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Tief im Wald

Schauriges · Kurzgeschichten
© Bignose
Ich war in diesem Wald bestimmt schon hunderte Male spazieren gegangen. Jedesmal nahm ich den selben Weg. Hinein in den Wald, bei der monströsen Tanne links (immer schön auf dem Pfad), ein Stück bergab, dann steil bergan und an dem Hügel vorbei.
Auch diesmal hatte ich dieselbe Route gewählt. Ich passierte die Tanne, ging bergab und wieder bergauf, doch als ich an den Hügel, der immer bloß eine gewöhnliche Erhebung aus Erde, Humus, Blättern und Gezweig gewesen war, traute ich meine Augen nicht.
Der Hügel war noch immer da, doch diesmal wies er ein großes Loch in seiner Mitte auf. Nicht nur das - vor dem Loch war eine Art Plateau und ich konnte die ersten Stufen einer Treppe sehen, die in den Hügel hinein führte.
Nachdem ich mir die Augen gerieben hatte, ging ich näher an das Loch heran und vor mir tat sich ein wahrer Abgrund auf. Es musste sich um hunderte von Stufen handeln. Wo kamen sie her - und, was wichtiger war, wo führten sie hin?

Nachdem ich alle Angstgefühle und den "inneren Schweinehund" überwunden hatte, wagte ich einige vorsichtige Schritte ins Ungewisse. Die Stufen waren eben und meine Füße fanden genügend Halt. Ich schritt, ohne es bewußt zu merken, Stufe für Stufe tiefer ins Dunkel. Immer weiter. Immer tiefer...
Marco Frohberger am 17.07.2001: ...bis ich auf einmal spürte, wie ein kalter Wind von dort unten heraufblies. Ich erschrak mich und hielt kurz inne. Der Gedanke, sofort wieder von hier zu verschwinden, überfiel mich wie der kalte Wind, der um meine Ohren blies. Erstarrt blickte ich die Treppen hinunter, die scheinbar kein Ende mehr finden wollten. Ich hatte Angst und meine Knie zitterten. Doch war es irgendetwas in mir, dass mich die Treppen hinuntertrieb. Es gab dort etwas, dass ich scheinbar herausfinden mußte.
Und während die Angst mich marterte, trieb ich mich die Stufen weiter hinunter. Es wurde immer kälter und die Treppen immer schmaler. Ich musste höllisch aufpassen, dass ich nicht unvorhergesehen stolperte.
Wenige Stufen später trat ich plötzlich auf einen glitschigen Boden. Die Umgebung hellte etwas auf, so, dass ich erkennen konnte, dass ich endlich am Ende dieser langen Stufen angekommen war. Je näher ich dem Ziel zu kommen schien, umso geheimnisvoller wurde es. Auf einmal hörte ich hinter mir mysteriöse Schritte, als spazierte jemand auf losem Kies. Erschrocken drehte ich mich um, aber ich schaute lediglich in einen leeren Gang, der mit einer Fackel behangen war. Das spärliche Licht, dass zumindest versuchte, den Flur ein wenig zu erhellen, zeigte mir in seinem flackernden Schein eine hölzerne Tür am Ende des Flures. Was sollte ich tun?! Was würde geschehen? Fragen, die mich davor abhielten, die Tür zu öffnen. Ich hatte Angst, als auf einmal...
 
Virginie Abelaar am 06.08.2001: die Tür von allein aufsprang und mich ein schwarzes Nichts anstarrte. Kein Lichtschein, kein Boden, nicht einmal die Andeutung einer vorhandenen Kontur. Trotzdem war ich nun fest entschlossen, meiner Devise zu folgen, alles was ich einmal angefangen hatte auch zu Ende zu bringen. Mit wenigen Schritten erreichte ich die Tür und obwohl ich irgendwie sicher war, dass mich auf der anderen Seite der Schwelle eine unendliche Tiefe ins Nichts fallen lassen würde, schritt ich hindurch. Doch ich fiel nicht, hörte stattdessen, wie die Tür mit einem leisen Knacken hinter mir ins Schloss glitt. Völlige Dunkelheit umgab mich.
Waren mein Mut und meine Entschlossenheit bis vor wenigen Augenblicken noch Teile eines Mauerwerks, welches versuchte meine Ängste in einem tiefer liegenden Stockwerk gefangen zu halten, begannen sich nun langsam einzelne Steine zu lockern und wie ein flinkes kleines Tier huschte ein namenloses Etwas durch die Ritzen meiner Standhaftigkeit. Stahl sich in jeden Winkel meines Körpers. In der Welt aus welcher ich kam, würde man dieses Etwas Furcht nennen. Doch hier zwischen diesen unwirklichen Geschehnissen, war es mehr als eine Angst, mehr als ein Schrecken. Wieso war ich nur diese Treppe hinunter gestiegen? Es konnte doch nicht nur Neugier gewesen sein, die mich dazu trieb, alles was ich bis jetzt erreicht hatte, durch diesen Anflug von Selbstbestätigung aufs Spiel zu setzen? Wie ein schwerer Mantel lag dichte Dunkelheit auf meinen Schultern und so sehr ich mich auch mühte einen Fuß vor den anderen zu setzen, es gelang mir nicht. Kein Vorwärts, kein Zurück. Das unsichtbare Tier fraß sich langsam und zielsicher in meinen Verstand und bewirkte mit Leichtigkeit, dass sich meine Nackenhärchen aufstellten und sich meine Muskeln durch ein unterschwelliges Zittern bemerkbar machten. Langsam begannen sich meine Pupillen zu weiten und als sich die Augen etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten, nahm ich diesen schwachen Glanz wahr, der sich als kleines Flimmern, wie ein Funken Hoffnung knapp einen Meter vor mir im Boden verbarg. Instinktiv griff ich hinunter und nachdem ich den Schmutz abgekratzt hatte, leuchtete mir, wie von magischer Hand entzündet, ein in Silber gefasster Stein entgegen. Ein Tigerauge.
Meine Erinnerungen begannen miteinander zu kämpfen. Das Tigerauge ... wo? ... wo nur hatte ich dies schon einmal gesehen? Und plötzlich waren meine Gedanken so klar, klar wie die Luft nach einem warmen Sommerregen, den es hier in diesem Teil des unterirdischen Labyrinths mit Sicherheit nicht gab. Aber Heimweh war das, was ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen konnte und mir wurde mit einem Mal bewusst, dass mich nicht nur diese Treppe, diese Tür, von meinem bisherigen Leben trennte. Dies war nicht nur irgendein dunkler Raum, ich spürte die Weite die sich in der Finsternis vor mir ausbreitete und wie unbetretenes Land vor mir lag. Immer noch umklammerte ich den leuchtenden Stein, der schon meine Körpertemperatur angenommen hatte, sich glatt wie Glas anfühlte und mir die Erinnerung an diesen seltsamen Abend ins Hirn schießen lies. Es musste schon über ein Jahr her gewesen sein, als ich dieses Mädchen mitnahm, das als Tramperin am Straßenrand stand und vor mein Auto lief. Obwohl die Sicht gut war und die Scheinwerfer recht ordentliches Licht spendeten, konnte ich sie nur im letzten Augenblick wahrnehmen und bekam mit Mühe und Not eine Vollbremsung hin. Sie stieg ein, als wenn nichts gewesen wäre und sprach bis zur nächsten Raststätte kein Wort mit mir. Sie hatte sehr helle Haut, fast konnte ich das Blut darunter pulsieren sehen. Ihr Haar hing jeder Frisur zum Trotz, wild bis über ihre Schultern. Ihren Blick hielt sie auf die alte lederne Tasche gerichtet, welche auf ihren Oberschenkeln lag und in der man, ihren Händen zufolge, die eben diese Tasche fest umklammerten, den Stein der Weisen hätte vermuten können.
In Gedanken versunken starrte ich auf das Tigerauge, welches in meiner Hand lag und weiter dieses matte Leuchten aussandte. Denselben Stein hatte das Mädchen an einer Kette um den Hals getragen. Aus unerfindlichen Gründen hatte sich dieses Bild in meine Netzhaut eingebrannt und genauso deutlich wie ich dieses Bild nun vor meinen Augen sah, echoten die Worte, welche sie mir damals zum Abschied wie ein Lächeln entgegen warf, in meinem Kopf.
„Wie willst du wissen ob nicht jeder Flügelschlag eines Vogels, das Heulen eines Kojoten, der Blitz der sich aus den violettgrauen Wolken senkt, die Knospe deren Saft die Käfer anlockt, Dinge zwischen den Welten sind, die einfach eine zu große Herausforderung für das Auge und die Sinne eines Menschen darstellen ... danke, dass du mich mitgenommen hast ... vielleicht kann ich dir irgendwann einmal behilflich sein.“ Ehe ich etwas entgegnen konnte, war sie von einer Traube Touristen, welche versuchten sich in einen Reisebus zu zwängen, verschluckt worden.

Nun stand ich gefesselt an diesem Ort, hinter mir diese verschlossene Tür, vor mir diese undurchdringliche dunkle Leere und als ob kleine Kiesel in einen weit entfernten See fielen, formten die kleinen Wellenkreise meinen Namen, der sich wie ein Hauch auf meine Haut legte. „C-a-l-l-a-n?”
„Ich bin hier”, hörte ich mich antworten.
„Worauf wartest du? Komm!” Es war die Stimme des Mädchens, die aus der Ferne zu mir drang.
„Ich kann nicht”, rief ich und versuchte vergebens meine Beine von der Stelle zu bewegen.
„Schlappschwanz”, hallte es, von ihrem höhnischen Gelächter begleitet, zurück. Das war zuviel. Das konnte nicht echt sein. Ein Traum. Sicher nur ein Traum. Ganz gewiss nur ein Traum. Ich wollte unbedingt aufwachen. Doch als der Stein sich heißglühend in meine Handfläche brannte, war ich mir endgültig sicher, dass es kein Aufwachen geben würde. Das Tigerauge fiel zu Boden und verlosch, von einem zuckenden grellen Blitz begleitet, im Sand. Ich konnte meine linke Hand nicht mehr fühlen, sie war nur noch ein einziger bohrender Schmerz und erst als ich mich vorsichtig vergewisserte, dass doch noch alle Finger vorhanden waren, stieg mir der unverwechselbare Geruch verbrannten Fleisches in die Nase. Eine Welle von Panik durchlief meinen Körper. Ich wollte weg, wollte meine Hand in einen Eimer Eiswürfel tauchen, wollte nur, dass dieser brennende Schmerz aufhörte. Dann war es wieder da, dieses Gelächter.
„Hast du dir weh getan? Ihr Menschen ... haltet doch gar nichts aus. Nun komm schon!”
„Scheiße, was soll das? Lasst mich raus! Hört endlich auf damit! Was wollt ihr? Was willst du?” Für einen Augenblick dachte ich tatsächlich daran, von einer männermordenden Psychopathin in die Falle gelockt worden zu sein, damit sie mich dann stückchenweise verspeisen könne. Der Gedanke verflüchtigte sich jedoch schnell wieder, als ich ihre Stimme erneut hörte. Diesmal ohne lustigmachenden Begleitton.
„Du hast Angst, das verstehe ich. Ich hatte auch Angst, in eurer Welt. Doch das gehört jetzt nicht hier her. Ich kann nicht länger warten. Komm endlich!”
Vergeblich versuchte ich mich fortzubewegen. Ohne Erfolg. Der Boden schien mit meinen Füßen verwachsen zu sein.
„Ich schaffe es nicht”, presste ich durch die Zähne und versuchte den Schmerz zu ignorieren, der mittlerweile, wie ein nagendes Ungeheuer an meinem Arm hing.
„Du denkst an zu viele andere Sachen. Wo ist dein Wille? Konzentriere dich nicht auf deine Beine, konzentriere dich auf das Wohin!”
„Wohin”, wiederholte ich sie fragend, obwohl ich die Antwort schon kannte. Zwei Worte, die wie ein Gemälde in mir hingen. ZU IHR. Und da war er, dieser eine erste Schritt, hin zu ihrer Stimme, weg von dieser Tür, hinein in dieses dunkle ...
 
bignose am 29.08.2001: ...Nichts. Der endlose Fall in die Tiefe und doch so bedeutungsschwanger.
Ich spürte jede Zelle meines Körpers, als ich, das Tigerauge umklammernd, im Dunkel verging. Vergehen ist vielleicht nicht das richtige Wort für diesen Zustand. Es war wie eine Trance. Mein Körper war nur noch Energie und alles um mich herum rotierte in verschiedenen Grau- und Schwarztönen.
Dann landete ich auf einer silbrigen Plattform. Nicht, dass ich dorthin gefallen wäre, nein, plötzlich lag ich auf dieser metallenen Fläche.
Sie war auch da.
Ein Mädchen, der Erscheinung nach vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Ihre Haut war bläulich gefärbt und sie besaß große Mandelaugen, die giftgrün leuchteten. Die Haare, lang und blond, waren auf ihrem Kopf zu einem Zopf geflochten, der ihren frechen Gesichtsausdruck betonte.
"Erinnerst Du Dich noch an mich?" fragte sie mit herausfordernder Stimme. In der Tat, es blitzten Gedanken durch meinen Kopf, die ich vorher scheinbar verdrängt hatte. Ich war schon einmal hier gewesen. Das Tigerauge war der Schlüssel zu dieser Welt. Einer Parallelwelt zu der unseren.
"Du weißt, Du hast eine Mission zu erfüllen." Ihre Stimme klang vorwurfsvoll, doch auch unglaublich sanft.
Sie warf mir ein Bündel hin. Es landete direkt vor meinen sandigen Händen, mit deren Hilfe ich mich aufzurichten versuchte.
"Denk an die Mission. Es ist wichtig für unseren und für Euren Planeten." warnte sie mich. Dann ging sie einfach fort.
Noch immer benommen griff ich mit zittrigen Händen nach dem Bündel, zog die lederne Schlaufe ab und blickte hinein. Ich traute meinen Augen nicht, denn ich sah...
 
darkangel am 11.01.2007: ...einen silbernen Schlüssel, in dessen Griff ein Tigerauge eingelassen war. Der Schlüssel hing an einer langen, silbernen Kette, und ich musste nicht lange überlegen. Ich hängte mir die Kette um und spürte die Energie, die vom Tigerauge ausging. Ein leichtes Leuchten huschte über den Stein. Ich hob den Kopf von dem Schlüssel und schaute mich um. Wo war das Mädchen? Warum hatte sie mir den Schlüssel gegeben? Was war meine "Mission"?
Doch das Mädchen war nirgendwo zu entdecken. Ich wandte mich wieder dem Bündel zu. Im schummrigen Licht des Tigerauges erkannte ich ein schwarzes Stoffbündel. Es stellte sich als langes, schwarzes Gewand heraus. Ich streifte es über und bemerkte sofort, wie schwer und fest der Stoff war und wie glatt und sanft er gleichzeitig über meine Schultern fiel. Im Bündel fand ich außerdem einen schweren Gürtel, dessen Schnalle mit fremdartigen Mustern verziert war und der mich fast in die Knie gehen ließl, als ich ihn anlegte, und einen Ring.
In den Ring war ein drittes Tigerauge eingefasst. Ich steckte ihn auf den Ringfinger meiner gesunden Hand, wenn auch nicht ohne Sorge um den Finger.
Wenn ich nun an mir herunter schaute, zweifelte ich daran, dass die Kleidung wirklich für mich bestimmt war. Ich sah aus wie in einem Fantasy- oder Science-fiction-Film!
 
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Kommentare  

Sehr spannend und gut gelungen, bis auf dein eigenes, letztes WriteOn. Ersteinmal findet sich dort ein Fehler: Das Tigerauge wurde fallengelassen, dann hat er/sie es wieder in der Hand. Dazu driftet das spannende, gruselige in ein anime-ähnliches "Rette die Welt" ab. Man hätte eine bessere Fortsetzung finden können.
Schade eigentlich.

Gut.


Redfrettchen (13.06.2004)

Ich finde den Anfang sehr interessant und er verleitet natürlich dazu, in sehr vielen Perspektiven weiterzuschreiben.
Die Handlung hat sehr viel Potenzial. Ich werde mir was überlegen und dann eine Fortsetzung schreiben!


Marco Frohberger (14.07.2001)

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