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5 Seiten

Play the Game - Teil 2

Romane/Serien · Schauriges
Der Monitor wurde dunkel und sie alle sahen sich für einige Sekunden fragend an. Keiner von ihnen verstand wirklich, was vor sich ging, allerdings glaubte auch keiner an einen Scherz. Dazu war die Entführung, waren die langen Gänge und war diese Zelle einfach zu real, zu massiv, zu einschüchternd.
Alex ertappte sich bei dem Gedanken, bloß nie auf diese seltsame Nachricht geklickt zu haben. Er hätte sie einfach ignorieren sollen. Nur war es dafür jetzt zu spät, diese Überlegungen brachten ihn nicht weiter. Mist; ganz großer Mist.
„Was sollen wir tun?“, fragte Felix in die Runde. Wieder tauschten sie nur Blicke aus, zuckten mit den Schultern. Sie waren von Unbekannten entführt worden, saßen in einer fensterlosen Zelle, deren Tür verschlossen war. Zudem wurden sie offenbar von jemandem beobachtet, der über den Monitor Kontakt zu ihnen aufnehmen konnte. Keiner von ihnen sah eine Chance zur Flucht oder überhaupt eine andere Option als das zu tun, was von ihnen verlangt wurde.
In dem Moment öffnete sich die Tür ihrer Zelle und gab den Blick auf den Gang davor frei. Der Boden aus Beton, die Wände aus Stahl, so schien es, grelle Lampen an der Decke, aber keine Fenster oder weitere Türen. Alex wagte einen Blick hinaus und sein erster Eindruck bestätigte sich. Nur dieser lange leere Gang, an dessen Ende sich eine weitere Tür befand, die noch geschlossen war.
„Wir werden das Spiel wohl mitspielen müssen“, kam es jetzt von Maxim. „Zumindest vorerst...“, ergänzte Xenia und wollte ihnen damit wohl Hoffnung machen. Sicher, wann immer sich eine Chance zur Flucht aus diesem surrealen Alptraum ergeben sollte, würden sie sie ohne zu zögern ergreifen. Sie konnten nur warten und darauf hoffen.
So verließen sie ihre Zelle und gingen mit unsicheren Schritten den Gang entlang, bis sie an die gegenüberliegende Tür kamen. Kaum standen sie davor, schwang diese auf und gab den Blick auf einen riesig erscheinenden Raum frei. Riesig vor allem deshalb, weil sie weder den Boden noch die Decke sehen konnten, außerdem hatte der Raum die Ausmaße eines großen Saales oder einer Sporthalle und schien quadratisch zu sein.
Direkt vor ihnen lag eine Plattform, um die ein Gitter verlief. Wie eine Art Balkon, gelbe Farbe auf dem Boden. Den betrat Felix nun zögerlich, setzte erst vorsichtig einen Fuß darauf, als rechne er damit, die Plattform könne unter ihm wegbrechen. Sie hielt. Auch als er sich komplett darauf stellte. Alex, Maxim und Xenia folgten ihm nun und sobald sie alle auf der Plattform standen, schloss sich die Tür hinter ihnen.
Alex trat dichter an das Gitter, um sich besser umsehen zu können. Noch immer konnte er den Boden nicht erblicken, er sah nur, dass es sehr tief nach unten ging. Die Decke war nicht ganz so hoch über ihnen, von ihr hingen Monitore in alle Richtungen, die aber noch dunkel waren und es gab Luken, deren Zweck er allerdings nicht erahnen konnte.
Außerdem zogen die zahlreichen Säulen mitten im Raum seine Aufmerksamkeit auf sich, Säulen, die auf der Höhe ihrer Plattform endeten, die oben eine kreisrunde Fläche von etwa einem Meter Durchmesser hatten. Zwischen diesen Säulen gähnte die Tiefe, deren Grund Alex von hier aus nicht sehen konnte, auch deshalb, weil es dort unten ebenfalls dunkel war. Die Plattformen allerdings waren jede mit einem Spot erleuchtet.
„Das sieht aus“, raunte Xenia mit einem Zittern in der Stimme, „das sieht aus wie ein Spielfeld.“ Sie alle waren jetzt vorne ans Gitter getreten und versuchten sich einen Reim auf das zu machen, was sie vor sich sahen. „Ja, wie ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Feld“, stimmte Maxim jetzt zu.
Alex versuchte, sich an das Brettspiel zu erinnern. Er wusste nur noch, dass man dabei würfeln und irgendwie das Spielfeld umrunden musste, bis man in Sicherheit war. Außerdem konnte man andere rausschmeißen oder rausgeschmissen werden, wenn eine andere Figur auf dem gleichen Feld stand.
Eine böse Vorahnung flackerte in ihm auf. „Wie ging das noch genau?“, fragte er Maxim, der als einziger von ihnen eine kleine Schwester hatte und das Spiel wahrscheinlich noch einigermaßen kannte. Der fasste schnell die Regeln zusammen, die im Wesentlichen eben tatsächlich darin bestanden, den Parcours hinter sich zu bringen und möglichst nicht von gegnerischen Spielern zurück zum Start geworfen zu werden.
„Das ist dann wohl das Spiel, das wir spielen müssen“, kam es nun von Felix und er klang wenig erfreut darüber. Kein Wunder, denn wie es aussah, mussten sie von Säule zu Säule, also von Plattform zu Plattform springen, und die standen jeweils immerhin einen Meter auseinander. Nicht unmöglich, das sicher nicht, da die Spielfelder selbst jedoch nur einen Meter Durchmesser hatten, auf Dauer sicher ziemlich nervenaufreibend. Zudem konnten sie ja leider nicht sehen, wie weit es nach unten ging, wenn sie ihr Ziel verfehlen sollten.

Nach einer Weile öffneten sich auch die Türen an den anderen Startplattformen und jeweils vier Spieler betraten die Arena. Dank des diffusen Lichts konnte Alex niemanden genau erkennen, nur die jeweiligen Farben der Plattformen, Rot, Blau und Grün konnte er nun erkennen. Er fragte sich, ob es möglicherweise auch Streamer waren. Die einzige Erklärung, die er sich ausmalen konnte, war die, dass irgendjemand sie hierher gelockt hatte, um ein großes Liveevent zu starten.
Dann war es immer noch eine Frechheit, dass sie nicht eingeweiht und dazu so ruppig behandelt worden waren. Außerdem war es nicht legal, wenn sie alle gegen ihren Willen an irgendeiner Show teilnehmen sollten. Aber immerhin war es dann tatsächlich ein Spiel und am Ende würde alles andere aufgelöst werden. Alle anderen Möglichkeiten, von denen er sich keine bis ins Detail ausmalen konnte, gefielen ihm aber deutlich weniger.
Jetzt flackerten die Monitore, die von der Decke hingen, auf und zeigten wieder jenes Gesicht, das sie schon in ihrer Zelle gesehen hatten. „Spielt das Spiel“, forderte die Stimme sie emotionslos auf, „entscheidet, wer von euch zuerst würfelt.“
Alex und die anderen sahen, wie auf der grünen Plattformen ein Würfel von der Decke fiel. Die vier Spieler diskutierten, ohne dass Alex ihre Worte verstehen konnte. Schließlich einigten sie sich wohl und einer von ihnen würfelte. Daraufhin öffnete sich das Gitter, gab den Weg zum ersten Spielfeld frei.
Trotzdem zögerte der Spieler, trat mehrfach an die Kante heran und sah hinunter. „Mach deinen Zug!“, forderte die Stimme und erst jetzt sprang der Spieler auf die erste Plattform. Alex konnte erkennen, dass es eine junge Frau war, sie kam auf der Säule zum Stehen, ließ sich dann in die Knie sinken und verbarg ihr Gesicht für einen Augenblick in ihren Händen. Weinte sie? Alex konnte es nicht ausschließen, immerhin hatte ihr Sprung gefährlich und ihre Landung alles andere als sicher ausgesehen.
Dann fiel ein neuer Würfel von oben herab, prallte auf ihren Rücken und stürzte in die Tiefe. Die Spielerin erschrak und noch mehr als die Stimme sie anherrschte: „Fang den Würfel!“ Sie tat es, musste ihn nun in eine größere Plattform in der Mitte werfen. Beim ersten Mal warf sie vorbei, musste einen weiteren von oben herabfallenden Würfel fangen. Diesmal traf sie die Plattform, der Würfel zeigte eine Zwei. Also sprang sie erst ein Feld, dann noch eines vor.
Immer musste sie aufpassen, nicht zu kurz, nicht zu weit zu springen und sicheren Halt zu haben. Da sie durch die Sprünge näher kam, erkannte Alex ihr Gesicht besser, sah nun, dass ihr tatsächlich Tränen die Wangen herunterliefen. Sie hatte Angst, sie war mit der gesamten Situation überfordert. Das waren sie wohl alle.
Jetzt ging ein Licht über ihnen an und ein Würfel purzelte aus einer Luke an der Decke. „Also ich fang nicht an“, platzte Felix heraus. „Soll ich?“, fragte Xenia. Alex griff nach dem etwa basketballgroßen Würfel. „Nein, ich mach das“, entschied er. Je länger er es hinauszögerte, desto mehr Angst würde sich in ihm aufbauen, sagte er sich. Außerdem musste es ja irgendeine Sicherung geben, die konnten sie ja nicht einfach so in schwindelnder Höhe herumturnen lassen.
Er würfelte eine Vier, dann eine Drei, danach eine Sechs. Auch ihr Gitter öffnete sich nun und Alex trat an die Kante, um zum ersten Mal ganz nach unten zu blicken. Es musste mindestens zwanzig Meter in die Tiefe gehen. Mist. Was ihn aber noch mehr erschreckte, waren die metallenen spitzen Stangen, die dort unten dicht an dicht standen. Wie Speerspitzen, die zu ihnen aufgerichtet waren. Verdammt, es musste eine optische Täuschung sein, alles andere wäre ja der reine Wahnsinn.
Bevor er noch weiter darüber nachdachte, nahm er einen Schritt Anlauf und sprang. Sein Fuß erreichte die kleine Plattform ziemlich mittig, nur musste er aufpassen, dass der Schwung ihn nicht weiter nach vorne katapultierte. Gerade noch konnte er abbremsen und fand sicheren Halt.
Es war machbar, dachte er, nur mussten sie eben die ganze Zeit voll konzentriert sein. Jedenfalls wollte er sich nicht ausmalen, was sonst passierte. Zwar redete er sich immer noch ein, dass all dies Teil eines kranken Projektes sei und es dafür irgendeine logische Erklärung gab, nur fühlte sich hier auf einer zwanzig Meter hohen Säule von einem Meter Durchmesser mit zig metallenen Stacheln unter sich alles doch recht grotesk an und wirkte eher wie ein Alptraum als wie die Wirklichkeit.
Den ersten Sprung hatte er geschafft, sofort fiel ein weiterer Würfel von der Decke, den Alex im letzten Augenblick zu fassen bekam. Er warf ihn auf die mittlere Plattform, die Oberseite zeigte eine Fünf. Fünf Sprünge, fünf Landungen, er merkte dabei, wie angespannt er war, fand aber immer Halt und versuchte sich einzureden, dass alles ja nur ein Spiel war, eine sportliche Herausforderung, dass es eigentlich sogar Spaß machen konnte. Leider spürte er den so gar nicht, war nur froh, als er sein Ziel erreicht hatte.
Es war verrückt, es war unerklärlich, es war völlig krank, doch wie es aussah, mussten sie dieses Spiel spielen, ob sie nun wollten oder nicht. Als Nächstes war Team Blau an der Reihe. Der Spieler würfelte keine Sechs, ihr Gitter blieb verschlossen. Vielleicht sogar das Beste, was in diesem Spiel passieren konnte.
Das Licht über Team Rot ging an, ein Würfel fiel, das Gitter öffnete sich, ein Spieler sprang zur ersten Plattform. Er stieß einen Jubelschrei aus, wollte sich wohl selbst motivieren oder aber gegen seine Angst anbrüllen. Von oben kam der nächste Würfel, er warf eine Drei, sprang zum nächsten Feld, dann noch eines weiter.
Dann aber sah Alex, dass er abrutschte, die Plattform auf der Säule verfehlte, auch mit den Händen keinen Halt fand und mit einem Schrei des Entsetzens in die Tiefe stürzte. All das passierte wie in Zeitlupe, alle starrten geschockt hinterher, als der Körper des Spielers dort auf die Stacheln traf, die eben keine Täuschung waren.
Ein markerschütternder Todesschrei hallte durch den Raum, ließ sie alle erstarren. Alex konnte von seiner Position aus zum Glück nicht sehen, wo der Spieler aufgekommen war, dessen Teamkollegen anscheinend schon. Eine Spielerin kreischte panisch auf, ein anderer brüllte wütend, was hier los sei und dass man ihn sofort hier rauslassen solle.
Auf den Monitoren erschien wieder die schwarze Maske. „Spielt weiter.“
 
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Kommentare  

Danke, Irmgard, freut mich, dass es dir so gut gefällt.
Ehrlich gesagt hab ich ja immer noch ein wenig Angst, dass es für einge zu grausam ist.


Christian Dolle (11.12.2023)

Oh, echt schauerlich. Den Spieler von Team Rot hat es also brutal erwischt. Da kann einem die Lust am Spiel glatt vermiest werden. Sehr aufregend und natürlich auch gut geschrieben. Warte gespannt auf das nächste Kapitel.

Irmgard Blech (25.11.2023)

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