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11 Seiten

Mortal Sin Herbst 2006- Collateral Damage

Romane/Serien · Spannendes
© JoHo24
Eine schöne Frau ist eine schöne Frau, aber eine schöne Frau mit einem scharfen Verstand ist eine absolut tödliche Kombination.

- Prabal Gurung


Heute war nicht sein Tag.
Seine Stimmung war gedrückt und beschissen, sowie das Wetter, das sich über seinem Kopf zu einem Gewitter zusammenbraute. Die dichten schweren Wolken passten zu dem beklemmenden Gefühl, das ihn seit dem Morgen gefangen hielt und daran hinderte durchzuatmen.
Es schien, als läge ein tonnenschweres Gewicht auf seinem Brustkorb und quetsche seine Lunge. Leider hatte bisher nichts geholfen es loszuwerden, weder seine tägliche Dosis an Schmerzmitteln noch das Marihuana, das er sich hin und wieder gönnte.
Daniel „Danny“ Carmichael verzweifelte zunehmend an seinem elenden Zustand. Was zur Hölle war los mit ihm? Aus welchem Grund spürte er diese immense Schwere, die er einfach nicht loswurde?
Weiterhin grübelnd ging er seines Weges durch das abendliche Saint Berkaine. Es war kalt und der pfeifende Wind unerbittlich, weshalb er kurz stehen blieb, um den Kragen seiner verwaschenen grauen Jacke hochzuschlagen. Eigentlich hatte er vorgehabt nach Hause zu gehen, doch er entschied sich spontan anders. Er brauchte jetzt unbedingt Alkohol, um sich aufzuwärmen. Zudem hoffte er, dass ein paar starke Drinks ihn betäuben und ihm endlich dieses quälende Gefühl nehmen würden.
Also machte sich Danny auf dem Weg in eine Bar, die zwei Querstraßen entfernt lag. Wehmütig dachte er in diesem Moment an seine Stammbar zurück, in der seine Kollegen und er sich stets amüsiert und ihren Feierabend genossen hatten. Aber das war vorbei und er hatte nur noch schreckliche Erinnerungen an diesen Ort. Denn dort waren seine Kollegen gestorben; dort hatten sie brutal den Tod gefunden, während er selbst misshandelt worden war.
Ein Schaudern überfiel ihn, als die Bilder von damals ihn überrannten; sie brachen regelrecht über ihn herein und präsentierten ihm seine Schwäche, die er nur zu gerne leugnete und nicht wahrhaben wollte. Doch sie kehrte immer wieder knallhart zurück, was ihm den Boden unter den Füßen wegzog.
Daniel Carmichael konnte spüren, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich und seine Knie weich wurden. Mit einem Mal war er froh, dass er zwei Gehstützen besaß, die ihn davor be-wahrten zu stürzen.
Du musst dich zusammenreißen, Danny!, spornte er sich selbst dazu an durchzuhalten und seiner Schwäche nicht nachzugeben. Du musst nach vorne schauen und darfst nicht an der Vergangenheit festhalten. Zustimmend und entschlossen nickte er. Er durfte sich nicht runter-ziehen lassen. Er musste stark sein, um sich selbst zu beweisen, dass er ein Mann war. Tief atmete er durch und wartete, bis seine Beine startklar für die nächsten Schritte waren, erst dann führte er seinen Weg fort. Genau zur richtigen Zeit, da ein leichter Nieselregen einsetzte. Danny beeilte sich in die Bar zu gelangen, denn die verfluchte Feuchtigkeit des Herbstes setz-te seinem zertrümmerten Knie mächtig zu und ließ es höllisch schmerzen. Dementsprechend wurde sein Humpeln immer schlimmer und er konnte sich kaum noch vernünftig bewegen.
Mit schwindenden Kräften warf sich der Schwarzhaarige gegen die Tür der Bar und schleppte sich an den Tresen. Erst, als er sich auf einen der Hocker gezogen hatte, ließ er seinen Blick umherschweifen. Es war brechend voll. Jeder Tisch war besetzt mit jungen Leuten, die in einer unerträglichen Lautstärke miteinander redeten, lachten und tranken. Dannys Kopf stand kurz vor der Explosion. Für ihn waren die Menschenmenge und der Lärm, den sie produzier-ten, in den ersten Minuten viel zu viel, aber mit der Zeit gewöhnte er sich daran und war fast schon froh um diese Ablenkung. Schließlich hatte er soetwas gesucht, um das miese Gefühl in seinem Brustkorb zu beseitigen.
Also entledigte er sich seiner Jacke und ließ sich vom Barkeeper erstmal ein Bier geben. Er wollte langsam anfangen und sich nicht gleich volllaufen lassen. Danny nahm einen Schluck und genoss in vollen Zügen den herben Malzgeschmack, der sich in seinem Mund ausbreitete. Auf diese Art zog die nächste Stunde dahin: Er trank Glas um Glas in der Hoffnung, sich besser zu fühlen. Aber ehrlich gesagt versank er bei jedem weiteren Schluck Alkohol immer tiefer in wirre, unklare Gedanken, die er nicht richtig zu fassen bekam. In seinem Kopf herrschte ein unglaubliches Chaos, das ihn anstrengte und ermüdete.
Scheiße, warum konnte er nicht zur Ruhe kommen? Weshalb musste sein Körper ihm einen Strich durch die Rechnung machen?
Zunächst war er überfragt, was ihn so extrem stresste. Aber dann hatte Danny Carmichael einen Geistesblitz. Vielleicht waren es die starken Nachwehen der schlechten Nachricht, die er gestern von seinem Boss Walker McIntyre erhalten und die ihn völlig aus der Bahn geworfen hatte.
Der geplante Schlag gegen seinen Feind William Cunningham war kläglich gescheitert. Die Angriffe, die zeitgleich bei den vier Killern stattgefunden hatten, über die er wochenlang Informationen gesammelt und welche er an Mr. McIntyre weitergegeben hatte, waren allesamt schief gelaufen. Jegliche Mitarbeiter, die von ihm zum Töten geschickt worden waren, hatten selbst den Tod gefunden. Ein weiteres Mal war sein Boss gescheitert. Ein weiteres Mal waren aufgrund seiner persönlichen Fehde mit William Cunningham Kollegen von ihm gestorben. Wegen seines Egoismus und Größenwahnsinns mussten andere leiden und mit ihrem Leben bezahlen. Denn noch immer war er dem unerschütterlichen Glauben unterlegen, eine Chance gegen Cunninghams erfahrene Auftragskiller zu haben.
Danny schüttelte verständnislos den Kopf und fragte sich, warum er es nicht lassen und einfach aufgeben konnte. Warum musste er Cunningham und seinen Killern rigoros die Stirn bieten? Wieso konnte und wollte er nicht akzeptieren, dass er schon längst verloren hatte?
Er seufzte, ehe er sein sechstes Glas Bier leerte. Dass sein Boss allerdings keinerlei Einsicht hatte, dass er gescheitert war, bewies der irrsinnige Befehl, den er ihm während des Telefonates durchgegeben hatte.
Er sollte seine Observierungen weiterführen und dadurch den noch unbekannten Killern auf die Spur kommen, die er in Cunninghams Riege vermutete. Was er damit erreichen wollte, konnte er sich nicht erklären. Er tat es als hirnlose Verzweiflungstat ab; als eine wahnwitzige Idee, die mit Sicherheit zu einer weiteren Katastrophe führen würde. Und zwar nicht für ihn, sondern wieder einmal für seine Mitarbeiter. Doch trotz des Wissens, dass sein Plan kompletter Bullshit war, hatte Danny sich nicht getraut seine Zweifel zu äußern oder ihm zu wider-sprechen. Der Schwarzhaarige war gefrustet und drohte in einen Strudel aus Wut und Selbsthass zu geraten, als eine plötzliche Bewegung in seinem Augenwinkel ihn ablenkte und somit rettete, wofür er im ersten Moment dankbar war. Doch als er seinen Kopf drehte und die Person neben sich erkannte, stürzte er in einen tiefen Abgrund.
„So sieht man sich wieder, Danny Carmichael“, frohlockte sie überglücklich mit glänzenden Augen. „Und ausgerechnet wieder in einer netten Bar.“ Er war nicht im Stande den Mund zu öffnen und einen Ton herauszubekommen, denn er glotzte Ophelia Monroe weiterhin ungläubig an und betete dabei inständig, dass sie bloß eine Fata Morgana war; eine grausame Sinnestäuschung, mit der sein Unterbewusstsein ihn quälen wollte.
„Was ist los, Süßer? Freust du dich nicht über unser Wiedersehen?“ Enttäuscht und brüskiert schob sie die Unterlippe vor, was für ihn an Hinterhältigkeit nicht zu überbieten war. Flammender Hass schlug in ihm hoch und erstickte seine immense Angst vor der Frau, die ihn zum Krüppel gemacht hatte. Na ja, zumindest ansatzweise.
„Fahr zur Hölle, mieses Stück“, raunte er deutlich mutiger, als er sich tatsächlich fühlte. In Wahrheit raste sein Herz im Rekordtempo in seiner Brust und er musste ein Zittern seines Körpers unterdrücken. Bereits ihr Anblick reichte aus, damit er sich fast in die Hose pisste. Sie strahlte das pure Böse aus und er konnte die tödliche Gefahr, die von ihr ausging, förmlich riechen. Eine Gefahr, die akut sein Leben bedrohte, da sie sicherlich nicht nur hier war, um sich mit ihm zu unterhalten. Danny wurde schlagartig bewusst, dass es zu einem weiteren, unvermeidlichen Kampf zwischen ihnen kommen und er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut den Kürzeren ziehen würde.
In der Zeit, in der er stetig nervöser und panischer wurde, zog sie sich ihre mittelange Pelzjacke in einem auffälligen Cerise aus und nahm auf dem freien Hocker direkt neben ihm Platz. Ihre Aura und Schönheit schlugen ihm gewaltig entgegen und betäubten ihn kurzweilig. Er konnte es nicht lassen, sie von oben bis unten genussvoll zu mustern und ihre Perfektion zu bewundern.
Heute sah sie, aufgrund ihres Make-ups und Haarstylings aus, als sei sie den 90er Jahren entsprungen. Ihre Augen waren in verschiedenen Rosatönen geschminkt und die Augenbrauen, sowie die Unterlider dekorativ mit einzelnen Strasssteinen verziert. Es steckten zwei dunkelrote Haarklammern auf der linken Seite, ansonsten fiel das lange brünette Haar offen über ihre schmalen Schultern.
Farblich passten die Klammern zu ihrem kurzen Unterbrustkorsett, das mit Pailletten besetzt war, und welches sie zu einer kurzärmeligen schwarzen Bluse mit leichten Raffungen und einem hochtaillierten Lederrock trug. Dannys Augen klebten an ihren wunderschönen Beinen, die in schwarzen Schnürstiefeln steckten und die sie gerade überschlug.
„Du bist allem Anschein nach noch immer wütend wegen der Umstände während unserer letzten Begegnung“, reagierte Ophelia gelassen auf seine Angriffslust und spielte die Tatsache herunter, dass sie ihn sadistisch und gnadenlos gefoltert hatte. Dies ließ den jungen Mann wieder klar denken und die wahre Natur dieser Drecksschlampe erkennen. Schlagartig war die Verehrung für ihre Schönheit vergessen, für die er sich schämte und hasste. Er hob seinen Blick und vermied es jedoch, sie anzusehen. Stattdessen stierte er eisern in sein leeres Glas, als er mit ihr zu sprechen begann.
„Die verfluchte Kugel hat mein Knie zerfetzt. Seitdem kann ich nicht mehr vernünftig laufen und schlucke einen Haufen Schmerzpillen, um über den Tag zu kommen. Ja, ich bin scheiße wütend!“, spie er Speichel spuckend aus und ballte seine Hände zu Fäusten.
Sie legte überraschend ihre linke Hand sanft auf seine rechte Faust, als wolle sie ihn beruhigen. Die Wärme ihrer Haut fühlte sich verdammt gut an, aber er konnte unmöglich zulassen, dass sie ihn mithilfe ihrer Berührungen manipulierte. Also unterbrach er die merkwürdige Intimität zwischen ihnen und zog seine Hand abrupt weg.
„Fass mich nicht an, Miststück!“
„Immer mit der Ruhe, Darling. Ich tue dir schon nichts, zumindest vorerst“, betonte sie in einem düsteren Ton, der ihn in seiner Befürchtung bekräftigte, dass sie sich nicht kampflos trennen würden. Danny überkam erneut Panik und große Angst um sein Leben, indes bestellte sie einen Martini, der ihr nach wenigen Minuten bereits serviert wurde.
„Wie du sicherlich weißt, sind Angriffe auf drei meiner Kollegen und mich selbst erfolgt. Es hat sich herausgestellt, dass wir über Wochen beobachtet und Informationen über uns gesammelt wurden, um den besten Zeitpunkt abzupassen uns zu attackieren. Natürlich hat mein Boss Nachforschungen angestellt, weil er in Erfahrung bringen wollte, wen Walker McIntyre für diese Aufgabe beauftragt hat.“ Die Killerin genehmigte sich in diesem Moment einen Schluck ihres Drinks und spannte ihr Gegenüber damit auf die Folter.
Dannys Muskulatur stand unter Hochspannung, da sein Körper sich für eine Flucht bereit machte. Er ahnte, dass William Cunningham es geschafft hatte ihn als den Schuldigen der ganzen Misere zu identifizieren. Schließlich war Ophelias Boss in gewissen Kreisen dafür bekannt, dass er überall seine geheimen Quellen besaß, die er nach Lust und Laune anzapfen konnte. Dadurch war es beinahe unmöglich etwas vor ihm zu verheimlichen, was sich bereits bei ihrem nächsten Satz bestätigte.
„Du hast uns beschattet. Du bist der Auslöser; der Verursacher dieser Angriffe“, raunte sie ihm zu und verengte feindselig die Augen zu Schlitzen. Dannys Puls schnellte innerhalb von Sekunden in die Höhe und er musste hart schlucken.
„Du hast uns hinterher geschnüffelt und bist uns gefolgt, wie ein wertloser und räudiger Straßenköter.“ Der eiskalte Ton ihrer Stimme bohrte sich förmlich durch sein Herz und fügte ihm einen heftigen Schmerz zu, der ihn zusammenzucken ließ „Und weißt du, warum du diese erbärmliche Aufgabe bekommen hast?“, fragte sie ihn höhnisch. „Weil du in den Augen deines Bosses zu nichts anderem zu gebrauchen bist, Danny Carmichael. Er hat keine Verwendung mehr für einen verkrüppelten Jungen.“ Nach diesen niederschmetternden Tiraden blickte sie zuerst auf sein linkes Knie und dann auf seine Gehstützen, die er neben sich am Tresen positioniert hatte.
„Weißt du noch, dass ich dir damals sagte, dass dein Leben ohne Krücken vorbei sein wird?“ Auf ihren Lippen breitete sich wie in Zeitlupe ein begeistertes, aber auch dämonisches Lächeln aus. „Es freut mich außerordentlich, dass ich mit meiner Prophezeiung recht hatte.“
Danny blieb im Angesicht dieser Kaltblütigkeit und Häme im ersten Moment die Luft weg. Doch dann, als er sich wieder gesammelt hatte, drehte er seinen Oberkörper zu der Killerin und sah diese abwertend an.
„Du bist eine widerliche Schlampe, die keine Gnade kennt und ihre Mitmenschen terrorisiert“, ächzte der Schwarzhaarige, bevor er sein Glas in einem Zug leerte. Am liebsten hätte er gleich einen ganzen Haufen Drinks geordert, aber er hielt sich zurück. Er brauchte einen halbwegs klaren Verstand, wenn es gegen Ophelia Monroe ging, auch wenn er sich keine großen Überlebenschancen ausrechnete.
„Aus diesem Gründen bin ich perfekt für mein Metier, Süßer. Man muss als Auftragskiller nämlich knallhart und eiskalt sein. Es gibt keinen Platz für Schwächlinge und Versager, was bei Walker McIntyre ganz anders ist“, verspottete sie ihn und alle seine Kollegen, die während ihres Einsatzes gestorben waren.
„Dein Boss hat ein Händchen dafür die falschen Männer für sich arbeiten zu lassen und für wichtige Aufträge einzusetzen. Darum wird er niemals erfolgreich sein und über William Cunningham triumphieren.“ Die Brünette befeuchtete ihre vollen Lippen, ehe sie fortfuhr.
„Er ist ein Spinner; ein Idiot, der nicht aus seinen Fehlern lernt und keine Vorstellung davon hat, zu was Mr. Cunningham im Stande ist.“ Sie setzte eine verschwörerische Miene auf und beugte sich zu ihm herüber. Ein süßer sinnlicher Duft stieg ihm in die Nase, der ihn berauschte. Augenblicklich schloss Danny die Augen und wurde mitgerissen von einer Welle aus Euphorie und Erregung.
Es hatte etwas Verbotenes an sich, wie er in dieser Bar saß und sich von der Frau, die ihn gequält und zum Krüppel gemacht hatte, angezogen fühlte. Dieses Gefühl nahm zu, als er ihre Hand auf seinem Oberschenkel spürte, die immer weiter in Richtung seines Schritts wanderte.
„Ihr seid dabei diejenigen, die wegen seiner Ignoranz büßen und mit ihrem Leben dafür bezahlen müssen“, hauchte sie ihm ins Ohr, was ihn kitzelte. „McIntyre reißt euch in den Abgrund; er führt euch auf dem direkten Weg in den Tod. Warum folgt ihr ihm dennoch? Warum hast du es nicht geschafft dich von ihm zu lösen?“
Trotz der ernsten Worte und finsteren Zukunftsperspektive, die sie für ihn zeichnete, fühlte er sich nicht beklommen oder war wütend darüber, ganz im Gegenteil. Danny fühlte sich wohl und schwebte in traumhaften Sphären, die seinen Verstand vernebelten.
„Ich…ich weiß nicht, wo ich sonst hin soll. Durch Walker habe ich eine Arbeit und verdiene Geld“, antwortete er ihr willenlos und vertraute ihr somit Informationen aus seinem Privatleben an.
„Außerdem mag ich es, mich in kriminellen Kreisen zu bewegen und Teil einer Gruppe zu sein.“ Während er redete, merkte er gar nicht, wie tief er in seine Gefühlswelt abtauchte und die Kontrolle über sich und die gesamte Situation verlor. Ophelia Monroes Manipulationen griffen bei ihm und entfalteten ihre fatale Wirkung. Wie betäubt hing er auf seinem Hocker und konnte sich auf nichts anderes konzentrieren oder wahrnehmen, als die attraktive Brünette. Danny hatte den Eindruck, dass sie der einzige Mensch war, der existierte; der ihm zuhörte und Verständnis für ihn zeigte. Also sprach er weiter über Dinge, die ihm im Kopf herum-schwirrten.
„Ich werde immer noch von meinem Boss gebraucht und stehe weiter hinter ihm, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was er tut oder von mir verlangt. Ich weiß, dass er größenwahnsinnig und egozentrisch ist. Er hat den Verstand verloren und lässt sich nicht von seinen Vorhaben abbringen, aber unsere Kreise sind voll von solchen Menschen“, sagte er zynisch.
„Sind wir nicht auch machthungrig und irre?“ Provokant blickte er ihr in die fesselnden blaugrünen Augen, die Funken sprühten.
„Das sind wir, Darling“, stimmte sie ihm ekstatisch zu. „Und wir wollen einfach alles.“ Ophelia strahlte über das ganze Gesicht, was bezaubernd war, jedoch auch etwas Geisteskrankes an sich hatte. Lange konnte er sich allerdings nicht darüber wundern, denn sie überwand kurzerhand die letzten Zentimeter zwischen ihnen und legte zärtlich ihre Lippen auf seine. Der Kuss ließ Dannys Inneres explodieren und ihn jeglichen Anstand verlieren.
Ungestüm und hitzig nahm er ihr Gesicht in seine Hände und steckte ihr seine Zunge in den Hals, was ihr gar nicht passte und sofort brutal von ihr geahndet wurde. Die Killerin biss ihm kräftig in die Zunge, sodass jene aufplatzte und sich Blut in seinem Mund ergoss. Ihm wurde von einer Sekunde auf die andere speiübel, also zog der Schwarzhaarige hastig seinen Kopf zurück und spuckte das Blut auf den Tresen.
„Hey, was ist denn hier los?!“, brüllte der Barkeeper und preschte wild geworden heran. Sein Gesicht war knallrot vor Zorn und eine Ader auf seiner Stirn pulsierte. Noch ehe Danny sich verteidigen oder die Situation erklären konnte, sprang Ophelia ein.
„Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung“, versicherte sie ihm. „Der Kleine ist nur etwas übermütig und zudringlich geworden.“ Flüchtig warf sie ihm einen verächtlichen Seitenblick zu. „Wie Sie sehen, habe ich alles unter Kontrolle.“ Sie lächelte zuckersüß und förderte einen Hundertdollarschein zu Tage, den sie dem Barkeeper in die Hand drückte.
„Das ist für die Unannehmlichkeiten.“ Zwar murrte er noch etwas Unverständliches vor sich hin, doch das Geld hinderte ihn daran sich weiter einzumischen. Stattdessen verabschiedete er sich mit einem leichten Kopfnicken und verschwand an das andere Ende des Tresens. Danny Carmichaels Blick hing zunächst an ihm, bis er auf sein eigenes Blut glotzte. Die rote Flüssigkeit bildete zum Tresen, der aus einem hellen Holz bestand, einen dunklen Kontrast, der ihn auf unerklärliche Weise faszinierte.
„Du hast es nicht anders gewollt, du widerliches Arschloch“, zischte Ophelia Monroe erzürnt. „Ich habe hier das Sagen. Ich bestimme, was passiert und nicht du. Hast du das jetzt endlich verstanden?“
Der Schwarzhaarige ließ seine braunen Augen zu der Killerin wandern, die ihr engelsgleiches Gesicht zu einer teuflischen Grimasse verzogen hatte. In ihm regte sich der Widerstand gegen ihre Arroganz und Herrschsucht.
„Ich gebe nicht klein bei, weil es mir eine billige Schlampe befiehlt.“ Bei jedem Wort pulsierte seine Zunge schmerzhaft in seiner Mundhöhle.
„Du kapierst es genauso wenig, wie dein Boss, Carmichael.“ Harsch bremste sie seinen großmäuligen Vorstoß. „Ihr beide wisst nicht, wann es an der Zeit ist, aufzugeben und sich seinem Schicksal zu ergeben.“ Sie presste im Anschluss ihre Lippen fest zusammen, als würde sie mit aller Kraft ihre immense Wut im Zaum halten.
„Was ist denn mein Schicksal?“, wollte er gereizt von der brünetten Schönheit wissen, obwohl er die Antwort, wenn er ehrlich zu sich selbst war, bereits kannte. Sein Schicksal stand fest, seit sie die Bar betreten hatte. William Cunningham, das wurde ihm erst jetzt klar, musste sie auf ihn angesetzt haben. Er hatte den Spieß umgedreht und den Jäger zum Gejagten gemacht.
„Ich, Danny! Ich habe die Macht dein Schicksal zu bestimmen und über dich zu richten. Das heißt, die wirklich wichtige und essenzielle Frage ist, ob ich ein zweites Mal so gnädig bin und dich am leben lasse“, wisperte sie vergnüglich und genoss seine Reaktion in Form eines unwillkürlichen stumpfen Schreies aus seiner Kehle.
„In diesem Punkt habe ich noch keine Entscheidung gefällt, aber lange wird es nicht mehr dauern. Du hast also noch die Chance zu entkommen.“ Sie warf ihr Haar hinter ihre Schul-tern, dann stützte sie ihr Kinn in die rechte Hand und klimperte mit ihren langen dichten Wimpern.
„Ich gebe dir sogar einen Vorsprung, Süßer“, gab sie in einem bitterbösen Tonfall von sich, der ihm den Ernst der Lage erst wirklich klar machte. Der Startschuss war gegeben und es begann der Wettlauf um sein Leben.
Trotz dieser schrecklichen Erkenntnis setzte sich der Schwarzhaarige nicht in Bewegung. Sein gesamter Körper stand unter Strom und gehorchte ihm nicht. Scheiße, scheiße, scheiße!
Panisch starrte er auf seine Beine, als könne er sie durch pure Willenskraft antreiben. Na los, bewegt euch!
„Tik Tak. Tik Tak.“ Die Killerin machte ihm auf offensichtliche Art und Weise den Zeitdruck deutlich, der ihm im Nacken saß. Zu seiner Überraschung zeigte dies Wirkung und Danny war endlich in der Lage vom Hocker zu rutschen, sich seine Gehhilfen zu schnappen und die stickige Bar zu verlassen.
Draußen erwartete ihn ein heftiger Regenschauer und der eisige Wind hatte an Kraft zugenommen. In kürzester Zeit war er bis auf die Knochen durchnässt, was ihn jedoch wenig kümmerte. Im Fokus stand seine Flucht vor Ophelia Monroe, die ihm eine Galgenfrist einge-räumt hatte, die er allerdings für trügerisch hielt. Deshalb beeilte er sich, sich so schnell, wie es ihm mit seinem beschissenen Krüppelknie möglich war, von der Bar und somit auch von der jungen Killerin zu entfernen. Der ununterbrochene Regenguss erschwerte ihm jedoch die Orientierung und er hatte das Gefühl, dass er nicht richtig voran kam, sondern sich im Kreis drehte.
Er traute sich aber nicht stehenzubleiben und sich umzusehen, weil er dadurch kostbare Se-kunden verlieren würde. Also kämpfte er sich Schritt für Schritt durch Saint Berkaines Straßen und verwinkelte Gassen, die ihn immer tiefer in die dunkelsten Ecken und verwegensten Winkel führten. Sein hektisch werdender Atem stieg in kurzen Abständen als kleine Wolken in der kalten Luft vor ihm auf, während die Dauerbelastung für seinen Körper immer uner-träglicher wurde. Danny tat es zwar nicht gerne, doch er musste eine Pause einlegen.
Erschöpft und völlig am Ende seiner Kräfte lehnte er sich in einem Hinterhof an eine Backsteinmauer, die ihm Halt bieten sollte. Erst in diesem Augenblick schaute er sich um.
Seine Füße hatten ihn an einen ihm fremden Ort geführt, an dem er nicht länger, als nötig, verbleiben wollte. Er war im Begriff seinen Weg zügig fortzuführen, als er durch die Anwesenheit einer zweiten Person daran gehindert wurde.
In einer Entfernung von fünf Metern stand Ophelia Monroe. Durch den Regen klebte ihr Haar an ihrem Kopf und die Pelzjacke erinnerte an das Fell eines nassen Hundes. Angespannt und in völliger Stille verharrten sie ihren Positionen und behielten das Gegenüber akribisch im Auge.
„Du bist langsam, Carmichael“, rügte sie ihn. „Langsam und einfältig.“ Er entgegnete nichts, zu sehr schockte ihn ihr Erscheinen.
„Du läufst davon und glaubst wirklich mir entkommen zu können.“ Verständnislos schüttelte sie den Kopf, indes kam sie einen guten Meter näher. „Leider hast du dich da gewaltig ge-täuscht.“ Danny konnte sich kaum auf ihre Worte konzentrieren, denn sie hatte ihre Waffe gezückt. Es war die Waffe, die sie ihm brutal in den Mund geschoben und mit der sie sein Knie zertrümmert hatte. Für ihn war es ein Wiedersehen der grausamen Sorte.
Er sah sich Auge in Auge mit seiner Mörderin; Auge in Auge mit dem Tod. Er hatte sich den Ausgang dieser Nacht so vorgestellt, egal wie sehr er versucht hatte sich etwas anderes einzureden. Sein Schicksal war besiegelt. Es gab keine Rettung. Dennoch würde er würdevoll ab-treten und ihr ein letztes Mal die Stirn bieten, um zu beweisen, dass er kein Feigling oder Schwächling war. Mutig und stolz würde er in den Tod gehen.
„Worauf wartest du noch, huh? Bring es zu Ende, Miststück. TÖTE MICH!“ Sie reagierte umgehend auf sein Gebrüll, doch gegen seine Erwartung jagte sie ihm nicht eine Kugel durch den Kopf, sondern sie schoss auf sein rechtes Knie.
„AHHHHHHH!“ Wie ein nasser Sack stürzte er auf den Asphalt und schrie sich dabei die Seele aus dem Leib. Tränen des Schmerzes und Hasses stiegen ihm in die Augen und nahmen ihm die Sicht. Diese verdammte Schlampe quälte ihn noch vor seinem Tod. Sie bescherte ihm ein widerwärtiges Dèjá-vu. Sie…
Ein zweiter Schuss folgte, der Daniel „Danny“ Carmichaels letzten Gedankengang stoppte.
Die Kugel durchschlug sein Gehirn und beendete sein junges Leben in einem schmutzigen und abgelegenen Hinterhof. Ophelia Monroe hatte gewonnen und ihr Boss würde dieses Schicksal teilen, so, wie Walker McIntyre Dannys.
 
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