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5 Seiten

The Restless Heart

Trauriges · Kurzgeschichten
Es regnete noch immer in Strömen, aber wenigstens hatte der Wind abgenommen. Der Sturm hatte Ian mitten auf dem Atlantik erwischt. Er konnte nur erahnen er sich gerade befand. Vorsichtig setzte er das Hauptsegel und liess sich mitziehen. Nach einer Stunde riss die Wolkendecke auf. Er brauchte seine Position nicht zu bestimmen, denn direkt vor ihm tauchte Land auf. Er spähte durch sein Fernglas. Die Küste kam ihm seltsam bekannt vor und er brauchte nicht ein zweites Mal durch das Glas sehen. Er war sich ganz sicher, es war die irische Küste.
"Nach sechs Jahren muss mich dieser verdammte Sturm ausgerechnet hierhin verschlagen!, schimmpfte er in den Wind. Widerwillig setzte Ian Kurs auf den nächsten Hafen.
"Machen wir halt das beste drauss!", munterte er sich selbst auf. "Vielleicht lebt ja Sean noch. Könnte mich mal wieder bei ihm melden," dachte er und fuhr in den nächsten Hafen ein.

***

Es war noch keine zwölf Uhr Mittags als in einer kleinen Dreizimmer-Dachgeschosswohnung in Belfast das Telefon klingelte.
"O'Donnell!" meldete sich eine junge Frauenstimme.
"Ist Sean Miller zu sprechen?"
"Wer ist da?" fragte sie.
"Sagen Sie Sean, dass Ian McCray ihn sprechen möchte!"
"Wie war das? Ian McCray?"
"Ja." Ian konnte hören, wie der Frau der Hörer fast entrissen wurde.
"Ian, bist du's wirklich?" ertönte nun ein weicher Bariton durch den Hörer.
"Höchstpersönlich."
Sean warf den Kopf nach hinten und lachte laut auf.
"Ey, das gibt's doch nicht! Ian, du Verbrecher, wo hast du die letzten sechs Jahre gesteckt, Mensch?"
"Naja, halt überall und nirgends. Wo man halt so hinkommt mit einem zusammengebasteltem Segler."
"Naja, solange du mit deinem Self-made-Boot nicht untergehst." Sean musste schon wieder lachen. "Wo bist du eigentlich?"
"Du wirst es nicht für möglich halten. Mich hat es nach Irland verschlagen. Ich bin vor zwei Tagen in den Hafen von Bundoran eingelaufen."
"Ich hätte nicht gedacht, dass du dich nochmal freiwillig auf irischen Boden wagen würdest," sagte Sean mit ernster Stimme.
"Mir blieb nichts anderes übrig, nachdem ich in einen Sturm geraten bin. Ich muss etliche Reparaturen machen!" antwortete Ian ebenso ernst. "Bist du mir etwa immer noch sauer?"
"Ich nicht, mein Freund. Ich nicht...!" Sean machte eine kurze Pause, schliesslich sagte er: "Ich werde versuchen, dir Hilfe zukommen zu lassen. Ich würde ja gerne selbst kommen, aber..."
"Hilfe? Warum? Hier an der Westküste kennt mich niemand. Von dem selbst bei mir auftauchen würde ich dir allerdings stark abraten. Nachdem, was ich schon alles über dich gehört habe. Da ist es richtig seltsam, nein, eher erschreckend, dass ich deine Nummer gefunden habe!"
"Das ist es allerdings wirklich. Von wo aus rufst du denn an?" In Sean's Stimme schwang nun kaum merklich misstrauisch. Aber das war er schon immer. Vermutlich einer der Hauptpunkte, weswegen er noch am Leben war.
"Telefonzelle am Hafen. Und die Nummer habe ich von der Auskunft. War gar nicht so einfach. Ich habe mich da an eine Geschichte erinnert, die du mir mal vor Jahren erzählt hast. Mit der entfernten Familie und deinem Bruder!"
Ein plötzliches Rückkopplungspiepen liess Ian verwundert innehalten und auf den Hörer schauen. Schnell kam ihm ein unguter Gedanke. Er hoffte, dass sich Sean an den alten Trick erinnerte, wie sie in ihrer Jugend Sean's Schwester in die Irre geführt hatten:
"Sean, lass uns unten am Fluss treffen. Ich muss mit dir reden, aber nicht hier am Telefon. Nachher könnten wir ja noch bei Paipe vorbeischauen!" Ian betete im Stillen, dass er ihn verstehen würde.
Und Sean verstand sofort, bestätigte das Treffen und knallte den Hörer auf die Gabel.
Verdammte Scheisse, dachte er und wandte sich zum kleinen Dachfenster. Ganz vorsichtig spähte er hinaus, sah aber nichts auffälliges.
Erschrocken fuhr er zusammen, als Aishleen ihre Arme von hinten um ihn schlang.
"Was hast du? Was hat dieser Typ dir erzählt? Du bist ja total nervös!" fragte sie ihn mit sanfter Stimme.
"Erzählt? Eigentlich nichts. Alter Freund von mir." Wieder warf er einen Blick auf die Strasse.
Aishleen liess von ihm ab und ging in die Küche, wo Sean's Sohn Connor am Tisch sass und sich über eine Schüssel Müsli hermachte. Sie setzte sich zu ihm und fing an nervös in einer Zeitung zu blättern. Es verging eine Weile. Sean hatte inzwischen seinen Platz am Fenster verlassen und war ins Wohnzimmer gegangen.
Aishleen fuhr erschrocken hoch,als das Telefon erneut klingelte. Sie war eher als Sean am Apparat und meldete sich: "... O'Donnell!"
"McCray nochmal. Sagen Sie Sean, ich bin um halb sechs morgen früh am Treffpunkt. Er weiss Bescheid!"
"Ich richte es ihm aus," erwiderte sie mit unsicherer Stimme und legte auf.
Sean stand in der Tür zum Wohnzimmer. "Wer war das?"
"McCray! Er sagt, er wäre morgen früh um halb sechs am Treffpunkt?!"
"Es ist das Beste!" meinte Sean halblaut und drehte sich um.
"Was ist das Beste?" Aishleen jagte ihm hinter ihm her. Er antwortete nicht sofort, sondern kramte in einer Schublade.
"Antworte mir gefälligst, Sean Miller!" Aishleen baute sich vor ihm auf.
"Geh zu Sarah und frage sie, ob sie sich bis morgen früh um Connor kümmern kann." Auf einen Zettel schrieb er: >>Packe ein paar Sachen. Nur soviel, dass es nicht auffällt. Sie haben uns gefunden. Sarah soll Connor morgen um fünf zur Brücke bei Steven's Haus bringen. Wir verschwinden aus Belfast.<<
Verängstigt schaute sie zum ihm auf. Tonlos formten ihre Lippen die Worte: "Und Sarah?"
"Sie kann nicht mitkommen. Es wird so schon schwierig genug werden, mit drei Leuten zu verschwinden."
"Wie bitte?!" fuhr sie ihn aggressiv an. Tränen stiegen ihr in die Augen.
"Du willst sie doch nicht wirklich zurücklassen?"
"Sie ist alt genug, ist lange genug bei uns und hat genug Erfahrung gesammelt. Sie wird es auch allein schaffen. Besser, als mit uns."
Sean hatte sich von Aishleen abgewendet, sonst hätte sie bemerkt, dass er sich insgeheim auch Sorgen machte. "Ausserdem werden wir Nordirland für eine ganze Zeit verlassen!"
Aishleen verschränkte die Arme vor der Brust und schaute trotzig zu ihm auf.
"Ich werde bei ihr bleiben, Sean!"
"Das wirst du nicht! Ich will dich und Connor hier raushaben. Verdammt nochmal. Ich weiss nicht, wie sie es geschafft haben, aber sie haben uns gefunden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie hier vor unserer Tür stehen. Jetzt sei nicht so stur, Mädchen!" In Seans Augen blitze es gefährlich auf.
"Sie ist meine Schwester, verdammt!" Aishleen schrie jetzt fast.
"Weisst du eigentlich, was du da von mir verlangst?" Tränen liefen ihr die Wangen runter.
"Ich weiss wer sie ist. Aishleen bleib hier!" Aishleen wollte aus dem Raum laufen, doch Sean hielt sie fest. "Verstehe doch. Je weniger wir sind, um so leichter ist es zu verschwinden. Aishleen, hör auf." Seine Stimme wurde einfühlsamer, ja fast kläglich, als er sie in seine Arme zog. "Du weisst genau, dass ich es nicht sehen kann, wenn du weinst."
Ich kann sie nicht hierlassen, Sean," schluchzte sie und drückte ihr Gesicht gegen seine Brust.
"Sie ist nicht wie ich. Sie ist keine Kämpferin und wird auch nie eine sein. Aber weisst du, das ist auch gut so."
Plötzlich wandte sie sich aprupt von ihm ab.
"Wer ist dieser McCray?" fragte sie ihn mit erstaunlich fester, entschlossener Stimme.
"Ein alter Bekannter!" Sean wollte auf das Thema McCray nicht weiter eingehen.
Aishleen blieb jedoch hartnäckig. Und wieder einmal musste der gefürchtete, knallharte Terrorist, der jungen rothaarigen Studentin klein beigeben.
"Er ist ein alter Freund aus Schottland."
"Woher weisst du, dass du ihm vertrauen kannst? Vielleicht hat er ja..."
"Nein, niemals!" unterbrach er sie barsch. "Er wäre genauso in Gefahr wie wir jetzt. Nein," verbesserte er sich mit gedämpfter Stimme, "er ist in Gefahr."
Doch Aishleen blieb stur.
"Trotzdem ist es seine Schuld. Wenn er dich nicht angerufen hätte, dann müssten wir jetzt nicht fliehen."
Sean wurde allmählich wütend.
"Das ist doch totaler Mist, Mädchen. Es war doch nur eine Frage der Zeit. Nein, wir müssen McCray dankbar sein. So wurden wir noch frühzeitig gewarnt. Und jetzt will ich keinen Ton mehr darüber hören, verstanden?"
Sie nickte schliesslich und ging zurück zu Connor in die Küche.
Der Junge sass mit tränennassen Wangen am Tisch und schaute niedergeschlagen auf die halbleere Müslischale vor sich.
"Warum müssen wir denn hier weg?" fragte er fast unhörbar.
Aishleen schob den Stuhl beiseite und hockte sich neben den Jungen auf den Boden.
"Damit uns die Polizei nicht findet, Schätzchen!"
Trotz seiner 4 Jahre verstand der Junge sehr gut, worum es ging. Und es war auch nicht seine erste Flucht.
"Muss Tante Sarah wirklich hierbleiben?"
"Nein, Connor."
Connor sah sie ängstlich mit grossen Augen an. "Aber Dad..."
Aishleen legte ihren Finger auf seine kleinen Lippen.
"Daddy hat das nicht so gemeint, Connor!"
Seine kleinen Armen schlangen sich um ihren Hals und sie drückte das Kind liebevoll an sich.
Aus den Augenwinkel konnte sie beobachten, wie Sean die kleine Sporttasche aus einem Bodenverschlag des Badezimmers herausnahm und ihm Schlafzimmer verschwand.
Sie nahm Connor bei der Hand und ging mit ihm ins Kinderzimmer um eilig ein paar Sachen zu packen.
Connor warf einen sehnsüchtigen Blick auf seine Spielsachen, doch Aishleen schüttelte nur den Kopf.
"Tut mir leid, Honey, aber dafür ist kein Platz."
Erneut schimmerten seine Augen feucht und wehmütig drückte er seinen Teddy an sich.
Sie fuhr ihm zärtlich mit der Hand durch sein kurzes blondes Haar.
"Na schön, Sid kann mitkommen, ok? Aber dafür müsst ihr zwei jetzt beim Packen mithelfen."


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Kommentare  

Ein sehr spannender und guter Anfang. Wenn dies die ersten Seiten eines Buch wären, hätte ich weiter gelesen. Nur schade, dass du nicht weiter geschrieben hast. Ich hätte zu gern gewusst wie die Story in deinem Kopf zuende geht (oder überhaupt weiter). Das write-on ist nicht das Richtige für diese Geschichte.

Julia (16.03.2002)

Ein sehr spannender und guter Anfang. Wenn dies die ersten Seiten eines Buch wären, hätte ich weiter gelesen. Nur schade, dass du nicht weiter geschrieben hast. Ich hätte zu gern gewusst wie die Story in deinem Kopf zuende geht (oder überhaupt weiter). Das write-on ist nicht das Richtige für diese Geschichte.

Julia (16.03.2002)

Oh Nene! Da kann ich nur sagen: "Nee! Nee!" Warum lieferst du so fantastischen Intros und hörst dann auf? Lässt zu, dass vielleicht irgendein dämlicher Troll darüber herfällt und alles kaputt macht?
Schreib doch weiter, Lady! Du kannst es doch! Das sieht man ja!
Diese Write-On-Geschichten gehen mir nun mal nicht ab! Ich will deine Schreibe komplett! Jammer!!!


Stefan Steinmetz (04.01.2002)

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