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PEPERONI oder KAROTTE ...

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Letzte Nacht träumte ich einen seltsamen Traum. GOTT erschien mir und unterhielt sich mit mir. Und obwohl GOTT weiblich, jung und schwarz war, fand ich das im Traum ganz natürlich. Warum sollte GOTT auch immer ein alter Mann mit weißem Bart sein?

Aber worüber unterhielten GOTT und ich uns?

Es entpuppte sich als ein ziemlich banales Gespräch.
„Du bist eine kleine süße Karotte“, sagte er oder sie, schwarz oder weißlich – ich weiß das nicht mehr so genau.
„Äääh bitte?“, fragte ich verständnislos nach.
„Eine richtig nette kleine Karotte bist du!“
„Was soll’n das heißen?“ Ich wurde allmählich sauer, denn wenn man schon Gelegenheit hat, mit GOTT zu sprechen, sei er oder sie männlich, weiblich, schwarzweiß, divers oder was weiß ich, dann möchte man doch über ernsthafte Themen sprechen, zum Beispiel über die Globalisierung, über die Überbevölkerung, über die Umweltzerstörung und so weiter – und nicht über nette kleine Karotten.
„Du bist ja soooo nett!“
Tssss, GOTT wiederholte sich.
„Klar bin ich nett“, sagte ich und fügte nach kurzem Überlegen hinzu: „Du willst mich verarschen! Nett ist das Allerletzte. Nett ist Schrott. Nett ist nicht nett!“ Während ich das aussprach, realisierte ich: Ich duzte GOTT! MANNOMANN oder FRAUOFRAU!
„Da hast du wohl recht.“ Aufmerksam, wie es mir schien, sah er oder sie oder was auch immer mich an, während ich leicht ins Schwitzen geriet. Ich wusste natürlich, dass es ein Traum war, aber es war ein interessanter Traum, außerdem war es gerade Hochsommer, da konnte man schon leicht ins Schwitzen geraten.
„Paaah!“ Allmählich wurde ich sauer. Wieso meldete sich dieses Ding ausgerechnet bei MIR? Ha, ab jetzt würde ich es ES nennen! Ich war immer schon Atheist gewesen, hatte immer ein Göttliches Wesen verneint, denn die Schöpfung des Menschen war doch wohl ein reines Versehen. So wie es jetzt auf der Erde aussieht, war das ein Betriebsunfall. Jeder hasst jeden, der ein bisschen mehr hat als er selber. „Es macht dich nicht glücklich, eine nette kleine Karotte zu sein“, behauptete ES gerade, und ich hätte ihm oder was auch immer in die Fresse hauen können, blöderweise hatte ES Recht: Ja! Ich bin immer nett gewesen, ein angepasster Typ, einer der sich nicht mit anderen anlegt, der immer klein beigibt. Und das hat mich manchmal richtig geärgert.
„Hmmm ...“, sagte ich grimmig.
ES lachte. „Würde es dich freuen, wenn du anders wärest?“ Ein verführerischer Unterton erklang in SEINER Stimme.
„Hmmm ...“, sagte ich wieder, diesmal nicht mehr ganz so grimmig.
„Dann sei ab jetzt eine Peperoni! Sei es!“, sagte ES majestätisch und löste sich in einem undefinierbaren Staub auf, der aussah wie dieses Swart-Wit-Pulver, dieses salzige, blutdruckhochtreibende, eigentlich ungenießbare aber dennoch faszinierende Salmiakpulver aus den Niederlanden. Aber lecker!

Schweißgebadet, bestimmt nur wegen der heißen Sommernacht, wachte ich auf.
Was für ein seltsamer Traum. GOTT? ES? Gute Güte!
Ich hatte ES schnell vergessen. Es war nämlich Samstag, und ich hatte meine Freundin zum Essen eingeladen. Naja, Freundin war ein wenig übertrieben, ich hoffte aber inniglich, dass sie meine feste Freundin werden würde. Sie war so süß, so sexy – und natürlich viel zu gut für einen Typen wie mich.
Wir gingen das zweite Mal miteinander aus, und beim ersten Mal war sie sehr reserviert gewesen. Wahrscheinlich hielt sie mich für ein Weichei und für zu sensibel. Ich glaube, die Frauen bevorzugen eher die harten und männlichen Typen. Und dass viele Frauen mittlerweile die sensiblen bevorzugen, das halte ich für ein Gerücht, das sicher von Weicheiern in die Welt gesetzt wurde.

Gut, wir gingen zum Essen in ein italienisches Restaurant. Natürlich rückte ich ihr den Stuhl zurecht, bevor sie sich darauf setzte, ich bin eben ein höflicher fürsorglicher Mann.
Nur ... der Kellner ließ sich verdammt viel Zeit, um zu kommen! Egal, es gab mir Zeit, ihr bezauberndes Gesicht zu betrachten, und sie wurde doch wirklich verlegen, etwas, das ich vorher noch nicht bei ihr gesehen hatte. Ich ergriff ihre rechte Hand, die sie auf den Tisch gelegt hatte und sah sie noch intensiver an...
Toll, der Kellner ließ sich just in diesem Moment dazu herab, uns zu bedienen. Als er es tatsächlich wagte, uns einen Hauswein zu empfehlen, schaute ich ihn empört und verächtlich an. Diese Miege konnte er selber saufen! Ich bestellte einen Châteauneuf-du-Pape, Jahrgang 1999, sehr gut ausgebaut mit erdigem Unterton - und entließ den verdutzen Kellner mit einem verächtlichen Winken.
Meine Begleiterin schaute mich etwas irritiert aber doch respektvoll an, wie es mir schien. Ich hatte meine Hand von der ihren zurückgezogen und sah sie nur noch begehrlich an, was sie sichtlich in Verlegenheit brachte. Eine zarte Röte breitete sich auf ihrem liebreizenden Gesicht aus.
Der Kellner erschien mit dem Wein, ich kostete ihn und murmelte etwas von ‚Korken’, um ihn ein bisschen einzuschüchtern. Als er ein ziemlich bedeppertes Gesicht machte, ließ ich Gnade vor Recht ergehen und akzeptierte das mit Korkrückständen durchsetzte Gesöff. Schließlich wollte ich keinen nörglerischen Eindruck auf meine Angebetete machen.
Wir bestellten das Essen. Endlich! Dieser Flegel von Kellner hatte sich reichlich Zeit gelassen, sich überhaupt an unseren Tisch zu begeben, und ich fühlte mich ein wenig gereizt deswegen. Ungewöhnlich gereizt.
Meine Angebetete bestellte Cannelloni mit Pilzen, und ich orderte Saltimbocca alla Romana.
Wie lange brauchte der Koch eigentlich, um dieses relativ schlichte Essen zu bereiten? Anscheinend endlos lange. Ich wurde allmählich ungeduldig, und sogar meine liebreizende Begleiterin konnte mich nicht von meinen üblen Gedanken ablenken.

Als das Essen endlich kam, musste ich nur einen Blick darauf werfen, um die Wahrheit zu sehen: Es sah absolut ungenießbar aus. Die Soße war zu dünn, und das Kalbssteak war zu braun geraten, ja tatsächlich, es sah abscheulich aus.
„Ich werde das nicht essen“, sagte ich hart zu dem mich fassungslos anstarrenden Kellner.
„Abbeer...“, stotterte dieser.
„Zu lange gebraten, und die Soße ist ... dünn! Also nehmen Sie diesen Mist wieder mit und bestellen Sie dem Koch einen schönen Gruß von mir. Ach ja, fragen Sie ihn doch mal nach dem Unterschied zwischen leicht gebräunt und verbrannt ...“
Wie wunderbar höhnisch meine Stimme klang! So hatte ich sie noch nie gehört, aber es gefiel mir. Schließlich hatte ich mich noch nie gegen schlechtes Essen in Lokalen gewehrt, ich hatte immer alles hingenommen, gutmütig wie ich nun mal war, aber jetzt auf einmal konnte ich mich wehren und es war fantastisch! Ich glaubte, in den Augen meiner schönen Begleiterin einen Funken aufglühen zu sehen, sie schien das, was ich hier tat, offensichtlich zu bewundern. Klar, die harten Kerle. Ich wusste es doch!

Als wir wenig später das Lokal verließen, legte ich besitzergreifend meinen Arm um sie. Sie erschauerte, was ich für ein gutes Zeichen hielt, ich zog sie näher an mich heran und wollte sie küssen, aber zu meiner Überraschung wehrte sie mich heftig ab und sagte empört: „Dieser Abend war unerträglich!“

Verdutzt löste ich meine Hände von ihr und fragte sie schließlich, als das Schweigen zwischen uns schon unerträglich wurde: „Warum? Weshalb?“
... Und dachte über den Abend nach. Mein Gott, ich hatte den Kellner schwer beleidigt und als er sich dagegen wehrte, hatte ich den Geschäftsführer an den Tisch gebeten, mich über die Unverschämtheit des Kellners beschwert - und seine Entlassung bewirkt.

„Ich habe noch nie so einen entsetzlicheren Abend erlebt“, sagte sie leise. „Ich dachte, du wärest anders. Anders als diese Macho-Typen. Aber da habe ich mich wohl geirrt.“

„Ooh ...“ Das war alles, was ich herausbrachte. Und schon bedauerte ich meine Handlungen. Was war mit mir passiert? Das war doch nicht ich gewesen. Das war ein Monstrum!

„Es tut mir leid“, brachte ich schließlich gedemütigt hervor. „Eigentlich bin ich nicht so und ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist. Am besten gehe ich zurück und bringe die Sache in Ordnung.“

Sie nickte, und ich schöpfte wieder Hoffnung.

Von irgendwoher ertönte ein spöttisches Lachen und dann sagte eine undefinierbare Stimme, der man nicht anhören konnte, ob sie von einem Mann oder einer Frau stammte:
„Hahaha, doch KAROTTE!“
Ja vielleicht, sagte ich im Geiste, aber ich kann jetzt immer auf die Peperoni zurückgreifen, wenn es wirklich notwendig werden sollte. Danke schön für die Unterweisung, du ES, GOTT, GÖTTIN oder sonstwas!

ENDE?
 
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Kommentare  

Eine angenehme Parabel über den Mut - oder auch Nicht-Mut, sich zu wehren, sowie das Erfassen der Situation, wann es besser wäre, eine Karotte zu sein. Sehr schön.

Viele Grüße.


Frank Bao Carter (16.04.2021)

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