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Die Wohnung mit dem Fenster zur Straße

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Ein kleine Vorgeschichte zur Entstehung dieser Story:

Letztens saß ich mit Homo Faber in einem Cafe und ein Bekannter gesellte sich zu uns. Wir kamen auf das Thema Schreiben - wie sollte es auch sonst anders sein... Ich berichtete von meiner Schreibblockade und der nette Herr - leicht angetrunken muss man dazu sagen - gab mir zum Spaß eine Hausaufgabe auf.
Er wies auf die Straße neben dem Cafe und meinte ganz entzürnt: "Wie schrecklich muss das sein, wenn man das Fenster zur Straße hat - dieser Lärm, dem man tagtäglich ausgesetzt ist, dieser Stress. Das ist doch unmenschlich, ein Fehler in der Bauweise!"
Er meinte daraufhin: "Schreib doch eine Geschichte aus dem Leben eines Menschen, der in einer Wohnung lebt mit den Fenstern zur Straße."
Homo Faber meinte daraufhin, er habe auch eine Schreibblockade und bat ebenfalls um eine Hausaufgabe.
Wie aus der Pistole geschossen meinte der Herr: "Dann schreib du eine Geschichte über einen Menschen, der in einer Wohnung lebt mit dem Fenster nach hinten raus."

Die Wohnung mit dem Fenster zur Straße
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Konrad lebte seit er sich besinnen konnte in der Großstadt. In einer Großstadt wie wir sie kennen - mit Straßenverkehr, Hektik, Lärm und einer Menge Hochhäusern.

Und immer, wirklich immer lebte Konrad in einer Wohnung, deren Fenster zur Straße ausgerichtet waren.
Entweder war es der Entschluss der Eltern gewesen, gerade diese Wohnung zu nehmen oder später die Wohnung seiner Freundin, in die er mit einzog. Dann brauchte Konrad dringend eine Bleibe, als er bei seiner Liebsten rausflog und nahm natürlich was er bekommen konnte - und das war ausgerechnet die Wohnung mit dem Fenster zur Straße. Es war wie verhext.

Immer und immer wieder dieser unerträgliche Lärm. Hupende Autos, quietschende Reifen, grölende Leute, das Rattern und Klingeln der Straßenbahn.
Konrad lebte dann auch noch ausgerechnet an einer Kreuzung und der Bahndamm war auch nicht gerade weit entfernt. Mehrmals am Tage und auch in der Nacht fuhren auch Krankenwagen und Polizeiautos mit Blaulicht an seiner Wohnung vorbei.

Wenn er aus dem Fenster blickte, dann verwandelten sich selbst die lautlosen Bilder in Lärm. Er hörte das Klappern der Schuhe der aufgetakelten Damen, vernahm das dreckige Lachen der Jugend, die sich gern vor dem Büdchen trafen und hörte sogar das Schmatzen der Verliebten in den Bushaltestellenhäuschen. Alles machte Lärm. Überall war Krach. Draußen, in der Wohnung über unter und neben ihm und in seinem Kopf.

Wie sehr wünschte er sich die Ruhe - einfach nur Ruhe.
Gern ging Konrad im Wald spazieren oder am Rheinufer um die Stille zu genießen und um die Energie außerhalb der Zivilisation zu tanken.
Zu Hause malte er sich dann aus, wie schön es auf dem Land wäre oder wenigstens in einer Wohnung mit dem Fenster zum Hof oder dem Garten. Ja, das wäre traumhaft.

Doch leider ließen die momentanen Umstände einen Umzug nicht zu. Irgendwann vielleicht würde er umziehen, das hatte Konrad sich fest vorgenommen.

Eines Tages ging Konrad von der Arbeit nach Hause und blieb an einem Schaufenster stehen, in dem Aushänge von Wohnungen im Grünen zu sehen waren. Er träumte vor sich hin und überlegte, welche dieser Wohnungen er sich aussuchen würde, hätte er das nötige Kleingeld.

In dem Moment zersplitterte sein Traum, denn der Balkon über ihm fiel herab und riß ihn zu Boden.

Konrad überlebte den Unfall, ist jedoch seither taub.
 
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Kommentare  

So ist es wirklich, wenn man unmittelbar an der Straße wohnt.
Eine sehr gutes Stimmungsbild, was du da gezeichnet hast.
LG. Michael


Michael Brushwood (26.08.2011)

Hallo,

vielen lieben Dank für die Kommentare.
Beim Schreiben selbst bin ich auf dieses Überraschungsende gekommen. Erst wusste ich noch nicht genau, wie es enden sollte.

LG Sabine


Sabine Müller (07.02.2011)

Hallo,

im gegensatz zu meiner story, wo wieder mal nur
mist rausgekommen ist, ist deine geschichte dafür
umso besser gelungen. Der stil ist wunderbar, leicht
zu lesen und kein wenig langweilig.


Homo Faber (06.02.2011)

Fängt so harmlos an und endet direkt gruselig.

Jochen (05.02.2011)

Oh, schrecklich, der arme Kerl. Ja, so hatte er es bestimmt nicht gemeint. Gelunge Überraschungsstory

Petra (05.02.2011)

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