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9 Seiten

Mortal Sin Frühjahr 2005- High-Life

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Sucht gibt gerne anderen die Schuld.
- Raymond Walden


Ein blechernes Husten brach explosionsartig aus ihm heraus, was seinen Brustkorb nach seinem Gefühl zerberstete. Dumpfe Schmerzen spülten wie Wellen durch seinen Körper und ließen es in seinen Fingerspitzen kribbeln, als säßen unter seine Haut unzählige Insekten, die ihn von innen auffraßen.
Navarro Emanuel Garcìa Henstridge wurde fast wahnsinnig. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle jeden einzelnen Finger mit Gewalt abgerissen, nur, um endlich Frieden zu finden. Gereizt und angespannt sank er in den wuchtigen ledernen Sessel, in dem sein Vater Antonio jeden Abend seine Feierabende verbracht hatte, bis zu dem Tag, als er bei der Arbeit am Fließband irgendeiner Fabrik einen Schlaganfall erlitten und gestorben war. Der zähe, kernige und stolze Latino, mit dem breiten Kreuz eines Stieres und dem unverbesserlichen Willen irgendwann ein besseres Leben zu führen, war schwach und still dahingegangen.
Seine Mutter Gabrielle hatte nach seinem plötzlichen Tod geheult wie ein Schlosshund und ihm unter Tränen dieses „Schmuckstück“ als Andenken an seinen Vater überlassen. Dieser Sessel war wohl das Kostbarste, was sie ihm hatte geben können, denn die paar lausigen Mäuse, die er sein Erbe schimpfte, waren lächerlich und nicht der Rede wert. Sein Vater hatte wie ein Gaul geschuftet und nichts als körperliche Beschwerden, miese Arbeitsbedienungen und schlechte Bezahlung dafür bekommen.
Wenn er seinen eigenen Lebensweg betrachtete, hatte er es, im Gegensatz zu seinem Vater, in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu etwas gebracht. Er hatte einen Job, bei dem er respektiert und angesehen war und für den er kräftig entlohnt wurde. Somit hatte sich in den vergangenen Jahren ein beträchtliches Vermögen angesammelt, das ihm luxuriöse Lebensstandards ermöglichte, die er sich allerdings nicht gönnte, denn der Kolumbianer war genügsam und brauchte nur wenig, um zufrieden zu sein. Diese Einstellung seines Vaters hatte er verinnerlicht und danach lebte er.
Navarros Gedanken befanden sich in der Vergangenheit, sein Körper in der Gegenwart. Zu dem unerträglichen Kribbeln hatte sich mittlerweile ein dröhnender Schädel gesellt. Mürrisch kräuselten sich seine Lippen; seine dichten, dunklen Augenbrauen schoben sich zu einem Balken zusammen.
In dem Wohnzimmer, mit der niedrigen Decke und den kleinen Fenstern, war es stickig und brühend heiß. Es lagen Nebelschwaden in der Luft, die von dem Gras stammten, das hier in den vergangenen vier Stunden fleißig inhaliert worden war. Wie Vögel aus Rauch und Schatten zogen sie bedrohlich ihre Kreise, jeden Moment bereit sich auf ihn zu stürzen und mit ihren scharfen Schnäbeln seine kupferbraune Haut zu zerfetzen. Aus diesem Grund folgten seine, tief in den Höhlen liegenden, braunen Augen misstrauisch und aufmerksam diesen schaurigen Wesen. Er wollte bereit sein, falls sie ihn angriffen. Oh ja, er würde sie fertig machen; ihnen die Gehirne herausquetschen und die Hälse umdrehen. Niemand bekam Navarro Henstridge in die Finger. Er war derjenige, vor dem man sich fürchtete, der quälte und tötete…
Die typischen Symptome der Paranoia und des Verfolgungswahns erschienen als Ergebnis seines Drogenkonsums. Doch dies war noch nicht alles. Er schwankte stetig zwischen Gefühlsextremen, sodass seit geraumer Zeit eine brodelnde Unruhe in ihm herrschte. Mal war er traurig, mal himmelhoch jauchzend und dann wiederum hatte er panische Angst. Statt sich also besser zu fühlen, strengten ihn die Auswirkungen der eingenommenen Halluzinogene unglaublich an. Wie hält sie das bloß dauerhaft aus?
Wie mechanisch drehte sich sein Kopf zu seiner Besucherin, die sich verträumt und schwerelos durch den Raum bewegte, während er im Sessel hockte und sich tonnenschwer und elend fühlte. Sie ist das gewöhnt, weil sie alles raucht und schluckt, was ihr zwischen die Finger kommt. Ihr ausgemergelter Körper besteht bloß aus Hasch, Koks und Pillen, da kann ich einfach nicht mithalten.
V war glücklich und unbeschwert, wenn sie in seiner Wohnung war. Hier bekam sie alles, was sie brauchte: Nahrung, eine warme Dusche, einen weichen Schlafplatz und natürlich ihre heißgeliebten Pillen, ohne deren regelmäßigem Nachschub sie vermutlich schon längst das Weite gesucht hätte. Navarro war realistisch und machte sich nicht vor, dass dieses Mädchen Zeit mit ihm verbrachte, weil es ihn von Herzen mochte. Das war vermutlich der Grund mit dem wenigsten Wert für sie. Es zählte ausschließlich, dass er sie kostenlos mit Drogen versorgte, dafür würde sie ihm überallhin folgen.
Dem Langhaarigen machte ihre Denkweise nicht viel aus. Solange er sich um sie kümmern und wie ein Bruder für sie sein durfte, hatte er alles, was er brauchte. V versetzte ihn jedes Mal in eine ganz andere Welt. Sie war sein Ausgleich für seinen harten Alltag, der geprägt war von Einsamkeit, Gewalt und Monotonie. Dass sie an ihrem Treffpunkt auf ihn wartete; dass er sie vom Strich und den Gefahren der Straße fernhalten konnte, gab ihm das Gefühl ein wichtiger Teil ihres Lebens zu sein, auch wenn sie dies vielleicht anders sah.
Pausenlos hing sein Blick an dem dunkelblonden Mädchen, das sich ihm näherte. Ihre helle, an den Knien zerrissene Jeans schlabberte an ihren Storchenbeinen. Das weiße Top war ebenfalls viel zu groß und zeigte eine bunte Mischung von verschiedenartigen Flecken.
Ihr Weg zu ihm führte sie vorbei an leeren Bierdosen, ungewaschener Klamotten und anderen Dingen, die er im Laufe der Woche achtlos auf den Boden geworfen hatte. Navarro Henstridge war nun mal kein Mensch, der seine Wohnung putzte und aufräumte, da er sich sowieso kaum in seinen vier Wänden aufhielt. Wenn er nicht gerade beruflich unterwegs war, dann vertrieb er sich lieber die Zeit auf Saint Berkaines Straßen, wo er sich freier fühlte, als nirgendwo sonst.
Bereits seit seiner Kindheit zog es ihn hinaus in die Welt. Lieber hatte er seine Umgebung erkundet, statt zu Hause vor der Glotze zu hocken und sich berieseln zu lassen. Draußen, in der Realität, lernte man viel mehr. Damals, als seine Eltern mit ihm von Medellìn nach New Jersey gezogen waren, hatte er den Großteil der englischen Sprache draußen, in der Nachbarschaft gehört. Die vielen fremdartigen Worte waren um seinen Kopf umhergeschwirrt, wie abertausende Fliegen. Die Münder seiner Mitmenschen hatten sich bewegt, aber nichts hatte für ihn einen Sinn ergeben. Wochen, sogar Monate waren vergangen, in denen er die Ohren gespitzt und gelernt hatte. Verdammt, wie viel er in dieser Zeit gelernt hatte! Doch seine grenzenlosen Bemühungen hatten sich nicht wirklich ausgezahlt. In der Schule war er der Außenseiter und Versager geblieben, sowohl für seine Mitschüler, als auch für seine Lehrer. Trotz seiner verbesserten Aussprache und der Vergrößerung seines Vokabulars war er in ihren Augen weiterhin der Ausländer; der Fremde, mit dem niemand etwas zu tun haben wollte und dem man nichts zutraute. Wenn sie ihn nur jetzt sehen könnten…
V riss ihn aus seinen Gedanken, als sie bei ihm ankam und über beide Ohren strahlte. Ihre Pupillen waren unnatürlich groß. Sie ähnelten zwei Vollmonden, die hoch am Nachthimmel standen.
„Na komm, Nav, steh auf.“ Lachend schnappte sie sich sein rechtes Handgelenk und zog gespielt an seinem Arm. „Sei nicht so langweilig und tanz mit mir“, animierte sie ihn.
„Wir haben keine Musik“, grunzte er eine banale, abgedroschene Ausrede, warum er nicht aufstehen wollte.
„Das ist doch egal“, winkte sie ab und zerrte immer noch nervtötend an ihm herum, wie ein quengelndes Kind. „Scheiß auf die Musik! Mach dich mal locker und komm her!“ Ihre hohe Stimme quietschte in Frequenzen, die seine Ohren quälten.
Navarro wurde klar, dass er aus der Sache nicht herauskam. Wenn V sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, vor allem, wenn sie auf einem Trip war, dann gab es kein Entkommen. Seufzend ergab er sich also seinem Schicksal, das unausweichlich war. Steif und mühsam drückte er sich aus dem Sessel, ihre Hand umschloss unverändert sein Handgelenk, als habe sie Angst, dass er ihr davonlief.
Kaum stand er vor ihr, da kreiste sie übertrieben mit ihren unweiblichen Hüften. Es sollte wohl verführerisch und sexy sein, zumindest schloss er dies aus ihrem fordernden Blick und dem übertriebenen Befeuchten ihrer Lippen. Navarro Henstridge war nicht im Stande sich zu bewegen, so sehr irritierte ihn V´s Anblick und merkwürdiges Verhalten. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Seine Besucherin tanzte indes besonnen weiter und störte sich nicht an seiner eingesetzten Starre.
Wild warf sie ihren Kopf von der einen zur anderen Seite, sodass ihr langes Haar durch die Luft peitschte. Die Euphorie hatte sie fest in der Hand und ließ sie in ungeahnten Sphären schweben, die ihm verborgen blieben.
Die nächsten Minuten krochen dahin wie Stunden. Navarro Henstridges schlammbraune Augen hingen an V, als könnten sie nicht anders. Die Hektik ihrer Bewegungen nahm zu, sodass es schien, als verdoppelte sie sich. Diese visuelle Täuschung schob er auf die Drogen, die seinen Körper überschwemmten und Besitz von ihm ergriffen. Sie rissen die Macht an sich und pfuschten in seinem Hirn herum; betrogen und verwirrten ihn. Er konnte sich selbst und seinen Sinnen nicht trauen, zumindest, solange er noch high war. Seine Besucherin summte ein Lied vor sich hin, dessen Melodie ihm völlig unbekannt war. Es klang wie ein Schlaflied, das Navarros Lider sanft, aber bestimmt, niederdrückte. Seine Schultern wurden unter der Müdigkeit schwer und sackten hinab, seine Beine wankten, wie die eines Betrunkenen…
„Fick mich!“, riss ihre rauchige Stimme ihn brutal aus dem Dämmerschlaf. Seine Augen öffneten sich. Mit ihrer Forderung schlug V plötzlich einen ganz ungewohnten Weg ein. Seit ihrer ersten Begegnung auf dem Strich hatte sie nie wieder Sex zum Thema gemacht.
„Was?“, entfuhr es ihm daher harsch, weil er nicht glauben konnte, was er da aus ihrem Mund hörte. Verzweifelt und ohne, dass er reagieren konnte, warf sie sich ihm kurzerhand vor die Füße, wo sie am ganzen Körper zitternd und mit tränenfeuchten Augen zu ihm hoch schaute. Dem traumhaften Hoch folgte das grausame Tief, blitzschnell und gnadenlos.
„Fick mich, Nav, bitte!“, flehte sie ihn heulend an und krallte sich mit ihren brüchigen und viel zu langen Fingernägeln in seinen Waden fest. Erbärmlich schluchzend und wimmernd, wie ein Häufchen Elend, saß sie da und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Ihre schmächtigen Schultern zuckten heftig, Strähnen ihres dunkelblonden Haares klebten in ihrem erhitzten Gesicht.
„Scheiße, was ist los mit dir, V?“, fuhr er sie wutentbrannt an, während er versuchte sie abzuschütteln, doch sie blieb hartnäckig und bohrte ihre Nägel immer tiefer in seine Muskeln hinein. Es war wie tausend Nadelstiche, die ihn peinigten.
„Warum redest du so mit mir, Nav? Warum willst du mich nicht?“, jammerte sie ihm weiter die Ohren voll und ignorierte einfach seine Frage. „Bin ich nicht hübsch genug? Ist es das?“ Ihr vorwurfsvoller und leidender Blick erschütterte ihn bis ins Mark. V nervte ihn, ja, aber er wollte nicht, dass sie sich minderwertig oder schlecht fühlte, also beschloss er zu intervenieren, bevor sie endgültig in ihrem schwarzen Loch verschwand.
Der Langhaarige packte sie roh unter den Armen, zog ihren federleichten Körper in die Höhe und stellte sie auf ihre Füße. Auf ihren eingefallenen Wangen zeigten sich schwarze Schlieren ihrer verlaufenen Wimperntusche und unregelmäßige, rote Flecken. Verdutzt glotzte sie ihn aus großen Augen an und war endlich einmal still.
„Es hat nichts mit deinem Aussehen zu tun, dass ich dich nicht ficken will“, machte er ihr ausdrücklich klar. „Du bist für mich wie eine Schwester, V. Ich kümmere mich um dich und bin da, wenn du mich brauchst. An Sex habe ich kein Interesse.“ Seine Erklärung baute sie nicht auf, wie von ihm gehofft, sondern kränkte sie. Empört blähte sie die Nasenflügel und ballte die Hände zu Fäusten.
„Das ist ja noch schlimmer! Ich könnte eher damit leben, wenn du mich hässlich finden würdest, als eine kleine Schwester in deinen Augen zu sein“, spie sie ihm angewidert ins Gesicht. „Ich bin genauso heiß und geil, wie die aufgetakelten Luxus-Tussis da draußen, denen du in den Clubs hinterher guckst, wie all die anderen Kerle.“ V´s Wut schlug ihm mit voller Wucht entgegen und machte ihn sprachlos. Navarro hatte keine Ahnung, dass sie ihn beobachtete; dass sie ihn im Auge hatte, wenn sie Party machten. War sie etwa eifersüchtig, wenn er andere Frauen ansah? Hatte sie sich vielleicht in ihn verknallt? Der letzte Gedanke erschreckte ihn, denn daran hatte er bisher nie gedacht. War er tatsächlich so blind gewesen? Hatte er V´s Gefühle für ihn die ganze Zeit anders gedeutet?
Fragen über Fragen schlugen in seinem Kopf ein, wie eine Bombe. Die passenden Antworten ließen jedoch auf sich warten, was ihn zu einem verunsicherten, überforderten Mann machte.
„Ich werde es dir beweisen, Nav“, kündigte sie entschlossen an, ehe sie hart und aggressiv ihre spröden Lippen auf seine presste. Sie wollte ihm beweisen, wie attraktiv und verführerisch sie sein konnte, aber bei ihm löste dieser Kuss nichts aus. Es veränderte sein denken und fühlen nicht. V war ein unerfahrenes, unsicheres Kind mit vielen Problemen, die es alleine nicht lösen konnte. Dafür war Navarro an ihrer Seite, nicht, um sie zu ficken.
Der Kuss endete in dem Moment, als V seine Kühle bemerkte. Er erwiderte ihren Kuss nicht; zog sie nicht in seine Arme oder zeigte ihr auf sonstige Weise seine Zuneigung. Sie trat einen Schritt zurück und verfiel in Bewegungslosigkeit. Ihren Gesichtsausdruck wusste er nicht genau zu deuten, denn er entdeckte neben Trauer, Zorn und verletztem Stolz eine Vielzahl an weiteren Emotionen, die ihn überforderten. Navarro Henstridge war noch nie der Experte für das Innenleben seiner Mitmenschen gewesen, was ihm nun wieder deutlich vor Augen geführt wurde.
„Was ist dein Problem?“, brach sie die unangenehme Stille und hatte sich dazu entschieden den Zorn zum Anführer ihrer Stimmung zu machen. „Bin ich nicht gut genug? Oder willst du mich erst ficken, damit zu kapierst, was du an mir hast?“ V war auf Krawall gebürstet und wollte ihn mit allen Mitteln provozieren. Er war zu erwachsen für das künstliche Drama und ihre Hysterie. Seine, von ihrem aufgedrückten Kuss, geschwollenen Lippen breiteten sich zu einem düsteren Schmunzeln aus.
„Du wirst meine Meinung nicht ändern, wenn ich dich ficke, V“, meinte er altklug.
„Doch, das werde ich“, widersprach sie hitzig, bevor sie überschwänglich ihre Arme um seinen Nacken schlang und ihn fast von den Füßen riss.
„Und du wirst es nicht bereuen, Nav.“ Hellauf begeistert funkelten ihre sonst trostlosen Augen. „Ich bin von so vielen Typen gefickt werden, da kann ich doch nur gut sein, oder?“, war ihre verquere Logik, über die er bloß ungläubig den Kopf schüttelte.
„Du redest Bullshit, V. Es sind die Drogen, die da aus dir sprechen.“
„Nein“, giftete sie und zog beleidigt eine Schnute. „Schieb nicht immer alles auf die Drogen.“
„Die Drogen machen dich kaputt. Nein, sie haben dich schon kaputt gemacht und warten nur noch darauf dich zu töten.“ Sein Tonfall war streng und düster, was ihr nicht passte, denn er war im Begriff ihr ihre größte Liebe, die Drogen, auszureden, und damit ging er eindeutig zu weit. Als hätte jemand einen Schalter bei ihr umgelegt, begann sie wie ein Hurrikan zu wüten, der alles um sich herum zerstörte und ins Verderben riss.
Missmutig und entnervt umklammerte er sie und drückte sie rabiat an sich. Ihm gefiel es gar nicht, dass er seine wertvollen Kräfte verschwenden musste. Diese benötigt er nämlich für seinen anstrengenden Job und nicht dafür, ein hageres, zickiges Junkie-Mädchen im Zaum zu halten, das die Kontrolle verlor.
„VERENA!“, nannte er sie bewusst bei ihrem vollen Namen, weil er wusste, dass dies sie wachrütteln würde. Tatsächlich fror sie jäh in ihrer Bewegung ein, doch statt sich zu beruhigen, drehte sie nun völlig durch. Wie eine Furie schlug und trat sie um sich, animalische und wilde Laute krochen aus ihrer Kehle. Sie war eine Bestie, die er entfesselt hatte, also war es an ihm, sie wieder einzusperren.
„Verdammt, hör endlich auf!“ Erzürnt schnaubend schlug er einen Arm um ihre Taille und hob sie mit Leichtigkeit hoch. V strampelte mit den Beinen, panisch und unkontrolliert. Am laufenden Band schimpfte und fluchte sie und wand sich in seinem Griff wie ein glitschiger Fisch in einem Netz. Navarro überging ihre Hasstiraden und pfiff geschäftig ein Lied, als er sie vom Wohnzimmer in das angrenzende Schlafzimmer trug und sie dort auf sein Bett beförderte. Eine Matratzenfeder quietschte laut, als wolle sie sich über diese grobe Behandlung beschweren. Kaum hatte er seine Hände von ihr gelassen, begann das Spiel der Blondine von vorne. Unkoordiniert streckte sie die Arme und Beine von sich, die Finger waren zu Klauen gebogen.
Der Kolumbianer stand ungerührt am Fußende des Bettes und schenkte ihr zwei Minuten, in denen sie ihre Wut pausenlos herausschrie. Dann war ihre, von ihm gesetzte, Galgenfrist vorüber. Mit den Knien stieg er auf die Matratze und gab sich ein paar Sekunden, um auszuloten, wie er sie am effektivsten und schnellsten zur Ruhe bringen sollte. In Navarros Kopf zeichnete sich ein Plan ab, dessen Umsetzung es genaustens zu befolgen galt, wenn er erfolgreich sein wollte. Er holte einmal tief Luft, ehe er geübt ihre Fußknöchel in der Luft umfasste, gewaltsam ihre Beine herunterdrückte und sich auf sie setzte. Die erste Hürde war gebannt! Sein Gewicht lastete nun auf ihrem Unterleib, was ihre Beine in ihrer Bewegung stark einschränkte. V kreischte auf und konzentrierte sich ausschließlich darauf ihn mit Schlägen zu verletzen. Navarro wollte nun auch ihre Arme stoppen, doch es gelang ihm nicht auf Anhieb ihre Handgelenke zu fassen zu bekommen. Ihr entging sein Versagen nicht, was sie eiskalt ausnutzte. Mit ihren spitzen, krallenähnlichen Fingernägeln kratzte sie ihm die Unterarme blutig und hinterließ brennende Spuren des Hasses.
„Verfickte Scheiße“, wetterte er, während er erneut nach ihren Handgelenken griff. Und dieses Mal hatte er Erfolg. Gnadenlos drückte er ihre Arme über ihren Kopf herunter und ließ sie seine Muskelkraft spüren. Der Killer zerquetschte ihr beinahe die Gelenke, die unheilvoll knackten. V wand sich rastlos unter ihm und schrie wie am Spieß. Kalter Schweiß haftete auf ihrer Stirn, als habe sie hohes Fieber. Dazu passten ihre glasigen Augen, die durch ihn hindurch sahen, wie durch einen Geist. Sie befand sich nicht mehr in seinem Schlafzimmer. Sie war in ihrer ganz eigenen Welt, in der er nicht existierte.
„Komm zu dir, V! Verdammt, komm zu dir!“ Ohne nachzudenken, ohrfeigte er sie, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Es sah keine andere Möglichkeit, als hart durchzugreifen. Sie in ihrem Drogenrausch in Watte zu packen, hatte noch nie geholfen. Der Schlag ins Gesicht beförderte sie zurück in seine Wohnung; zurück in die aktuelle Szenerie, die von Gewalt, Blutgestank und Hitze geprägt war.
Navarro schwirrte der Kopf und er war selbst im Begriff abzudriften, doch er fing sich und kämpfte gegen die Schwächen seines Körpers. Er war ein starker Mann; ein Auftragskiller, da musste schon mehr kommen, als ein paar Drogen und ein durchgeknalltes Mädchen.
„Willst du dich jetzt beruhigen, ja?“, kam es gereizt und wüst über seine Lippen. Seine Grenze des Erträglichen war heute definitiv überschritten worden, wenn nicht sogar zertrampelt.
Nach ihrem verbalen und physischen Ausbruch, hatten sie ihre Kräfte verlassen, sodass sie nicht in der Lage war mit ihm zu sprechen oder sich zu bewegen. Die Anspannung hatte sie verlassen und nichts als Erschöpfung zurückgelassen. Er wagte es die Griffe um ihre Handgelenke zu lösen und ihr Gesicht in seine rauen Hände zu nehmen. Ihre Haut war klebrig, feucht und heiß.
„Rede mit mir, Verena.“ Dieses Mal nannte er ihren Vornamen aus Sorge, nicht aus Verzweiflung. Ihre Reaktion verblüffte ihn, denn V lächelte. Es war ein warmes, aufrichtiges Lächeln, das ihm ans Herz ging, denn viel zu selten bekam er es zu Gesicht. In diesem Moment tat ihm die Ohrfeige aufrichtig leid und er schämte sich für seine Zügellosigkeit.
„Du bist hier, bei mir, Nav“, flüsterte sie verträumt und zusammenhanglos, aber das interessierte ihn nicht. V war glücklich und war froh, dass er bei ihr war. Das war das Einzige, was für ihn zählte.
 
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