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3 Seiten

Das Dorf

Schauriges · Kurzgeschichten
© shadow
Es war eine wolkenverhangene, finstere Nacht. Trotzdem wusste jeder in dem kleinen Städtchen Longford Castle, dass Vollmond war, und jeder wusste auch, was es bedeutete, in einer Vollmondnacht in Longford Castle zu sein, wenn nicht in einem Haus mit gut verschlossenen Türen und Fenstern, in dem alle Lichter brannten. Doch in diesem sonst so friedlichen Städchen gab es einen Unbelehrbaren. Es war ein Tourist, der von dem Grauen nichts ahnte, das in jener Nacht erneut sein Unwesen trieb. Obwohl alle wussten, das der junge Mann nie zurückkehren würde, ließen sie ihn gehen.
Nur die kleine Louise schrie, er solle nicht gehen. >Ich möchte noch einen kurzen Spaziergang durch den Wald machen. Ich möchte die aufgeweichte Erde noch ein wenig genießen.<, hatte Morice gesagt. Nun war er allein. Woher hätte er auch wissen sollen, das sich gleich neben dem Wald ein großes, unheimliches Moor befindet? >Was waren das auch für nette Leute<, dachte Morice lächelnd. >Der kleine Max mit seiner Schwester Louise, der alte MacHaunter, Mr. und Mrs. Dallawhare und nicht zu vergessen die liebreizende Lady Justine.< Natürlich waren das nur die, an die sich der einsame Spaziergänger noch erinnern konnte. Fröhlich und wohlgemut ging er leicht wippend auf die bedrohlich hoch wirkenden Tannen zu. Ihm stieg der Duft des Waldes in die Nase. Es roch nach Erde, Tannennadeln und Moos. Die Luft war frisch und feucht, und doch herrschte eine unangenehm drückende Stimmung. Man hörte und sah keine Menschenseele, und überhaupt hatten sich alle seit seinem Beschluss, noch einmal an die frische Luft zu gehen, merkwürdig benommen. Aber Morice hatte keine Angst!

Obwohl... es war so stockfinster hier draußen. Er guckte sich um. Der Schrei einer Eule hallte durch den Wald und ließ ihn zusammenfahren. instinktiv duckte er sich. Aber da war ja nichts. >Nur eine Eule, weiter nichts.< sagte er sich. Ohne es zu ahnen, kam der Unglückliche dem riesigen Moor immer näher. Da, der Mond kam hinter den Wolken hervor und in der Ferne heulte ein Wolf. Andere Wölfe stimmten mit ein und nun gestand Morice es sich: Er hatte Angst, eine Wahnsinnsangst. Sollte er nun auch über den Friedhof an der Kirche gehen, wie er es sich vorgenommen hatte? Natürlich sollte er das, den es gab ja eigentlich nichts, wovor er sich hätte fürchten brauchen, oder vielleicht doch? War denn wirklich nichts dran an den erschreckenden Berichten seines Bruders Malcom? Hatte dieser die ganzen Geschichten von seinem Besuch bei Longford Castle wirklich nur erfunden? Er war nun bei dem Moor angelangt.

Es lag in einem bläulichen Nebel, der die Grenze zwischen Wirklichkeit und Traum verschwimmen lies. Der Schimmer des Mondes war auf der hauchdünnen Wasserschicht zu erkennen. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man nicht einmal geahnt, das sich darunter der metertiefe Morast befindet, aus dem es kein Entrinnen gibt, der jeden, der sich in seine Nähe wagt, erbarmungslos hinabzieht. Der Mann schauderte und ging schnell weiter, ohne zu wissen, was in dem Moor noch lauerte, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was ihn die ganze Zeit beobachtete. Natürlich fühlte er sich schon seit seiner Ankunft nicht gerade wohl in seiner Haut, aber würde Morice sich das eingestehen? Er wusste, dass irgentetwas nicht stimmte. Bald war er am Friedhof angekommen. Diese Sache wollte er so schnell wie möglich hinter sich bringen. Er sah sich bedächtig die hohe Kirche an. Auf den Fenstern waren Bildnisse von Heiligen. Dann blickte Morice auf die Grabsteine. Leopold Riebental, vermutlich ein Österreicher.

Dorine Sasay, kannte er auch nicht. Natürlich nicht, woher auch? Plötzlich riss er entsetzt die Augen auf! War das möglich? Hat sich da keiner geirrt? >Oh mein Gott!!!< rief er laut aus. Auf dem Grabstein stand: >Louise Stine, 1875-1886< War das eine andere? Gab es schon einmal ein Kind mit dem selben Namen? Schnell ging er weiter. >Max Stine, 1873-1886<, >Allan McHaunter, 1803-1886<, >Mr. und Mrs. Dallawhare, 1835-1886<, in einem Grab. >Oh nein, nicht auch noch...< >Justine Moore, 1866-1886<. Aber was dann kam, schockte den armen Morice wirklich gewaltig: >Malkom, ein Fremder, 1958-1986<. >Nein, das kann doch nicht wahr sein! Das ist eine Lüge!!!<, schrie der Erschütterte. >Nicht mein Bruder! Er ist nicht tot!< Morice war am Ende, verzweifelt lief er wieder zurück in den Wald, doch ehe er sich es versah, befand er sich mitten im Moor.
Er verlohr seine Besinnung, stürzte sich in ein bodenloses Loch aus quälendem Chaos. Alle, die ganze Stadt war an jenem unheilvollen Tag im Jahre 1886 gestorben. Und Malcom genau ein Jahrhundert später! Aber wie war das möglich... Was war es, das die Stadt seit jener Zeit heimsucht? Und warum schien es so, als seien sie alle lebendig? Er merkte kaum, dass er immer tiefer im Morast versank, und dann sah er sie. Sie standen mit leeren blicken um ihn herum und sprachen auf ihn ein: >Du musst uns helfen, Morice! Hilf uns! Bitte! Jetzt erkannte er ihre fahlen Gesichter. Und es war noch jemand da; sein Bruder Malcom. Doch dann kam es und alle verstummten. Flehend öffneten sie den Mund und schrien wortlos, als hätten sie keine Stimme: Nein, nein. Jedoch kam bei ihm jede Hilfe zu spät, denn das Grauen war schon zu nah.

Ein Jahr später:
>Ich glaube hier sind wir richtig<, sagte ein Mann zu seiner Familie und las das Begrüßungsschild: >Longford Castle!<. Seine Frau lächelte ihn an. >Morice hat uns ja mächtig davon erzählt...<

ENDE
 
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Kommentare  

Eine sehr gruselige Geschichte. Genau die Sorte, die ich mag.

Mondenschein (29.05.2009)

Geschichten wie diese werden wohl bald gelöscht! Wenn die Email des Autors nicht mehr funzt, fliegen die raus. Daher speichere ich sie!
Es war die ERSTE GESCHICHTE, die ich im Sommer 2001 auf Webstories las.
Kommentiert habe ich sie sogar ZWEIMAL, aber der Autor hat nie reagiert. Schade! :(


Stefan Steinmetz (11.07.2005)

Hmmm...offene Enden mag ich am liebsten... aber die Leute haben schon recht: das Grauen, die Erkenntnis kommt ein bisserl kurz. Trotzdem prima und wirklich spannend geschrieben!

Maegumi (12.07.2002)

Schöne Gruselgeschichte! Aber wie schon ein paar hier sagten, ich finde die Handlung auch ein wenig kurz; aus dem Schluss könnte man noch etwas mehr herausholen. Wie ein Wasserfall war die Handlung, kann man das denn nicht auch in einen Fluss verwandeln, der nicht ganz so schnell fließt? Auf Bald, schreib weiter Geschichten, Angel

Angel (31.01.2002)

Jetzt bin ich im kalten, dunklen Winter nochmal auf deine Geschichte gestoßen und hab sie nochmal gelesen. Sie gefällt mir noch immer, aber ich hätte sie gerne länger. Ich möchte die kleine Louise kennen lernen und all die Anderen aus dem Dorf. Lass doch Morrice ein bisschen Touristenalltag mit denen erleben und zieh auch den Schluss (bisschen abrupt) in die Länge.
Wenn du ein paar lange Winterabende in die Geschichte investierst und sie länger machst, wird die garantiert noch besser.


Stefan Steinmetz (07.01.2002)

Das Grauen,was oder wer ist es ?
Eigentlich ganz gut aber das Ende wie abgeschnitten,oder ist das plötzliche Ende das Grauen ?


Wolzenburg-grubnezloW (12.11.2001)

Viel Scheiße !!
Aber doch ganz gut !!


Peter und Ilse (22.10.2001)

Hi shadow! Deine Geschichte ist echt gut und daher habe ich einmal eine Frage an dich. Darf ich sie als eine Vorlage für ein Schulprojekt von Informatik nehmen, bei dem wir ein Hörspiel machen sollen? Ich würde mich echt freuen, wenn das klappen könnte! Schreib mir doch bitte einfach zurück! Vielen Dank, und weiter so!

Knuddelbärchen (29.08.2001)

Prima Geschichte! Ich liebe diese Stories, in denen Gestorbene wieder erwachen und als Geister herum spuken. Deine Geschichte ist schön spannend geschrieben. Ich hatte ja erst auf den obligatorischen Werwolf gewartet. Umso besser gefiel mir der Schluss.

Stefan Steinmetz (03.08.2001)

Echt gruselig. Nur irgendwie ist das Ende zu kurz. hab den Eindruck, dass da noch was fehlt.

Lea (24.06.2001)

Die Geschichte ist nicht schlecht, nur das Ende so abrupt...

Gudrun (26.05.2001)

Hm... nette Geschichte, aber die Handlung geht mir einfach zu schnell. Deine Beschreibungen sind mir zu wenig, ich konnte mir die Szenarien nur vage vorstellen... aber der Sinn der Geschichte ist gut ;-)

Sabine


SabineB (08.05.2001)

Coole Story. Ich würde lügen wenn ich ein leichtes Frösteln abstreiten würde !

b.heinrichs (09.03.2001)

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