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TRAUM 5628 ODER: DIE ENTLASSUNG

Fantastisches · Kurzgeschichten
© FRP
14.07.2010

TRAUM 5628 ODER: DIE ENTLASSUNG

Ich kann nun wirklich gerade nicht erinnern, ob ich heute zu spät kam, oder nicht, und ob, falls ja – das Zuspätkommen für mich signifikant sei, - oder eben nicht. Vorstellbar ist es mir jedenfalls nicht. Auch schien es ein ganz normaler Arbeitstag zu sein. Ich begab mich in den riesigen Raum mit den vielen Büchern in den massiven Regalen. Der Raum war angefüllt mit Kunden und Kollegen. Ich rief laut: „Signierte Erstausgaben von DDR-Illustratoren eingetroffen“ und sortierte dieselben dann – resigniert - , als seitens der Zielgruppe keinerlei Reaktion folgte, alphabetisch in die Regale „Klassiker E“, „Illustrierte Bücher“ und „Signierte Bücher“ ein. Es war desto ernüchternder, da es sich ja um meine privaten, wertvollen, von den Illustratoren signierten Eichendorff-Ausgaben, die ich heute von Zuhause mitgebracht hatte, um sie der Firma zu schenken, handelte. Nun gut. Als ich gerade beide Hände voller alphabetisch vorsortierter Bücher hatte, erklang über das ladeninterne Lautsprechersystem mehrmals und penetrierend die Durchsage, ich möge mich sofort und dringend in das Büro des Chefs begeben. „Gleich, gleich“, - sprach ich vor mich hin -, denn ich hatte noch Bücher einzusortieren und zu halten bzw. vor dem Herunterfallen abzustützen, - da kam der Chef auch schon wütend und mit der Vehemenz eines Schnellzugs auf mich zugeschossen. Der war vor Wut zu einer Größe von 2 Meter Dreißig aufgeblasen und brüllte auf meine kümmerlichen Einszweiundsiebzig herab; ich solle mich bloß zusammenreißen und vorsehen, da ich ja ohnehin andauernd zu spät komme, und was ich mir überhaupt einbilde, selbst nach mehrmaliger Aufforderung nicht in sein Büro zu kommen, ich müsse doch verrückt sein – und so weiter. Dann wurde er noch lauter, beleidigte und diffamierte mich auf übelste Weise. Aber damit lag er bei mir falsch. Mit etwas gehobener Stimme, doch ruhig und unterkühlt, sagte ich ihm, dass er ein Lügner und Verleumder sei, und er werde seine Frechheiten noch bereuen; notfalls vor Gericht. Im Verkaufsraum herrschte inzwischen Totenstille. Der Kerl schrie, ich solle immer noch sofort zu ihm ins Büro kommen, sprach's, drehte sich um und lief davon. Ich folgte ihm zu seinem Büro, gelegen am Ausgang und neben der Treppe, die in das darunterliegende Stockwerk führte. Wohl wissend, was mich drinnen erwarten würde, sang ich mir auf dem Weg dahin die deutsche Fassung von Demis Roussous Klassiker „Goodbye, my love, goodbye“; einem Song, den ich mir auch leise dahinsinge, wenn ich einer gewissen U., - ihr jedoch stets ausweichend -, irgendwo angesichtig werde. Besonders ergriffen bin ich dann immer vom eigenen Timbre. Auch impovisiere ich mir immer eine Strophe autobiographischen Inhaltes, beginnend mit: "Wenn der Wind / durch das Barfußgässchen weht / dann weiß ich / es ist zu spät ...". Die Menschen, denen ich im Verkaufsraum auf meinem Leidensweg begegnete, hatten, - Kunden oder Kollegen -, nicht den Mut, mich anzusehen. Das Ende der Unterredung, die nun folgen würde, war ja klar. Ich jedoch - war sehr zufrieden mit mir.


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