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2 Seiten

phantaschmilz

Nachdenkliches · Experimentelles
© kadek
Lass uns die worte retten. Sie schützen vor dem massenmord der zungen. Die sie tragen wie billigen schmuck, schnell verbraucht und schnell vergessen. Die worte sind ernst. Todernst und tragen den, der sie zu beherrschen weiss an ungeahnte orte. Es gibt keine orte, die sind, ohne worte.
Spürst du die heiligkeit, den wahn, die lust, die in den worten wohnt? Lass uns glauben an sie, gesprochen, geschrieben, lass es uns tun. Lass uns reiten auf ihren kämmen, uns fortspülen von ihnen, an neue, unbekannte ufer. Gestade, die paradiese bergen und schlangen. Wir wollen sie gebrauchen und mit ihnen schaffen. Texte, gebilde, organismen die leben und lesen lassen. Bilder, die träume zulassen, bilder die bewusst machen, uns und die tode, die wir sterben. Gedankenlinien, die horizonte abzeichnen und darüber hinausweisen in den unfassbaren äther. Gespickt, vermint mit schwarzen gedankenlöchern des vergessens. Wir wollen uns nicht vergiften lassen, wenn die worte auch noch so süss schmecken mit ihren verlockungen. Und nicht glauben an die letzte heilung. Lass uns die freiheit unserer abhängigkeit von ihnen feiern. Ausgestalten unser sein in worten, im strömen durch die kanäle unserer welt. Die möglichkeit zwingt uns, also lassen wir die entscheidungen explodieren wie feuerwerk und sprühen funken über den nachthimmel des jetzt. Lass uns die drogen nehmen, die wir brauchen, um zu leben, um zu fühlen, um zu denken und zu lieben. Und die nadeln aus dem fleisch reissen, die uns behindern, sie einschmelzen und sie formen zu waffen gegen den tod. Denn worte sind nichts anderes als das. Lass sie uns nehmen und mit ihnen tanzen. In der bewegung unserer gedanken, zum takt unseres wollens und fürchtens im dasein beim so.
Lass uns einen text bauen um uns. Mit treppen und fenstern, türen, wegen und brücken. Eine sprache, in der wir atmen den geruch unserer herzen.
In deinen worten kann ich riechen, durch welche landschaft deiner seele du wanderst. Ich rieche die töne deiner leidenschaften und deiner ängste in den farben der worte, die du über die zunge gleiten lässt als wären sie tropfen eines saftes, der in dir zirkuliert. Wellen, die schlagen und abtragen die insel, auf die du dich flüchtest. Dein sprechen ist ein wandernder lichtstrahl durch das dunkle gehäuse, in dem deine gedanken wohnen. Durch die höhlen unter den bühnen deines theaters und in den stoff der kostüme eingewebt, die du trägst wenn du alleine bist. Die pausen, die du machst, sind wie ein augenaufschlagen am morgen, am rand des neuen tages. Dein atemholen ein kurzes wehen eines vorhangs vor dem fenster. Die worte lassen sich durch mein gedächtnis zurückverfolgen wie spuren im schnee. Bis zu dem moment, als wir das erste mal miteinander sprachen und uns gewahr wurden.

Lass sie uns retten.
 
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Kommentare  

hi kadek! nicht schlecht du specht! weiter so... vielleicht doch linguistik im hf?? ;-)

Neuhold (20.11.2001)

Wunderbar für zwei wortverliebte Seelen! Geschmeidig und behutsam, bestimmend und sehr fein... klingt der Text, die Liebeserklärung an die Sprache... und an wen wohl noch, dessen Du gedachtest beim Schreiben!

Teleny (19.11.2001)

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