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Im Hotel

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten
Es ist mal wieder soweit. Tief in meinem Innern habe ich es
gewusst und doch hatte ich ein Fünkchen Hoffnung auf einen
pünktlichen Feierabend. Aber Nein, es muss ja so
kommen: Mein Chef verkündet der gesamten Abteilung, das
heute Abend im Hotel 'Arkade', in der Nähe der Firma, um
19.00 Uhr eine Schulung bzw. Präsentation eines großen
Festplattenherstellers statt finden wird. Teilnahme sei Pflicht,
aber verhungern müsse keiner, es gäbe ein kaltes
Büffet ‘Ha Ha’. Dieses ‘Ha Ha’, begleitet von seinem
süffisantem Grinsen werde ich ihm eines Tages den Hals
runterstopfen, denke ich mir - und behalte meine Contenance.

Um 18.30 Uhr trabt eine mehr oder weniger missmutige Schar
von Verkäufern Richtung Hotel, was praktischerweise ganz
in der Nähe unserer Arbeitsstätte liegt. Ich hoffe, das sich
der Arbeitskollege, der mich freundlicherweise mit zur
Arbeit genommen hat, nicht wieder die Kanne gibt, denn
dann wird es eine Ewigkeit dauern, bis wir nach Hause kommen.
Bis jetzt habe ich mich erfolgreich gegen die Anschaffung
eines eigenen PKW gewehrt, da ich zum einen gar nicht weiß,
wovon ich das bei diesem Hungerlohn bezahlen soll, und zum
zweiten, ich nicht vor habe, diesen Substanz fressenden Job
allzu lange zu machen. So bin ich also von diesem Arbeits-
kollegen abhängig, der zwar immer große Sprüche klopft,
aber sich immer mehr als Luftpumpe entpuppt.






Im Foyer des Hotels bilden sich wieder die üblichen
Grüppchen. Die Starverkäufer suchen die Nähe zu ihren
Gruppenleitern, damit sie besser auf ihrer Schleimspur
surfen können, die kleinen Lichter, zu denen ich auch gehöre,
suchen die Nähe zu anderen kleinen Lichtern, damit wir uns
gegenseitig besser die Wunden lecken können. Nach zwanzig
Minuten Small Talk beginnt endlich die Präsentation. Der
Repräsentant des Festplattenherstellers zeigt uns, Mittels
per Overheadprojektor an die Wand geworfenen Grafiken, die
Entwicklung und das Wachstum seiner Firma. Anschließend
erklärt er uns, das seine Firma, im Vergleich mit dem
Wettbewerb, der hellste Stern am Firmament ist. Also, das
übliche Geschwafel, und dafür muss ich meine knapp bemessene
Freizeit opfern; Ich bin entzückt.

Nach dem Vortrag wird die Schlacht am kalten Büffet ein-
geläutet, was wider meiner anfänglichen Befürchtung,
ausgesprochen reichhaltig und abwechslungsreich ist - im
Gegensatz zu den sonst üblichen belegten Brötchen. Während
dem Essen bessert sich meine Laune um einige Grad, obwohl
ich immer noch wegen der verpassten Billardrunde mit meinen
Freunden, mit meinem Schicksal hadere. Nach dem Essen
bilden sich wieder besagte Grüppchen, wobei ich einigen
Kollegen ansehe, das sie jetzt auch lieber nach Hause fahren
würden, aber sich Angesichts der Präsenz unseres Chefs nicht
trauen, bzw. noch nicht trauen die Segel zu streichen. So
wird also ungezwungenes Miteinander zelebriert, so gut es
geht, und dazu ordentlich Bier drauf geschüttet.






Gegen 22.00 Uhr hat sich die Runde schon gelichtet, aber
mein Arbeitskollege, meine Mitfahrgelegenheit, kann sich
nicht von der Runde trennen. Dieser Schleimer, baggert und
sülzt unermüdlich an unserem Chef herum, als ob er ihm
gleich vor versammelter Mannschaft an die Hose wolle.
Soll er in der Hölle schmoren!

Ich mache derweil das zweite Päckchen Camel ohne Filter auf
und denke daran, wie wunderschön ich jetzt in meinem Sessel
Zuhause - in Ruhe - an Lungenkrebs sterben könnte. Die Zeit
schreitet nur langsam, bitter langsam vorwärts. Ein anderer
Arbeitskollege, natürlich Nichtraucher, bedient sich ohne
Hemmungen an meinen Zigaretten und drückt mir eine Kassette
ins Ohr, das die Weiber immer nur an sein Geld wollen.
Dieser Schwachkopf, welches Geld meint er? Das Almosen was
wir hier verdienen, wird wohl kaum reichen, irgendeine Frau
zu beeindrucken, geschweige denn sie dazu zu bringen, diesem
schmierbäuchigen Glatzkopf hinterher zu rennen. Um 23.00
Uhr bin ich das Spiel leid und passe den geeigneten Moment
ab, um meine Mitfahrgelegenheit zu interviewen. Wo sonst
als auf dem Klo? Denn ansonsten ist er ja zu beschäftigt
unserem Chef in den Allerwertesten zu kriechen. Ich frage
ihn, am Pissoir neben ihm stehend, wann er den gedenkt nach
Hause zu fahren und er antwortet das wüsste er noch nicht,
es wäre gerade so lustig. Es kostet mich ungeheure Kraft
cool zu bleiben und ich zische ein: „Na dann bis später“.

Eine weitere Stunde später, spiele ich mit dem Gedanken,
mich in das Hotel einzumieten, da ich aus Frust zuviel
getrunken habe.





Ich muss ja selbst nicht fahren, aber mir ist klar, das mir
abzüglich einer Stunde Fahrzeit, noch genau fünf Stunden
zum schlafen bleiben, unter der Vorraussetzung, das wir
jetzt starten. Was aber nicht danach aussieht.

Mein Chef ist heute gewillt ein Fass aufzumachen, und er-
öffnet dem Funktionär des Festplattenherstellers und meinem
Chauffeur, dass er hier in der Nähe noch ein Lokal kennt,
was länger auf hat. Also verabschiede ich mich geistig
schon mal von dem Geld für die Übernachtung in diesem Hotel,
das ich eigentlich gar nicht habe. Wenn ich jetzt nicht ins
Bett komme, wird mich der zwangsläufige Kater morgen früh
umbringen.

Ich verabschiede mich mit einem gequälten Lächeln und stoße
im Fahrstuhl einen müden Seufzer aus. Endlich allein, ohne
diese Berufsoptimisten, die mich mit ihrer 'Uns gehört die
Welt' Einstellung den ganzen Abend gelangweilt haben. Ich
falle halbtot in die Koje und schaffe es gerade noch, meine
Klamotten und meine Brille auf einen Stuhl in die Ecke zu
feuern. Irgendwann nachts weckt mich das Drücken meiner
übervollen Blase. Ich schleiche halb besoffen und halb blind
ohne meine Brille, Richtung Bad. Als die Tür hinter mir ins
Schloss fällt, bin ich schlagartig nüchtern.

Ich stehe nackt auf dem Hotelflur!
Lieber Gott im Himmel, lass das nicht wahr sein, sag mir
das ich nur schlecht geträumt habe, Bitte, Bitte, Bitte !





Aber der liebe Gott zeigt kein Erbarmen, auch nach fünf
Minuten stehe ich immer noch splitterfasernackt im vierten
Stock des schlauchartigen Hotelflurs. Verfluchte Scheiße,
was jetzt?

Nachdem ich weitere fünf Minuten von einem Bein aufs andere
gehampelt bin und langsam anfange zu frieren, kommt mir
eine Idee. Bestimmt haben die hier auch ein Nottelefon im
Flur, damit man an der Rezeption Bescheid sagen kann, wenn
zum Beispiel ein Feuer ausbricht. Ich laufe langsam und
vorsichtig, immer bedacht mein Geschlechtsteil zumindest
mit einer Hand zu verhüllen, den Flur entlang. Hoffentlich
will jetzt kein Nachtschwärmer auf sein Zimmer, was soll
ich nur sagen wenn mir jemand begegnet ?

Hallochen zusammen, heiße Nacht heute! ?

Man wird mich für wahnsinnig halten, besser noch für einen
Sexgangster, ich sehe schon die Schlagzeile in der Morgen-
zeitung vor mir:

Psychopatischer Exhibitionist terrorisiert Hotelgäste!

Weit und breit kein Telefon in diesem Scheißflur, das ist
die Strafe Gottes für die, die abfällig über Ihre Kollegen
und Chefs denken, geht es mir durch den Kopf. Ich gehe den
Flur ein zweites Mal vorsichtig und hoffentlich lautlos ab,
entdecke aber leider nicht das ersehnte Telefon. Die einzige
Konsequenz nimmt in meinem Kopf Form an.





Ich muss im Fahrstuhl runter an die Rezeption fahren und
mich dort irgendwie bemerkbar machen, oh Gott wie peinlich !

Allein der Gedanke jagt mir heiße und kalte Schauer über
den Rücken, ich bin erledigt. Ich verbringe weitere zehn
Minuten in eine Ecke gekauert und beobachte den Fahrstuhl.

Also, gut ich bringe es hinter mich. Ich bewege mich
Richtung Fahrstuhl und drücke den Knopf, hoffentlich ist
der Fahrstuhl leer, Bitte, Bitte, Bitte! Der Fahrstuhl
öffnet sich langsam und ich spähe mit hochrotem Kopf hinein,
Leer! Ich steige ein und wische mir die Zwanzigste
Schicht Schweißperlen von der Stirn. 'E' wie Erdgeschoss
steht auf der Schalttafel, 'I' wie Inferno wäre viel
passender gewesen. Der Fahrstuhl setzt sich in Gang. Die
Fahrt hinunter kommt mir endlos lange vor und ich zucke bei
jedem Stockwerk, von Panikattacken geschüttelt, zusammen.
Bitte, Bitte, Bitte fahr weiter, keine anderen Fahrgäste,
ich kaufe auch morgen Zigarren für den Chef und einen Strauss
Blumen für seine Frau! Nach unsäglichen Minuten der Qual,
komme ich endlich im Erdgeschoss an und die Türe geht auf.

Ich stehe da wie ein Häufchen Elend und winke mit einer Hand
Richtung Rezeption, allerdings kann es auch sein, das ich
gerade dem Feuerlöscher winke, da ich ohne meine Brille
blind wie ein Maulwurf bin. Weitere Sekunden, Minuten der
Agonie, ich winke immer noch wie ein Gestörter, aber nichts
passiert.






Nichts auf der Welt wird mich dazu bringen durch diese
Empfangshalle zu laufen und an der Rezeption zu klingeln,
Nichts - immer fleißig winken! Ich weiß nicht wie lange
ich winke, bis plötzlich die Fahrstuhltür wieder zugehen
will, was ich aber durch den Einsatz meines Oberschenkels
zu verhindern weiß. Ich habe aber die Lichtschranke nicht
getroffen und die Tür klemmt mir den Schenkel ein, worauf
ich laut losschreie. Plötzlich geht die Tür wieder auf und
vor mir steht der Nachtportier. Er nimmt sich die Zeit mich
von oben bis unten zu mustern, während ich irgendwelche
Entschuldigungen murmele und mit gesenktem Kopf probiere,
dass ganze zu erklären: Welch Schmach!

Da er den Generalschlüssel für alle Zimmer dabei hat, können
wir sofort wieder hoch fahren, wofür ich Gott danke. Während
der Fahrt schaut er mich halb ungläubig, halb grinsend an,
seine niedrigen Gedanken stehen ihm auf der Stirn
geschrieben. Das wird ein Fest morgen früh, wenn ich das
meinen Kollegen erzähle!

Ich falle wieder ins Bett und stehe nach 10 Minuten wieder
auf, da ich ja ursprünglich pinkeln gehen wollte, was mir
aber in der Aufregung glatt entfallen ist. Dieses mal aber
mit Brille und die Badezimmertür lasse ich auch hinter mir
auf. Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste,
man weiß ja nie.

Am nächsten Morgen behandeln mich alle Bediensteten des
Hotels äußerst freundlich und zuvorkommend und alle
wissen meinen Namen.




„Ja gerne Hr. Urban, aber natürlich Hr. Urban, darf es
noch etwas sein Hr. Urban ?“

„Heute kein Frühstück Hr. Urban?“

Und immer mit diesem ironischen Lächeln im Gesicht, ich
könnte sie alle umbringen. Ich verlasse das Hotel als armer
gedemütigter Mann, der jetzt wieder seinem unerfreulichen
Tagwerk nachgehen muss. Ich bin mir sicher, das ich nie
wieder einen Fuß in diese Räumlichkeiten setzen werde.
 
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Kommentare  

Sicher einer der Alpträume eines jeden von uns, irgendwo plötzlich nackt herumzustehen... und das nach einem schrecklichen Abend. Man kann sich wirklich gut hineinversetzen in die Laune des Ich-Erzählers.
Ich hoffe doch daß das nur erfunden ist. :)

4 Punkte


FrozenYak (12.01.2003)

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