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38 Seiten

Es Regnet

Schauriges · Kurzgeschichten · Fan-Fiction/Rollenspiele
Es Regnet



Die einzig Überlebende



April genoss den heißen Kaffee, den sie nun in ihren kalten Händen hin und her drehte und hin und wieder einen zögerlichen Schluck nahm.
Ihre Haare waren immer noch nass, ihre Kleidung hatte sie schon gewechselt aber der plötzliche Platzregen, der sie alle überfiel, steckte ihr immer noch in den Knochen.
Saber saß ihr gegenüber. Sein blondes Haar lag irgendwie flach an seinem Kopf und seine Augen wirkten müde, als hätte er tagelang nicht wirklich geschlafen.
Er lächelte ihr zu und sie erwiderte das Lächeln zögerlich, merkte allerdings sofort den ziehenden Schmerz in ihrer Wange und rieb sie sich Gedanken verloren.
Colt und Fireball standen noch unter der Dusche und sie hatte die leise Ahnung, dass die beiden, so Schlamm verkrustetet wie sie waren, auch so schnell nicht wieder darunter hervor kommen würden. Am liebsten wäre sie gerne sofort von diesem verfluchtem Planeten abgeflogen, aber selbst Ramrod steckte bis zu den Triebwerken im schlammigen Boden und Fireball, der die ganze Misere genau inspiziert hatte, glaubte nicht, dass sie so ohne weiteres fliegen könnten.
„Ich hasse diesen Planeten....und ich hasse Outrider.“, stellte April nüchtern fest, nachdem sie sich noch einen Schluck gegönnt hatte.
Saber nickte.
Obschon er immer versuchte, seine persönlichen Gefühle im Job außen vor zu lassen, fiel es ihm jetzt doch wesentlich schwerer.
Sie waren vor 12 Stunden auf dem entlegenem Gebiet angekommen, dass sich weit an die Grenzen zu den vereinigten Unionen befand und sich bisher aus dem Konflikt zwischen den Outridern und den Menschen heraus halten konnte. Aber nun hatten die spitzohrigen Freunde beschlossen, ihre Ausflüge auch etwas weiter aus zu dehnen und als der Hilferuf zum KOK drang, war es längst zu spät. Ramrod brauchte fast einen Tag, um zu den kleinen Planeten zu gelangen und die Outrider waren längst wieder verschwunden. Sie hinterließen Verwüstung und tot. Vor allem den Tod.
Saber versuchte die Bilder aus seinem Hirn zu verbannen.
Sie waren unvorbereitet los gezogen. Hatten sich einfach in ihre Satteleinheiten geschmissen und waren dann mit alle dem Konfrontiert worden.
Saber hatte immer noch die blicklosen Augen in seinem Bewusstsein, mit denen die Toten sie auf der Straße stumm und anklagend betrachtet hatten.
>Zu Spät! Ihr seid zu Spät!<
Saber seufzte.
Sie lagen mit verdrehten Leibern und zu lautlosen Schreien aufgerissenen Mündern auf den Dächern, den Straßen, lagen über den Autos und der süße Verwesungsgeruch, der durch das schwül-nasse Wetter noch verstärkt wurde, raubte selbst den Lebenden den Atem.
Er hatte sich an Shinjis japanisches Essen gewöhnt, aber daran würde er sich nie gewöhnen können. Niemals.


***


Kyria versuchte sich aus ihrem Gleiter heraus zu arbeiten. Sie hob das Verdeck an und ein spitzer Schrei jagte von ihren Lippen und zerriss die Stille der Nacht.
Schluchzend hielt sie sich die Schulter und spürte durch den Stoff ihres Anzuges etwas spitzes.
Knochen, verdammt noch mal.
Um sie herum drehte sich alles, Regenwasser hatte sich in der Kabine gesammelt und nun standen ihre Füße beinahe knöcheltief im Wasser.
Vorsichtig schob sie ein Bein nach dem anderen heraus, krallte sich mit dem gesunden Arm an der Armatur und hievte sich hoch.
Über ihrem Kopf hingen dunkle Sturmwolken, vereinzelnd zuckten Blitze unter ihnen durch, begleitet von einem tiefen Grollen.
Sie schaute nach oben, verzog das Gesicht und kämpfte sich aus dem kleinen Cockpit heraus.
Sie fiel etwa zwei Meter, ehe sie in den darunter liegenden Matsch platschte, sich schreiend die Schulter hielt und jammernd auf die Knie kam.
„Scheiße! Scheiße!“, fluchte sie laut und unter ihren Lidern brannten Tränen, die sie tapfer zurück drängte.
Sie würde nicht weinen, nicht hier, am Arsch des Universums.
Kyria strich sie eine Strähne des blau-grünlichen Haars aus der Stirn und sah sich orientierungslos um. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war, sie wusste auch nicht, wie lange sie schon da war...wo auch immer und wenn sie sich so umsah konnte sie davon ausgehen, dass sie alleine dort war.
Alleine!
Sie rappelte sich auf, kramte in ihren Erinnerungen.
Alles war nach Plan verlaufen. Sie hatten sich mit 50 Mann und Frau aufgemacht, waren durch einen präzisen Dimensionssprung in diese Gegend gelang, hatten die kleine Siedlung angesteuert und sie überfallen.

Sie hatten den Auftrag, Nahrungsmittel und was man sonst noch so gebrauchen könnte, für die neue Basis zu besorgen und ihr Boss, der nun mal ein Mensch war, wies sie an, den Menschen das Nötigste zum Überleben zu lassen und ihnen lediglich Angst ein zu jagen.
„Keine Toten.“, hatte er gesagt und Kyria war damit mehr als einverstanden.
Und so taten sie es...alles lief nach Plan und dann....dann passierte etwas. Etwas war schief gelaufen. Etwas war da.
Etwas im Regen. Der verdammte, immerwährende Regen.
Sie hielt sich den Kopf, sie konnte sich nicht erinnern. Alles war noch in ihrem Bewusstsein war, war etwas ....etwas....
Sie wusste es nicht.
Zaghaft ging sie ein paar Schritte, wobei sie immer wieder ihre Stiefel mit Kraft aus dem Boden ziehen musste.
„Hallo?!“, rief sie und lauschte angestrengt.
„Ist noch jemand hier?!“
Außer dem Regen und dem Grollen antwortete ihr niemand.
Verzweifelt schluckte sie, sah nach hinten und auf ihren Gleiter.
Er war hin, völlig hin und er würde sie nicht wieder nach Hause bringen...
>Der Funk!“, fiel es ihr siedend heiß ein.
Sie stolperte zurück, zog sich hoch und setzte den Kopfhörer auf.
Hektisch drückte sie die Knöpfe, suchte nach einem Kanal und fand nur weißes Rauschen.
„Hallo? Nein, verdammt. Ich brauche Hilfe. Hallo?“. Das letzte Wort war mehr ein Flüstern.





Fireball rubbelte sich die Haare trocken. Er hatte sich ein Handtuch um die schlanken Hüften geschlungen und fühlte sich das erste Mal seid 24 Stunden wieder richtig sauber.
Colt stand hinter ihm, betrachtete sich stumm im Spiegel und fuhr mit der Hand über sein Kinn?
„Soll ich mich noch rasieren, Alter?“, fragte er und Fireball zuckte nur die Schultern.
Er selbst hatte noch keine Rasur nötig. Die kleinen Vorteile wenn man Asiat war. Der Bartwuchs war doch eher spärlich.
Auf Colts Gesicht hingegen war jeden Morgen der verräterische Schatten zu sehen.
Fireball sah Colts im Spiegel an.
„Für wen denn?“ ,fragte er und griff sich seine Unterhose, die er auf die Heizung gehängt hatte, schlüpfte hinein und fühlte sich gleich wohl.
Colt musste ihm recht geben.
Solange sie hier fest saßen, könnte er sich genau so gut einen Vollbart wachsen lassen.
„Dann sieh mal zu, dass wir hier wieder weg können.“, schnaufte er ärgerlicher als er wollte. Dieser Planet war tot und über Funk hatten sie längst die gerichtsmedizinischen Helfer geordert, die in den nächsten Tagen hoffentlich eintreffen würde.
Colt wollte dann nicht mehr hier sein. Die Leichen, die sie zwar dokumentiert hatte, aber nicht bewegen durften, würden nach ein paar Tagen im Dreck und im Regen kein schöner Anblick sein.
Fireball hatte sich inzwischen seine Hose und sein Shirt angezogen. „Ich geb mir Mühe, Alter. Aber aus dem Matsch werden wir nicht raus kommen. Wenn es nicht mehr Regnet, wird es besser gehen, oder wir müssen uns erst ausgraben.“
Colt stöhnte. Auch das noch. Das fehlte noch.



***



Fireball zog sich seine Schuhe über und machte sich auf den Weg in die Küche. Als er an der Brücke vorbei kam, glaubte er eine Stimme zu hören.
Er stoppte mitten in der Bewegung und lauschte noch einmal angestrengt.
Tatsächlich, da versuchte jemand über Funk Verbindung auf zu nehmen.
Freudig lief er zu Sabers Satteleinheit, von dessen Konsole die zaghafte Stimme zu ihm hallte.
Vielleicht gab es doch überlebende. Vielleicht hatten sie einfach einen Schutzraum übersehen.
Wenigstens eine gute Nachricht.
Er nahm den Hörer.
„Hallo? Ist da wer? Hier ist das Ramrod Team, sie brauchen keine Angst zu haben. Sagen sie uns nur, wo sie sind und wir holen sie.“



***



.....holen sie.“
Kyria zuckte zusammen, als sie die Stimme hörte.
Ihr Herz begann heftiger zu pumpen.
Schnell zog sie die Kopfhörer von ihren Ohren und biss sich auf die Unterlippe.
Die Star Sheriffs, verdammt.
Sie kam nicht nach Hause, hatte keine Hilfe und die Star Sheriffs waren hier. Die Lage konnte auf keinen Fall schlimmer werden.
Als wollte eine höhere Macht ihre Worte Lügen strafen, knallte es über ihr und ein mächtiger Blitz jagte direkt neben ihr in einen Baum. Mit einem lautem Krachen zerbarst er auseinander, seine Krone fing Feuer und Kyria schrie laut auf.
Ängstlich hielt sie die Hände vor das Gesicht und hatte jede Lust, tapfer zu sein, mit einem Mal verloren.
Sie weinte hemmungslos.


***


Fireball drückte einige Knöpfe, versuchte erneut, die Stimme ein zu fangen.
Gleichzeitig aktivierte er den Boardfunk.
„Leute, es gibt Überlebende. Ich hatte hier jemanden am Funk, kommt mal auf die Brücke!“
Saber ließ fasst seine Tasse fallen, als er das hörte und April starrte ihn verblüfft an.
„Wir haben was übersehen!“, rief sie und sprang auf.
Saber folgte ihr, prallte vor der Brücke mit Colt zusammen, der lediglich mit einem Handtuch bekleidet war, das er nun, da es sich gelöst hatte, krampfhaft vor seiner intimsten Stelle hielt.
Saber zog die Augenbraun zusammen.
„Zieh dich an.“,meinte er verwirrt und Colt entblößte ein paar weiße, ebenmäßige Zähne hinter einem breitem Grinsen.
„Jetzt kommt schon!“, hörte er Fireball rufen und schlang sich umständlich wieder das Handtuch um die Hüfte.
Sie versammelten sich um Sabers Satteleinheit und Fireball versuchte, die richtige Frequenz zu finden.
„Es war ganz dünn, aber da. Eine weibliche Stimme. Klang verzweifelt. Vielleicht versuchst du es mal.“, meinte er und reichte April den Hörer.
„Vielleicht hat sie eher Vertrauen zu einer Frau.“
April verstand, nahm das Gerät an sich und lauschte.
„Hallo? Hier ist das Ramrod Team. Sie brauchen keine Angst mehr zu haben. Wir helfen ihnen. Bitte geben sie uns ihre Position durch.“
Kyria starrte den Kopfhörer an, aus dem die weibliche Stimme drang. Mit zittrigen Händen nahm sie das Gerät an sich.
Fireball hatte recht. Offensichtlich war ein weiblicher Star Sheriff nicht ganz so sehr Star Sheriff wie ihre männlichen Kollegen.
Sie schluckte ein paar mal trocken, was ihren Mund nur noch pelziger erschienen ließ und räusperte sich kurz.
„Hallo, hier...also, mein Name ist Kyria. Alle sind weg und etwas ist passiert. Es regnet so und....“, sie hielt den Atem an, um neuen Mut zu sammeln.
„Und ich bin kein Mensch.“



Colt hörte die ersten Worte und sein Herz zerriss fast vor Mitgefühl. Er hörte die letzten Worte und sein Blick verfinsterte sich. Mit einer Hand Griff er nach Aprils Arm, worauf hin gleich das Handtuch wieder von seinen Hüften rutschte.
„Dasn Outrider, man!“
April schüttelte ihn ab, deutete auf das sich freilegende Hinterteil und grinste.
Mit geröteten Wangen hob er den rauen Stoff wieder an. Komisch, aber aus irgendeinem Grund wünschte er sich, er hätte seinen Hut auf.
Der weibliche Star Sheriff wandte sich wieder an die Stimme am anderen Ende.
„Ob Mensch oder nicht, ist doch jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, dass du Hilfe brauchst. Und wir helfen dir. Du musst uns sagen wo du bist.“
Die junge Outrider schöpfte Hoffnung bei den Worten. Vielleicht würde sie nicht gleich foltern Schließlich waren sie ja Helfer, oder nicht? Sie durften keinen Unterschied machen, welche Hautfarbe man hatte oder in welchen Körper man hinein geboren wurde.
Wieder wurde die Nacht von einem zuckendem Blitz erhellt und Kyria schrie.
„Ich weiß nicht, wo ich bin!“, rief sie in das Micro.
„Wir wollten nur weg und dann war plötzlich alles dunkel und die Menschen....“, sie verstummte.
„Ich glaube, alle sind weg.“
April schob Fireball von der Satteleinheit um sich nun selber zu setzten. Das Mädchen hatte Angst, so viel war mal klar.
Sie musste die Unbekannte so weit bekommen, dass sie sie orten konnten.
„Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie, damit sie das Vertrauen der Frau bekommen konnte.
„Kyria.“, antwortete sie. „Und du?“
April lächelte.
„Ihr habt immer so schön melodische Namen.“, gab sie zu. „Ich heiße April. Also, Kyria, wir können dich nicht orten. Hast du nicht einen Scout oder ein Schiff da? Du musst doch mit etwas gekommen sein? Und du musst doch über etwas mit uns reden, gerade jetzt?“
Hinter sich hörte sie, wie Colt schnaufte.
„Klar, mit irgendwas haben sie die Menschen hier ja überfallen.“
Sie warf ihm einen bösen Blick zu, verkniff sich aber einen Kommentar.
Kyria sah sich in ihrem Schiff um. Klar hatte sie ein Schiff...aber es war hin.
„Das Schiff ist hin. Völlig Schrott.“, sagte sie nieder geschlagen.
„Ja, aber hat es noch Antrieb, kannst du es anmachen. Selbst wenn es nicht mehr fliegt?“
Kyria verstand.
Das konnte sie vielleicht tatsächlich. Sie startete den Zünder und die Triebwerke gaben ein kurzes Husten von sich, die Turbinen drehten auf, ließen das Schiff kurz erzittern und dröhnten dann in einem monotonen Ton.
April sah, dass sich auf den Anzeigen ihres Scans etwas bemerkbar machte.
„Ich seh dich, Kyria. Wir kommen und holen dich, dann hast du das Schlimmste überstanden.“
Kyria nickte und legte den Hörer beiseite.
Ob das eine kluge Entscheidung war, wusste sie nicht, aber alleine würde sie überhaupt nicht weiter kommen. Und es war kalt, so kalt. Die Feuchtigkeit kroch ihr in die Kleidung, in die Knochen und ließ sie erzittern.
Ihre Schulter schmerzte wie die Hölle und davon ab, von allem ab, fühlte sie sich auch noch alleine.
Abwartend lehnte sie sich in ihrem Sitz zurück, zog die Beine so weit an, dass das Verdeck sie etwas vor dem Regen schütze.


Colt klatschte in die Hände.
„Ok, wir haben sie. Dann holen wir sie und jetzt.“
Wieder wollte sich das Handtuch von seinen Hüften lösen.
Die blonde Navigatorin deutete darauf.
„Aber nicht so, Cowboy. Du wirst ihr nur Angst machen. Zieh dir was an und dann wirst du los düsen und sie holen. Aber sei vorsichtig. Wir wissen nicht, ob sie bewaffnet ist oder ob noch mehr Outrider da sind.“
Colt winkte ab. „Und wenn schon.“, meinte er großspurig, jagte in das Zimmer, das er sich mit den Männern teilen musste und schlüpfte in seine Klamotten.
April sah ihn wenig später an der Brücke vorbei rauschen und auf den kleinen Monitor, der den Hangar zeigte, beobachtete sie schmunzelt, wie Colt in seinen Bronco hüpfte.
„Also gut, Freundchen, dann hol uns mal das Mädel.“


Kyria lauschte dem Regen, der auf das Verdeck prasselte und hatte die Arme um ihre Knie geschlungen. Trotz der Schmerzen verharrte sie in dieser Position. So fühlte sie sich geborgener, geschützter.
Die Zeit schien dahin zu kriechen. Beinahe glaubte sie nicht mehr daran, dass die für sie noch fremden Menschen sie holen würden. Schon überlegte sie, ob das Gespräch nur ihrer Fantasie entsprungen war, aber da erblickte sie nicht weit von sich über den Baumwipfeln die Lichter eines Schiffes, das klein und wendig war.
Sie atmete auf.


Colt setzte neben dem Outriderschiff auf. Missmutig sah er durch das Verdeck auf das Dreckswetter.
„Scheiße,“, fluchte er. Der Boden war schwammig und der Bronco sackte um einige Zentimeter ein. Das Outriderschiff war wirklich völlig hin. Einer der Bugfinnen war gebrochen, die kurzem Flügen waren beide geknickt, die Nase war eingedellt.
Colt hüpfte aus dem Bronco und lief durch den Regen, stieg auf den Tritt des fremden Schiffes und lugte hinein.
Dort saß sie und schaute ihn aus großen, wässrigen Augen an.
Sie war schmutzig, hatte einen Stiefel verloren und völlig durchnässt.
„Na komm schon.“, rief er ihr durch das Unwetter zu und hielt ihr eine Hand hin.
„Mach hinne, Mädchen, sonst schwimmen wir zurück.“
Kyria nahm seine Hand und ließ sich hinausheben.
Colt half ihr, das kurze Stück zum Bronco zu laufen. Immer wieder versackte sie im Schlamm und Colt musste sie heraus heben, wobei auch er einsank. Doch er war viel kräftiger und konnte sich leichter befreien.
„Nun rein da!“, brüllte er. Der Regen hatte sein Visier beschlagen und der Wind peitschte ihm Äste und Schlamm davor.





Auf wackligen Beinen ließ sich Kyria in den ungewöhnlichen Flieger schieben. Sie stöhnte auf, als sie sich in dem Sitz hinter dem Pilotensessel fallen ließ und musste noch einmal die Zähne zusammen beißen, als der Cowboy einstieg und das Gefährt leicht hin und her rüttelte.
Wie durch einen Schleier nahm sie war, wie der Mann die Triebwerke startete und der kleine Flieger unvermittelt abhob. Schnell zog er ihn hoch, beschrieb einen leichten Kreis und gab dann Gas.
Kyria ließ sich zurück sinken und schaute nach draußen, wo Bäume und kleine Felsen unter ihr vorbeihuschten.
Müde und erschöpft schloss sie die Augen und dämmerte langsam aber sicher in einen gnädigen, aber leichten Schlaf.




Fireball liess Colt rein, indem er die Rampe, zumindest so weit wie der schlammige Boden es zuließ, senkte.
Die drei Star Sheriffs liefen in den Hangar, warteten, bis Colt die Triebwerke gedrosselt hatte und schließlich ganz verstummten.
das Verdeck öffnete sich und Colt sprang behände aus dem Bronco.
"Ich glaub, sie ist ohnmächtig oder so!", rief er ihnen zu und setzte seinen Helm ab.
Achtlos legte er ihn auf den Boden und rüttelte an der Schulter der jungen, leicht blauhäutigen Frau.
Der Schmerz ließ sie aufstöhnen.
"Oh...nicht. Bitte.", keuchte sie, flackernd die Augen aufschlagend.
Colt zuckte zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie bei Bewusstsein war.
"Schon ok. Steig aus."
Kyria arbeitete sich langsam und vorsichtig aus dem niedrigem Fluggerät, tastete sich an der Konsole entlang, hob umständlich ein Bein auf den Tritt und kletterte auf den Boden.
Es war schon fast seltsam, das hier alles so trocken war und im Angesicht der acht Augen, die sie betrachteten, fühlte sie sich schmutzig und hilflos. Und wenn man es genau betrachtet, war es ja auch so.
Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor der Brust.
"ähm....ich...kann ich mich irgendwo abtrocknen?"
April wurde durch ihre Worte aus einer Art Fazinationstrance gerissen. Sie klatschte in die Hände und alle zuckten zusammen.
"Ok, natürlich. Ich zeige dir erst mal das Bad und dann gebe ich dir was zum Anziehen."
"Und dann erklärst du uns mal, was hier passiert ist.", merkte Colt scharf an.



***


Kyria biss die Zähne zusammen, als der weibliche Star Sheriff ihr eine behelfsmäßige Schiene umlegte, die den Arm und die Schulter stützen sollte.
Ihre Haare waren in einem Handtuch geschlungen und ihre schmale Gestalt steckte nun erst einmal in einem Bademantel, den sie baldmöglichst mit der Kleidung aus zu tauschen gedachte, die ihr April zurecht gelegt hatte.
Es waren einfach Jeans, ein Rolli und Unterwäsche, von denen April fast entschuldigend erzählte, das sie aber nicht mehr neu waren. Kyria war das egal. Sie würde auch einen Sack anziehen, wenn er trocken wäre.
April fuhr mit einem kleinen Handgerät über ihre Schulter und nickte zufrieden.
"Das wird wohl erst mal genug sein müssen. Wenn wir wegkommen, wirst du in der KOK Krankenstation richtig versorgt werden."
Sie schaltete das Gerät wieder aus, legte es auf eine silbern glänzende Ablage und begutachtete Kyria ausgiebig.
Sie machte nicht gerade den Eindruck einer Kriegerin, geschweige denn einer Mörderin.
Sie war von eher schmächtiger Gestalt, nicht gerade groß, ihre Hände waren fein und das Gesicht filigran geschnitten.
"Wieso habt ihr die Siedlung überfallen und wer hat euch den Auftrag dazu erteilt?", wollte sie wissen.
Das blauhäutige Mädchen sah sie verständnislos an.
Glaubte dieser Star Sheriff den tatsächlich das sie so ohne weiteres Informationen Preis geben würde?
April schien das in ihrem Gesicht zu lesen.
"Ihr habt über hundert Leichen zurückgelassen. Sie hängen von den Dächern ihrer Häuser und liegen im Dreck ihrer Strassen.", zischte sie.
Da veränderte sich das Gesichtsausdruck der jungen, fremden Frau.
"Wir haben niemanden getötet. Wir hatten nur den Auftrag, Lebensmittel zu beschaffen und KEINE Leichen zu hinterlassen. Als das alles passierte, waren sie noch alle quicklebendig!"
April warf ihr Haar mit einer routinierten Handbewegung auf ihrem Rücken, damit es ihr nicht im Gesicht hing.
„Überall sind eure Signaturen. Die Hilferufe kamen aus der Siedlung und man sagte uns, dass sie überfallen werden...und zwar von Outridern. Also erzähl doch bitte keine Märchen. Das hilft dir nicht weiter.“
Kyria war von der Liege herunter gesprungen. Sie war fast einen halben Kopf kleiner als April aber ihre Augen funkelten sie Böse an.
„Mag sein, das wir sie überfallen haben, aber wir haben sie nicht getötet. Wenn dem so wäre, wäre ich auch nicht mehr hier. Dann wäre ich mit den anderen einfach abgehauen.“
April zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht hatten deine Freunde keine Verwendung mehr für dich.“
Kyria hörte Aprils Worte und ihr stand der Mund offen.
„So denkt ihr über uns? Das wir einander egal wären? Glaubt ihr Menschen wirklich, wir hätten keine Familien und es gäbe niemanden , der uns lieben würde? Niemanden der auf uns wartet?“
Sie ließ den Kopf sinken.
„Das zwischen unseren Völkern nicht alles rosig ist, ist mir klar. Aber das ihr uns für Monster haltet, hätte ich nicht vermutet.“
So langsam aber sicher wurde der blonde Star Sheriff wütend.
„Was sollen wir denn von euch halten? Ihr dringt in unser Zuhause ein und bekämpft uns.“
„Das tut ihr doch selber untereinander! Ihr habt mehr Kriege unter euch im Laufe der Jahrhunderte auf euren Buckeln als ich zählen könnte. Wir bekriegen uns nicht gegenseitig. Das Wort „Bürgerkrieg“ ist uns fremd. Wir haben in unserer Sprache nicht einmal einen Ausdruck dafür!“
April schnappte nach Luft. Wie konnte sie es wagen. Wie nur.
„Ich hoffe, ihr habt einen Ausdruck für Massenmord. Dessen wirst du nämlich angeklagt werden.“
Ihre Stimme war brüchig geworden und dünn. Ihre Augen schwammen, aber sie ignorierte es.
Und als April mit bleichem Gesicht die Krankenstation verließ, konnte sie Kyria noch etwas hinterher rufen hören.
„Katshqet!!“
Es war der Ausdruck für Miststück.





Streunende Hunde.


Fireball schaute durch das Panoramafester und hatte die Füße bequem auf die Konsole gelegt.
Der Regen prasselte unaufhörlich gegen Ramrods Außenhaut und je mehr er versuchte, ihn zu überhören, desto mehr schien sich jeder einzelne Tropfen in sein Hirn zu brennen.
Das monotone Geräusch hatte eine einschläfernde Wirkung.
Fireball gähnte, streckte sich und schlug sich einmal leicht auf die rechte Wange, in der Hoffnung, das würde ihn wach halten. Eine schwere und bleierne Müdigkeit wollte ihn anscheinend heimsuchen. Sie hatte sich wie ein alter Freund einfach bei ihm breitgemacht, ohne sich vorher an zu kündigen.
Schnell setzte er sich wieder aufrecht hin und bemerkte da zum ersten Mal den Hund.
„Ach gucke mal da, was das denn?“, fragte er niemanden und stellte sich dicht an die Konsole, schirmte die Hände vor der Innenbeleuchtung ab, um nicht lediglich sich selbst zu sehen und tatsächlich.
Da war ja ein Hund.
Er stand bedröppelt im Regen, schaute zu ihm auf und seine Ohren hingen.
Er sah von hier oben nicht groß aus. Vielleicht ein Mischling. Das braun gefleckte Fell war durchnässt und schmutzig.
Fireball ging das Herz auf.
Er öffnete die Rampe so weit wie der Schlamm es zuließ, ging in die Küche, stibitze sich eine Wurst von Colt aus dem Kühlschrank, der es wortlos hinnahm und machte sich auf den Weg nach unten.
Der Regen hatte sich schon auf die Rampe gelegt und nun war sie rutschig.
Vorsichtig, Schritt für Schritt arbeitete sich Fireball runter, bis seine Schuhe im Morast steckten.
Über ihm dröhnte und grollte der Donner, gefolgt von vereinzelten Blitzen.
Zuerst konnte er nichts erkennen außer Regen und Dunkelheit, doch dann funkelten zwei Punkte in der Dunkelheit auf.
„Hey du...“, sagte Fireball leise und schwenkte die Wurst.
„Komm doch mal her, du.“

Der Hund kam einen zögerlichen Schritt näher und trat dabei aus dem Schatten.
Nun konnte Fireball ihn erst richtig erkennen.
Das Fell war filzig, an einigen Stellen sogar gar nicht vorhanden.
Der Rennfahrer brach die Wurst in zwei Teile und der daraus strömende Duft liess dem Hund das Wasser im Mund zusammen laufen.
Er legte sich über die Letzten noch einen Schritt auf ihn zu. Mittlerweile hatte er aufmerksam die Ohren aufgestellt.
„Na, da riechst du aber was leckeres, oder? Kannst du alles haben. Brauchst nur zu kommen.“
Fireball biss herzhaft von der Wurst ab, um den Hund davon zu überzeugen, wie lecker sie war.
„Hm......“, machte er.
Das war zuviel des guten.
Unschlüssig drehte sich der Streuner im Kreis, als ob er seine Mitte finden musste, jaulte leise vor sich hin und kam dann direkt auf Fireball zu.
Als wollte er sich selbst auseinander reißen, schob er seinen Kopf ganz weit nach vorne, machte den Hals länger und länger, das es aussah, als müsste dieser gleich in der Mitte durchbrechen.
Dann schnappte er sich mit einem Haps die Wursthälfte, schlang sie gierig herunter und Fireball lachte auf.
„Siehst du. Ist doch was feines.“

„Was hast denn du da?“
Der Hund sprang erschrocken auf und lief mit eingekniffenem Schwanz zurück in die Dunkelheit.

Der exotische Rennfahrer sah ihm traurig nach.
„Mensch, Colt, jetzt hast du ihn verschreckt.“
Colt zuckte mit den Schultern.
„Ist wohl ein persönlicher Freund von dir, wa?“

Fireball biss in das Stück Wurst, das er noch in der Hand hatte.
„Zumindest wieder ein Überlebender, oder?“



***




Kyria blieb auf der Liege zurück. Sie hatte die Beine unter sich zusammen geschlagen und blickte sich um.
Ramrod war mit allem ausgestattet, was das Menschenherz begehrte, so viel war sicher. Seine Größe war atemberaubend und seine Besatzung sich dessen offenbar überhaupt nicht bewusst. Oder wussten sie, was für ein gewaltiges Schlachtschiff sie hatten?
Sie stand umständlich auf, sah an sich herunter und wackelte mit den Zehen in ihren neuen, alten Turnschuhen. Bequem waren sie, wenn auch etwas groß, aber trocken.
Sie ging ein paar Schritte und die Schuhe quietschten bei jedem Schritt auf dem Boden, der aussah, als wäre er aus Plastik, was er aber nicht war.
Sie zog sich die Jeans höher, weil sie ihr von den Hüften ruthsche und schritt langsam zur Tür.
Leise öffnete sie sie und lugte um die Ecke.
Hatte man sie hier einfach alleine gelassen? In einem riesigen Schlachtschiff, dass sie möglicherweise, möglicherweise auch nicht einfach übernehmen könnte.
Sie schritt den schmalen Gang hinunter bis zu einem Türbogen. Stimmen drangen aus dem Raum und sie versuchte ein möglichst unbeteiligtes Gesicht zu machen, als sie eintrat.
Es war eine Küche!
Bei allen Göttern.
Die Menschen hatten sogar Küchen auf ihren Kriegsschiffen.


Saber sah die junge Frau mit hochgezogenen Augenbraun an. Er hatte eine Tasse in der Hand, aus der er schon den ganzen Tag, und dem Tag davor über trank.
Da Colt Küchendienst hatte, war es fraglich, wann er eine neue, saubere bekommen würde. Die Spülmaschine war noch voll von schmutzigem Geschirr und im Schrank gab es keine mehr.
„Sieh an, unser Gast.“, begrüßte er sie und deutete auf dem Platz ihm gegenüber.
April, die an der Anrichte gelehnt stand, blickte sie mit einem Ausdruck in den Augen an, den Kyria nicht zu deuten wusste.
Die Outriderin zog wieder die Hose hoch, schützte dabei trotzig die Lippen und setze sich dem blonden Mann gegenüber.
Er wirkte freundlich, aber erschöpft.
„Ich habe gehört, dass ihr den angeblichen Auftrag hattet, lediglich Lebensmittel zu besorgen und dann einfach wieder zu verschwinden.“
Kyria nickte dem blondem Mann zu, sagte aber nichts. Sie würde sich nicht noch einmal auf eine Grundsatzdiskussion mit einem Menschen einlassen.
Saber lehnte sich etwas nach vorne, wobei er sich auf seinen Ellenbogen abstütze.
„Dann habt ihr wohl kläglich versagt, macht es den Anschein. Denn ihr habt Leichen hinterlassen.“
Sie schnappte nach Luft.
„Das haben wir nicht. Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber wir gehorchen, wenn wie einen Auftrag bekommen und handeln nicht eigenständig.“
April lachte im Hintergrund trocken auf.
„Das ist wohl wahr. Eigenständiges Denken ist nicht eure Stärke. Und eigenständiges Handeln auch nicht.“
Die junge Outriderin warf ihr einen giftigen Blick zu, verkniff sich aber jeglichen Kommentar.
Plötzlich schienen die Sachen, die sie trug, immer enger zu werden. Als würden sie ihr die Luft abschnüren.
Als würde ihre eigentliche Besitzerin es ihnen telepatisch mitteilen.
„Erzähl, was passiert ist.“, sagte Saber ruhig.
„Erzähl einfach frei von der Leber. Niemand wird dir ins Wort fallen. Niemand wird dich jetzt verurteilen. Wir wollen nur wissen, was los war, wieso dennoch das ganze Dorf hier tot ist, obwohl es das laut deiner Aussage nicht sein sollte.“
Der Mann schien fair zu sein.
Zumindest tat er so, als wäre er es.
Also war sie ehrlich.
„Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass es Regnete. Es regnete die ganze Zeit und…“, sie stockte.
Kurz blitze das Bruchstück einer Erinnerung in ihr auf.
Sie sah…Menschen. Menschen, die auf sie zutraten. Sie ansahen, die Arme nach ihr ausstreckten. Deren Haare nass und flach an ihren Köpfen lagen, die ihrer Münder öffneten zu seinem lautlosem Schrei…
Kyria zuckte zusammen. Fahrig fuhr sie sich über die Augen.
„Was?“, wollte Saber wissen und griff über den Tisch nach ihrem Arm.
„Was denn?“
Sie riss sich los.
„Ich weiß doch nichts!“ Ihre Stimme klang brüchig und rau.
„Ich weiß doch wirklich nichts.“, sagte sie leiser.
„Es hat einfach nur geregnet.“
April schüttelte nur leicht den Kopf.
Kyria macht so einen verzweifelten Eindruck. Sie wirkte Ehrlich. Das war das schlimmste. Einfach ehrlich.
Würde sie nicht alles mit eigenen Augen gesehen haben, oder den Duft des Todes über der kleinen Siedlung gerochen haben, würde sie ihr jedes Wort glauben.
Aber sie hatte in die leeren Augen gesehen, sie hatte den Geruch in der Nase gehabt, der über dem Dorf wie eine dunkle Wolke hing, zusammen mit den unzähligen Fliegen, die auf den blassen Wangen der Menschen saßen.
April griff hinter sich, holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank und verließ Wortlos die Küche.
Kyria sah ihr müde hinterher. Ihr war es gleichgültig, was die junge Menschenfrau von ihr dachte. Es war nicht wichtig.
Sie sah auf ihre Hände, die ruhig auf der Tischplatte ruhten.
„Ich weiß wirklich nichts mehr.“, erklärte sie leise.
„Nur….“
„Regen, ja ich weiß.“, vervollständigte der blonde Mann, dessen Name sie entweder nicht kannte oder ihn schon wieder vergessen hatte.
Saber stand auf.
„Schon gut, nimm dir ein Bier oder so. Wir werden mal sehen, wie wir hier weg kommen.“
Er sah sie noch einige Sekunden lang an und machte sich dann auf den Weg zur Brücke.
Auch er glaubte ihr.



Träume aus Regen

Kyria legte den Kopf auf die Tischplatte.
Ihre Arme hatte sie darunter gebetet. Sie konnte immer noch den Regen hören, der ohne Unterlass auf die Außenhaut trommelte.
Er wollte sich in ihren Verstand bohren und dort wüten wie ein Frettchen in einer Motorhaube.
Kyria schloss die Augen. Der Tag forderte seinen Tribut. Ihr ganzer Körper fühlte sich schwer an. Träge, wie in Blei gegossen.
Sie….
….
Stand im Regen. Verwirrt blickte sie sich um, sah an sich herab und bemerkte, dass sie knöcheltief im Wasser stand. Fluchend hob sie einen Stiefel aus dem schlammigen Nass, schüttelte ihn und die Wassertropfen stoben von dem dickem Stiefel ab wie ein flüchtender Schwarm Fliegen.
Fast wehmütig sah sie ihnen hinterher, beobachtete die Kreise, die sie auf der Wasseroberfläche zogen und dann damit verschmelzten.
Sie ging einen zaghaften Schritt, sackte in den schlammigen Grund und fluchte wieder leise.
Gerade, als sie es geschafft hatte, sich wieder zu befreien, bemerkte sie den Mann.
Fragend stand er vor ihr, wandte ihr das Gesicht zu und hielt seine Augen geschlossen.
Seine Arme ruhten an seinem Körper und sein Haar hing in triefenden Strähnen in sein Gesicht, über seine geschlossenen Augen.
„Was??…Du!“, sagte sie und watete durch das Wasser auf ihn zu.
„Wieso regnet es denn immer?“
Er hob seine Arme, hob sie erst zum dunklen, Wolken behangendem Himmel, nur um sie dann vor seine geschlossenen Augen zu legen.
Fest presste er die Hände vor sein Gesicht.
Kyria wollte erst einen Schritt zurückweichen, blieb dann aber standhaft und streckte vorsichtig eine Hand nach ihm aus.
Seine Kleidung war völlig durchnässt und ließ schemenhaft die magere Figur darunter erahnen. Wie dürre Äste steckten seine Beine in der Hose, die an seiner Haut klebte.
„Was ist? Es regnet nur.“, wollte sie erklären. Sacht legte sie ihm ihre Hand auf die seine, wollte sie nehmen, von seinen Augen ziehen, doch der plötzliche, gellende Schrei, den er ausstieß, ließ sie zurück zucken.
Sie will auf ihn zugehen, seine Hand nehmen, zerrt an ihr, will sie ihm von den Augen reißen und brüllt ihn an.
„Hör auf! Es ist nur Regen!“
Doch er nimmt die Hände von den Augen, blickt mit geschlossenen Augen zum schwarzen Himmel und brüllt. Brüllt mit weit geöffnetem Mund und das Regenwasser sammelt sich darin.
Sein Schreien wird zu einem Gurgeln, Wasser läuft an seinen Mundwinkeln hinunter und sie sieht, dass er die Augen geöffnet hat.
Kyria spürte die Haut seiner Hand in ihrer und ….
Sie verändert sich.
Wie ein Gelee liegt sie in ihrer Hand. Fragend sieht sie darauf, reißt nun ihren Mund zu einem entsetztem O auf.
Die Hand des Mannes.
Vor ihren Augen scheint sie zu zerreißen. Jeder Regentropfen, der darauf landet, reißt große Löcher und Stücke Fleisch von seinem Handrücken.
Kyria schreit nun selber.
Angewidert schüttelte sie die Hand ab, will ihn nehmen, aus dem regen zerren, aber als sie hoch sieht, bemerkt sie, dass der Regen Stück für Sück das brüllende und schreiende Gesicht des Mannes zerstört.
Seine nun geöffneten Augen liegen wie Matsch in den Höhlen. Die Reste seiner Zunge schwimmen in seinem Mundraum.
>Der Regen<
Kyria weicht zurück. Ein beißender Geruch geht von ihm aus, will ihr den Atem rauben.
Sie rennt rückwärts, stolpert nach hinten und will entkommen.
Und während das Wasser in ihre Stiefel dringt, beobachtet sie, wie der Mann sich auflöst. Wie er schreiend und kreischend seinen Körper durch den Regen, durch jeden einzelnen Tropfen, einbüßt. Sie kann die blanken Knochen seines Schädels sehen, Seine Haare wurde vom Regen weggewaschen, seine Haut auch.
Und immer noch kreischt er.
„Es Regnet! Es Regnet!“, hört sie ihn und….

….
Ruckartig erwacht sie in Ramrod und schnappt nach Luft.
„Oh Götter, Götter.“
Schutzsuchend legte sie die Arme um ihren Körper.
Sie war nass, völlig durchnässt.
Die Bank, auf der sie saß, wurde dunkel von dem Wasser, dass aus ihrer Jeans und ihrem Rolli triefte.
Panisch hörte sie, wie der Regen immer noch an Ramrods Außenhaut trommelte.



Hundstage

„Guckt mal, da isst ja wieder.“
Fireball sprang auf und deutete nach draußen, wo der kleine Streuner offensichtlich unter Ramrods Nase nach einem trockenem Plätzchen suchte.
Vergebens zwar, aber der Versuch ehrte ihm.
„Der ist schlau, der weiß, wo es was zu futtern gibt.“, grinste er junge Rennfahrer.
April nippte an dem Rest ihres Bieren und musste lachen, als sie den Hund sah. Sofort war ihr Frauenherz Feuer und Flamme.
„Ich lass ihn rein.“, trällerte sie und ließ die Rampe durch einen Knopfdruck ausfahren.
Eilig lief sie nach unten, gefolgt von ihren Kollegen.
„Haben wir was zu futtern für ihn?“, wollte sie wissen aber Colt stemmte die Hände in die Hüften.
„Der hat schon meine Wurst gefressen!“, erklärte er empört und verzog das Gesicht.
„Die, die ich extra hab liegen lassen, die schon so duftete.“
„Die war faul.“, gab April nüchtern zurück und sah mit einem leicht angewidertem Gesicht zu, wie sich die Rampe in den Schlamm unter Ramrod bohrte und die braune Brühe sich in den Innenraum daran hoch zog.
Der Streuner beäugte sie argwöhnisch, kam einige Schritt vor, ging dann wieder zurück, kam wieder vor und reckte den Kopf so weit vor, wie der Hals es zuließ.
Fireball ging in die Knie und streckte ein Hand aus.
„Na komm schon. Kleiner. Wir haben noch mehr faule Würstchen.“
„Haben wir?“ Colt hob interessiert den Kopf und grinste.
„das sind dann aber meine, Alter.“





Kyria lief auf wackeligen aus der Küche, hielt sich an dem Türrahmen fest und wankte in den Gang. Ihr war schlecht, ihr Mund war trocken und unter ihren Lidern brannten Tränen.
Sie fühlte sich kalt, alleine und auch wenn sie es selbst kaum glauben konnte, sie würde sich jetzt selbst die Gesellschaft der Star Sheriffs wünschen.
„Wo seid ihr?“, rief sie in das ihr fremde Schiff und versuchte die aufkommende Übelkeit zu bekämpfen.
Sie lief ein paar zögerliche Schritte, hielt sich die Hand vor dem Mund, würgte und schluckte das, was ihr Magen in ihren Mund beförderte wieder herunter. Der bitter-saure Geschmack brannte in ihrer Kehle. Sie schüttelte sich, verzog das Gesicht und würgte wieder.
Sie hätte sich hemmungslos erbrochen, wenn nicht das eigenartige Geräusch und das plötzlich auf ihr zusprintende Fellknäuel sie schlagartig auf den Boden geholt hätte.
Erschrocken sprang sie zurück, sah dem tropfnassem Hund hinterher und hörte dann hinter sich die Stimmen der Star Sheriffs.
„Hey? Nicht da rein!“
Der kleine, exotisch wirkende Star Sheriff jagte an ihr vorbei, blieb dann kurz stehen, zuckte beinahe entschuldigend mit den Achseln und rannte weiter.
Er hatte Wurst in seiner Hand.
Sie hob eine Hand, wollte etwas sagen und winkte dann aber ab.
Menschen waren ihr ein Rätsel.…und das würden sie immer bleiben.
Sobald sie die Möglichkeit hatte, von hier zu verschwinden, würde sie es tun.
Und zwar mit dem Schiff des Cowboys.




April schloss die Rampe. Sie lachte immer noch. Der Hund war nach einem zuckendem Blitz ins Innere des Schiffes gesprintet, hatte weder nach Rechts noch nach links geschaut und rannte, als ob der Teufel persönlich hinter ihm her war.
Und was das Beste war. Sie hatte Fireball selbst in der härtesten Schlacht nie so schnell laufen sehen. Wenn auch nur hinter einem Hund her.
Die Rampe schloss sich knirschend und der Schlamm, der sich darauf gesammelt hatte, lief teilweise an den Seiten wieder zurück, woher er gekommen war.
Sie sah sich schon mit einem Mob über die Rampe laufen. Ganz egal, wie gleichwertig und emanzipiert sie auch ihren männlichen Kollegen gegenüber war, solche Dinge blieben letztendlich doch immer an ihr hängen.
Seufzend rastete die Rampe in die dafür vorgesehenen Verbindungen.
„Und wer macht das jetzt sauber?“, fragte sie.
Colt drehte seinen Hut verlegen in den Händen und Saber hob den Zeigefinger.
„Ich hab da noch was furchtbar…“
„…furchtbar wichtiges zu tun?“, vervollständigte sie den Satz und Saber nickte ernst.
„Und ich muss ihm unbedingt dabei helfen. Ganz wichtige Sache, die wir da vor haben, oder Boss?“
Wieder nickte er ernst.
„Ganz wichtig.“
Die blonde Navigatorin verdrehte die Augen.
„Schon gut, ein Versuch war es wert.“



Er hatte sich unter der Konsole verkrochen und blickte ihn aus großen, braunen Augen an.
Wie ein Blitz war er erst zum einem Ende des Schiffes gelaufen und als er da nicht weiter kam, nahm er die nächst beste Gelegenheit, um ihn eine Tür zu rennen.
Die, die er sich ausgesucht hatte, führte auf die Brücke und nun blickte er zwischen Colts Satteleinheit und dessen Armatur zu ihm hin, hatte die Ohren aufgestellt und wedelte verhalten und vorsichtig mit dem Schwanz.
Das nasse, lange Fell daran hinterließ schmierige Spuren auf dem Bodenbelag.
Er leckte sich versonnen die Lechzen, streckte ihm die Nase entgegen und war so versucht, so sehr versucht, dem Menschen diese leckere, wohl duftende Wurst einfach aus der Hand zu schnappen und sie am liebsten im Ganzen herunter zu würgen.
Danach wäre er sicherlich traurig, dass er sich nicht die Zeit genommen hatte, sie mehr zu genießen aber für den Moment, für diesen verlockenden Moment….
Langsam kroch er auf seinem Bauch aus seinem Versteck hervor und Fireball streckte vorsichtig und wie in Zeitlupe seine Hand aus, berührte das nasse Fell, strick vorsichtig hindurch und hatte Haare und Dreck an seiner Hand.
Es störte ihn nicht.
Der Kleine roch an der Wurst, biss vorsichtig hinein und nun wedelte er schon sehr viel selbstsicherer.
„Sieht so aus, als hättet wir einen neuen Freund, hm?“, fragte Fireball und das nasse Fellknäuel schien ihn an zu grinsen.
Er streckte ihm die Nase ins Gesicht, leckte dem Japaner über die Nase und die Wange und Fireball, der erst erschrocken zurückwich, lachte entspannt.
Das erste mal seid sie hier waren, hatte er den permanenten Regen vergessen.
„Na, ist er hungriger wie ängstlich?“, fragte ihn eine Stimme von hinten . Fireball nickte.
„Bald sind alle Vorräte, die wir haben, an den Hund verfüttert, Saber. Dauert nicht mehr lange.“
Saber lachte.
„Solange er nur mein Futter und nicht mein Job will, soll mir das egal sein.“
Er fuhr sich durch das blonde Haar.
„Allerdings macht er einen ganz schönen Dreck.“, stellte er fest.



April seufzte und stocherte lustlos mit dem Mob, den sie sich geholt hatte, in dem Eimer warmen Wassers rum. Es duftete nach Zitrone, aber das machte die Arbeit auch nicht angenehmer.
Der Mob machte ein matschendes Geräusch, als er auf der stählernen Rampe aufkam und sie schob ihn ein, zwei mal hin und her.
„Das machst du nicht wirklich gut.“, hörte sie Kyria hinter sich sagen und drehte sich überrascht nach ihr um.
„Was du nicht sagst. Du machst das wahrscheinlich besser, wenn du den Befehl dazu bekommst, hm?“
Kyria verdrehte die Augen.
„Ja sicher, wenn ich den Befehl dazu bekomme und auch, wenn nicht.“, gab sie an und trat auf die etwas größere Frau zu.
„Bei uns machen wir die Dinge richtig oder gar nicht. So einfach ist das.“
Sie nahm der verblüfften April den Mob aus der Hand und tauchte ihn in das Wasser, nahm ihn wieder heraus und machte sich geschickt und schnell über die Schlamm und Dreckspuren auf der Rampe her.
April beobachtete sie eine weile mit offenem Mund, dann grinste sie.
„Und auch die Ecken…das ist ein Befehl.“, sagte sie schmunzelnd aber nicht unfreundlich.
Kyria warf ihr einen belustigten Blick zu.
„Vorsicht Menschlein..oder ich..“, sie stockte, schaute nach unten und runzelte die Stirn.



***

„Was ist denn das?“, wollte Colt wissen und deutete nach draußen durch das Fenster.
Saber folgte dem Blick des Cowboys und schirmte die Augen vor dem Licht, dass sich in dem Fenster brach, ab.
„Da…da läuft wer rum..“
Er tastete nach seiner Waffe, fand das beruhigende Metall des Griffes und deutete Fireball und Colt mit einem Kopfnicken, mit zu kommen.
„Das sehen wir uns an. Könnte ein weiterer Überlebender sein.“




***

Kyria hatte den Mob gerade in den Schlamm getaucht, als eine kleine, sehr klare Pfütze des Wassers sich aus dem Dreck zu lösen schien. Es verhielt sich wie ausgelaufenes Quecksilber, sammelte sich, fügte sich zu einer Lache und Kyria sah die leicht ölige Oberfläche wanken.
April starrte fasziniert darauf, sah dann Kyria an und dann wieder die eigenartige Pfütze.
Sie bückte sich, wollte den Finger in die Oberfläche tauchen, doch als die Pfütze, die wie eine einzige Struktur im Zusammenhalt blieb, bewegte sich gleich einer Amöbe ein kleines Stückchen auf sie zu.
Sie schnappte überrascht nach Luft, wich ein paar Schritte zurück und blickte sich suchend um.
„Halt das im Auge!“, rief sie Kyria zu. „Ich such was zum …..zum einfangen oder so.“
Kyria zog eine Augenbraun hoch.
„Zum Einfangen?“, fragte sie entsetzt und merkte dann, wie das Ding mit der öligen Oberfläche auf sie zuschwappte.
Es schien eine Art Arm auszustrecken und erinnerte Kyria an eine Bakterie. „Es…es bewegt sich. Es…“
Sie ging zurück, hielt den Mob vor der sich auf sie zu bewegenden Masse und wedelte ein wenig damit vor dem Ding rum.



***


Saber drückte die Rampe auf und rannte nach Hinten.
Colt ließ hinterher und Fireball folgte ihnen.
Der Hund blickte ihm verwirrt nach, rappelte sich auf und bellte einmal laut und heftig, bevor auch er ihnen nachlief.


Kyria schrie, als sich die Rampe plötzlich bewegte. Wankend versuchte sie, Halt zu finden, scheitere bei dem Versuch und landetet unsanft auf dem Po.
Zischend zog sie die Luft ein und verzog das Gesicht.
„Scheiße!“, fluchte sie und rieb sich die schmerzende Stelle.

April griff nach den Spannungsgurten, die an den Hangarwänden gespannt waren. Sie sah Kyria fallen. Aber das war nicht das schlimmste. Sie sah das Ding auf das blauhäutige Mädchen zujagen. Nicht langsam, sondern schnell. Es floss auf sie zu als habe jemand einfach etwas in einem Ausguss geschüttet.
„Pass auf!“, brüllte sie und ließ sich fallen, rappelte sich auf und rannte auf sie zu.

Kyria hörte April rufen und ihre Augen weiteten sich. Panisch robbte sie auf den Hintern rückwärts, wollte nach dem Ding treten, zerriss die Oberfläche und beobachtete, wie sie sich wieder wie von Geisterhand zusammen fügte.
Es bildete einen Kreis, schien sich drehen zu wollen und streckte sich ihr entgegen.
Kyria sprang auf, stolperte zurück und spürte, dass sie Halt verlor. Der Boden war weg! Die Rampe war runterlassen.
Sie blickte sich über die Schulter, sah auf den durchtränkten Boden, auf dem das riesige Schlachtschiff stand und sah, wie er sich bewegte.
Der Boden bewegte sich.
Wie Würmer krochen an verschiedenen Stellen die öligen Substanzen, sammelten sich, zerflossen wieder, reckten sich ihr entgegen.
Sie wedelte mit den Armen, kippte nach hinten und…
….


***

April packte ihr Handgelenk. Ruckartig riss sie die junge Frau nach vorne, fiel auf den Rücken und ihre Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst, als die andere auf ihr stürzte.
Sie sah nach rechts, blickte das sich bewegende Ding an und warf die Frau von sich.
„Hoch, hoch!“, brüllte sie und sprang auf die Beine.
Das musste Kyria sich nicht zwei Mal sagen lassen. Behände sprang sie auf die Füße, trat zwei Schritte zurück und prallte gegen April, die sie unwirsch zur Seite schob.
„Weg da!“, zischte sie, schnappte sich den Eimer und schüttete das Wasser aus. Unter sich sah sie, wie weitere dieser Dinger sich aus dem Schlamm gruben, wie sie wie Würmer aus Wasser und öl die Rampe hoch krochen.
April fasste Mut, atmete einmal tief durch und ging resolut auf das Ding zu, stülpte den Eimer darüber und sprang sofort zur Seite.
Der Eimer bewegte sich, schob sich nach rechts, schob sich nach links, hinterließ eine feuchte Spur auf dem Boden.
„Es wird darunter weg kommen.“, stellte Kyria fest und deutete dann auf die Wesen, die die Rampe hoch krochen.
„Da kommen noch mehr.“

„Kommen noch mehr was?!“
Saber stand am Hangareingang, beobachtete den Eimer und staunte.
„Was zum Teufel…“
Weiter kam er nicht. Colt und Fireball rempelten ihn von hinten an, stoppten in ihrer Bewegung und beide machten den Mund auf.
Es sah aus wie eine Synkronsprechübung und klang auch so.
„Wasn das da?“
„Und das da?!“, wollte Saber wissen und zeigte auf die sich an der Rampe hoch arbeiteten wässrigen, klaren Dinger.



Er rannte hinter DEM MENSCHEN her, der ihm nun schon das zweite Mal das leckere Futter gegeben hatte. DER MENSCH war nett, trat ihn nicht und hatte ihn gestreichelt.
DER MENSCH hatte eine ruhige Stimme, die er zwar nicht verstand, aber er begriff, dass sie ohne Wut und Hass war.
Nun waren DIE MENSCHEN in den großem Raum gelaufen, der mit ihren Flug und Fahrgeräten voll stand und da waren auch noch andere.
Weibliche Menschen.
Nein, er verbesserte sich im Geiste. Nur ein Weibchen von Menschen, die andere roch nicht nach Mensch und sah auch nicht so aus.
Freundlich wedelte er mit dem Schwanz, wollte den Menschen zeigen, dass er auch nett war und sie nicht anbrüllte.


Doch dann sah er das andere. DIE, DIE kamen und alles zerstörten. DIE, DIE seinen Menschen getötet hatten und dafür gesorgt hatten, dass er ihn noch trat, als er schon nach Tod roch. Ja, er roch den Tod. Er lag über dem ganzen Dorf und am Anfang roch er köstlich aber mit der Zeit wurde der Geruch schlimmer. Nicht nur das.
Der Tod bewegte sich noch.
Er legte die Ohren an und fletschte die Zähne.
Ein dunkles Knurren drang aus seiner Kehle.
Er würde seine neuen Menschen verteidigen bis auf das Blut.
So war er nun mal.
Bis auf das Blut.
Und er, der einst von einem kleinen Jungen Buster gerufen wurde, der erstgeborene aus einem Wurf von sechs anderen, der als erstes gelernt hatte, dass man nicht in die Hütte der Menschen machen dufte, machte sich dieses stille Versprechen. Sich und den Menschen.




Fireball schrie entsetzt auf, als der kleine Streuner jeden Muskel in seinem Körper wie ein Gummiband anspannte und die Rampe bellend und Knurrend herunterjagte.
Seine Krallen machten klickende Geräusche auf den Boden die ihn unvermittelnd an ein paar Schuhe von April erinnerten, die sie einmal zusammen gekauft hatten.
Er sah, wie der Streuner mit gefletschten Zähnen seine Pfoten in die Masse tauchte, verzweifelt danach biss und wie er die Flüssigkeiten zwischen seinen Kiefern zerriss.
Doch dann wurde aus dem Bellen und Knurren ein lang gezogenes Jaulen.
„Nein!“, schrie Fireball und wollte auf ihn los, doch vier Hände hielten ihn. Er hörte April schreien, hörte, wie sie nach dem Hund rief, wie sie ihm zurief er solle hierher kommen.
Sofort hier her.
Doch sein ohrenbetäubendes Jaulen ließ ihre Stimme untergehen.
Fireball musste mit ansehen, wie die lebenden Flüssigkeiten sich auf das Fell legten, wie sie ihn umschlossen und ihm Stücke aus dem dichtem Pelz rissen.
Blut vermengte sich damit und immer noch versuchte er tapfer, um sich beißend, sie zu fassen.
Er ging zu Boden, bedeckt von der öligen Substanz. Sein Jaulen war zu einem Wimmern geworden und immer mehr wurde sein pelziger Körper von diesen Dingern eingeschlossen.
Fireball spürte, wie Tränen sich brennend unter seinen Lidern schoben.
Seine eigene Stimme fühlte sich taub in seinem Kopf an und immer noch rief er ihn.



Kyria war wie gefesselt gewesen. Wie in Trance schaute sie dem Schauspiel zu. Alles war unwirklich und doch. Sie erinnerte sich.
Sie erinnerte sich. Nicht nur an den Regen, sondern auch daran, was er mit sich brachte.
Auf dem unterem Tei der Rampe lag der zuckende Hundekörper, umgeben und völlig eingeschlossen von den Lebensformen.
So war es gewesen.
Als sie kamen, waren die Menschen schon tot aber doch nicht. Es waren diese Dinger an ihnen. Sie waren an ihren Körpern, um ihren Köpfen und in ihren Mündern.
Fireballs Tränen rissen sie aus ihrer Starre.
Wie in Zeitlupe drehte sie sich, lief auf das einzige zu, dass ihr einfiel.
Es war ein Feuerlöscher, der an der Wand hing und in gro0ßen schwarzen Buchstaben darauf aufmerksam machte, dass man erst den Hebel umlegen müsste und dann den Knopf ganz ein zu drücken hatte.
Kyria riss ihn von der Wand, schüttelte ihn…sie wusste nicht einmal warum und richtete das Rohr auf den sich nun träge und wie von ihnen bewegenden Körper des Tieres.
Sie zielte wie ein Westernheld, mit gespreizten Beinen und an den Hüften liegenden Händen.
Der weiße Schaum jagte mit einem gequältem Zischen aus der Düse, bedeckte das Tier, wurde hektisch zerwühlt und dann aus einander gerissen.
Kyria sah, wie die Lebensformen fast panisch von dem Kadaver des Hunden flüchteten, sie sah, dass die Oberflächenspannung der Wesen zerrissen wurde.
Sie wandten sich.
Wandten sich wie Würmer in der Glut.
Kyria kniff die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen und sprühte alles darauf. Minutenlang, so schien es ihr, feuerte sie die weiße Masse auf den unteren Teil der Rampe. Sie schrie, und merkte es nicht einmal.




Sie flüchteten.
Sabers Herz jagte in seiner Brust, donnerte in einem unregelmäßigem Rhythmus gegen sein Brustbein und wollte ihn aus seinem Schock holen.
Völlig erstaunt sah er der blauhäutigen jungen Frau zu, die schreiend den Feuerlöscher leerte, immer noch schrie und sprühte, als schon nichts mehr aus den Düsen kam und dann den Roten, zylinderförmigen Behälter der flüchtenden Masse hinterher schmiss.
Der tote Hundekörper rutschte nach draußen, war noch Bruchteilen von Sekunden zu sehen und fiel dann platschend in den Schlamm unter Ramrod.
Sie hörte ihn unten aufschlagen.
„Bashqe te Ket na Punka!!!“, brüllte sie den Wesen hinterher und legte alle Kraft in ihre Stimme.
Was es bedeutete, wusste er nicht, aber er vermutete, dass es nichts netten war.
Er schüttelte sich, ließ Fireball los, der vornüber auf die Knie fiel und griff tastend hinter sich, drückte den Knopf, der die Rampe nach oben fahren ließ. Immer und immer wieder.
Langsam, fast verhöhnend löste sich das Metall aus dem darunter liegendem, sich bewegendem Schlamm, arbeitete sich wie in Zeitlupe nach oben und rastete schließlich in die dafür vorgesehene Verankerung.
Es war gespenstig still danach. Das einzige Geräusch, was zu hören war, war das scharbene Plastik des Eimers über den Boden und Kyrias Atem.
Saber schluckte trocken.
„Das Ding unter dem Eimer….das Dings da.“, sagte er leise. In seinem Verstand hatte sich der Todeskampf den des Hundes gebrannt. Nun schien es von dort aus ein Feuer zu legen, dass sich bis in sein Herz arbeitete.
„Wir müssen das Ding da untersuchen.“
„Untersuchen?!“ Colt Stimme war aufgebracht.
„Bist du wahnsinnig? Wir müssen hier weg, Sofort! Wenn ich mir überlege, was das Ding mit dem Vieh gemacht hat, will ich gar nicht darüber nachdenken, was es mit den Menschen im Dorf gemacht hat.“
Kyria nickte heftig zustimmend.
Wie ein Vorhang, der sich öffnete, sah sie alles klar vor sich.
„Das war es. Das war es! Sie waren schon fast alle tot, als wir kamen. Nur wenige waren noch da und sie haben nach Hilfe gerufen. Aber einige von ihnen griffen uns an und dann sind alle geflüchtete. Also alle meine Leute, meine ich. Ich bin auf der Flucht zwischen die Bäume geraten und danach wusste ich nichts mehr.“
Sie fasste sich an den Kopf, spürte dort unter ihrem Haar die große Beule und zuckte zusammen.
„Ich hab einfach alles vergessen.“, erklärte sie leise.


Fireball hatte sich langsam wieder aufgerappelt. Seine Augen brannten noch, aber die verzweifelte Traurigkeit war einer unglaublichen Wut gewichen.
„Da draußen war grad noch ein Überlebender.“ , erinnerte er sich an Colts Aussage.
„Fragen wir ihn einfach.“
Kyria schüttelte den Kopf.
„Kein Überlebender. Fremdgesteuert. Wie ein Roboter. So haben sie uns auch verwirrt. Wir wussten nicht mehr wer echt war und wer nicht.“
Colt konnte den Blick nicht von dem Eimer lassen, der sich nach wie vor einige Zentimeter nach recht, wieder nach links und wieder zurück bewegte.
„Mach es tot oder so. Danach suche ich nach Überlebenden. Ich werde noch einmal über das Dorf fliegen und die Umgebung absuchen und du kommst mit.“, wies er Kyria an.
„Und keine Diskussionen. Wenn du beweisen willst, dass ihr nichts mit dem Tot der Leute zu tun habt, dann gibt es nur eine Möglichkeit. Wir müssen entweder einen Überlebenden finden oder einen Leichnam untersuchen und seine Todesursache feststellen. Ist er durch einen Blaster gestorben, setzt ich dich höchstpersönlich wieder genau dort aus, wo ich dich gefunden habe. Dann kannst du zusehen, wie du mit den Dingern fertig wirst.“
Er nahm sich einen weiteren Feuerlöscher von der Wand und gab Fireball ein Zeichen.
Dieser verstand und kickte den Eimer weg.
Colt schüttelte den Zylinder, richtete die Düse auf das Wesen, das irgendwie verwirrt zu sein schien über die plötzlich erlangte Freiheit und jagte alles, was in dem Behälter war, auf das Ding. Zuckend und sich windend riss seine Oberflächenspannung aus einander, der Inhalt floss über den Boden, floss einfach auseinander und April wurde an eine Qualle erinnert.
Colt beobachtete es kalt, warf dann den leeren Feuerlöscher weg und zupfte sich sein Hemd zurecht.
„Los, einsteigen. Wir holen uns einen Leichnam.“, sagt er zu Kyria. „Und ich bete für dich, dass er keiner Schussverletzung zum Opfer fiel.“ Er meinte es ganz ernst.
„Wartet.“, rief April Colt nach, der schon auf den Weg zu seinem Bronco war.
„Wie wollt ihr denn raus kommen? Über die Rampe könnt ihr nicht. Da unten ist alles von den Dingern voll.“
Colt schnaufte.
„Mach die Rampe auf, ich quetsch mich oben durch, schließ sie, sobald wir durch sind. Nimmt die andern Feuerlöscher. Nur für den Fall der Fälle.“, sagte er knurrend.
April nickte zögerlich.
„Ok, aber landet nicht auf den Boden. Landet auf einem Dach oder so. Irgendwo oben….vielleicht kommen sie dort nicht hin.“
Es war nur eine Vermutung.



***


Kyria saß auf dem Notsitz hinter Colt und tippte ihn auf die Schulter.
Sie hatte einen Helm auf und hatte das Gefühl, dass sie nicht richtig atmen konnte oder dass er sie nicht würde hören können.
„Da hinten!“, rief sie. „Da hinten ist das Dorf, dass wir angesteuert haben.“
Colt nickte und beschreib einen leichten Bogen, flog über die tiefen Dächer und versuchte angestrengt, durch den immer noch andauernden Regen etwas zu erkennen.
Es war dunkel, seine Scheinwerfer durchbrachen die Regenwand nur schwer und er erwartete immer wieder, dass sich plötzlich etwas großes vor ihm auf tun würde, dass sie vom Himmel holen könnte.
Hin und wieder erhellte ein Blitz die Szene, doch binnen Bruchteilen von Sekunden waren sie wieder von der Schwärze der Nacht umgeben.
Der trichterartige Lichtstrahl stahl sich über die Gebäude, schenkte ihnen nur meterweise Einblicke auf die Mauern und Straßen der Stadt und hin und wieder huschte der Lichtkegel über einen Leichnam hinweg.
„Wir landen da!“, brüllte Colt in das Micro seines Helmes und deutete auf ein Flachdach, von dem er hoffte, dass es das Gewicht seines Broncos halten würde.
Kyria nickte, klammerte sich an ihren Sitz, als Colt zum Gleitflug ansetzte und schließlich schlitternd auf dem deuchte Dach zum stehen kam. Der Bronce schlengerte nach Rechts, drohte über das Dach zu kippen, hielt sich aber und Colt, der sich schon fallen sah, atmete erleichtert auf.
Er setzte seinen Helm ab und drehte sich grinsend nach Kyria um.
„Bitte schnallen sie sich jetzt ab und stellen sie das rauchen wieder an…..“
Sie schmunzelte.
„Ich bin Nichtraucherin.“, erklärte sie und merkte, wie sie ein wenig rot wurde, als der Cowboy sie so grinsend betrachtete.
Schnell drehte sie den Kopf zur Seite und schaute angestrengt nach draußen.
„Sieht völlig verlassen aus….und die Straßen stehen unter Wasser. Wollen wir da runter?“
Colt öffnete das Verdeck und stieg aus. Er reichte ihr eine Hand und sie nahm diese Dankbar an.
Ihre Schulter tat immer noch weh aber mittlerweile war der Schmerz zu einem dumpfen Pochen
Abgeklungen und ließ sich ertragen.
Vorsichtig setzte sie ihre Füße auf das Dach, probierte, ob sie mit den Turnschuhen von April hier einsacken konnte und merkte, dass sie relativ festen Boden unter den Füßen hatte.
Sie ging in die Hocke und beugte sich herunter.
„Hier sind eine menge Leichen. Wie willst du sie denn transportieren?“
Colt dachte darüber nach.
Er hatte sich darüber noch nicht wirklich Gedanken gemacht und betrachtete seinen Bronco.
„Vielleicht können wir einfach eine draufschnallen oder so. Wie wenn man Gepäck transportiert.“
Kyria sah ihn entsetzt an.
„Du willst eine Leiche auf dein Schiff schnallen? Eine tote Leiche?“
Colt zuckte die Schultern.
Was anderes würde ihm wohl nicht übrig bleiben. Es sei denn, er konnte sofort sehen, dass die Menschen hier durch Blaster ums Leben kamen.
Colt blickte vom Dach auf die Straße und deutete auf einen Mann, der mit dem Gesicht auf den Boden lag.
Der Schlamm und das Wasser standen ihm bis zu den Ohren und man konnte seine Haarfarbe nur erahnen.
Colt setzte seinen Helm wieder auf, um dem Geruch, der ihn unten erwarten zu entkommen, hangelte sich vom Dach, landete im knöcheltiefem Wasser und blickte sich hektisch um. Bei der kleinsten Bewegung im Wasser würde er wieder nach oben springen, sich an der Dachkante festklammern und hochhieven.
Oben sah er Kyrias Gesicht blass wie der Mond zu sich herunter schauen.
„Du behältst das Wasser im Auge. Wehe dir, du versuchst was komisches. Dann kannst du was erleben.“
Die blauhäutige junge Frau nickte heftig.


***


…..und da war ein fahler Reiter auf einem fahlen Pferd; der Name des Pferdes war Pestilenz und sein Reiter war der Tod






Colt watete auf den im Wasser liegendem Mann zu. An seinem Anzug war eine Taschenlampte befestigt, die er nun anschaltete.
Der Lichtstrahl glitt über die Wasseroberfläche und ließ die trübe Flüssigkeit etwas heller erscheinen. Bei jedem Schritt, den er machte, sackte er einige Zentimeter in die Straße ein. Ohne den Schlamm aufzuwühlen versuchte er, seine Stiefel zu befreien, blickt sich nach Kyria um, die ihrerseits einen Lichtstrahl über das Wasser leiten ließ.
Ihr Gesicht wirkte wie ein Ufer auf ihn.
Er ging um ein Fahrzeug herum, tastete sich an dessen Motorhaube entlang und nutze diese, um das Gleichgewicht zu halten, während er mal wieder seinen Stiefel befreite.
Der Gestank des Todes wurde von dem Regen verwaschen, so abgemildert und war erträglich.
Colt beugte sich über den Mann. Er trug ein kariertes Hemd, dass über seinem Rücken aufgebläht war wie ein Luftballon.
Nur wenige Meter von ihm entfernt sah er den nächsten Leichnam.
Eine Frau starrte ihn aus wässrigen, weit aufgerissenen Augen an. Ihre Lippen waren zu einem grausamen Grinsen verzogen und da Gesicht war verquollen.
Angewidert wandte Colt seinen Blick wieder auf den Mann, legte seine Hand auf dessen Rücken und musste mit Schrecken feststellen, dass es nicht sein Hemd war, dass so aufgebläht war, sondern der Körper des armen Teufels.
Colt hielt sich eine Hand vor dem Mund, um den aufkommendem Würgereiz zu unterdrücken.
Sein Visier beschlug von innen und ärgerlich über sich selbst nahm er seinen Helm ab. Augenblicklich wurden seine Haare vom Regen getränkt und er wischte sich über das Gesicht.
„Mist noch mal.“, gab er leise von sich und packte dem Mann an der Schulter. Er drehte ihn auf den Rücken. Es war erstaunlich einfach, das zu tun. Sofort schlug ihn ein unglaublicher Gestank entgegen, der ihn wie die Wucht eines Kinnhakens traf.
Colt kniff die Augen zusammen, konzentrierte sich auf sich selbst, auf seinen Willen und öffnete sie dann langsam.
Fast hätte er den ersten mädchenhaften Schrei seines erwachsenen Lebens ausgestoßen.
Dies was er sah, was einmal ein Gesicht war, war nun nichts weiter als eine undefinierbare Masse aus sich ablösendem Fleisch über bleichen Knochen.
Die Augen traten weit aus den Höhlen, stierten ihn an und Colt musste dem Drang widerstehen, sich hier und jetzt zu übergeben.
Eine gewaltige Welle der Übelkeit überschwemmte ihn, klammerte sich um seinen Magen und drückte ihn schmerzhaft und lachend zusammen.
Colt legte den Kopf in den Nacken und schnappte im dunklem Regen nach Luft.


***

Kyria sah selbst von hier oben aus, wie sehr sich der Fleischling quälte. Mitleidig gab sie einen jammernden Laut von sich.
Bei den Menschen die hier lagen, würde es fast unmöglich sein, ihre Todesursache heraus zu finden. Ihre Körper waren zu …..schrecklich.
Sie schwang die Beine über die Dachkante und ließ sie herunter baumeln.
Es sammelte sich hinter ihr, wurde vom Regen auf das Dach getragen, doch sie sah es nicht.
Still landete jeder einzelne Regentropfen auf das Dach, brach erst auf der unebenen Oberfläche und floss dann zu einem tieferen Punkt zusammen, vermengte dich dort mit weiteren Regentropfen, sammelte sich, verschmolzen miteinander und bildeten eine noch kleiner, aber immer größer werdende Pfütze, dessen Oberfläche ölig glänzte.
Es wuchs hinter ihr.

***

Colt hatte sich nach Sekunden wieder gefangen. Er schloss noch einmal die Augen. Das Regenwasser sammelte sich bereits darin, nun lief es wie Tränen von seinen Wangen und an seinem Kinn entlang.
Er stand auf, achtete darauf, nicht zu atmen als er die Handgelenke des Mannes nahm und ihn einige Meter durch das Wasser schleifte, bis er an dem Gebäude angekommen war, auf dem der Bronco stand.
Es war, als hätte er seinen Verstand abgestellt. Er handelte nur noch automatisch. Sein Denken und seine Emotionen hatte er auf eine Reise geschickt. Schickte sie einfach fort, gab ihnen Urlaub.
Es war das Knurren, dass ihn aus seinem Automatismus riss. Ein tiefes, gurgelndes Knurren.
Wie in Zeitlupe drehte er sich nach rechts.
„Alter Wurstdieb.“, flüsterte er und legte die Hand auf den Griff seines Blasters.


Kyria hörte das Knurren und beugte sich weit über die Dachkante.
„GÖTTER!“, brüllte sie, als sie den Hund sah oder das, was von ihm übrig war.
Das Tier stand praktisch Haarlos vor Colt. Von oben konnte sie den Rücken erkennen, konnte IN den Rücken sehen, sah Fleisch und Knochen. Sie sah die helle Wirbelsäule, Teile seiner Rippen, die wie spitze Finger seitlich aus ihm heraus ragten.
Er hatte nur noch ein Ohr, dort, wo das andere war, sah sie den Schädelknochen.
Das tiefe Knurren kam nicht nur aus seinem Mund, es drang aus seinem Hals! Es drang durch die zerfetzte Luftröhre nach Außen.
Kyria wollte nach einer Waffe an ihrer Hüfte greifen, stellte fest, dass sie keine hatte und schrie: „Ey!! EY!! Mistviech!“….Dann kam der Schmerz.


Colt zog. Er schoss zwei Mal, auf das Ding, was einmal ein Hund war. Seine Kugel zerriss noch etwas von seinem Hals und riss ein Stück Fleisch aus der Schulter des Tieres.
Es senkte seinen Kopf und grinste. Bei Gott, grinste ihn an.
Colt hielt den Atem an, blickte nach oben und sprang.
Er klammerte sich an der Dachkante, hob die Beine an und konnte sie gerade noch aus der Reichweite des Hundes bringen.
Wie ein wütendes Monster sprang er bellend und keifend an der Mauer hoch, beförderte Wasser und Dreck hoch, und schnappte nach ihm.
Colt klammerte sich panisch an der Dachkante, versuchte verzweifelt, sich hoch zu ziehen, spürte, wie er auf dem glitschigen und feuchtem Dach den Halt zu verlieren drohte.
„KYRIA!!! VERDAMMT NOCH MAL!!!“

Kyria hörte ihn, hörte ihn schreien, doch der Schmerz, der schier unerträgliche Schmerz, raubte ihr alles. Den Atem, den Willen, die Kraft.
Der Schmerz hatte sich auf ihren Hüften gelegt, hatte sie erfasst und sie war mit weit aufgerissenen Augen nach hinten gefallen, nicht in der Lage, zu schreien.
Er bohrte sich an ihrer Wirbelsäule entlang, schien jeden einzelnen Wirbel zu zerbrechen und darin hinein zu dringen, bis er sich von dort aus hoch arbeitete und in ihr Hirn drang.
Der Schmerz bohrte sich wie Finger von ihrem Nacken aus in ihrem Schädel. Sie spürte, wie ihr Hirn zerriss.
Sie schlug mit den Fäusten auf ihren Schläfen. Wieder und wieder. Schlug hart zu bis sie Blut auf den Knöcheln ihrer Finger hatte.
Weiße Sterne tanzten vor ihren Augen, zersprangen und füllten ihr Hirn mit grellem Licht.
Zusammenhangslos staunte sie darüber….
Dann kam Dunkelheit.


Colt schwang an der Dachkante seine Beine hin und her an der Mauer entlang. Immer, wenn er mit seinen Beinen wieder Richtung Boden deutete, sprang der Hund hoch, fasste nach ihm und blieb dann wieder still, wenn seine Beine wieder die andre Richtung einschlugen.
Irgendwann, als er glaubte, seine Hände könnten das Gewicht nicht mehr tragen, erreichte er mit Schwung den Dachvorsprung, hakte seine Ferse auf das Dach und blieb keuchend Sekundenlang einfach hängen. Schweiß lief ihn in die Augen und verschleierte seine Sicht. Der Regen wusch es wieder weg, brannte aber auch in seinen Augen und auf seiner Haut.
Mit letzter Kraft zog er sich hoch, kletterte wie ein Bergsteiger auf das rettende Dach und stierte fasungslos nach unten.
Der Hund hatte sich in das Wasser gesetzt und Colt richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf ihn.
Er konnte sie in dem toten Körper kriechen sehen.
Sie bewegten sich auf und in dem Rücken, über der Wirbelsäule und Colt sah eine der wässrigen Wesen aus dem Maul des Tieres gleiten.
Colt zeigte ihm den Finger, rappelte sich auf und stolperte dann wieder.
„Was?!…..Kyria!“
Die junge Frau lag mit offenen Augen und blutenden Schläfen auf dem Rücken, starrte ihn an und flüsternde Worte drangen von ihren Lippen.
…Regen…Regen…
Er bückte sich, hob sie auf seinen Armen und trug sie zum Bronco.
Umständlich legte er sie auf den Sitz, schnappte sich das Micro und brüllte hinein, das April sofort, sofort die Krankenstation fertig machen sollte.
Er hüpfte in sein Schiff, schloß das Verdeck und zündetet die Triebwerke.
Als er abhob und einen Bogen beschrieb, um wieder zu Ramrod zu fliegen, sah er fassungslos nach unten.
Unten, in der Stadt kam Leben auf.
Es regte sich auf den Dächern, den Straßen und kroch aus den Fenstern der Häuser.
Es waren die Menschen der Stadt.
Ihre aufgequollenen und verstümmelten Körper richteten sich auf, ihre teilweise zerfetzen Gesichter blickten nach oben, ihre Hände streckten sich nach ihnen empor.
„Blöde scheiß Zombies, oder was!“, zischte Colt und jagte davon.




***

DER MENSCH war geflohen. Er war in sein Fluggerät gestiegen und flog zu seinen Freunden.
Aber das machte nichts.
Er sah hinter sich über den Rest seiner Schulter.
Sie würden sich versammeln und ihm folgen.
Er grinste und spürte das Leben in seinem toten Fleisch.
Sie mussten ihm nur folgen.
Er kannte den Weg.
Buster kannte den Weg.


***

Colt sah, dass die Rampe einen Spalt breit geöffnet war, gerade so viel, dass er mit seinem Bronco hindurch passen würde.
Aber es würde knapp werden. Beinahe ohne die Geschwindigkeit zu drosseln jagte er in den Hangar, setzte auf und schlitterte das letzte Stück. Die Nase des Broncos knallte gegen die Wand und hatte eine unschöne Beule dort hinterlassen.
Colt öffnete hektisch das Verdeck. Sein scheiß Verstand wollte nicht richtig funktionieren.
Er beugte sich nach hinten, rüttelte an Kyria, die offensichtlich in eine tiefe Ohnmacht gefallen war.
„Helft ihr.“, bat er und zerrte sie aus dem Notsitz.
April packte sie und hievte sie mit raus.
„Was ist passiert?“
Colt schüttelte nur den Kopf. Er konnte nicht erklären.
„Sag Fire, wir müssen weg. Egal wie. Einfach weg.“
„Fire hat da schon eine Idee.“, sagte sie und legte Kyria zusammen mit Colt auf eine Bare.
„Er und Saber bringen gerade leichte Sprengkörper an Ramrods Unterseite an. Sie sind gerade stark genug, um den Matsch weg zu sprengen.“
Colt starrte sie an.
„Sie sind draußen??? Draußen???!“
April nickte und suchte nach Kyrias Puls.
„Hol sie wieder rein!“, schrie er sie an und April zuckte zusammen.
„Wir kommen nicht weg, verdammt. Wir müssen aber. Der Regen….er ist nur über diesem Gebiet. Es ist etwas in dem Regen, Colt. Etwas lebt in dem Regen und er dringt schon in die Außenhülle!“
Colts Herz setzte einen Schlag aus. Er stierte April hinterher , die Kyria auf die Krankenstation schob.


***

Ihr Puls war flatternd. Aber April musste sich eingestehen, dass sie keine Ahnung hatte ob das bei einem Phantomwesen gut oder schlecht war.
Sie hoffte auf das erstere und legte sie in eine Decke. Sie sah sich die Wunden an den Schläfen an, versorgte sie, soweit sie es konnte und sprach dabei ruhig mit ihr.
Soweit April das Beurteilen konnte, hatte Kyria keine weiteren Verletzungen. Sie drehte sie auf die Seite, betastete ihre Schulter, ihren Rücken, suchte nach Verletzungen, fand keine und drehte sie wieder auf den Rücken. Sie fuhr das Kopfteil der Bare etwas hoch und strick ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Komm schon, Kleine. Wach auf, mach die Augen auf. Alles ist wieder gut.“
Flatternd schlug Kyria ihre Lider auf, als ob sie April gehört hätte.
Sie suchte mit einer Hand tastend nach Aprils Hand und die blonde Navigatorin nahm sie und drückte sie.
Sie lächelte sie an.
„Na also, da bist du ja wieder.“
Kyria nickte.
La ngsam richtete sie sich auf.
„Ich weiß gar nicht, was passiert ist.“, flüsterte sie und rieb sich das Gesicht.
„Kann ich dich kurz alleine lassen, Herzchen? Ich muss nach den Männern sehen.“
Kyria nickte wieder.
„Klar, seine Männer muss man im Auge behalten…“, stimmte sie Zusammenhangslos zu und April ahnte grinsten, dass sie damit etwas anderes meinte als sie.
Wieder etwas über die Phantomwesen gelernt., dachte sie schmunzelnd.

***



Saber machte die letzte Ladung scharf. Skeptisch schaute er noch mal, ob alle so eingestellt waren, dass sie nacheinander, schön langsam und sachte, hochgehen würde.
„Sind vorne alle scharf?!“, rief er Fireball fragend zu.
„Alles klar!“, brüllte er zurück.
Er wischte sich die Hände an der Hose ab und verzog angewidert das Gesicht.
Dieser nie endende Regen machte ihn mürbe. Er machte ihn ungeduldig und gleichzeitig träge.
Fireball begutachtete noch einmal die Sprengladungen, erachtete sie für ausreichend und sah Saber, der von hinten auf dem Weg zu ihm war.
„Wir müssen wieder rein.“, sagte er und deutete auf den Boden.
„Bevor wie Besuch bekommen.“
Fireball stockte der Atem. Er sah über Sabers Schulter hinweg.
„Wir haben schon Besuch.“, flüsterte er und Saber sah, dass Fireballs Augen groß wie Teller wurden.

Saber drehte sich um und ihm klappte der Kiefer runter.
Vor ihm stand eine Gruppe Menschen…oder zumindest konnte er das annehmen. Ihre verdrehten und gebeutelten Körper streckten ihm ihre gesichter entgegen.
Sie sahen ihn aus toten Augen an, die welche noch Augen in den Höhlen hatten.
Sofort drang ein bitter- süßlicher Geruch zu ihm, umhüllte ihn und krallte sich an seine Eingeweide.
Sie standen lediglich da, wankten und hier und da konnte Saber ein flüsterndes Stöhnen vernehmen.
Die Frau, die ihm an nächsten stand, hob den Kopf an und Saber sah etwas über ihr Gesicht kriechen, etwas, dass sich aus ihrem Mund heraus arbeitete, sich dann über ihren Nasenrücken nach oben zog, und in einer der leeren Augenhöhlen verschwand.
Es war wässrig und ölig.
Stumm standen sie sich gegenüber. Es waren zwanzig, vielleicht dreißig. Anscheinend das ganze, verfluchte Dorf.
Der blonde Mann schritt langsam Rückwärts, schon Fireball mit zurück und ließ diese Menschen nicht aus den Augen.
„In Schiff..langsam…“, hauchte er dem Japaner zu…..und dann hörte er das Knurren.





Vier Minuten, 35 Sekunden



Colt hechtete nach draußen, schwang sich von der Rampe und landete im Wasser. Er hörte, wie April hinter ihm aufkam und zog seine Waffe.
Neben ihm piepste etwas. Ruckartig zielte er darauf, konnte sich gerade noch zurückhalten, als er sah, dass es eine Sprengladung war.
Sie war auf t-vier Minuten und 35.…34...33.…Sekunden eingestellt.
Colt senkte die Waffe, drehte sich nach April um und nickte ihr zu.
„Du rechts, ich links runter.“, sagte er und deutete mit einem Kopfnicken links an Ranrod vorbei.
„Alles klar.“, stimmte sie zu, zog ihr Waffe ebenfalls und rannte los.
„Jungs!“, rief sie. „Wir müssen los!“

Colt rannte ebenfalls los.
Das verfluchte Wasser drang in seine Stiefel, durchnässte das Innere seines Anzuges und er spürte wage, wie seine Unterhose nass wurde.
Breitbeinig ging er, ohne weiter darauf zu achten, nach links.

***

Fireball zuckte zusammen, als hinter ihm das tiefe Knurren zu hören war. Er wirbelte herum und blickte erstarrt auf das, was einmal ein Hund war.
Die fürchterliche Gestalt, die sich ihm entgegenstellte, fletschte die Zähne und hatte den Kopf gesenkt.
Fireball zögerte nicht. Er feuerte und Buster bellte.



Wie auf ein Kommando bewegten sie sich. Sie bewegten sich, kamen auf ihn zu.
Saber fluchte und strauchelte nach hinten, packte Fireball und zog ihn mit sich.
„LOS, LOS, LOS!!!“, brüllte er und steckte seine Waffe wieder weg. Aus irgendeinem Grund glaubte er nicht, dass er damit etwas anrichten könnte.
Fireball stolperte überrascht nach vorn, wedelte mit den Armen, hielt aber sein Gleichgewicht.
„Es war der Hund!“, sagte er verwirrt.
Saber stieß ihn nach vorn, sah hinter sich und sah, dass die Leute schnell waren. Schneller als er gedacht hatte. Hatten er und Fireball Probleme, durch das Wasser, dass ihm hier bis zu den Knien stand, zu kommen, schiene sie keine Schwierigkeiten zu haben. Sie glitten fast hindurch.
Zwischen ihren Beinen wuselte es. Das Wasser lebte!
Saber stieß Fireball vor, knallte zwei Salven in das Gesicht des Hundes und bemerkte kalt, wie sein Gesicht weggerissen wurde.
Sein Kiefer flog zur Seite, nahm einen Teil seiner rechten Wange mit sich und landetet im Wasser, wo er versank.
Die Zunge hing dem Tier haltlos aus dem Mund, schlug peitschengleich hin und her und tropfte die seltsame Flüssigkeit zurück in den Regen.
„Scheiß auf das Vieh! RENN!!“
Und Fireball rannte.

Colt hörte sie, hörte die Schüsse und Sabers Stimme.
Er ließ los, kämpfte sich durch das Wasser, wischte sich fahrig über die Augen und brüllte Sabers Namen.
Er konnte sie sehen, wie Schatten jagten sie aus der Dunkelheit auf sie zu.
Erleichtert senkte er die Waffe, pustete seinen Atem aus und grinste.
Er winkte, erstarrte und fluchte wieder.
„Was zum Deibel…!“
„LAUF!“, schrie ihm Saber an und jagte an ihm vorbei.
„Aber sicher doch.“, gab Colt lässig zurück, packte sich einmal grüßend in Richtung Menge, die auf ihn zukam an die Stirn, drehte sich um und rannte los.



Vier Minuten, 13 Sekunden



Fireball spürte Sabers Hände an seinen Hüften und wurde im selbem Moment angehoben. Er packte hoch, um das Ende der Rampe zu erreichen, bekam sie zu fassen und hörte Saber rufen, er solle sich sofort auf die Brücke begeben, um zu starten.
Er zog sich keuchend hoch, schwang seine Beine ins Schiff und rutschte die halb hochgezogene Rampe herunter, überschlug sich unten und sprang auf die Beine.
Saber sah ihn in Ramrod verschwinden und zog sein Schwert, als er Colt angerannt kommen sah.
„LOS, REIN DA!“, brüllte er und deutete nach oben.
„Wo ist April?“, fragte Colt außer Atem, blieb stehen und stütze sich auf die Knie. „Sie ist auch draußen!“
Saber spürte einen Klos im Hals.
„Sie ist draußen??“
Colt nickte.
Hinter sich hörte er sie, hörte sie kommen und blickte Saber aus großen Augen an.
„Wir müssen sie finden.“
„Rein.“, sagte Saber ruhig zu ihm.
„Aber…..“, wollte der Cowboy ansetzen.
„Rein….da…!“, wiederholte er und Colt sah in seinen Augen, das Saber keinen Widerspruch dulden würde.


Drei Minuten, 25 Sekunden

April trat zu. Wie ein Schlüssel in einem Schloss schien ihr Schuh in das Gesicht der Frau ohne Nase zu passen. Es knirschte unter ihrer Sohle, aber sie achtete nicht darauf. Sie spürte Hände auf ihren Schultern, griff nach hinten, hatte etwas in der Hand und beugte sich nach vorn. Sie warf den Mann über ihre Schulter auf die vor ihr liegende Frau, sah, wie er von ihr herunter rollte und schließlich zuckend liegen blieb.
Sie schrie, als sie eine Salve in den Hinterkopf des Mannes donnerte, sich bückte, um neuen, nach ihr greifenden Händen aus zu weichen und wieder um sich schoss.
Neben ihr ging einer zu Boden, gab einen gurgelnden Laut von sich und fasste sich fragend an die Kehle, die soeben von Aprils Waffe ein interessantes Muster verpasst bekommen hatte. Klare Flüssigkeit ergoss sich aus dem maritimem Muster.
April wich zurück, spannte ihren Körper wie ein Bogenschütze sein Instrument und rannte durch eine Menge von sechs Dorfbewohnern, die sich von hinten an ihr ran schlichen..
Sie schupste sie zur Seite, fühlte weiches, waberndes Fleisch dabei unter ihren Händen und konnte sich nur schwer ein Würgen verkneifen.
Sie wurde zurückgezerrt, wieder zu Boden gerissen und April donnerte der Frau ein Knie in die Magenkuhle.
Sie machte den Mund auf, ein Schwall Blut strömte daraus hervor, legte sich auf Aprils Oberkörper und April kreischte ihren Ekel heraus.
Das Blut bewegte sich auf ihren Anzug und sie wischte es panisch von sich.
Die Frau über ihr grinste sie an, entblößte die blutigen Zähne und…
…ihr Kopf knickte zur Seite, blieb für Bruchteilen von Sekunden in einer albernen, schrägen Stellung und kippte dann ganz ab.
Über einer sauberen, präzisen Schnittkante am Hals der Frau erblickte sie Sabers Gesicht.
„Gott sei dank.“, flüsterte sie.
Saber packte den Körper, schmiss ihn zur Seite, wo er platschend ins Wasser fiel und half April auf die Beine.
„Ins Schiff!“, rief er durch das Unwetter und schleifte sie mit.




Zwei Minuten, 8 Sekunden


Fireball hüpfte in seine Satteleinheit. Seine Hände zitterten, als er Ramrods Triebwerke zündetet. Seine Zähne klapperten laut aufeinander und seine Kiefer taten ihm schon weh.
Unter sich spürte er die Vibrationen, spürte, wie der Koloss seine Energien sammelte, wie er fast verzweifelt seine Turbinen dazu antrieb, sich endlich aus dem Schlamm zu arbeiten.
Fireball gab mehr Schub, ein Ruckeln zuckte durch das Schiff. Hektisch sah er auf seine Uhr. Noch zwei Minuten. Wenn er bis dahin nicht Remrod auf gute Kraft hatte, würden nicht nur die Fahrwerke in die Luft gejagt werden.
„Wo ist Saber?“, fragte er Colt, der sich in seine Satteleinheit schmiss und sich anschnallte.
„Frag nicht, sie zu, dass du unsern Hintern hochbekommst.“, zischte dieser nur und fühlte einen flauen, aber heißen Knoten im Magen.


Saber hievte April hoch, schmiss sie fast nach oben, bis sie die Kante erreichte und wartete, bis sie im Innern des Koloss verschwunden war.
Dann sprang er hoch, blickte nach unten und sah die Menge sich unter ihn versammeln. Stöhnen streckten sie die Arme nach ihm aus, packten einen seiner Stiefel, aber Saber trat so fest zu, dass er den Schädel des Mannes unter seinem Fuß zerbrechen hören konnte.
Er stemmte sich mit aller Kraft hoch, ließ sich in das Schiff rollen und knallte unsanft an die Wand.
Stöhnend richtete er sich auf, drückte den Knopf, um die Rampe zu schließen und hörte das vertraute Geräusch. Er drehte sich nach April um.
„Vorsicht!“, rief sie und tauchte ihn in einem weißen Nebel aus Löschschaum.
Saber wich zurück, hielt sich schützend die Hände vor die Augen und hörte, wie etwas auf seinen Schultern zerplatze.
Als er die Augen wieder öffnete, grinste April ihn an.
„Wie ein Schneemann.“, kicherte sie hysterisch und Saber wischte sich den Schaum aus den Haaren.
„Können wir dann?“, fragte er schmunzelnd und zog eine Augenbraue hoch.
April nickte, immer noch kichernd.


Fireball hörte, dass sich die Rampe schloss.
Er schickte ein kurzes Dankgebet gen Himmel, sah auf seine Uhr und betete noch einmal.
„Bitte, bitte, bitte….“, hauchte er und gab vollen Schub.
Colt krallte sich an seinen Sitz, schloss die Augen und schickte die selben Worte im Geiste an Fireball.




***

0 Minuten, 30 Sekunden


Busters Zunge hing im Wasser. Es stand ihm bis zu den Schultern und er hatte Schwierigkeiten, sich darin zu bewegen.
Die Menschen des Dorfes hatten versagt. Die Menschen aus der Ferne waren entkommen.
Sein kieferloses Maul wollte jaulen, konnte es aber nicht.

0 Minuten, 20 Sekunden


Er blickte hoch, wo sich die großen, runden Dinger, die hinten am Schiff waren, sich bewegten wie Ventilatoren.
Dann schoss eine Flame daraus hervor und Buster fiepte leise.

0 Minuten, 10 Sekunden


Er kniff den haarlosen Schwanz zwischen seine Hinterläufe und blickte aus wässrig braunen Augen daran empor.
Es machte ihn fast Schwindelig, an dem riesigem Metallding hoch zu schauen.
Er wich ein paar Schritte zurück.

0 Minuten, 0 Sekunden

Das permanente, helle Piepsen verstummte und dann gab es den Knall.
Den lauten Knall.
Vor seinem Augen brannte das helle Licht, wühlte Dreck und Wasser auf, schleuderte Massen davon in die Umgebung und schenkte ihn einen kurzen Blick auf die Fahrwerke, bevor er nach hinten geschleudert wurde.
Er riss sein verbleibendes Auge auf, sah, wie das Rudel Menschen, dass er angeführt hatte, in fleischige Fetzen gerissen wurde.
Ein Arm flog an ihm vorbei, prallte gegen einen Baum, rutschte daran herab und versank im Schlamm.
Buster sah, dass sich seine Finger bewegten wie zu einem Gruß.
Buster wedelte mit dem Schwanz, als ihm durch die Wucht und die Hitze der Explosion die Haut von seinem Fleisch geschält wurde.
Er hatte verloren.


***


Fireball zog den Hebel zurück, als er vorne die erste Explosion hörte.
Er zog mit aller Kraft.
Nun flüsterte er nicht mehr, nun schrie er : „BITTE, BITTE, BITTE!!“ und spürte einen gewaltigen Ruck, der ihn in seinem Sitz vor und zurück schleuderte.
Nur noch wenige Sekunden, nur noch Sekunden.
Er würde es schaffen.
Colt sah, wie Ramrod sich erhob, wie er sich langsam aber sicher tatsächlich und bei allem was ihm heilig war erhob. Der Horizont senkte sich erst, um dann in dem Panoramafenster in einer anderen Position wieder auf zu tauchen.
Er klatschte sich auf die Knie, schrie überrascht von dem Schmerz auf und riss die Arme hoch.
„Alter!!! Wir fliegen!!“, lachte er.
Fireball hätte heulen können vor Glück.
Verdammt noch mal, sie flogen tatsächlich.
Er wischte sich über die Augen und zog die Nase hoch.
Ein bitterer Geschmack legte sich auf seine Zunge, aber es war ihm egal.
„Können wir jetzt also nach Hause, ja?“, wollte er wissen und drehte bei.
„Einfach mal nach Hause.“



***


Das Licht war grell und sie legte sie Hand vor die Augen.
Es dauerte ein bißchen, bis sie das Gesicht von April erkannte.
Sie lächelte sie an.
„Sieh an, das Prinzesschen ist erwacht.“, schmunzelte sie und Kyria verzog das Gesicht.
„Ich komme aus einfachem Hause.“, erklärte sie ernst und April lachte herzhaft.
„Das sagt man nur so.“, grinste sie.
Kyria brachte sich langsam in eine sitzende Position, merkte einen üblen Schwindel, der sie überkam und schloss für einen Moment die Augen.
Sie spürte Aprils Hand beruhigend auf ihrer Schulter.
„Sind wir im Schiff?“, wollte Kyria wissen und fürchtete sich fast vor der Antwort.
„Besser noch. Wir sind sei ein paar Stunden auf den Weg nach Hause.“
Nun öffnete sie die Augen.
Erstaunt klappte ihr der Kiefer runter.
„Wir…wir haben es geschafft? Ihr habt es geschafft?“
April richtete sich gerade auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Natürlich. Wir sind Star Sheriffs. Hast du etwas anderes erwartet? Wir schaffen alles. Außer kochen, Haushalt und uns über einen Film zu einigen…“, fügte sie hinzu.
Sie strich Kyria über das noch schweißnasse Haar.
„Bleib noch ne Weile liegen. Ich bringe dir gleich erst mal was zu futtern und zu trinken. Und dann bist du schnell wieder auf den Beinen.“
Kyria nickte und sah der jungen Frau nach, die die Krankenstation verließ.
Sie legte sich wieder auf die Liege und hörte auf dem Flur Colts Lachen.
Sie grinste, schloss die Augen und legte die Decke, die auf ihren Beinen lag, bis über ihre Schultern.
Sie spürte sie, spürte sie in sich.
In ihrem Hirn, unter ihrer Haut und an ihrer Wirbelsäule.
Und sie hatte das komische Gefühl, dass es Regen geben würde, wenn sie nach Hause kam.
Es würde Regen geben……
 
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Eine wahrhaft schaurige Regengeschichte bis zum Schluss. Ach, da wünsche ich mir ja erst recht, dass es morgen keinen Regen geben möge. Ganz toll geschrieben.

Else08 (03.08.2011)

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