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5 Seiten

Kap. 1 - 6 Waggons auf dem Weg zur Hölle

Romane/Serien · Schauriges
© Ignutz
Die U-Bahn Station war nahezu überfüllt. Es schien gerade so als hätte sich an diesem Dienstag Morgen die halbe Stadt hier unten getroffen um eine gemeinsame Spritztour zu unternehmen.
Johan stand mit verschränkten Armen an der an der Bordsteinkante und blickte ungeduldig in die Richtung aus der die Bahn kommen sollte, die jedoch mal wieder auf sich warten lies. Andere hatten es ihm gleich getan und blickten erwartungsvoll in den leeren, gähnenden Schlund.

-Wann kommt dieses verdammte Scheissding endlich.-
-Herr Braum macht mir die Hölle heiß-

Ein kalter Luftzug aus dem Schacht schnitt ihm den Gedanken ab.
-Verdammte Jahreszeit.-

Es war Frühjahr, aber so früh im Jahr, dass draußen weder die Bäume Blätter besaßen, noch wuchs erkenntliches Grün aus dem Boden. Es war die Zeit in der das Leben noch nicht wieder in die unwirtliche Welt eingekehrt war. Stattdessen war die eisige Kälte nun Herrscher über die Natur. Unerbittlich hinterließ er nur kahle Stämme, die wie verkrüppelte Hände aus dem Boden schossen.
Ein morbider Begleiter, der jedes Jahr kam, um den Menschen ihre Lebenskraft zu entziehen.
Bei Johan hatte er es schon weit geschafft.

Die Menschen um Johan herum tuschelten aufgeregt.
Auf der anderen Seite war die Bahn schon längst gekommen. Die Anzahl der wartenden Personen hatte sich anschließend halbiert. Von der erwarteten Linie einundzwanzig jedoch keine Spur.
Johan setzte sich hin.
Keine gute Idee, denn die Bank war eiskalt. Und entzog ihm trotz seiner gefütterten Hose sofort die kostbare Körperwärme.
-Wieder so ein beschissener Tag.-
Jedoch wusste er nicht, was der Tag noch für ihn bereit halten sollte. Ein vor Wut schäumender Braum wäre ihm sicherlich eine Million mal lieber gewesen, als das Verderben, dass heute seinen Lauf nehmen sollte.

Neben Johan saß ein alter Mann auf der Bank. Er hatte seine Filzmütze, tief ins Gesicht gezogen,
Es fiel schwer, Augen unter dem Schatten zu erkennen. Jedoch zeichnete das kalte Licht der Neonröhren tiefe Furchen in das Gesicht des Mannes. Sie waren Bücher, die lange grausame Geschichten von Nazis und dem kalten Krieg erzählten könnten. Jedoch waren ihre Seiten verschlossen und versiegelt, der bittere Ausdruck auf dem Mund des alten Herren verriet, dass er mit diesen Geschichten ins Grab gehen wird.
Er sah so unvorstellbar alt aus.
Seine Züge waren hart und verrieten von viel Lebenserfahrung, eventuell auch zu viel. Seine Hände waren mit mattbraunen Altersflecken übersäht. Um seinen Mund kräuselte sich ein silbriger Bart.
Auch wenn ihm dieser Gedanke absurd vorkam, aber der alte Mann faszinierte ihn.

Ohne dass es Johan aufgefallen war, hatte er ihn eben wohl mindestens zehn Sekunden einfach unverblümt angestarrt. Als er sich dessen plötzlich bewusst wurde, wandte er den Blick schnellstmöglich ab und versuchte angestrengt auf den Boden mit den dreckigen Fliesen zu blicken.
Jedoch war es wohl etwas zu schnell um unauffällig zu wirken.
Johan fühlte sich unwohl in seiner Haut.
Er spürte wie der alte Mann langsam seinen Kopf in Johans Richtung drehte.
-Fang jetzt bloß kein Gespräch an, Opa!-

Glücklicherweise kam nun die Bahn, die mit einem eisernen, metallischen Schreien stehen blieb.
Doch im Hintergrund erklang ein zweites Geräusch, kaum zu vernehmen da sich das sägende Geräusch der Bremsen dominant darüber legte. Johan konnte es hören und es ließ ihn bis ins Mark erschaudern.
Ein wummerndes Brummen, als hätte ein gigantisches Urzeittier einen wütenden Ruf losgelassen.

Die Türen öffneten sich, um Gäste aussteigen und andere wieder einsteigen zu lassen.
Johan erhob sich von der Bank. Er wollte bloß weg von diesem Zombie
Der alte Mann sprach zu ihm.
Er sprach mit fest entschlossener Stimme und nicht mit einer erwarteten, alten, zittrigen Stimme.
Was er sagte klang so bestimmt und sicher, dass Johan ihn im ersten Moment sogar Folge leisten wollte

“Warte!” sagte der alte Mann
Johan sah ihn an, sein Gegenüber hatte den Kopf gehoben und gewährte ihm damit einen erschreckenden Einblick in seine Augen.
Sie waren komplett schwarz.
“Steig’ nicht ein, auf der anderen Seite erwartet dich der Schatten”
Ein eiskalter Schauer, fuhr ihm ins Mark.
Auch wenn es Überwindung kostete Johann wandte sich von dem alten, blinden und dazu anscheinend noch verrückten Mann ab und ging auf die Schiebetür zu.
Kurz bevor er eintrat, blickte er noch mal zurück, der alte Mann machte eine greifende Handbewegung und blieb wie angewurzelt stehen. Seine tiefschwarzen Augen, waren ein Portal in eine Dimension des Schreckens und sie zogen Johan mit ins Dunkel.
Das Piepen der Bahntüren, veranlasste ihn, seinen Blick vollends abzuwenden.

Johan trat ein.
Die gespenstische Person verschwand mit dem unterirdischen Bahnhof an dem sie jetzt vorbeirauschten. Die Bahn fuhr durch den Tunnel , der es Johan ermöglichte, sein Spiegelbild in der Glasscheibe zu erkennen. Er sah nicht gut aus, krank bestenfalls.
"Die Stadt macht mich krank" sagte er oft.
Tiefe dunkle Ringe hatten sich um seine Smaragdgrünen Augen gelegt. So gut er es in der Spiegelung erkennen konnte war auch sein Blick matt und trüb. Seine strähnigen Haare hingen wirr auf dem Kopf. Obwohl Johan doch schon immer eine ziemlich magere Gestalt abgegeben hat, wirkte sein Gesicht aufgedunsen.
Die Erschöpfung war ihm praktisch ins Gesicht geschrieben. Sein Magen fühlte sich flau an und seine Beine waren weich. Darauf achtend, keinen der anderen Insassen anzusehen, bewegte er sich zielgerecht auf eine freie Bank zu. Natürlich ließen sich ein paar Blicke nicht vermeiden.
Da war einmal das breitschultrige Anabolika Monster, das sich flegelhaft auf einer Doppelbank breit gemacht hatte.
Der Glatzkopf mit dem hasserfüllten Blick starrte ihn einige Sekunden ungeniert an, bevor er sein Blick wieder zum Fenster gerichtet hatte, obwohl man da eigentlich nichts weiter erkennen konnte außer Schwärze.
Die anderen Personen fielen nicht weiter auf, ein Mittvierziger der auf seine Zeitung starrte, eine alte Frau mit einer hässlichen Ledertasche auf dem Schoß und ein Jugendlicher mit Brille. Er hatte Kopfhörer im Ohr und trommelte mit den Fingern den Beat auf seinem Schoß.
Johan setzte sich ihm gegenüber.
Kurz darauf umarmte ihm der warme angenehme Schleier der Müdigkeit. Sein Kopf wurde trübe wie abgestandenes Wasser. Johan lehnte seinen Kopf zurück, schloss die Augen und gab sich seiner Müdigkeit hin.

In Gedanken fand er sich fünf Jahre in der Vergangenheit zurück wieder.
In einem kleinen schäbigen Zimmer, in einer noch kleineren und schäbigeren Wohnung.
Sein älterer Bruder war zu Besuch. Draußen donnerte der Regen an die Scheiben und war die einzige Unterbrechung der drückenden Stille nach einem heftigen Streit.
Marten hatte sich schon vor knapp einer halben Stunde in Johans Schlafzimmer, das er immer für seine Gäste vorbereitete verscharrt und seit dem keinen Mucks mehr von sich gegeben.
Ein Auto fuhr draußen vorbei, nichts ungewöhnliches doch das helle Aufblitzen seiner Scheinwerfer gab Johan einen Impuls der ihn veranlasste sich von dem Sofa zu erheben. Sein Blick blieb aber noch einige Sekunden an dem großen Fenster haften, er war fasziniert von der leblosen Kälte die von der Stadt ausgestrahlt wurde, auch wenn er sie zutiefst verabscheute, war er dennoch in ihren Bann gezogen. Die Klobigen Blöcke und die trostlosen Fassaden.
All das war ein Teil von Johan und von seinem Leben und so sehr er sich diesem wüsten Anblick entziehen wollte umso mehr war ein Teil dessen.
Johan lauschte dem Trommeln. Es war anders.
In dem kleinen Zimmer manifestierte sich eine Präsenz, eine Wesenheit, nicht stofflich. Jedoch von so ungeheurer Schwere, dass die Schatten schwärzer wurden und sich ein eiserner Hauch von absoluter Leere auf die Gedanken legte und sie in einen dunklen Sog, in einen Abgrund oder ein schwarzes Loch hineinzog.
Niemand konnte sich dieser Macht erwähren. Johan hielt inne. Eiskalte Hände legten sich um seinen Hals und schnitten Ihm die Luft ab. Die anwachsende Schwärze vor seinen Augen verschwamm zu einem einzigen gigantischen Körper.
Und dann: nichts.
Sein Körper war so schwer.
Kaum aus dem Würgegriff der Schatten befreit, fiel Johan auf den Boden der Tatsachen, aus einem schrecklichen Albtraum erweckt, nur dass es keiner war. In kaltes Wasser gestoßen.
Durch einen ohrenbetäubenden Knall, der in der Stille viel gewaltiger war als jedes Geräusch, das Johan je gehört hatte.
Johan wollte zu seinem Bruder gehen. Das Herz wummerte so heftig dass die Brust schmerzte und das Gefühl gab jeden Moment zu zerspringen. Die Beine waren mit Blei gefüllt und ließen sich nur unter Mühen bewegen.
Sein Bruder, sein Freund, er fühlte sich in so verbunden wie keinem anderen Menschen.
Johan öffnete die Tür.
Sein Blick raste aufgeregt mehrere Male durch das kleine Zimmer, so dass er die dunkle Gestalt auf dem Sessel, die wie ein absoluter Gegensatz zu der Hektik ruhige und selige Stille wiedergab.
Die Leiche seines Bruders gab einen friedlichen Anblick.
“Marten” Johan betätigte den Lichtschalter.
Jedoch war es kaum Licht das den Raum erhellte und die Blutspritzer und mehr oder weniger großen Stücke des Gehirns und des Schädels, der wohl keinen Schutz gegen ein Projektil geben konnte, offenbarte.
Vielmehr war es eine verringerte Form der Dunkelheit. Es war keine Wärme sondern nur ein leuchtender Schatten.
Marten hielt die 90mm noch in seiner blutüberströmten Hand.
Der Schrecken ließ sich nicht in Worte, nicht mal in Gedanken fassen. Dieses Gefühl war zu mächtig als es Johan übermannte.
Er blickte durch eine Hand geführt aus dem Fenster.
Und er erkannte in den Schatten den Schemen eines Jungen.
Seine Hände waren verbunden.
Er stand wenige Zentimeter vor dem Fenster und starrte ihn aus schwarzen Augen an.
Augen wie aus schwarzem Glas.
Und Ihr Anblick war schlimmer als der Tod selbst.

“Tipp Tapp Tipp Tapp”
Das aufgeregte Trommeln des Jugendlichen aus der Bahn weckte ihn wieder.
Er hatte nur wenige Minuten geschlafen, was Ihm anhand der der Anzeige auffiel, die den nächsten Bahnhof anzeigte.
Noch zwei Stationen, knapp noch dreieinhalb Minuten aus zerkratzten Scheiben starren, die schmierigen Flecken auf den Sitzen sehen und die muffige Luft, die ein Gemisch aus Körperausdünstungen und Pisse darstellte einatmen.
Johan erinnerte sich an seinen Traum, aber das war so alles nie passiert.
Dieser Abend hat stattgefunden, doch anstatt sich das Gehirn mit einer Kugel aus dem Schädel zu pusten, hat sein Bruder es an diesem Abend mit Alkohol getan.
So exessesiv, dass man ihm den Magen auspumpen musste.
-War ein geiler Familienabend - , dachte Johann zynisch.
- Scheiß auf die Familie -
Das ständige Beattrommeln Johanns Gegenüber schien irgendwie nervöser geworden zu sein. Ein schnellerer Song, oder vielleicht eine Restportion Koks, als Gehirnfrühstück.

Ein Blitz zuckte, ein Schimmer von Dunkelheit ummantelte ihn. Er zuckte so schnell, dass er nichts zurückließ, kein Licht kein Geräusch.
Für einen kurzen Augenblick verschwammen die Formen und Gestalten und wurden in einen schwarzen Nebel gehüllt.
Eine Sekunde nicht länger, bis der Schleier sich lüftete.

--------------- to be continued ----------------
 
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Kommentare  

Wow. Wenn ich jetzt nur mit einem Wort kommentieren dürfte, würde ich definitiv 'düster' wählen. Klingt vielleicht nicht so toll, ist es aber. Wie Du die Stimmung eines trostlosen Lebens in der teils bitteren Einöde der Stadt beschreibst: Hammer! Alles ist so anschaulich bedrohlich beschrieben, dass ich fast das Gefühl hatte, mit dem Hauptcharakter durch die Szenerie von 'Dark City' zu wandeln.
Weiter so! - Und somit kommen wir gleich zu meiner Frage: Wann genau geht es denn weiter? Büddäääää baaaald! Bin schon ganz ungeduldig!


Luna Ansotica (27.07.2010)

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