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Mukhtars größter Coup

Fantastisches · Kurzgeschichten
Mukhtar begriff: Der Lampengeist hatte also ihn, als Besitzer der besonderen Feigen, als einzigen Arzt gegen die Eselsohren ermittelt und hier hergebracht. Schnell erkannte er seine Rolle, die er nun vor dem Sultan und dem Hofstaat zu spielen hatte. Er warf sich vor dem Sultan in die Brust und rief überzeugend:
„Hochmächtiger Sultan, du Herrscher über alle Gläubigen und Ungläubigen, ich bin mir fast gewiss, ein Mittel gegen eure mächtigen Eselsohren zu besitzen! Ein Mittel, das euch auf direktem Weg heilen wird!“
Jedoch, der Sultan kniff tückisch die Augen zusammen und empörte sich:
„Beim Barte des Propheten und bei unerem Augenlicht! Mukhtar! Wie weit will es denn dieser Hundsfott mit seinen Spielchen noch treiben? Zu allen anderen Katastrophen, wie Pantoffeln, Streckgipsverband und Eselsohren, gesellt sich nun auch noch eine weitere, nämlich er selbst! War er nicht bereits außer Landes und verbannt? Was wagt er sich entgegen unserem Willen, vor unsere Augen zu treten? Nein, nein und nochmals nein! Unsere Geduld ist erschöpft! Wachen! Ergreift ihn und schlagt ihm gleich hier vor unseren Augen den Kopf ab!“
Mukhtar rührten diese Worte nicht. Er hatte sein klügstes Lächeln aufgesetzt und erklärte, ungeachtet der drohenden Gefahr, keck:
„Nicht so hitzig, oh, Gebieter aller Esel und Maultiere, soll ich euch etwa nicht von dieser schlimmen „Eseldemie“ heilen?“
Der Sultan schnappte wie ein Karpfen nach Luft, schwang sein Zepter und presste zynisch hervor:
„Ach ja, zuerst gab er uns den großen Palastmauer-Überflieger mit fragwürdigem Gedächtnisverlust, dann den Schnellläufer in diesen verwunschenen Pantoffeln und heute gibt er uns gar den Quacksalber?“
„Nun gut hochfeister Sultan, wenn ihr glaubt, dass ich hier nur den Quacksalber mime, so bringt ihn doch gleich um, den Quacksalber, schlagt ihm den Kopf ab! Gleich hier! Aber wenn ihr das tut, so werdet ihr diese köstlichen Eselsohren auf ewig besitzen!“ Der Sultan schwieg bestürzt, kratzte sich ständig am Kopf und rutschte, unruhig wie ein Kind, auf seinem Thron hin und her. Er sah Hilfe suchend auf den Großwesir, doch der schien sich gar nicht um seine Nöte zu kümmern und studierte eifrig einen Reisekatalog.
„Und nun wird er auch noch dreist, frech und respektlos!“, entfuhr es den Sultan in all seiner Hilflosigkeit, die er längst nicht mehr verbergen konnte, doch er fing sich bald wieder und rief mit drohender Stimme:
„Wohlan eine steile und treffliche Karriere, die er hier vorgelegt hat! Aber, wir wollen doch nicht unmenschlich erscheinen und stellen ihm hier und jetzt ein Ultimatum: Also, heilt er uns nicht augenblicklich von diesen dreimal verfluchten Ohren, so wird er seine letzte Karriere wirklich kopflos begehen!“
„Ultimatum? Glaubt ihr, oh hochmächtiger Sultan, dass ihr in der Position seid, Forderungen zu stellen oder gar wüste Drohungen auszustoßen…?“
„Mukhtar, treib es nicht bis zum Äußersten!“
Shakira hatte nicht mehr an sich halten können und sich eingemischt. Sie bebte vor Zorn. Sie kannte Mukhtar und seinen Dickkopf, wusste aber im Gegenzug, dass auch der größte Dickkopf, auf Dauer, nichts gegen die Macht des Sultans ausrichten konnte. So fasste sie den heiligen Entschluss das drohende Streitgespräch zwischen Mukhtar und dem Sultan im Keime zu ersticken. Sie schaute Mukhtar flehentlich an, warf mit verschränkten Armen den Kopf in den Nacken und flüsterte, so, dass es der Sultan nicht verstehen konnte, wild entschlossen: „Willst du unser gerade wieder entflammtes Glück nun selbst zerstören, hä? Der Sultan wird dir nichts tun! Er wird dich nicht umbringen, aber du darfst ihn auch nicht mehr dazu herausfordern! Was hast du denn für eine Chance, du armer Wicht, gegen den allmächtigen Sultan? Oder meinst du, dass dir das Glück immer hold sein wird? Oh, du armer Narr! Er wird dich, ohne mit der Wimper zu zucken, töten lassen und zur Tagesordnung übergehen! Hörst du? Der Sultan will nur deine Heilkünste, um in Würde und ohne Eselsohren seinen wohlverdienten Ruhestand zu genießen, sonst nichts!“
Sie drehte sich jäh dem Sultan zu und rief beschwörend: „Hochmächtiger Sultan, ich bitte euch Mukhtars Leben zu verschonen. Ich glaube dieser wilde Tanz eben vor eurem Thron hat ihn schlimmer mitgenommen als befürchtet. Ich bin mir sicher, dass Mukhtar der Arzt ist, den Dschinni für uns gesucht hat. Es kann keinen anderen geben! Weiterhin bin ich mir sicher, dass er euch und uns alle heilen will!“, dann drehte sie sich schnell zu Mukhtar um, nahm zärtlich seine Hände in die ihren, liebkoste sie mit dem Mund und befahl diplomatisch, aber laut und mit Nachdruck in der Stimme: „So Mukhtar, nun zeige uns, was du in den vergangenen beiden Jahren gelernt hast!“
Sie gab Mukhtar ein Zeichen einen Schritt auf den Thron zuzugehen. Als der nicht ging, stupste sie ihn unsanft mit dem Ellenbogen in die Seite, so dass er sich endlich bewegte. Mukhtar drehte sich noch einmal um und flüsterte mit verständnislosen Augen: „Ruhestand? Der Sultan geht in den Ruhestand?“
Shakira rollte mit den Augen und zischte: „Jaaaa, nun mache aber endlich etwas, denn länger dürfen wir seine Geduld nicht strapazieren!“
Mukhtar räusperte sich, machte noch einen Schritt nach vorn, verbeugte sich tief und sprach mit überzeugender Stimme: „Hochmächtiger Sultan entspricht es der Wahrheit, dass euch die Eselsohren nach dem Genuss von besonders geschmackvollen Feigen gewachsen sind?“
„Beim Scheitan, ja, aber woher weiß er das?“
„Beantwortet bitte nur meine Fragen, da ich schließlich erst einmal die Wurzel eures Übels ergründen muss! Seid ihr euch irgendwelcher Verfehlungen, die unter Umständen diese Ohren rechtfertigen würden, bewusst?“
Die Augen des Sultans begannen erneut wutentbrannt zu funkeln. Shakira zischte: „Hör auf mit diesem Theater!“
Jedoch Mukhtar ließ sich nicht beirren und setzte seine Strategie mit der einfältigsten Miene, die man je im Thronsaale erblickt hatte, fort: „Wol-len durchlauchtigste Majestät etwa nicht gesund werden?“
Zerknirscht und seine Wut herunterschluckend presste er hervor: „Ge-wiss, wer will das nicht?“
„Nun gut, dann werdet demütig und schaut auf eure Taten zurück, denn meine Arznei wirkt nur im Zustand der reinsten Demut. Da darf nichts anderes mehr in euch vorhanden sein! Vor allem Hass, Boshaftigkeit und das Streben, über allen und allem zu stehen, ist der Arznei ein besonderer Gräuel, so dass sie dann ihre Wirkung verliert!“
Der Sultan empfing diese Worte wie einen Peitschenhieb und rutschte gleichsam auf seinem Thron zusammen, auf dem er nun wie ein Häufchen Elend saß. Mukhtar beobachte vergnügt diese Reaktion und setzte seine „Behandlung“ fort:
„Seid ihr auf dem Wege zur völligen Demut?“, rief er beschwörend!
„Ja, ich bin es!“, flüsterte endlich der Sultan mit schuldbewusster Miene.
„Erblickt ihr eure Untaten vor eurem geistigen Auge?“
Der Sultan saß mit entrücktem Blick, der mit einem Mal alle seine Gemütsverfassungen widerspiegelte, und rief erschrocken:
„Ja, ich sehe sie und erschrecke mich sehr vor ihnen!“
„Das ist gut!“, entfloh es Mukhtar, jedoch er besann sich sofort:
„Wollt ihr all diesen schrecklichen Dingen abschwören und sie hinfort nie wieder begehen, so sagt: „Ja, das gelobe ich!“
Der Sultan wand sich plötzlich, wie ein Fisch am Haken, und versuchte noch einen letzten Handel mit Mukhtar abzuschließen. Doch als er in Mukhtar unnachsichtiges Gesicht sah, ließ er davon ab und schwor, wie unter Schmerzen:
„Ja, das gelobe ich!“
„Aber seid gewiss, schon beim geringsten Vergehen oder beim Bruch eures Schwures, werden die Ohren zu euch zurückkehren und euch bis ans Lebensende „Bekleiden“! Höret: Nehmt nun diese Frucht, legt sie auf eure Zunge und lasst sie langsam im Munde zergehen!“
Der Sultan erblickte die Feige und wollte sich gerade darüber empören, dass ihm genau diese Früchte schon die Ohren verschafft hätten, aber er besann sich schnell eines anderen, steckte sich die süße Frucht voller Verachtung in den Mund und die Ohren verschwanden…!
Shakira lachte, genau wie der Sultan, aus vollem Halse, stürmte auf Mukhtar zu, umarmte und küsste ihn.
 
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Kommentare  

Shakira tritt zwischen die Fronten und da Mukhtar hört, dass der Sultan in den Ruhestand treten will, beruhigt ihn das wohl etwas. Ich glaube nun ist der Sultan ganz erleichtert, dass er nicht derart große Ohren behalten muss.

Gerald W. (16.05.2012)

Dieser Coup ist Mukhtar wirklich gelungen und ich hoffe mal, dass der Sultan zu seinem Wort stehen wird. Ein ganz besonders gutes Kapitel, lebendig und echt und humorvoll geschrieben.

Else08 (09.05.2012)

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