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3 Seiten

Wenn dir der Tod über die Schultern sieht

Schauriges · Kurzgeschichten
Er zog das Blutverschmierte Messer heraus und ließ sich zurück aufs Bett fallen. Er hatte es also getan und es war gar nicht so schwierig gewesen wie er anfangs gedacht hatte. Es war eigentlich alles schön nach der Reihe gegangen. Zuerst der Streit, dann das Handgemenge, stärkeres Handgemenge, Schläge, Würgen, Messer. Wie bei einem Glockenturm, da darf man auch nicht anfangen, gleich vom Boden aus hinauf springen zu wollen. Das kann überaus schwierig sein. Wenn man aber die Treppe nimmt, dann geht es leicht. Zuerst der erste Schritt, der zweite Schritt,... und dann ist man auch schon da! Er sah auf das Messer, auf seine Hände und auf den Boden und dacht sich: „Rolltreppe!“

Er hatte sich schon monatelang gefragt wie es sein könnte. Wenn man es getan hat und er musste zugeben, es war gar nicht so besonders. Er hatte sie getötet und das war’s. Keine Reue, keine Angst als Mörder vor Gericht zu kommen, keine Angst vor sich selbst, dem Monster, nein, nichts. Ein ganz normales Gefühl, so als hätte man eine Arbeit verrichtet und war noch nicht fertig. Er musste ja auch noch ganz schön viel machen: Das Messer verstecken, den Boden säubern, seine Frau ins Meer werfen... Drecksarbeit, die mochte er nicht. Viele Menschen machen das Tag ein Tag aus..., nicht Morden: Drecksarbeit. Aber er konnte es nicht leiden, nie! Da wäre ihm lieber gewesen, er könne mit einem anderen Ehemann Arbeitsteilung machen. Er würde die Frauen töten und der andere die Drecksarbeit. Das würde auch viel schneller gehen.

Aber er war allein, das hätte er sich früher überlegen müssen, jetzt ist es zu spät.

„Da hättest du blöd geschaut, wenn der Teppich so blutverschmiert gewesen wäre als du noch gelebt hättest, gell?“, fragte er die Leiche und deutete das Schweigen als „Stimmt, mein Schatz, es tut mir sehr leid“

„Ja, das ist gut, dass es dir leid tut, Sylvia!“, schrie er seine Frau an. Sie war zwar schon tot, aber sie hatte noch immer diesen seltsamen Ausdruck im Gesicht, so als würde sie sagen: „Jetzt regt dich nicht auf, ich weiß nicht was du schon wieder hast!“
„Was ich schon wieder habe? WAS ICH SCHON WIEDER HABE?“ schrie er die Leiche an. Und die Leiche sah ihn an.
„Dir passt das Blut wohl nicht, hab ich recht? HAB ICH RECHT, SYLVIA???“, schrie er wieder. „Dir passt dass Blut am Teppich nicht, hab ich recht? Ich wird’s dir zeigen!“ Er nahm die Leiche an den Beinen und zog sie durchs gesamte Schlafzimmer. Herum ums Bett, vorbei an der Tür, an den Kästen, an allem.

„Und gefällt’s dir jetzt?“, brüllte er. „Gefällt es dir? Der ganze Boden ist versaut!“ Er versuchte eine Stimmenimitation: „Nein nicht, pass doch auf den Boden auf. Der Teppich war so teuer. Und die Tapeten, die schönen Tapeten...“, durch seine eigene Imitation kam er auf neue Ideen.

„Du hast recht“, bedankte er sich bei seiner Imitation. Er nahm die Leiche hoch und warf sie gegen die Wand. Er hatte nun zwar erreicht, dass ein großer Blutfleck darauf war, aber er hatte auch gehört wie der tote Schädel seiner Frau gegen die Wand prallte und das muss man sagen, ist kein schönes Geräusch. Eher ein lauter, dumpfer Knall.

Und durch diesen lauten, dumpfen Knall wurde er wieder ein wenig in die Realität zurückgeschleudert. „Mein Gott“, dachte er, „war ich das?“ Er starrte die Leiche an und die Leiche starrte ihn an. Es erinnerte ein wenig an frühere Situationen, als sie sich gestritten hatten und sich dann am Schluss fragend angesehen hatten. „Ich bin deine Frau, wieso habe ich mir das angetan?“, hatte sie dann immer geweint.
„Ex-Frau“, sagte er so, als hätte die Leiche etwas gesagt, „Bis dass der Tod uns scheidet“, sagte er mit einem Lächeln.

„Du wirst es nie wieder bereuen meine Frau geworden zu sein, wirst es nie wieder probieren mit fremden Männern zu schlafen und du wirst dich nie wieder freuen, wenn ich gefeuert werde. NIE WIEDER!“

Er hatte noch mal Glück gehabt, dass er sich selbst wieder so hineingesteigert hatte, sonst wäre er noch zusammengebrochen. Denn berechtigt oder nicht, Mord bleibt Mord!
Er stand auf, kniete sich zu der Leiche hinunter und begann sie zu würgen. „Ich hasse dich du Hure! Ich hasse dich!!!“
Wieder nahm er das Messer und stach weiterhin auf die Leiche ein...

Plötzlich ging die Tür auf. Er war erwischt worden, „Verdammte Scheiße!“, dachte er sich, „Das kann doch nicht sein!“
Eine Frau stand im Türrahmen.
„Ich kann das erklären...“, versuchte er sich zu retten, „ich, ich,...“ stammelte er.
„Das ist das Ende“, dachte er.

Die Frau im Türrahmen sah ihn böse an.
„Essen ist fertig, komm jetzt!“

„Ja Sylvia“, sagte er, „Ich komme gleich“
„Du weißt ich brauche Ruhe und da machst du so einen Lärm!“, sagte Sylvia mit Tränen in den Augen. Sie stand kurz vor der Abschlussprüfung eines Erweiterungskurses im Rahmen ihres Studiums. „Warum hast du kein Verständnis?“
„Ich verstehe es. Es tut mir leid. Möchtest du nach dem Essen, dass ich dich prüfe, Schatz“?

Sylvia beruhigte sich langsam und sah wieder, dass sie doch den richtigen Mann geheiratet hatte. „Werden wir sehen. Komm einmal essen und lass den Hund in Frieden!“
„Ja Schatz!“, der Hund löste sich langsam aus seiner Umklammerung. Er liebte es mit seinem Herrl zu spielen, der spielte nämlich immer so schön wild.

Er stand auf, ging aus dem Zimmer und bevor er die Tür schloss sah er noch einmal zurück auf den Blutfleck, den seine tote Frau hinterlassen hat.
„Ich mache den Abwasch mein Liebling!“, sagte er in das Zimmer hinein.


Samstag, 13. Oktober 2001
 
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Kommentare  

Hallo, Peter,
ich bedaure sehr, dass ich erst jetzt Deine Story gelesen habe.... Die Idee ist gut... sehr gut gut sogar... nur ein kleines Aber: Die Imagination, dass er seine Frau tötet, durch den Raum schleift, überall Blut... und dann die etwas zu rasche Auflösung mit dem Hund...
Kurz bevor seine Frau kommt, ihn ruft, da wären so eigenartige Geräusche, die die Leiche macht nicht schlecht... Wenn er mit ihr hadert und schimpft... dann antwortet die Leiche, gibt manchmal knurrende Laute von sich... sieht ihn nur an... und ihm kommt es vor,als wenn sie hechelt....
Aber alleine die Idee.... sie ist einfach fantastisch...


Siegi Breitschwerdt (26.04.2002)

Konsequentes vermischen von vorstellung und realität.
Fein!


Dark Blaze (13.04.2002)

Danke für diese gute Interpretation und die positive Kritik! Man freut sich immer wenn man von seinen Leserinnen und Lesern auch schriftliche Kritik bekommt. Vor allem wenn sie so konstruktiv ist wie deine. Danke nochmals!

Schöne Grüße aus Wien, Peter Hrubi


Peter Hrubi (21.02.2002)

Sylvia lebt in einer gefährlichen Beziehung,eines Tages wird sie der Hund sein.Es sei denn Sylvias Ehemann lässt seine stark fortgeschrittene Bewusstseinsspaltung schnellstens terapieren.Die Anleihe bei Norman Bates,mit der verstellten Stimme,gut gemacht in einer Eigenständigen Storie.Bei der Aufforderung zum Essen kommt der Titel der Geschichte in's Spiel.Sylvia (Der Tod,die Tote) schaut ihm über die Schulter.
Spannend geschrieben,wie selbst erlebt.


Wolzenburg-Grubnezlow (20.02.2002)

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