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Der Kramerladen

Fantastisches · Kurzgeschichten
Sie arbeitete in einem Kramerladen, direkt an der Ecke vom großen Marktplatz, der an jedem Mittwoch die feinsten Produkte zum Kauf bot. Der Kramerladen war in der sechsten Generation und Inge, so hieß die gute Frau, war so stolz darauf, dass sie sich das über das Ladenschild hing: ?Inges Kramerladen, geführt in der sechsten Generation?. Der Laden lief gut und sie war die einzige Angestellte und angestellt bei sich.
Ihre Haare waren meist strähnig und in ihrem Gesicht waren außer Nase, Augen, Mund und Falten auch viele Warzen. Eine größer als die andere aber sie störte das nicht. Jetzt jedenfalls nicht mehr.
Die Figur war dünn. Etwas zu dünn für manche Kundengeschmäcker. Man konnte die blauen Adern gut erkennen, wenn man sich ihre Haut anschaute und manchmal, wenn man sich konzentrierte, sah man sogar das Blut durch die Adern tuckern. Vielleicht war dies Einbildung aber es sah nun mal so aus.
Man kam gerne zu ihr, denn sie nahm sich Zeit für die Kunden, wenn der Laden leer war und wenn er voll war ging alles blitzschnell. Sie war aufgewachsen im Verkaufsgeschäft, beherrschte alles und dies merkte man.
Zwar sah sie nicht so aus aber sie war netter als so manches Personal heutzutage. Ihr Äußeres zeigte es nicht aber man fühlte und merkte es dann beim Einkauf.

Gegenüber von der Ecke am Marktplatz gab es noch eine Ecke und in dieser Ecke lebte Martin Kaff. 21 Jahre alt und erfolgloser Garnichts (wobei, ich weiß, gar nichts auseinandergeschrieben wird aber eben nicht beim Herrn Kaff). Er hatte irgendeine dumme Ausbildung sausen lassen und lebte nun von finstren Machenschaften die unüberlegt und noch dümmer konstruiert waren als er selber. Ja, er war dumm. So dumm, dass er sich nicht einmal Freunde halten konnte, auch keine dummen Freunde wohlgemerkt.
Nun begab es sich, dass Martin den Kramerladen oft und gut besuchte. Manchmal um Zigaretten zu holen oder irgendwelches billiges Bier das er sich gerade noch so leisten konnte. Gut, er hätte zum Sparen auch zum guten alten Penny gehen können aber der war 10 Meter weiter entfernt und so durch Martins Faulheit unerreichbar.
Martin kannte die alte Frau gut. Er kannte ihre Gewohnheiten und wusste auch, dass in dem kleinen Kramerladen viel Geld hinten im Tresor lagerte. Wie er das herausbekommen hatte und warum das so war, wusste er nicht mehr aber er wusste, dass er es wusste und das allein zählte.
Nun trieb ihm mangelndes Geld in den Taschen und seine überaus quietschlebendige Dummheit dazu einen Plan zu schmieden. Genau um 01:00 Uhr Nachts wollte er in den Kramerladen einbrechen und dann den Tresor Huckepack in den nächsten Wald bringen. Dort würde er dann mit einem Schneidbrenner das Geld befreien und sodann sofort wieder gefangen nehmen. Dann könnte er sich ganz viel Bier im Kramerladen kaufen und mit seinen Freunden, die er dann sicher hätte einen Urlaub machen können.
Ja, dies war sein Plan.

Montag. 01:00 Uhr Nachts. Martin schlich über den dunklen Marktplatz, stolperte über einen schimmligen Kohlkopf aber war sofort wieder obenauf und ging weiter. Bis zur Ladentür hatte er keinen Menschen gesehen. Die Straßen waren ruhig und nur hier und dort drangen aus den offenen Fenstern Fernsehgeräusche aber es war unwahrscheinlich, dass sich noch einer aufrappeln würde, um auf die Strasse zu sehen. Warum auch?
Mit einem Ruck und seiner Schulter hieb Martin sich gegen die Tür und, so komisch es sich auch anhören mag, sie sprang ohne einen Laut auf und Martin war im Laden. Vielleicht weil die Tür nun auch 6 Generationen alt war und vielleicht auch weil die alte Besitzerin jeden Sicherheitsfirmavertreter gleich wieder durch diese alte Tür nach draußen gebeten hatte.
Nun stand er da. Teures Bier und feinste Zigaretten in Reichweite aber er wollte was anderes. Erst einmal.
Natürlich machte er nicht das Licht an sondern tappte im Dunkeln durch den Laden. Hier und da rempelte er ein paar Kartons an aber es ging gut und bald stand er vor dem Tresor und gerade als er das schwere Eisenmonstrum auf seinen Rücken schnallen wollte... ging das Licht an und er hörte, wie jemand vorne durch den Laden ging.
Blitzschnell mit zitternden Knien und klopfendem Herz sprang er unter einen Tisch der da irgendwo stand und begrub seinen Kopf mit eigenen Armen. In diesem Moment übersprangen sich seine Gedanken : ?Ach Scheiße hätte ich bloß....Was mache ich jetzt.....Polizei?......Soll ich was in die Hand nehmen?? und dann sah er sie. Da stand ganz seelenruhig die alte Kramersfrau und ging auf ihn zu. Sie schien überhaupt keine Angst zu haben und ihr Blick war auch nicht böse oder wütend geweitet.
Sie kniete sich mit ihren alten Knochen neben ihn und ergriff als erste das Wort und seine Hand.
?Martin...was hast Du Dir dabei gedacht?? fragte sie leise und ein wenig traurig. Martin konnte nicht sprechen und das erste Mal in seinem Leben schämte er sich, fing an zu weinen und grub seinen jungen Flausenkopf in einen weisen warmen Schoß.

Wollt ihr wissen, wie es geendet hat und warum Martin so war, wie er war? Gut, dann höret gut zu.
Martin war natürlich nicht wirklich dumm. Er hatte halt nur keine Förderer. Im Heim aufgewachsen und ständig gehänselt, da konnte sich halt nichts entfalten. Genau wie bei einer Blume die keine Nährstoffe bekommt und so auch nicht ihre prächtigen Blüten ausbilden kann. Genau so war das bei ihm. Und vielleicht getraute er sich das Lernen nicht, weil er Angst hatte es nicht zu packen.
Auch die Eltern fehlten ihm. Bis zu seinem 21. Lebensjahr hatte er zu keinem Menschen ein persönliches Verhältnis gehabt. Hier und da mal ein Vertrauensverhältnis zu sogenannten Freunden oder ein paar Heimleitern aber niemals war da ein Funken Liebe in seinem Leben. Bis zu diesem Tage Montag um 01:00 Uhr und ein paar Minuten mehr. Die alte Frau hatte ihn einfach so genommen wie er war und schon die ersten Blicke im Laden verrieten, dass sie ihm vergab. So etwas hatte er noch nie erlebt und empfunden und von diesem Moment an liebte er diese alte Frau. Es war keine Liebe zu einer Frau sondern die Liebe zu einer Mutter, die er nie gehabt hatte.

Martin vollendete seine Lehre in dem Kramerladen und über dem Laden steht nun mit großen Leuchtbuchstaben ?Martins Kramerladen geführt in der siebenten Generation?
 
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Kommentare  

nettes kleines Märchen mit schöner Aussage.

pascal gut (25.10.2002)

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