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DIE SKLAVIN NEFA: Die Sonnenanbeterin

Fantastisches · Kurzgeschichten
Prinzessin Shakira stand, wie fast an jedem Morgen, im östlichen Vorhof des Palastes, dicht an seinen mächtigen Einfassungen aus sorgsam verfugten riesigen Sandsteinquadern und wartete auf den Sonnenaufgang. Sie hatte ihre beiden Hände leicht auf die nach hinten fallende Balustrade gestützt, verharrte regungslos und öffnete leicht, wie für einen Kuss, ihre vollen Lippen.
„Gleich muss es soweit sein. Gleich wird mich die Sonne küssen!“, dachte sie voller Vorfreude, als ihre anmutigen Mandelaugen auf den Horizont blickten, der bereits in ein feuriges Rot getaucht war. Und wirklich begannen nun die roten Sonnenvorboten ihr samtenes Licht, immer stärker und heller über die gesamte Wüste, bis hin zum Sultanspalast und darüber hinaus auszugießen. Die Prinzessin hob ihre beiden Arme und ein leichter Windstoß durchfuhr ihr pechschwarz gelocktes Haar, das ihr bis zu den Hüften reichte und das sie ganz schlicht und offen trug. Der Windstoß erfasste ihr Haar und trug es, wie ein Banner nach oben. Das war der Augenblick, den sie so liebte! Der Augenblick, der sie aus ihren muffigen Gemächern an die frische Luft trieb! Der Augenblick, den sie jeden Morgen in vollen Zügen genoss! Sie vergaß dabei sogar, dass sie die Prinzessin war. Und dass diese Ausflüge in den östlichen Vorhof auch noch kleine Abenteuer in sich bargen, machten sie nicht gerade langweilig! Im Gegenteil: Es stachelte sie umso mehr an. Sie rebellierte damit (ohne böse Absicht) gegen den Willen ihres Vaters, weil in ihrem Blut der Abenteuer- und Unternehmungsgeist ihrer Mutter mit ihrer eigenen Leidenschaftlichkeit um die Wette rauschte. Sie konnte nur nachsichtig und fast müde lächeln, wenn ihr Vater, der Sultan, mit aufgesetzter Strenge und erhobenen Zeigefinger, immer sagte: „Liebes Töchterchen, es geziemt sich für eine Prinzessin einfach nicht, wie eine Gemeine aus unserer niedersten Kaste, wie eine gemeine Katze durch den gesamten Palast in den Vorhof zu schleichen, dort möglicherweise noch mit Sklaven Kontakt zu bekommen, nur, um dem ewiglich langweiligen Spiel der Sonne beizuwohnen!“, dabei seufzte er immer tief, senkte sein weißhaariges Haupt und schüttelte es betont lange.
Die Prinzessin dachte nicht daran auf die Worte ihres Vaters zu hören. Stattdessen ließ sich täglich etwas einfallen, um seinem Wille, der Aufsichtspflicht ihrer Amme Aischa und den Wachen zu entfliehen. Sie nahm es als lustigen Frühsport und als Wettstreit. Ein Wettstreit den sie fast immer gewann. Sie brauchte diese morgendliche Stunde. Sie verschaffte ihr einen guten Start in den Tag, gab ihr einen inneren Ausgleich zu dem öden Alltagsgeschäft einer Prinzessin und hielt das junge, ungestüme Mädchen in ihr wach, das, genau wie eine junge Stute, den freien Auslauf einer straffen Laufleine vorzog.
Endlich, die ersten Sonnenstrahlen trafen auf ihr ebenmäßiges Gesicht, erleuchten die verwegene, leicht gekrümmte Nase und irrlichterten in ihren braunen Augen, so dass sie diese geblendet schließen musste. Der, von vollendet ebenmäßigen Brauen überschattete Blick, spannte sich dann, gemeinsam mit ihren vollen, sinnlichen Lippen, zu einem wunderschönen Lächeln. Dabei entstanden zwei tiefe Wangengrübchen, die ihr Kessheit verliehen und ihr fröhliches Wesen unterstrichen. Prinzessin Shakira war wie eine Anbetende, die ihre beiden Arme euphorisch hob und senkte und dabei die morgendliche Sonnenenergie, wie eine eben geborene Kreatur, tief und genüsslich in sich einsog.
Dieser Energie schien es auch gedankt, dass sich das 17jährige Mädchen plötzlich und wild, wie zu den Klängen einer lautlosen Musik, um sich selbst zu drehen begann. Sein einfaches Morgenkleid breitete sich unter ihm zu einer Glockenform aus, die mit jeder Drehung weiter wurde und höher schwang. Shakiras Atem ging keuchend und ihr Busen schien ihr das Mieder sprengen zu wollen, doch sie schonte sich nicht bei diesem Tanz, der immer schneller und ekstatischer wurde, und der in einem Lachen gipfelte, das ganz leise glucksend begann, lauter wurde, und in einem langen glücksseligen Schrei verebbte…
Shakira fing sich, sie atmete mehrmals tief durch und blickte sich, wie ernüchtert, im östlichen Vorhof des Palastes, um. Eben im Tanz hatte sie doch etwas gesehen, was ihr unbekannt war. Oder hatte sie sich getäuscht und der Tanz gaukelte ihr Bilder vor, die unwirklich schienen? Doch, mit prüfenden und misstrauischen Blick suchten ihre Augen weiter. Plötzlich hielt sie inne und rief siegessicher:
„ Ha, habe ich mich doch nicht getäuscht. Bei Allah, ein Haufen Lumpen am Brunnen in unserem wunderschönen östlichen Vorhof. Sind denn die Sklaven des Vorhofes mit Blindheit geschlagen. Nur gut, dass das der Großwesir noch nicht gesehen hat! Ich glaube, da werde ich mich jetzt mal selbst kümmern müssen. So eine Unordnung! Der Großwesir löst, normalerweise schon bei kleineren Vergehen bei den Verantwortlichen eine gewisse Kopflosigkeit aus!“
Das Lumpenknäuel
Sie schüttelte den Kopf, wie ihr Vater und trat einige Schritte auf das Ärgernis zu. Plötzlich sah sie etwas, sprang einen Schritt zurück und stieß einen spitzen Schrei aus:
„Hilfe, die Lumpen bewegen sich, beim Scheitan, was geht hier vor!“
Der Lumpenhaufen, war kein Lumpenhaufen, sondern Mukhtar, der durch die Schreie der Prinzessin unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde. Er räkelte sich genüsslich und zeigte sofort ein blitzendes Lachen, dass die Prinzessin den ersten Schreck schnell vergessen ließ.
„Ah, ich habe guuut geschlafen! Jetzt eine Zahnbürste und ein kräftiges Frühstück und dann sieht die Welt gleich wieder besser aus!“
Mukhtar schaute sich um! Er sah zu der Prinzessin, ließ seinen Blick durch den Vorhof wandern und verzog sein Gesicht zu einer angestrengten und nachdenklichen Miene. Er kratzte sich den Hinterkopf und fragte: „Wo bin ich?“
Prinzessin Shakira maß das fremde Subjekt mit staunenden Blicken und erwiderte, getreu seiner Frage, kess und ebenso knapp:
„Im Palast des Sultans!“ Mukhtar, kratzte sich verlegen hinter dem Ohr, denn er wollte etwas Zeit gewinnen.
„Oh, du Göttin der Morgenröte, Tochter der Sonne, wer bist Du?“, fragte er etwas tölpelhaft und ungeschickt.
 
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Kommentare  

Und nun ist Mukhtar im Palast angekommen und die schöne Prinzessin ist zu ihm gekommen. Aber wie wird sie auf ihn reagieren, wenn sie merkt, dass er nicht nur arm ist, sondern auch einen Buckel hat?

Gerald W. (02.02.2012)

Eine Prinzessin schön wie die Morgenröte spricht den einfachen Mukhtar an. Tolle Beschreibung der wunderschönen Frau. Bin wirklich neugierig was sie von Mukhtar halten wird.

Else08 (01.02.2012)

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