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Miri und Jojo

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Auf dem Bett saßen zwei Gestalten. Kaputt vom Leben. Verletzt von der Liebe.
Beide waren innerlich zerbrochen. In ihnen tobte ein Ozean aus Tränen und Scherben.
Doch beide wussten, dieser Sturm würde sich legen.
Es ist nicht leicht in tiefster Nacht darauf zu vertrauen, dass die Sonne wieder aufgehen wird.
Sie hatten sich gefunden. Einer gab dem anderen das Gefühl von Sicherheit.
Die Welt da draußen hielt die beiden für verrückt, doch die beiden hielten sich für perfekt.

Sie hatten sich kennengelernt, so wie andere es auch taten. Bei einem Spaziergang im Park rauchten sie nebeneinander auf der Parkbank sitzend ihre Zigaretten.
Mirijam fragte Jochen nach einem Feuerzeug. Er holte es aus seiner Manteltasche, legte es ihr in die Hand und sie legte es wieder in seine. Das war ihre erste Berührung und ihr erstes Treffen.
Die kommenden Wochen ging es jeden Tag so. Mal saß Mirijam auf der Bank und wartete. Mal Jochen. Die Luft wurde von Tag zu Tag klarer und kälter. Der erste Schnee fiel.
Trotzdem trafen sie sich jeden Tag an der kleinen grünen Bank.

Kurz vor Weihnachten malte Mirijam ein Herz in den Schnee. Sie schrieb mit ihrem Finger „Miri & Jojo“ hinein. Als Jochen zu ihrem Plätzchen kam und das sah, nahm er seine Mirijam in den Arm, schaute tief in ihre leuchtend grünen Augen und sagte „Miri, ich und du, wir schaffen das.“ Und gab ihr einen Kuss.
Am Tag darauf stand Miri allein an der Bank.
Zwischen den eingefrorenen Ästen der Trauerweide blitzte ein rosa Zettel hervor. Mirijam ging hin. In die Rinde des riesigen Baumes war frisch ein Herz mit der Innschrift „Jojo & Miri“ eingeritzt. Der Zettel war mit einer Reißzwecke festgesteckt. Mirijam öffnete ihn und las „Liebe Miri, eigentlich wollte ich es dir schon gestern sagen, aber ich wusste nicht wie. Ich bin vor viereinhalb Monaten hier angekommen. Die erste Zeit war ein Weg durch die Hölle, dann kamst du. Du hast nie gefragt, du warst einfach da. Nun werde ich wieder nach hause fahren. Ich will dich wieder sehen. Komm doch zum Abschied auf mein Zimmer. Dein Jojo.“
Sie schob das Briefchen in die Tasche ihres Morgenmantels und machte sich auf den Weg zu Jochen.
Als sie die Zimmertür öffnete saß Jochen auf dem Bett. Vor ihm lag ein offener Koffer. Oben drauf der Bademantel, den er bei ihrer ersten Begegnung anhatte. Sie setzte sich neben ihn.
„Und wie soll es weiter gehen?“, fragte Mirijam.
„Weg von zuhause. Das zieht mich zu sehr runter. Alte Freunde und so. Weiste, was ich meine? Irgendwo noch mal neu anfangen. Da wo mich niemand kennt. Mit dir.“, sagte Jochen.
„Ja, neu anfangen klingt gut. Ich will endgültig weg von dem Dreck, deshalb will ich eine Therapie machen. In zwei Wochen komm ich auch hier raus. Dann komm ich zu dir.“

Als Mirijam zwei Wochen später mit ihren Koffern an Jochens Tür klingelte, öffnete ihr ein heruntergekommener Kerl.
„Ich wollte zu Jojo. Ich bin Miri. Wir kennen uns aus dem Entzug.“
Der Typ bat sie mit einer Armbewegung und einer Art Knicks hinein. In der Wohnung roch es nach Zigaretten, Gras und Bier. Am Ende des Flures stand eine Tür offen, direkt dahinter lag Jochen auf einer siffigen Matratze. Beim nähren Betrachten fielen Mirijam die geschwollenen Venen auf.
„Miri, was machst du hier? Ich…ich hab dich gar nicht erwartet.“
„Wieso hast du das gemacht?“
„Ich kann nicht anders. Man fällt in alte Gewohnheiten zurück. Die Ärztin im Entzug hat mal zu mir gesagt, dass neun von zehn Leuten sofort rückfällig werden, sobald sie wieder draußen sind. Ich bin nicht die Nummer zehn.“
Mirijam nahm ihre Sachen und verlies die Wohnung. Sie fuhr zum Bahnhof. Nur weit weg wollte sie.
Auf der Damentoilette kaufte sie sich noch ein Tütchen Heroin.
 
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Kommentare  

Ja die Geschichte wirkt echt, real und leider auch grausam und man wünscht sich nie in diesen Teufelskreis zu geraten.

Daniel Freedom (14.06.2012)

Eine traurige Geschichte wunderschön geschrieben und sehr, sehr echt.

Petra (12.06.2012)

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