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Der Schrei nach Leben - Kapitel II

Romane/Serien · Nachdenkliches
Als er am nächsten Morgen die Augen öffnete, war er versunken in einem Gefühl der Losgelöstheit. Er nahm nicht teil an seiner Umwelt, er beobachtete sie bloß. Sein Mund war nutzlos, denn weder wusste er etwas, das des Sprechens wert gewesen wäre, noch wusste er um den Sinn des Essens. Viel stärker ekelt ihn der Gedanke an diese Lebensbedingung an.

Er wusste, daß er sich nichts anmerken lassen wollte. Seine Rechnung, daß Schweigsamkeit am Morgen nichts war, daß bei ihm weiters auffallen würde, ging auf, und somit konnte er das Haus in ungestörter Abgeschlossenheit verlassen.
Betäubt trat er seinen täglichen Weg an. Er war leer. Einer augeschütteten Tasse gleich. Ihm war alles gleichgültig und genausogut hätte er statt seines Aufbruchs zur Schule von einem Zug überfahren werden können. Nicht um den Zweck wissend tat er, was die Gesellschaft von ihm gewohnt war.
Auf seinem Weg stachen ihm mehr als je zuvor seine Mitmenschen ins Auge. Sie hatten wahrscheinlich die vergangene Nacht genauso verbracht wie immer. Fast beneidete er sie ob ihres gefestigten Lebens, doch bedauerte er sie ein wenig, da ihnen die Macht der Emotionen, die ein menschliches Wesen auf seinen Geist zu reduzieren vermochten, unbekannt war. Die Evolution beschränkt sich auf Funktion und gelangt stets zu der Lösung, der unerwünschte Belastungen fremd sind. Was zum kollabieren neigt scheidet aus, verschwindet, wird durch eine Existenz abgelöst, die den Umweltbedingungen angepasst ist, und ihnen dadurch standhält.

In der Schule hielt seine Stimmung an, weswegen er mit seinen Kameraden und Freunden nicht mehr Worte als nötig wechselte. Hätte er etwas gefühlt, so wäre es wohl Erstaunen gewesen. Wortwechsel und Geschichten, die das Leben in seiner scheinbaren Nichtigkeit schrieb. Im tiefsten Inneren wollte er sein wie sie, ohne diese Gedanken betreffs dem seltsamen Stück, das die Menschen auf der Bühne Welt zum Besten gaben. Er wollte in ihre Köpfe, um zu erfahren, was in ihnen vorging. Ein Unglauben brodelte in ihm auf, der es ihm nicht möglich machte, sich als einzigen zu sehen, den dieses Denken verfolgte. „Selig sind die geistig Armen“ hatte für ihn die stärkste Bedeutung. Diese Last wurde zusehens zuviel für ihn, und er wünschte sich Nichts zu ahnen, zu hinterfragen, alles einfach so zu akzeptieren, tot oder dumm, das wollte er sein. Warum ihn die oder seine Natur ihn förmlich dazu zwang, sich mit Dingen zu beschäftigen, die ausserhalb seiner Möglichkeiten sie zu ändern, die Fiktionen waren, die sich scheinbar dem Bereich des Sinnvollen entzogen, um in ihrer selbstgeschaffenen Grausamkeit seinen Verstnad in die Knie zu zwingen. Die Evolution verurteilte ihn zum Aussterben. Er verbannte sich in die von ihm geschaffene Hölle.

Seine Gedanken kreisten, ohne Anfang ohne Ende und bar jedes Konsenz wie Fliegen. Doch wie nach einem schier endlosen, anstrengenden Tag berührten ihn die Fliegen nicht und so ließ er sie ihre Bahnen ziehen, in dem Wissen, daß sie verblassen würden, er weder etwas gegen sie tun konnte noch wollte, und daß sie ihn nicht berührten.
Auch dieser Schultag ging vorüber und er ging nach Hause um in der letzten ehrlichen Sache zu versinken. An diesem Abend gab er sich ihr hin, er ließ sich in eine schöne, vom Augenblick geprägte Welt führen und tat dort daß, was die Gesellschaft von ihm gewohnt war.

Die nächsten vier Tage verbrachte er in einem Zustand gleich dem, von Gallert umfangen zu sein. Doch stetig wuchs sein Geist und mit ihm der alte Schutzmechanismus. Wie bei der Nüchternheit die einem Rausch folgt, war es ihm unmöglich auch nur ansatzweise nachzuvollziehen, was mit ihm geschehen war, und was er gefühlt hatte. Das Einzige, das er wusste war, daß das Schlimmste daran gewesen war, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren, über die Logik, an der er sich in seinem Alltag festhielt. Es war ihm die Vorstellung unmöglich worin eigentlich das Wesen seines Zustandes bestand, doch in tiefster Seele schnürte ihm die Angst vor dem nächsten Mal, bei dem sich dieses Raubtier wieder auf ihn stürzen würde, alles verschlingen,was ihn am Leben erhielt, ihn über den Rand einer Klippe stoßen würde, um ihn dort hängend sich selbst, und seinem Willen wieder auf festen Boden zu kommen, zu überlassen, die Kehle zu. Solch ein Angriff transformierte ihn in ein Wesen, das zu sein er alle Mittel entgegensetzte. Doch wusste er, daß er zu schwach war, dieser Flutwelle an Emotionen standzuhalten, wenn sie zu einem niemals vorhersehbaren Zeitpunkt losbrach, und das Ich, an dessen Formung nach seinen Wünschen er immerwährend arbeitete, wegspülte. Es gab nichts, was ihm in solchem Maße Furcht einflößte. Er zog den Tod seinen Gefühlen vor, und dies, so wusste er, würde sein Untergang sein. Doch das waren nur Überlegungen eines neuerlich logisch gewordenen, wenn auch schwach vor Emotionen geschützten, Geistes, der die Stärke des Ursprünglichen wieder verdrängt hat. Fast war er wieder das, was sein zu wollen er glaubte.

Vielleicht war es die Unsicherheit, die ihn noch schwach hielt. Weder konnte er diesen Zustand einordnen, noch wirklich verabscheuen. Mit vager Sicherheit wusste er, daß er ihn in der gleichen Unwissenheit verlassen würde wie alle anderen.
 
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Kommentare  

Hm... beide Kapitel gelesen, aber gefallen tut mir die Story nicht... war ja vorhersehbar...

Gudrun (24.05.2001)

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