Madame Medusa bin ich fürs Erste losgeworden. Warum, was ist passiert? Ich war mit Ralf im Klonk und Parker kam herein. Ralf schlug vor, wir sollten ihm ein Liebespaar vorspielen, um ihn ein bisschen zu ärgern und das hat geklappt! Parker sah mich, während ich Ralf zart auf die Wange küsste - und ging wieder raus. Ralf ist attraktiv, und es war ein gutes Gefühl, ihn zu küssen, aber es hat nichts in mir geweckt, er ist wirklich nur ein Freund. Das Schärfste war aber: Die göttliche Medusa erschien kurz danach und war wohl an Ralf interessiert. Wieder spielten wir das Liebespaar und sie zog von dannen. Doch vorher verklickerte sie mir noch, dass sie öfter bei Parker übernachtet hatte. Hä? Die beiden? Dadurch demütigt mich Parker noch im Nachhinein! Wie kann Mann sich mit der abgeben, wie kann Mann dieses permanente Geschwätz ertragen? Aber das soll nicht meine Sorge sein, sondern Cornelias. Jedenfalls hält Madame sich jetzt zurück bei mir. Natürlich kamen private telefonische Belehrungen an, so was wie: ‚Um Himmels Willen, das kannst du doch nicht machen, die Männer sind alle Schweine und wollen dich nur verarschen ...’ Klar doch, weiß ich selber, obwohl nicht alle schlecht sind, eigentlich nur wenige. Aber wie gut, dass ich jetzt ‚verliebt’ bin, denn damit halte ich Madame fern von mir. Ich weiß natürlich, dass ich sie nicht endgültig los bin, aber doch für eine gewisse Zeit. Tröstlich war auch zu wissen, dass Ralf sie nicht mit der Kneifzange anfassen würde. Das hat er gesagt, und ich mag ihn dafür!
Ich kann jetzt also alleine shoppen gehen. Ich weiß zwar nicht, was ich kaufen könnte und es sollte auch nicht zu teuer sein, also besuche ich einen Laden, der ‚Manuela’ heißt, dort haben sie ausrangierte Armyklamotten, Schmuck und jede Menge anderes Zeug. Ich wühle mich durch - und tatsächlich stoße ich in einem großen Bottich voller Altsachen auf etwas. Ich bin fasziniert: Es ist ein Eishockeytrikot von der kanadischen Weltmeistermannschaft - in viel weiß, umrändert mit schwarz und rot und einem Ahornblatt in der Mitte. Es ist wunderschön. Muss ich haben!
Ich gehe an die Theke und frage vorsichtig und nur so nebenbei, denn ich will den Wert dieses schönen Trikots nicht in schwindelnde Höhen treiben: „How much?“
Die Verkäuferin schätzt das Teil ab und sagt schließlich: „Zwanzig Mark? Ich habe da noch einen Eishockeyschläger, der passt gut zu dem Trikot und der kostet nur zehn Mark.“
Schnappatmung! Das wird ja immer besser! Ich nicke ihr verhalten zu und halte das Trikot ganz fest. Ich stelle mir vor, wie es an mir aussehen könnte, als was weiß ich ... Nachthemd - oder als was richtig Auffallendes auf der Straße. Ich liebe das Teil! Ist schon seltsam: Früher wollte ich nicht auffallen, weil Parker der bunte Hund war, aber jetzt bin ich alleine und kann mir ein bisschen Extravaganz erlauben.
Vielleicht gibt es noch mehr davon. Ich tauche wieder in den großen Bottich ein. Leider war es ein Einzelstück, immerhin gibt es noch eine Armyhose in Tarnfarben, die könnte mir passen, vielleicht muss ich sie ein bisschen enger nähen, aber besser zu groß als zu klein. Die nehme ich auch mit. An der Kasse zahle ich 40 Mark. Geschenkt! Und das alles ohne Madame, die sich letztens Schmuck gekauft hat im Werte vom 700 Mark. Der Schmuck in dem teuren Laden war zwar schön, irgendwas mit Aquamarin und Rotgold, aber so was brauche ich nicht, ich finde eine Armbanduhr schon lästig.
Aber jetzt habe ich tolle Sachen ergattert zu einem tollen Preis. Wozu könnten die wohl die passen? Die Tarnhose könnte ich zu der alten Lederjacke tragen. Leider hat die einen großen Riss auf dem Rücken, aber ich hab mir da schon was überlegt: Ich brauche Nieten, die ich im Rücken der Jacke einschlagen kann - und dann ziehe ich eine Kordel von Niete zu Niete kreuzweise über den ganzen Riss entlang, dann sieht man den nicht mehr so. Außerdem ist die Jacke damit tailliert. Und einen Eishockeyschläger kann man immer gebrauchen, falls mal ein Einbrecher kommt, oder Parker mal wieder sein Herz für mich entdeckt ... Lach schlapp!
Nun zu dem Eishockeytrikot ... Was für ein Schatz, einzigartig er ist, murmele ich vor mich hin im Meister-Yoda-Stil. Sollte ich Hardy damit überraschen?
-*-*-
Ich tue es. Als Hardy am späten Samstag bei mir eintrifft, ja, wir treffen uns jetzt auch manchmal samstags statt am Freitag, bin ich voll Canadien Ice Hockey. Er schaut verblüfft drein, aber es gefällt ihm anscheinend. „Tony, du sieht geil aus!“, sagt er.
„Echt jetzt?“
„Sicher! Kann ich das auch mal anziehen?“
Das ist jetzt nicht die Reaktion, die ich erwartet habe, aber vielleicht könnte es ja doch noch was werden.
Ich ziehe das Trikot aus und stehe ziemlich nackt da, nur mit BH und Slip bekleidet. „Gut, probier es mal an!“
Und er probiert es an. Es passt ihm perfekt, mir war es doch etwas zu groß. Ach du lieber Himmel, er sieht so irre gut damit aus! Ich laufe ins Schlafzimmer und hole den Eishockeyschläger. „Nimm den dazu!“
Und er nimmt ihn dazu. Ich kann nicht mehr, kann nicht mehr an mich halten. „Ach du lieber Himmel!“, stöhne ich, „nimm mich, nimm mich sofort und heftig! Aber lass das Trikot dabei an!“
Hardy zieht quälend langsam seine Hose aus - warum beeilt er sich nicht mehr? Aber endlich kommt er auf mich zu. Und er nimmt mich ohne Gnade. BH und Slip sind dabei nicht im Weg, die werden einfach heruntergezogen und hinweg gefetzt.
Nachdem ich wieder zu Atem gekommen bin, kommen Fragen auf. Was passiert nun mit dem Trikot? Und was passiert mit mir? Ich bin ja wohl abhängig von Sex mit Hardy. Außerdem von kanadischen Eishockeytrikots. Und der Schläger kommt auch noch ins Spiel... Nein, nein, das geht zu weit! Also halte ich den Mund. Denn falls ich was sagen würde, würde ich mich ihm ausliefern, und das will ich nicht!
Hardy liegt neben mir, er scheint auch etwas außer Atem zu sein. Doch dann sagt er: „Dieses Trikot muss ich unbedingt haben, es ist super! Wie viel willst du dafür haben?“
Das ist jetzt eine Überraschung, und ich sollte gut überlegen ...
„Weißt du was? Ich schenke es dir, aber nur unter der Bedingung ...“, ich mache eine effektvolle Pause, während der mich Hardy gespannt anschaut, „dass du es nur hier verwenden wirst, nur hier in dieser Wohnung!“ Das fehlte noch, dass er andere Frauen damit bezirzt! Spiele ich jetzt die Domina? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass keine andere Frau in den Genuss dieses sextreibenden Trikots kommen soll. Ich hab das ja schließlich bezahlt!
„Ist schon okay, ich bin einverstanden“, sagt Hardy, er hat immer noch das Trikot an - und ich taste mich langsam an ihn heran. Vor allem an seine unteren Teile, die so herrlich freiliegen ...
Trotzdem muss Hirn noch seinen Senf dazu geben: ‚Er war am Anfang doch so maßvoll, denke an die erste Nacht - und dann an den Morgen danach. Da war er absolut sparsam, gelle? So geizig sexmäßig. Und so ein Morgenständer ist doch normal, da muss Mann sich nicht groß anstrengen. Aber in letzter Zeit ist er nicht mehr so maßvoll. Woran liegt das wohl?’ Liebes Hirn, gebe ich zurück, ich habe keine Ahnung, warum und weshalb und überhaupt ... Aber der Körper liebt es, und deswegen ist es gut.
-*-*- TOUR VON FRANCE HER
Der nächste Samstag: Früh am Abend kommt Susanne vorbei. Wir sitzen so herum und gucken Fernsehen, was bei nur drei Programmen ziemlich einseitig ist. Woanders gibt es schon Privatsender, aber davon ist hier nichts zu spüren. Gestern war ich bei Hardy bis heute Mittag, bei dem kann man schon RTL gucken, weil er in einem Testgebiet wohnt, der Glückliche. Egal, ich lösche den Namen Hardy aus meinem Kopf.
Susanne und ich wissen nicht so recht, ob wir ausgehen sollen, das Klonk wäre eine Möglichkeit, oder das Hawaii. Aber Susanne hat kein Geld - und ich habe keine Lust, für sie zu bezahlen, weil ich selber in diesem Monat schon viel zu viel Geld ausgegeben habe. Für ein kanadisches Eishockeytrikot, das ich meinem Lover geschenkt habe ...
‚Ha, das kannst du dir leisten’ - sagt Hirn gerade – ‚und dann verschenkst du es an den?’ Ach halt die Klappe, was weißt du denn schon von rein körperlichen Sachen! Und das Trikot bleibt doch hier in der Wohnung. Ich muss Hirn irgendwie zügeln und mich mehr auf den Körper verlassen.
Das Telefon läutet.
Es ist meine kleine Schwester Donni, sie heißt im normalen Leben Donata, was für ein exquisiter Name, ich wünschte, ich hätte auch so einen tollen Namen, denn Antonie ist nicht gerade der Brüller.
„Hallo Tony, der Michael ist auf dem Weg zu dir. Der will dich unbedingt sehen.“
„Echt jetzt?“, sage ich entgeistert. Was zum Teufel kann der von mir wollen. Okay, er hat immer schon versucht, mich anzumachen, aber ich hab das nie richtig ernst genommen.
„Er hat wohl gehört, dass du nicht mehr mit Parker zusammen bist.“ Die Stimme meiner Schwester klingt leicht säuerlich. Kann ich gut verstehen: Exliebhaber will ältere Schwester der einst Geliebten besuchen.
„Ich werde ihn nicht ranlassen, mein Schatz, aber Danke für die Warnung!“
Donni lacht und legt auf.
Aha, die Leichenfledderer machten sich auf den Weg. Jetzt wo ich als vogelfrei gelte, kommen sie aus ihren Löchern herausgekrochen. Aber was für ein Zufall und möglicherweise auch ein Glückstreffer: Vielleicht hat der gute Michael ein bisschen Geld dabei und wird uns einen oder zwei Drinks ausgeben.
„Der Abend ist gerettet“, ich gucke Susanne aufmunternd an. Sie scheint ein bisschen skeptisch zu sein, will sich aber gerne überraschen lassen. Eine halbe Stunde später erscheint Michael. Er sieht immer noch aus wie früher, so wie Barry Gibb von den Bee Gees, nur etwas verwilderter. Ich hab ja immer gedacht, die Franzosen wären elegante Männer, denn Michael lebt jetzt in Frankreich mit einer Französin zusammen auf einem Weingut, wie ich gehört habe. Aber von den Franzosen hat er nichts gelernt, er sieht aus wie ein Strolch mit seinem Bart und den langen Haaren, obwohl viele Frauen ihn als gutaussehend bezeichnen würden. Er hatte übrigens nach meiner Schwester Donni diese Gurke Trudl zur Freundin, hat sie öfter betrogen und dann mit ihr Schluss gemacht. Und nebenbei auch mit Andrea gepennt. Das hat sie mir erzählt. Mit wem hat Andrea eigentlich nicht gepennt nach dem Fiasko mit diesem unverschämten Typ, der sie so verarscht hat? Ich glaube, Parker war es nicht. Der war nicht so oft in dieser Kneipe. Aber wenn er's gewesen wäre ... Mein Gott, das würde mich überhaupt nicht jucken. Aber Andrea kennt ihn, hat sich wohl schon mal mit ihm unterhalten. Sie hält ihn nicht für intelligent, und ich musste ihr beipflichten. Der tut nur so, als ob und ist ein Blender.
Michael begrüßt mich überschwänglich mit: „Tony, meine Schöne, du siehst toll aus!“ - und umarmt mich zärtlich. Ich weiche instinktiv aber unauffällig aus, ich will ihn schließlich nicht vergraulen.
Michael schaut nur mich an, an Susanne verschwendet er keinen Blick. Das ist ungewohnt. Susanne ist doch viel hübscher als ich, und 90 Prozent aller Männer, die wir so treffen, bevorzugen Susanne.
„Komm rein, mein Brüderchen“, sage ich. Er versucht mir einen Kuss zu geben, aber ich weiche wieder aus. Er setzt sich mitten auf mein großes Sofa, und Susanne ich flankieren ihn an beiden Seiten.
„Wie kommst du denn mit dem Französischen zurecht?“, frage ich.
„Ganz gut“, meint er feixend. „Man muss nur ‚ça va’ können, damit kommt man überall durch.“
„Was heißt denn ça va?“ Ich hatte zwar französisch in der Realschule, aber nur zwangsweise, und deswegen ist nicht viel davon haften geblieben.
Michael gibt folgenden Bescheid, denn ça va heißt alles Mögliche, hier eine kleine Auswahl davon:
Wie geht’s, es geht so, es geht ganz gut, könnte besser sein, könnte schlechter sein, ziemlich schlecht, bis dann, keine Ursache, warum nicht, besser nicht, komme gleich, bin schon da, ja und, was soll’s, was du nicht sagst ...
Und es bedeutet noch vieles mehr, was man durch die entsprechende Gestik anzeigen kann. Ich frage mich nun, warum ich mich in der Realschule fünf Jahre lang mit dieser grausigen Sprache rumgeplagt habe, wo sich doch alles auf einen Nenner reduzieren lässt, nämlich: Ça va! Mit diesem komischen Häkchen unter dem C. Ça va!
„Stimmt es denn“, frage ich Michael weiter aus, „dass die Franzosen ihre Katzen siezen?“
Das weiß er nicht, sie haben daheim in Frankreich keine Katze, sie haben auch kein Pferd, das De Gaulle heißt ... Uralter Witz! Ich muss Andrea mal fragen wegen der französischen Katzen - Hardy weiß es bestimmt auch nicht, denn der hat kein Französisch, sondern Latein gehabt.
„Hast du Geld dabei?“ Die nächste Frage von mir.
Er hat reichlich davon eingesteckt, behauptet er jedenfalls.
„Wir haben nämlich keins. Wie wär's, wenn du uns einen ausgibst?“
„Ça va“, sagt Michael, und ich schlage daraufhin vor, ins Hawaii zu gehen. Das ist übrigens auch der Ort seiner früheren weibermäßigen Schandtaten, mit denen er erst mein Schwesterchen und dann später ihre Freundin Trudl zur Verzweiflung brachte.
Michael bezahlt alles, das Taxi, den Eintritt, diverse Biere ...
Er rückt mir bedrohlich nahe und versucht doch tatsächlich, mich in den Clinch zu nehmen. Aber er ist wirklich der Letzte, mit dem ich was anfangen könnte. Er ist eigentlich mein jüngerer Bruder, anders habe ich ihn nie gesehen. Außerdem könnte ich meiner kleinen Schwester das nie antun. Sie hat ihn ja schon an ihre Freundin Trudl verloren, Trudl ist die, die immer singt: ‚Der Junge mit dem weißen Pferd, der kommt nicht mehr ...’ Ist nicht mein Problem, ich glaube nicht an den Jungen mit dem weißen Pferd. Und falls es den doch geben sollte, dann müsste er schon ein Mann sein und kein Junge.
Ich versuche, Susanne ins Spiel zu bringen, um ihn von mir abzulenken. Susanne hat nämlich ihr hingebungsvolles Anmachgesicht aufgesetzt, und das bedeutet, sie ist an Michael interessiert. Und das versuche ich ihm schonend beizubringen.
Er guckt skeptisch. Er beißt tatsächlich nicht an, was mich schwer wundert, denn auf Susanne fliegen fast alle Männer. Aber Michael hat es im Augenblick noch auf mich abgesehen, jedenfalls reagiert er recht eifersüchtig und besitzergreifend, als der Harald hereinkommt und mich zur Begrüßung auf die Wange küsst. Harald habe ich letztens hier kennengelernt. Harald gibt dann auch noch ein Bier aus. Das ist ein fantastischer Abend!
Und Michael wird immer besoffener – das sieht man an seinen Augen, die werden nämlich immer dicker. Das war früher auch schon so bei ihm. Das weiß ich von meiner Schwester.
„Jetzt fahren wir zu mir“, lallt er so gegen zwei Uhr morgens.
„Wo wohnst du denn?“
„Na wo schon?“, lallt er, „bei meinen Eltern natürlich, aber die sind nicht da, sind irgendwo in Bayern.“
„Aber Susanne kommt mit!“, fordere ich.
„Ja, ja ...“ Natürlich bezahlt er das Taxi.
Im Haus seiner Eltern gucken wir uns Musikvideos an. Nicht so gute, nee, gar nicht so gute. Ralf würde sich im Grabe umdrehen, wenn er die nach seinem Tode oder schon vorher sehen würde ...
Und Michaels Augen werden immer dicker, er hat den Weinkeller von seinen Alten geplündert, und seine Hände fühlen sich immer aufdringlicher an – er kommt mir vor wie ein Riesenkrake mit unglaublich vielen Fangarmen. Ich kann mich kaum dagegen wehren. Weiche zur Seite aus, aber die Fangarme folgen mir. Es wird allmählich stressig.
Um halb vier habe ich dann die Nase voll, verziehe mich in den oberen Stock und lege mich dort in eine Art Kinderbett. Nicht sehr gemütlich das.
Das Kinderbettchen weckt mich früh auf, und ich gehe ins Elternschlafzimmer, wo die beiden wie erwartet in irgendwelchen Ehebetten liegen. Ist es nicht fantastisch, eine Freundin zu haben, die mal reinhalten lässt, sozusagen an meiner Statt?
„Komm Susanne, wir machen Kaffee!“ Susanne steht bereitwillig auf. Sie trägt übrigens ein sehr hübsches Männerhemd.
Ich deute mit dem Finger auf das Hemd: „Ich will auch so eins!“
„Such dir eins aus“, sagt Michael, der gerade die Bettdecke zurückschlägt und verschämt die Hände über seine morgendliche Pracht breitet. Beeindruckend, wirklich! Ist natürlich nur Getue und macht mich kein bisschen an.
Ich gehe zum Kleiderschrank und suche mir ein strahlend weißes Hemd aus, es hat einen wunderbar weichen Kragen, nicht so ein steifes Ding, das einem den Hals verkratzt. Ich überlege: Wenn man überall dort, wo man übernachtet, ein Hemd abstauben könnte ... Ja, das wäre doch was. Bei mir käme allerdings nicht viel bei rum. Vielleicht sollte ich Hardy mal fragen. Dürfte ich es dann nur in seiner Wohnung tragen? Ach was, der würde mir sowieso was husten.
Beim Kaffeemachen versuche ich Susanne auszuhorchen, aber sie sagt nichts Bestimmtes, sagt so was wie „Na ja, du weißt ja, wie das ist ...“ Das ist nicht gerade die Top Ten Antwort, die alles erklärt. Gut, ich kann's mir schon vorstellen, sie redet wahrscheinlich von Gefühlen, die sich nicht einstellen, egal auf welcher Seite. Oder sie redet von ganz was anderem. Ach Susanne ...
Michael fährt uns schließlich mit einem riesigen Lieferwagen nach Hause. Die Hemden haben wir eingepackt von wegen der Erinnerung.
„Also dann, Michi, bis zum nächsten Mal“, sage ich beim Abschied und hoffe, er ist nicht allzu sauer auf mich, weil es nicht geklappt hat mit seinen Vorstellungen.
Was könnte ich sonst noch zum Abschied sagen? Jetzt hab ich’s: „Ça va!“