die Antwort seiner Sekretärin wartete Jerome erst gar nicht, sondern drückte sie weg, um den Hörer wieder auf die Station zu legen. Sein Blick glitt über das Büro, über die mit Büchern voll gestellten Wände, die grotesken Skulpturen und das Bild eines alternden Mannes, den er in früheren Tagen Vater genannt hatte. Ein Kopfschütteln und die dunklen Gedanken waren aus seinem Gedächtnis verschwunden.
Natürlich vertraute Jerome seiner Angestellten aber sicher war sicher und so kam es dazu, dass er sich selber auf alle Viere begab, um den Telefonstecker zu ziehen. Eine Weile wartete er noch still in seinem Büro und lauschte den Geräuschen, die von der Straße hinauf in den weitläufigen Raum drangen. Schreiende Menschen, fahrende Autos und ein ewiges Hupkonzert berieselten den Mann mittleren Alters fast zehn Minuten bevor er sich sicher war, dass sonst niemand mehr sich in diesem Teil des Gebäudes aufhielt. Erst danach rappelte er sich schwerfällig auf.
„Na gut, dann will ich mal auf dich vertrauen, alter Mann.“ Die grauen Augen waren stur auf das Portrait an der Wand gerichtet als Jerome das Bild von der vertäfelten Wand nahm. Kein Safe, sondern ein elektronisches Zahlenschloss kam zum Vorschein. Nachdem er eine lange Zahlenreihe aus dem Kopf eingegeben hatte verhing er das Schloss wieder mit dem Bild und drehte sich in Richtung eines langsam zurück fahrenden Bücherregals. Beinahe zwei Minuten dauerte es bis das Regal zurück und dann in eine Nische gefahren war und erst danach ging Jerome langsam los um den dunkeln Raum zu betreten, der sich vor ihm erstreckte.
Das flackernde Licht des Feuerzeugs reichte nicht mal aus um den ersten Meter hinter der Tür zu beleuchten doch dieses Problem hatte Jerome schnell gelöst, indem er die im Raum verteilten Kerzen und Leuchter anzündete, die den ganzen Raum in ein unheimliches, orangenes Licht tauchten.
Überall an den Wänden konnte man auch hier Bücherregal sehen, die voll gestopft waren mit okkulten Gegenständen und dunklen Büchern die in den Jahren ihrer Unbewegtheit eine dicke Staubschicht angesammelt hatten.
Jerome kannte diesen Raum noch von seinem Vater, der ihn einige Jahre vorher noch selber benutzt hatte und Dinge in diesem Raum getan hatte, die Jerome immer noch eine Gänsehaut verschafften. Das Klacken seiner Halbschuhe hallte durch den dunklen Raum als er umsichtig versuchte nicht auf die dunklen Verfärbungen zu treten, oder generell einen Bogen um den großen Kreis in der Mitte des Raumes machte. Er glaubte zwar nicht an diesen Hokus Pokus aber herauf beschwören wollte er auch nichts und doch brachten ihn seine eigenen Gedanken zum innerlichen Lachen. Genau das wollte er doch tun...er wollte etwas herauf beschwören.
Er atmete noch einmal tief durch und trat dann hinter einen Buchständer auf dem bereits ein bedeutend aussehendes Buch lag. Der rote Einmerker aus Seide glänzte gespenstisch als Jerome ihn zwischen die Finger nahm und hindurch gleiten ließ. Alles würde gut werden und es würde schon nichts passieren, das war doch alles nur alberner Hokus Pokus. Mit einem Ruck zog er das Band straff und lies die alten Seiten unter dem Druck ächzen bevor er das Buch auf der Seite aufschlug, die vorgemerkt war. Eine Dunstwolke aus Staub kam Jerome entgegen und ließ ihn so husten, dass er das Blatt, welches auf den Boden segelte, zuerst gar nicht sah. Nachdem er sich von dem Angriff der kleinen Partikel erholt hatte, überflog er die Zeilen der Seiten und entdeckte auch recht schnell die auf den Boden gefallene Seite.
„Ein Vertrag.“ Leise und zu sich selbst murmelte er die Worte während er das Blatt in der einen Hand hielt und mit den Fingern der anderen Hand Zeile für Zeile im Buch nach fuhr.
Wieder überlegte er, ob er das wirklich tun sollte aber dann kam er erneut zu seinem alten Schluss: Dann hatte er es wenigstens mal probiert und es war sowieso alles nur Schwindel!
Mit zitternde Händen griff er nach der Schreibfeder, die neben dem Buch und einer Kerze das Einzige war, das noch mit auf dem Ständer stand. Eine weise Voraussicht oder ob es einfach nur ein Service der damaligen Zeit war konnte Jerome nicht sagen...und es interessierte ihn auch nicht.
Der goldene Federkiel kratzte unsanft auf dem alten Papier als Jerome Wort für Wort vom Buch auf das Blatt übertrug. Immer wieder schaute er hin und her, so als wollte er um keinen Preis der Welt auch nur einen Fehler machen. Etwas seltsam kam es ihm zwar vor, dass diese Feder keine Tinte brauchte, aber nach einem Moment des Nachsinnen schob er es einfach auf die moderne Technik.
Fast eine halbe Stunde war vergangen bevor Jerome endlich das letzte Wort zu Papier gebracht hatte und sich in aller Ruhe den Schweiß von seiner klammen Stirn wischen konnte. Der Vertrag war aufgesetzt, nun fehlte nur noch seine Unterschrift.
Aus unerfindlichen Gründen stieg die Angst in ihm hoch als er den Federkiel im flackernden Schein der Kerzen betrachtete, als sei er das Werkzeug des ultimativen Bösen, ein Objekt das stärker war als alle Schwerter des Himmels zugleich! Er würde in die Hölle kommen, dass war ihm schon seit Jahren bewusst, aber noch nie zuvor hatte er die kalte Umarmung des Todes und die Feuer der Hölle so deutlich gespürt wie in diesem Moment als er die Spitze des Kiels in sein weiches, warmes Fleisch bohrte, um dem Schreibwerkzeug der Hölle sein Blut zu füttern. Er wollte nicht hinschauen und hätte am liebsten blind unterzeichnet, doch er konnte es nicht, aus Angst an der falschen Stelle zu unterschreiben.
Seine Hand zitterte als Jerome eine schnelle aber präzise Unterschrift unter das Dokument setzte und dann, dann hielt er die Luft an und lauschte ob sich etwas im Raum verändert hatte.
Er wartete und wartete und erst als er gezwungen war wieder Luft zu holen erkannte Jerome was für einem Schwindel er erlegen war. Sein Vater hatte unrecht, in allen Dingen die er über Hexerei und Dämonen gesagt hatte. Kein Pakt würde ihn vor dem Ruin retten nur unbarmherzige Geschäftsmethoden worden dafür sorgen, dass er weiterhin sein Jahresgehalt in die eigenen Taschen schwemmte!
Wütend auf sich, die Welt und vor allem seinen Vater schlug Jerome das Buch zu, so dass der Staub nur so wirbelte. Aber davon bekam er selber nichts mehr mit, denn er war schon auf dem Weg zurück in sein Büro.
Die Uhr an seiner Wand bewegte ihre Zeiger stetig aber träge auf zehn Uhr zu während Jerome sich auf das lange Ledersofa legte und in die Nacht hinaus starrte. Immer noch brodelte Wut in ihm und am liebsten hätte er das Bild seines Vater genommen und aus dem Fenster geworfen, auf dass es irgend jemanden erschlägt, der genau so war wie der Unmensch den es zeigte!
Doch das monotone Ticken der Uhr, die Geräusche von draußen, der lange Arbeitstag und die Kräfte zehrende Wut in Jeromes Innerem sorgten schon nach nicht einmal fünf Minuten dafür, dass er in einen traumlosen Schlaf fiel.

In seinem Traum sprang ein seltsam entstellter Hund immer wieder um die Statue seines Vaters und immer wenn er das Maul öffnete, um zu bellen, klang es wie das Telefon aus Jeromes Büro. Murrend drehte er sich auf die Seite, als die Geräusche aus der Traumwelt in das reale Leben gesogen wurden und erst nachdem das Telefon fast zwei Minuten lang geklingelt hatte, bemerkte Jerome diese Unmöglichkeit, wollte sich gerade hinsetzen und vergaß dabei, dass er auf dem Sofa lag, so dass er seinen Fall gerade noch abbremsen konnte als er einen Fuß auf den Boden stellte ehe er nochmal lauschte. Stille. In seinem ganzen Büro war es still, dunkel und nur die Geräusche von draußen waren zu hören.
Jerome wollte sich gerade wieder hinlegen, um weiter zu schlafen da fiel ihm etwas auf, oder viel mehr Jemand der im diffusen Gegenlicht der nächtlichen Stadt auf seinem Schreibtisch saß und ihn aus dem Dunkeln heraus anstarrte. Von einem Moment auf den nächsten war der eben noch verschlafene Mann hellwach und richtete sich auf, um mit einer Hand den Lichtschalter der Stehlampe zu suchen.
„Was machen Sie hier?!“ Ein flüchtiger Blick zu seiner Bürotür sagte Jerome, dass sie immer noch geschlossen war, aber ob sie auch noch verriegelt war, das konnte er nicht sagen.
„Was soll das bedeuten? Du hast mich doch hierher gerufen.“ Die eindeutig männliche Stimme war spöttisch aber auch enttäuscht als sich der Besitzer langsam vom Schreibtisch erhob und seine Silhouette sich vor Jerome aufbaute.
„Was? Ich habe niemanden...hier...her...gerufen.“ Er schüttelte den Kopf, um die seltsamen Gedanken zurück in den unbeachteten Teil seines Unterbewusstsein zu verbannen.
„Oh doch, DU hast MICH gerufen, hier ist dein Vertrag!“ Vage konnte Jerome erkennen wie der Fremde ein Blatt Papier in seine Richtung hielt, aber was genau darauf stand und ob es tatsächlich der ominöse Vertrag war, das konnte er nicht erkennen.
„Das ist doch...Nein, was soll der Budenzauber, ich rufe die Security.“ Endlich hatte er den Schalter gefunden und knipste das Licht an, nur um sich zu wünschen, dass er es gleich wieder ausmachen konnte denn das Bild, das sich Jerome bot war echt, so echt, dass es ihm den Boden unten den Füßen weg riss und ihn in die selige Schwärze der Ohnmacht sinken ließ.
 
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Kommentare  

Oho, sehr spannend. Und wie geht`s weiter?

Petra (23.09.2009)

Toller Schreibstil, sehr guter Anfang. Man taucht sofort in deine Welt ein. Auch ich warte jetzt neugierig auf das, was noch kommen wird.

Jochen (23.09.2009)

Huah, ich will wissen, wie es weitergeht!! Dein Stil gefällt mir. Ich hoffe, du hast in dieser Geschichte noch ein paar Überraschungen für uns parat.
Liebe Grüße Dubliner Tinte


Pia Dublin (22.09.2009)

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