Sie sitzen hoch – in sehr bequemen
Büro-Apartments, gut beschützt.
Sie sind der Kopf vom Unternehmen,
mal cool, mal fiebrig überhitzt.
Sie zahl'n sich selbst die höchste Gage:
die Schlips-Etage.
Sie schmücken sich mit seidnen Schlipsen
und Nadelstreifen – stinkseriös.
Im Vorzimmer zwei hübsche Tippsen
mit endlos tiefen Dekolletees.
Ihr Anblick steigert die Courage
der Schlips-Etage.
Gern wird ein Spleen des Chefs beschmunzelt,
den man privat vom Golfplatz kennt.
Doch wenn der Chef die Stirne runzelt,
tut man sofort höchst kompetent.
Bring niemals deinen Chef in Rage,
du Schlips-Etage!
Man ist auf Karrieren gierig,
für die ein Schlips-Mann alles tut.
Doch sitzt der Schlips zu eng, wird’s schwierig:
Der Kopf bekommt zu wenig Blut,
auch hemmt das arg die Lymph-Drainage
der Schlips-Etage.
Such also niemals bei Problemen
die Lösung im Büro-Palast.
Man könnte dir das übel nehmen
und dich entsorgen als Ballast.
Auch park nie in der Tiefgarage
der Schlips-Etage!
Macht dein Betrieb jedoch mal pleite,
geht das die Schlips-Träger nichts an.
Die schafften längst genug beiseite,
da kommt der Staatsanwalt nicht ran.
So überlebt selbst DIE Blamage
die Schlips-Etage.
Ein Schlips macht einen Mann mitnichten
heroisch, weise und genial.
Warum nicht auf die Jungs verzichten?
Ich fordre deshalb radikal
statt der morbiden Schlips-Bagage
die Dekolletee-Etage!
www.wolfgang-reuter.com, 08. 10. 2006
Indessen habe ich ein Lied daraus gemacht. Auf meiner Homepage kann man es anhören unter "Hörproben", Nr. 03!