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Oppas Uhr

Kurzgeschichten · Erinnerungen
© Waldkind
Fast jeden Tag trage ich sie.
Oppas alte Uhr.
Er braucht die nicht mehr.
Dem Glücklichen schlägt keine Stunde, sagt man.
Vor einigen Monaten ließ ich eine Batterie einsetzen,
in Oppas Uhr, und ein neues Armband bekam sie auch.
Es muss für sie ein neuer Lebenshauch gewesen sein.
Ich kratzte dunkle Ablagerungen von Oppa aus den Ritzen der Uhr,
die jetzt meine ist.
Danach zog ich sie an.
Zum ersten Mal.
Ich trage sie und Oppa immer bei mir, ohne permanent an ihn oder die Uhr zu denken.
Jetzt denke ich mit der Uhr in der offenen Hand an ihn und seine Hände.
Die waren groß und stark gewesen,
auch weich, weil gepflegt.
Viel anpacken und leisten hatten sie müssen.
Der Uhr sieht man das nicht an.
Sie ist sogar von Guess?.
Oppa war einfach aber immer auch chick gewesen.
Ich sehe ihn gerade lächeln.
Ich habe seine vollen Lippen geerbt.
Auf alten Fotos sah er manchmal aus wie der Saturday Night Fever John Travolta.
Ich liebte ihn.
An das Geräusch, den Geruch und das Aussehen seiner schwarzen Lederjacke, die er immer anzog, wenn er zur Nachtschicht musste, erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre.
Wenn er die angezogen hatte
und den Tragegurt seiner Tasche über die Schulter hob,
sagte er: "Bis morgen."
und ging.
Seine letzten Worte,
die er zu einer seiner Töchter sagte, waren: "Macht euch um mich nicht so viele Gedanken."
Ich weiß nicht, ob er nach diesen Worten überhaupt noch etwas sagte.
Kurz nach diesen sagte er auf jeden Fall nicht mehr "Bis morgen" und ging trotzdem.
 
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