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17 Seiten

Das einmalige Sonderangebot

Trauriges · Kurzgeschichten
© Thomas F.
Vielen Dank an Stefanie

Der Himmel war grau und es schüttete in Strömen.
---"Wieder so ein echt toller Tag! Petrus will uns wohl wieder bescheißen und die Sonne alleine für sich bunkern. Und wir bekommen dann dieses Wetter! Wann habe ich eigentlich den letzten Regenbogen gesehen?", dachte David, während er in dem Bus saß, der gerade über eine Kreuzung fuhr. Der Bus würde ihn zum Bahnhof bringen. Von dort aus würde er mit einem anderen Bus ins Stadtzentrum fahren, denn dort mußte er noch ein paar Lebensmittel einkaufen.
---Aber das war nicht der einzige Grund, warum er an diesem verregneten Tag in das Stadtzentrum wollte. David hatte in der Zeitung, die er jeden Morgen las, ein eigenartiges Angebot entdeckt.
---An sich waren diese Mega-, Extra-, Super-, Sonderangebote nichts Neues und David schenkte diesen leeren Versprechungen auch keinen Glauben. Aber dieses Angebot von einer Kaufhauskette, in der er schon oft eingekauft hatte, war anders. Vielleicht lag es aber auch daran, dass die Anzeige auf allen Zeitungsseiten zu finden war, die er immer las. Aber David dachte sich nichts dabei und tat
es als Zufall ab. Auch als er seine Zeitung an diesem Morgen direkt vor seiner Tür gefunden hatte, hatte er dem keine besondere Bedeutung beigemessen, obwohl sie sonst nie dort lag.
---Er fand die Anzeige einfach sonderbar. Denn dort wurde diesmal etwas ganz Besonderes versprochen, nämlich nichts geringeres als dies: 'Was Sie sich schon immer wünschten; bei unserem einmaligen Sonderangebot werden Sie es bekommen!' Obwohl er sich einredete, dass er doch alles besaß was er brauchte, und dass er glücklich war, gab es etwas in ihm, das er nicht mehr zum Schweigen bringen konnte, als er die Anzeige gelesen hatte. Es redete ihm ein: "Dir fehlt etwas! Dir fehlt etwas sehr Wichtiges!" David versuchte dagegen zu halten, doch er schaffte es nicht.
---Er wollte sich dieses dumme Angebot mal genauer ansehen, dann würde diese Stimme schon verschwinden, und er hätte wieder seine Ruhe, so dachte er jedenfalls.
---Als David im Stadtzentrum war, machte er sich sofort auf den Weg zum Kaufhaus. Denn es regnete immer noch und er wollte sich keine Erkältung einhandeln. Nach einiger Zeit erreichte er das Kaufhaus und war froh, dass er diesem Regenwetter, wenigstens für einige Zeit, entfliehen konnte.
---Im Kaufhaus fuhr David mit der Rolltreppe in die erste Etage, denn dort gab es normalerweise immer die Sonderangebote. Aber hier fand er keine Spur von dem einmaligen Angebot aus den
Zeitungsanzeigen. Also fuhr er auch in die nächste Etage, aber dort war ebenfalls nichts zu sehen von dem Sonderangebot.
---Enttäuscht ging er wieder ins Erdgeschoß, um eine paar Lebensmittel zu kaufen. Doch die Stimme, die ihm predigte er solle gefälligst nach dem einmaligen Angebot suchen, war noch nicht verstummt, sondern machte weiter seinen Kopf unsicher.
---Auf der Rolltreppe begegneten ihm zwei Menschen, die ziemlich glücklich zu sein schienen. "Wieder ein glückliches Paar.", dachte David, "Ich verstehe nicht was die an der Liebe finden. Ich bin doch auch ohne sie glücklich. Warum sollte ich mich mit der Liebe einlassen? Ich brauche
niemand anderen! Ich brauche niemand anderen! ..." Dies bekräftigte er immer wieder, während er auf der Rolltreppe stand. Damit nur keine Zweifel bei ihm auftauchen konnten. Er machte das so
überzeugend, dass er es am Ende sogar wirklich glaubte.
---Er war nun schon Mitte zwanzig und ging immer als Sieger gegen die Liebe hervor, er führte ein glückliches Leben.

* * *

Als David wieder im Erdgeschoß angekommen war, sah er ein kleines Schild, das auf das Sonderangebot hinwies, das er die ganze Zeit gesucht hatte. Verwirrt dachte er, dass er das Schild beim ersten Mal wohl übersehen haben mußte und ging in die Richtung, in die das Schild zeigte. Bald entdeckte er ein weiteres Schild, das ihm den Weg zu einer Treppe, die zu den unterirdischen Etagen des Kaufhauses führte, wies.
---Er ging die Treppe nach unten, bis ihm wieder ein Schild den Weg zeigte. David war das erste Mal hier unten und es schien ihm alles etwas seltsam. Es kam ihm vor, als wäre der offizielle, für Kunden zugängliche Verkaufsbereich, schon längst hinter ihm zurück geblieben. Als er dann aber vor einer Tür stand, die einen Spalt offen war und die ein rotes Schild mit einem Hinweis trug, dass hier das Sonderangebot zu finden sei, waren seine Bedenken wie weggeblasen.
---Ermutigt betrat David den Raum, der für ihn auf den ersten Blick ziemlich klein wirkte. Doch als er sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte, erkannte er, dass der Raum nur so klein schien, weil er mit Regalen und Kartons vollgestopft war.
---Aber nicht nur das fand David merkwürdig. Für seinen Geschmack waren hier die Dinge zu alt. Sie paßten nicht in dieses Kaufhaus. Und erst recht nicht in diese Zeit, dachte er, als er sich umblickte.
---Etwas fiel ihm sofort auf, und zwar der kleine gelbe Holztisch in der Mitte des Raumes. Denn auf diesem standen zwei Tischlampen, deren Lichtschein die Umgebung des Tisches, von der übrigen,
dämmrigen Atmosphäre des Raumes, abhob. Wie eine Kerzenflamme in der Dunkelheit kam David der Tisch vor.
---"Wo ist denn der Verkäufer?", fragte er sich und sah sich noch ein mal genau im Raum um. Da entdeckte er, hinter dem Holztisch, der wie automatisch seine Blicke auf sich zog, einen kleinen
Mann, der offenbar aus dem Nichts gekommen sein mußte. Kaum hatte der Mann ihn erblickt, setzte sich er sich in Bewegung und kam auf David zu.
---"Warum hatte ich den Mann nicht gesehen, als mir der Tisch ganz am Anfang aufgefallen war? War er da noch gar nicht dagewesen oder hatte ich ihn nur übersehen? Ich hatte mir den Tisch aber doch ganz genau angesehen ..." Nun war David nicht mehr ganz sicher, ob der Mann tatsächlich aus dem Nichts aufgetaucht war.
---Er sah sich den kleinen, immer noch unheimlich anmuteten Mann, an: Er trug die Kleidung, die auch die anderen Verkäufer dieses Kaufhauses für gewöhnlich trugen. Nur wirkte seine viel
verschlissener, als wäre er schon lange hier beschäftigt. Aber so alt wirkte der Mann auf David nun auch nicht. Er sah eher zeitlos aus. Aber dies war nicht das einzige Seltsame an ihm: Der Mann trug eine grüne Schirmmütze, auf der David glaubte das Zeichen von Greenpeace zu erkennen. Aber sicher war er sich nicht, auch wenn er die Mütze im Licht der Tischlampen gut erkennen konnte.
---"Was kann ich für Sie tun?", fragte der Mann, als er vor David stand. Seine Stimme klang für David, als würde sie aus einem gefühllosen Automaten kommen. Er hatte keine Ahnung, ob er den Verkäufer bei etwas unterbrochen hatte, oder ob er froh war, dass sich ein Kunde zu ihm verirrt hatte.
---Freundlich entgegnete David: "Ich bin wegen des einmaligen Angebotes aus der Anzeige hier. Dem aus der Zeitung. Sie können mir doch sicher sagen, wo ich es finde. Ich suche es nä-", da
wurde David von dem Verkäufer unterbrochen.
---"Ach, das suchen Sie, da sind Sie bei mir genau richtig." Und er klang dabei wie eine Maschine, die nur ihren Texte abspulte.
---"Was haben Sie denn genau hier? Sie wissen doch gar nicht, was ich mir schon immer gewünscht habe!", sagte er. Und dachte: "Ich habe doch alles was ich brauche und mir geht es gut. Das ist es doch, was zählt!" An die Zweifel, die manchmal kamen, und ihm versuchten einzureden, dass ihm etwas namens Liebe fehlen könnte,
verschwendete er keinen Gedanken.
---"Das wissen Sie nicht? Na, klar wissen Sie was Ihnen noch zu Ihrem Glück fehlt. Denken Sie mal ein bißchen nach." Wenn er den Verkäufer nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte David
gedacht, dass dort irgendwo eine Stimme aus dem Nichts zu ihm sprach. Denn die Stimme klang nach purem Nichts.
---"Ich soll wissen was mir noch fehlt?" Die Frage hatte David schon lange in seinem Kopf unterdrückt. Und erst jetzt sprach er sie offen aus, so sinnlos kam sie ihm vor. Denn er hatte ja alles was er brauchte! Oder?
---Plötzlich hatte David das Pärchen von der Rolltreppe vor Augen und ihm kamen Zweifel. Er schaffte es diesmal nicht diese dummen Gedanken, wie er sie getauft hatte, nachdem sie ihn schon
ein paar mal zuvor belästigt hatten, schnell wieder zu verdrängen.
---"Könnte es nicht doch sein, dass mir etwas fehlt?" Dies war ein Gedanke der ihn mehr und mehr beunruhigte. Als ihn der Verkäufer musterte, merkte er, dass er eine ganze Weile über diesen dummen Gedanken gebrütet hatte. Er mußte schnell etwas sagen.
---"Ja, ich ähm...ich suche... ich wollte fragen, ob Sie zufällig die Liebe im Angebot haben." David kam sich bescheuert vor. "Aber, warum soll ich nicht danach fragen? Schließlich ist es doch nur zu meinem Vorteil!", argumentierte David in Gedanken. Aber er glaubte der Verkäufer würde ihn
auslachen und den Kopf schütteln.
---"Das suchen Sie? Ja, natürlich haben wir das im Angebot. Es haben sich vorher auch schon einige Kunden danach erkundigt."
---David war überrascht. Es gab Liebe hier zu kaufen? Er konnte es nicht glauben. Dass die Verkäufer in der heutigen Zeit versuchten einem alles anzudrehen, kannte er nur zu gut. Aber das hier stellte doch alles in den Schatten, was er zuvor erlebt hatte. Daher stand für David fest, dass,
wenn ihn der Verkäufer weiterhin verarschen würde, er sich einen neuen Kunden suchen könnte.
---Aber vielleicht war doch etwas dran. David konnte diesen Gedanken nicht mehr los werden. Er wollte Gewissheit haben, was der Verkäufer für ein Spiel mit ihm trieb. "Was soll sie denn kosten?
Oder war das nur ein schlechter Scherz von Ihnen?"
---"Ich würden mit Ihnen nie scherzen, mein Herr. Die Liebe kostet bei uns kein Geld. Sie müssen uns dafür nur eins Ihrer Gefühle geben, welches das ist egal." Das waren die Worte des Verkäufers. Sie hörten sich weder ironisch noch ernst an, sie hörten sich für David nur leer an. Erst recht nicht
klangen sie für ihn hinterhältig.
---Und hinterhältig wäre vielleicht das Wort, das den Verkäufer passend beschrieben hätte. Aber das hätte David auch nicht erkennen können, wenn er sich angestrengt hätte. Die Absichten des Verkäufers wären von den meisten Kunden, die zu ihm kamen, nicht als wohlwollend angesehen worden. Aber die Kunden kannten seine wahren Absichten nicht.
---Er wollte nicht irgendein Gefühl von den Kunden als Gegenleistung haben, sondern das Gefühl, das am Stärksten und am Mächtigsten war, und das traf nur auf die Liebe zu. Nur die wollte der
Verkäufer haben.

* * *

Doch der Verkäufer kannte sich mit den Gefühlen nicht aus, so wußte er auch nicht was Hass, Liebe, Traurigkeit und Melancholie bedeuteten. Oder wo überhaupt der Unterschied zwischen ihnen war.
---Der Verkäufer wußte nur, dass es die Liebe war, die die meisten Menschen anders machte. Und deswegen wollte er so viel Liebe, wie möglich haben. Bisher hatte er auch schon von einer Menge Menschen das wichtigste Gefühl 'erhandelt'. Und er war sich sicher, dass die meisten davon die
Liebe waren. Er war sich ganz sicher!
---Nur etwas ließ ihn zweifeln: Er mußte nun schon viel von dieser Liebe haben, aber es hatte sich nichts verändert. Die Liebe hatte ihn noch nicht anders gemacht.
---"Ich bin glücklich!", so hatte er viele Menschen reden hören, die dann gleichzeitig einen seltsamen
Gesichtsausdruck annahmen. Das hatte er oft mitbekommen, als er noch kein Sammler gewesen war. Dies war er geworden, weil er auch so sein wollte, wie alle anderen Menschen.
---Oft meinte der Verkäufer auch, dass er vielleicht doch schon anders sein könnte. Und das er es nur noch nicht bemerkt hatte.
---Er hatte immer die gleiche Antwort darauf parat: "Nein! Das kann nicht sein, von der Veränderung hätte ich schon etwas merken müssen. Wahrscheinlich habe ich nur noch nicht genug von dieser Liebe." Ja, das war immer seine Lösung, er verließ sich ganz darauf. Und dann dachte er: "Ich werde noch mehr davon sammeln, dann wird sie auch bei mir wirken! Und ich werde glücklich sein."
---Das waren die Gedanken die den Verkäufer, er selbst nannte sich
Sammler, die meiste Zeit begleiteten.
---Er lebte für die Liebe. Doch war es, seiner Meinung nach, nicht der Weg, sondern das Ziel, für das es sich zu existieren lohnt.

Der 'Verkäufer' war für ihn nur eine Rolle, in die er schlüpfen mußte, damit die 'Kunden', die er auch anders nannte, zu ihm kamen. Er sah sich selbst als 'Sammler' an, denn er sammelte die Liebe.
---'Die Kunden' hießen bei ihm 'Spender', denn sie gaben ihm etwas. Das Etwas war das Mächtigste
Gefühl. Dass es immer die Liebe war, die ihm die Spender gaben, davon konnte er nur ausgehen.
---Aber er war sich sicher, dass es immer dieses eine Gefühl war. Denn warum sonst, kamen so viele Menschen zu ihm, um sich dieses Gefühl zu kaufen?
---Der Sammler wußte, dass die Menschen dumm waren. Sehr dumm sogar. Denn sie besaßen die Liebe doch! Sie hatten sie meist nur tief in ihrem Inneren vergraben, oder glaubten sie verloren zu
haben. Aber er ärgerte sich nicht über diese Eigenarten der Menschen, er nutzte sie aus.
---Die Menschen wollten die Liebe haben, weil sie dachten, sie hätten sie nicht.

Der Sammler sagte immer, dass die
Menschen ihm nur ein Gefühl geben
mußten. Für die meisten Menschen war es aber nicht irgendein Gefühl. Es war die Liebe, die er ihnen nahm.
---Es kam ihm zwar seltsam vor, das die Kunden noch nie gefragt hatten, welches Gefühl es denn war, aber es kümmerte ihn nicht. Er war sogar froh darüber.
---Wenn sie ihn mal mit dem einen, mal mit dem anderen Gesichtsausdruck anblickten, hatte er keine Ahnung was sie dachten, denn er wußte nicht was ein Gesichtsausdruck überhaupt ausdrückte. Und wozu er gut sein sollte, konnte er sich auch nicht denken.
---Wenn die Menschen, einige Zeit nachdem sie ihm das Gefühl gegeben hatten, spürten, dass sie sich verändert hatten, oder feststellten, dass sie anders empfanden, brachten sie es nie mit ihm in Verbindung.
---Den meisten Kunden fehlte nach dem Geschäft die Liebe. Es gab allerdings auch einige Fälle, bei denen die Menschen ein anderes Gefühl als die Liebe, für das Wichtigste hielten. Das war bei David so, bei ihm lag die Liebe besiegt am Boden.
---Von ihm würde der Verkäufer ein anderes Gefühl einsammeln.

* * *

"Ein Gefühl geben?" Jetzt verstand David überhaupt nichts mehr. Der Verkäufer war wohl nicht mehr ganz dicht.
---"Wie kann ich Ihnen denn eines meiner Gefühle geben?" David hatte keinen blassen Dunst, wie er sich das Vorstellen sollte.
---"Da brauchen Sie sich nicht drum kümmern, das regele ich dann schon. Sie wollen jetzt also die Liebe?"
---"Ja, deswegen bin ich doch hier!", sagte David und war noch von dem 'das regele ich dann schon' des Verkäufers verblüfft. Er hatte sich alles
ausgemalt, nur nicht so eine billige Antwort.
---"Dann warten Sie bitte einen Augenblick. Ich muß die Liebe schnell holen.", sagte der Verkäufer und eilte zu einer Tür neben einem Regal, dass mit alten Kartons voll gestellt war.
---"Der hat ja echt einen an der
Waffel! Was will der holen? Doch wohl hoffentlich nicht ein Herz oder so etwas." Und kaum hatte er sich über den Verkäufer aufgeregt, da ging auch schon wieder die Tür auf.
---David konnte einen kurzen Blick in den Raum erhaschen, der einen sonderbaren Glanz hatte.
---"Konnte dieses Leuchten von Lampen kommen?" Aber es schien ihm, als gebe es davon gar keine in diesem Raum. Jedenfalls sah er keine. Vielleicht kam dieses sonderbare Licht, Glanz oder
Leuchten, es war irgendwie alles in einem, doch von etwas anderem. Dieses Etwas, so glaubte David zumindest, waren die Stoffherzen. Mit denen waren nämlich die vielen Kartons, die in dem Raum standen, gefüllt.
---Aber, sie waren nicht alle gleich, denn anscheinend gab es zwei Sorten Stoffherzen; die Einen in den gelben Kartons, welche ziemlich hell
leuchteten und ein sattes Rot ausstrahlten, während bei den
Anderen Stoffherzen, die in den blauen Kartons waren, das Rot eher verblaßt war und sie auch keinen Glanz mehr ausstrahlten. Sie sahen so aus, als stammten sie von einer Tombola, aus schon längst vergangenen Jahren.
---Von den blauen Kartons konnte David in dem Raum viel mehr, als von den gelben, erblicken. Das war es aber auch schon alles. Mehr hatte er nicht
erkannt, als die Tür wieder zu fiel und der Verkäufer auf ihn zu ging.
---In der einen Hand trug er eine Plastiktüte des Kaufhauses, in der anderen (David hatte es ja schon
vorausgesehen.) ein rotes Stoffherz. Und es war eins von denen, die noch neu waren und einen seltsamen, roten Glanz hatten.
---Der Verkäufer packte das Stoffherz, das aus der Nähe wie ein üblicher Preis von einem Jahrmarkt wirkte, in die Tüte und überreichte sie David.
---"Hier haben Sie die Liebe! Haben Sie vielen Dank für Ihren Besuch."
---"Das war’s schon?"
---"Ja, das mit dem Gefühl wird sich in Kürze regeln."
---Wieder so eine seltsame Antwort. David verabschiedete sich und verließ mit der Tüte den merkwürdigen Verkäufer.
---Er spürte wie etwas von ihm abfiel. Er war erleichtert. Endlich mußte er sich nicht mehr mit diesem befremdlichen Verkäufer unterhalten, der für ihn noch immer etwas
Unwirkliches an sich hatte. Als gehöre er nicht in diesen Lagerraum. Und nicht in dieses Kaufhaus.

* * *

Während David die Treppen hoch ging, wußte er immer noch nicht, ob das jetzt ein guter Handel war, oder ob er nur seine Zeit vergeudet hatte.
---Als er die Tür zum Erdgeschoß aufstieß, stand es aber für ihn fest: Er hatte nur seine Zeit vertrödelt. "Was hatte er hier bekommen? Ein dummes Stoffherz von einem Verkäufer, der sich wohl schon zu lange in den dunklen Etagen aufgehalten hatte und Probleme mit den Stimmbändern
hatte."
---Das nächste Mal würde David nicht mehr zu solchen bescheuerten, einmaligen Angeboten gehen. Er knallte wütend die Tür zu und betrat das Erdgeschoß.

Als er sich zum Ausgang des Kaufhauses aufmachte, nachdem er seine Einkäufe erledigt hatte, stieß ihn eine Junge an, der es ziemlich eilig hatte. Die Plastiktüte mit dem Stoffherz fiel zu Boden, während er die andere Tüte mit seinen Einkäufen gerade noch festhalten konnte.
---"Pass’ doch auf, du Trampel!", rief David, doch der Junge war schon weiter gerannt, ohne sich umzudrehen. David wollte seine Plastiktüte mit dem Stoffherzen wieder aufheben, als er bemerkte, dass es fehlte.
---Verwundert sah er sich um und suchte den Boden ab. Von dem roten Stoffherzen war aber keine Spur zu finden.
---"Hatte ihn der Junge beklaut? Anderseits, was sollte ein Junge mit einem Stoffherz?" David war sich nicht sicher. Aber nun war es ihm auch egal, was hätte er auch schon mit einem nutzlosen Stoffherzen machen können?
---Da war noch etwas anderes, das nichts mit dem dummen Stoffteil zu tun hatte, ihm aber erst jetzt bewußt wurde. Irgendetwas hatte sich gewandelt in ihm. Nein, das passte nicht ganz, fand er. Etwas fehlte ihm, das traf es besser. Was es war? David kam nicht drauf.

* * *

David verließ das Kaufhaus und ging zur Bushaltestelle. Doch er beeilte sich, denn es regnete immer noch, auch wenn es inzwischen stark nachgelassen hatte.
---Als er am Parkplatz des Kaufhauses vorbei kam sah, er einen Penner, so nannte er die Leute die sich um Haus und Hof gesoffen hatten. Zunächst wollte er einfach an ihm vorbei gehen.
---"Nein, tu das nicht! Gib, dem armen Mann etwas Geld. Er freut sich bestimmt darüber.", rief etwas in ihm. Diese Stimme hatte er bisher noch nie vernommen und er wußte nicht, was er von ihr halten sollte. "Wo kam sie her? Was hatte sie in ihm zu suchen?" Plötzlich hatte David viele Fragen.
---Er kannte die Antworten nicht, aber er ahnte, dass diese neue Erfahrung nicht schlecht für ihn seien würde. Zunächst zweifelte er noch, doch dann zog er seinen Geldbeutel. David nahm den
Fünf-Mark-Schein, den er eigentlich für sich sammeln wollte, raus und legte ihn dem alten Mann in den Hut. Dieser
bedankte sich lächelnd.
---Einige Minuten nachdem er bei dem alten Mann (Warum nannte er ihn jetzt nicht mehr 'Penner'? David wußte es selbst nicht genau.) vorbei gekommen war, durchzuckte ihn etwas. Das Etwas war ihm früher eigentlich sehr vertraut erschienen, aber jetzt erfüllt es ihn mit Unwohlsein.
---Es schrie: "Was hast du getan? Bist du jetzt-". Mitten im Satz brach es ab.
---"Was ist bloß los mit mir?", dachte David, "Ich habe dem Penner nicht einfach nur Geld, sondern den Fünf-Mark-Schein, den ich für mich aufheben wollte, gegeben." In seinem Inneren kannte er nun die Antwort darauf, aber er konnte ihr nicht vertrauen.
Zumindest noch nicht.

* * *

Als David den Bus erreichte, war seine Jacke schon größten teils durchnäßt, und er war froh endlich diesem scheiß Regen zu entfliehen. Er bezahlte die Fahrkarte und setzte sich auf einen Platz am Fenster.
---Der Regen, der während seines Weges zur Bushaltestelle noch ein Schauer gewesen war, entwickelte sich während der Fahrt zu einer kleinen Sintflut.
---Als der Bus am Ziel war eilte David schnell zum Bushaltehäuschen, denn seine Kleidung war schon fast wieder getrocknet, und er wollte nicht eine halbe Stunde mit nassen Klamotten
herumsitzen müssen.
---Im Bushaltehäuschen war noch Platz frei und er setzte sich neben eine junge Frau, die in einer Zeitschrift blätterte und einen alten Mann, der eine Zigarette rauchte. "Das wird ja was Tolles werden!", dachte David, starrte in den Regen hinaus und ließ seine Gedanken schweifen.

* * *

Sie blieben bei der neuen,
verwirrenden 'Stimme' und dem alten Mann hängen.
---"Hatte er sich wirklich verändert? Warum hatte er dem Penner seinen Fünf-Mark-Schein gegeben?" Er sah wieder die Antwort vor sich, doch er glaubte immer noch nicht an sie. Sie erschien ihm zu neu, zu anders, als das was er früher empfunden hatte. David wurde nicht schlau aus ihr und versuchte deshalb, an etwas anderes zu denken.
---Da kam ihm die Frau in den Sinn, die im gleichen Stockwerk wie er wohnte. "Wie hieß sie noch? Sandler, Sandra, Sarah...? Ja, genau, sie hieß Sarah, den Namen hatte er noch
behalten."
---Er kramte in seinen Erinnerungen und er war erstaunt wie viele Male Sarah darin auftauchte: Sarah wie sie mit ihm im Fahrstuhl fuhr, wie sie jeden Morgen ihre Wohnungstür abschloß, Sarah,
wie sie... "Woher kamen all diese Erinnerungen? Hatte er sie bisher immer verdrängt? Verdrängt?"
---So viele Dinge stürmten auf David ein: Ihr rotes Haar, das sie mal offen und mal hochgesteckt trug. (Er fand es am Schönsten, wenn sie es offen trug.) In ihren Augen leuchtete ein bezauberndes Blau. Aber bezaubernd, fand er, war nur ein dummer Abklatsch von einem Wort. Er gab nie das wieder, was David wirklich in ihren Augen sah. Magisch, strahlend, wunderschön, ... alles nur leere Wörter, keines kam an die Wirklichkeit heran.
---Sarahs Gesicht, das er vor sich sah, war aber nur ein Bild in seinem Kopf. Es war wie ein verschwommenes Spiegelbild auf einem rauschenden Fluß. Dennoch reichte diese verblaßte Erinnerung aus, um ihm den Atem zu rauben.
---Das Lächeln der Mona Lisa hatte nicht mal ein Hauch von ihrem hinreißenden Lächeln. Nichts kann dagegen bestehen. Nichts kann es mit Sarah aufnehmen.
---"Außer ich selbst.", dachte David. "Ich hatte es bisher erfolgreich geschafft Sarah aus meinen Gedanken zu verbannen."
---Die Antwort war nun ganz da, doch die Angst vor ihr auch. Aber noch mehr Angst hatte David davor, sie wieder zu verdrängen. So ließ er der Wahrheit, die er bis eben mit aller Macht versucht hatte auszulöschen, eine Chance. Und da brach sie über ihn herein, wie eine riesige Lawine.
---"DU alleine wolltest es! DU, und niemand anders! DU hast eine hohe Mauer aus Glas um dich errichtet. Durch die man zwar hindurch sehen konnte, und auch von innen nach draußen gucken konnte, aber es war eine Mauer! Wo sind deine Grundsätze 'ICH brauche niemanden!' und 'ICH brauche keine Liebe!' geblieben, die DU dir jeden Tag aufsagen musstest, damit DU sie auch selbst geglaubt hast? DU hast sie dir sie immer wieder eingehämmert! DU hattest Angst davor, du wolltest die anderen nicht an DICH ranlassen. DU hast immer nur dich gebraucht!
---Deine gläserne Mauer um dich, war deine perfekte Verteidigung, und wenn sie doch mal einen kleinen Riß bekommen hat, hast DU ihn sofort wieder ausgebessert. Damit nur nichts durch die Mauer zu dir gelänge und DICH verletzten könnte. DU hast dich immer nur schützen wollen!"
---Da erkannte David, was die Wahrheit, die ihm immer grausamer erschien, zu sagen versuchte. Er merkte aber auch, dass sich seine Mauer aus Glas verwandelt hatte. Sie bestand nun nur noch aus Eis und das konnte er schmelzen. Wenn auch nicht von heute auf morgen. Aber er wußte, dass es
möglich war.
---David faßte den Entschluß, dass er es versuchen würde, und er glaubte, dass er es schaffen würde. Denn in seinem Inneren hatte sich etwas entzündet. Dieses Etwas hatte viele Gemeinsamkeiten mit einem Streichholz: Eine kleine Flamme, die aber nicht lange brennen würde, wenn sie ihr Feuer nicht weiter geben konnte.
---Doch er hatte etwas gefunden, was die Flamme retten konnte: Sarah.

* * *

David sah auf die Uhr. Nur noch fünf Minuten. Die Zeit war wie Fluge vergangen, während er seinen
Entschluß gefällt hatte. Der Bus würde bald kommen, wenn er mal pünktlich sein würde, was allerdings selten vorkam.
---Der Mann neben ihm rauchte immer noch stinkende Zigaretten, und neben ihm saß immer noch die junge Frau. Sie las keine Zeitschrift mehr. David warf einen Blick zu ihr rüber. Ihre roten,
hochgesteckten Haare, ihr blasses Gesicht, ihre tiefen blauen Augen, ihre Lippen, ... sie war es.
---Er konnte seinen Blick nicht mehr von ihr abwenden. Etwas hatte ihn gepackt und er wehrte sich nicht mehr dagegen.
---Sie sah verwundert zu ihm herüber. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick. Er lächelte. Sie lächelte zurück.
---David wollte sie ansprechen, aber sein Wille gehorchte ihm nicht. Da war etwas, das ihn auslachte, das sein Vorhaben zu Boden schmettern wollte. Und er ...
---"Ähm ... Saraaah ... neettt daaas ich diccch treffeee. Ich daaa ... dachte schon mein Tag würde ganz verregnet eenden, ohne einen Soonnenscheinn.", die Worte kamen ihm kaum über die Lippen. Er mußte sie raus würgen, als wären es Steine, die er verschluckt hatte.
---"Du hier David? Toll, dass du mal was sagst. Im Fahrstuhl warst du ja immer so abweisend. Warst du auch in der Stadt?"
---"Daas ich dich nicht beachtet habee ist ... zum Glück Vergangenheiiit." Die Worte wurden einfacher für ihn und er mußte sie nicht mehr mit aller Gewalt heraus pressen.
---Die Mauer aus Eis war in Gefahr. David bangte aber nicht mehr um sie, er wollte sie nieder reißen.
---"Icch ... habe Lebensmittel gekauft.", sagte er und deutete auf die Tüte, die neben ihm stand. Das Sprechen fiel ihm noch schwer, aber nachdem er die Steine besiegt hatte, spürte er etwas wie Wärme wie in seinem Innersten.
---"Ich war in der City, Geschenke für meine Mutter kaufen. Eigentlich wollte ich nicht fahren, denn es hat schon den ganzen Morgen geregnet, aber ich konnte es nicht weiter aufschieben. Das Wetter
ist zum verrückt werden, immer dieser verfluchte Regen!"
---"Mich nervt er auch schon den ganzen Tag! Fährst du eigentlich auch mit dem 830er Bus? Der müsste ja eigentlich gleich kommen, wenn der Busfahrer nicht wieder trödelt." Die Worte waren
keine Last mehr. David kam sich zwar noch etwas dumm vor beim Reden, aber dies schien Sarah nicht zu stören. Das ermutigtet ihn.
---Sie lachte. "Ja, aber wir können ja noch ein bißchen quatschen. Wäre nicht das erste Mal, dass er später kommt."
---Plötzlich bog der Bus um die Ecke und David konnte sich das Lachen nicht verkneifen, "Wenn man vom Teufel spricht. Hast du eigentlich von dem Madonna-Konzert, am nächsten Dienstag
gehört? Ich wollte hin, aber die Karten waren alle."
---"Du wolltest zum Madonna-Konzert in der Kölnarena? Ich habe Glück gehabt. Mein Bruder hat sich sofort zwei Karten gesichert. Gibt es denn wirklich keine mehr?"
---"Nein, dabei habe ich noch am selben Abend angerufen. Es ist echt Scheiße, denn ich war noch nie auf einem Konzert von ihr. Vielleicht kommt sie ja bei ihrem nächsten Album wieder auf Tour."
---"Oh, das ist ja echt mies! Wie fandest du denn die Songs von ihrem letzten Album?" In diesem Moment kam ihr Bus zum Stehen und eine Menge Leute drängelten sich sofort zur Tür.
---"Typisch, alle wollen sie wieder zuerst rein.", fluchte Sarah.
---"Dann müssen wir wohl warten, wenn wir nicht zerquetscht werden wollen."
---Es dauerte eine Weile, bis sich die ungeduldige Masse in dem Bus breit gemacht hatte. Dann konnten auch Sarah und David einsteigen. Weil der Bus aber schon ziemlich voll war, und es zwar
vorne und hinten noch Einzelplätze gab, sie aber nebeneinander sitzen wollten, setzten sie sich auf die einzige freie Bank in der Mitte des Busses.

* * *

Während David Sarah an der
Bushaltestelle angesprochen hatte, passierte in der Stadt auch etwas,
das vielleicht nicht ganz unbedeutend war. Ein Mann in den besten Jahren betrat das Kaufhaus, das auch David heute besucht hatte, und er war ebenfalls auf der Suche nach einem bestimmten Sonderangebot.
---Nach einigem Herumstöbern fand Bernd (so hieß er) schließlich das Schild mit dem Hinweis auf das Sonderangebot. Er folgte dem Weg und so gelangte er, ein paar Schilder später, zum Treppenhaus.
---Dort stieß er, nachdem er schon dachte er wäre auf dem falschen Weg, auf eine Tür auf der ein weiteres Schild befestigt war. "Hier unten soll es das Sonderangebot geben?", fragte sich Bernd zweifelnd.
---Er trat in einen dämmrigen Raum, der mit Regalen zugestellt war. Hinter dem Holztisch, in der Mitte des Raumes, sah er einen Verkäufer, der sich sofort
nach seinen Wünschen erkundigte.
---Ein ganz gewöhnlicher Verkäufer wie Bernd meinte. Nur das er eine
Greenpeace-Mütze auf dem Kopf trug, fand er etwas seltsam.

Bernd führte ein glückliches Leben, er arbeitete bei einer Spedition und kümmerte sich dort um die Rechnungen. Heute hatte er den Job für einen Fahrer, der krank war, übernommen. Denn die Ladung mußte noch heute ausgeliefert werden.
---Er war ein glücklicher Familienvater mit drei Kindern. Nächstes Jahr würde er die Hälfte des neuen Wohnhauses im Grünen abgezahlt haben. Und er wäre mit seiner Frau Lisa, die er immer noch
über alles liebte, seit 20 Jahren zusammen.
---Bernd war nur auf einen Sprung in das Kaufhaus gegangen, weil es auf seinem Weg lag und er die Ware jetzt noch nicht abliefern konnte. Er dachte sich, "Warum nicht kurz Einkaufen gehen und mal gucken was es mit diesem einmaligen Angebot, aus der Zeitung, auf sich hat."

Er unterhielt sich mit dem Verkäufer, der ihm nun allerdings etwas eigenartig vorkam. Denn seine Stimme klang völlig kalt. Absolut gefühllos.
---Bernd fragte, ob der Verkäufer wirklich alles im Angebot hätte. Und dieser nickte.
---"Wirklich alles?", Bernd lachte innerlich. "Der will mich doch nur rein legen. Da werde ich den Spieß doch mal umdrehen." Und er fragte den Verkäufer, ob er denn auch die 'Liebe' im Angebot
hätte. "Denn die würde er bestimmt nicht haben, weil man so Etwas nicht kaufen kann.", meinte Bernd.
---Aber er hatte sich getäuscht und die Antwort fiel ganz anders aus. Er hatte erwartet das ihn der Verkäufer
verspottet, oder ansah, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Doch mit "Ja, die Liebe haben wir auch da.", wurde Bernd überrumpelt.
---"Na, dem werde ich es heimzahlen!", dachte er sich, und fragte was die Liebe denn kosten solle. Der Verkäufer entgegnete, dass er dafür nur ein anderes Gefühl, so zusagen als Tausch, haben wolle.
---Nun wollte Bernd das Spiel auch zu Ende spielen. Und er sagte, dass er einmal die Liebe nähme. Daraufhin eilte der Verkäufer in einen Nebenraum und holte ein Stoffherz. Er überreichte es Bernd und sagte, dass damit der Handel abgeschlossen sei.
---Bernd sah sich das Stoffherz genauer an. Es war alt, verstaubt und die rote Farbe war verblaßt. "Das ist vielleicht ein Müll!" Er sah den Verkäufer an, der neben ihm stand, ihn schien das gar nicht zu kümmern. Er dachte wohl, er würde sich mit so einem Dreck zu
Frieden geben. Da fiel Bernd ein,
dass er dem Verkäufer dafür überhaupt nichts gegeben hatte. Er versuchte den Ärger runter zu schlucken, verließ den Raum und knallte die Tür zu.
---Während er die Treppen hochstieg dachte er, dass, wenn es wenigstens ein neues Stoffherz gewesen wäre, er es seiner Frau hätte schenken können. Aber was sollte er mit so einem Scheiß?!
---Zum Einkaufen hatte Bernd keine Lust mehr, und ging zu seinem Laster.
---Sein Ziel lag am anderen Ende der Stadt, also würde es nicht mehr lange dauern bis er den Job erledigt hätte und wieder nach Hause fahren konnte.
---Beim Verlassen des Kaufhausparkplatzes überlegte er, welcher der schnellste Weg zur Firma
wäre. Deswegen hätte Bernd fast einen Radfahrer gerammt.
---"Dummes Arschloch! Kannst du denn nicht sehen, dass ich hier Vorfahrt habe. DU hättest warten müssen!", rief er dem Radler zu, der gestürzt war. Bernd war richtig wütend und steckte sich erst mal eine Zigarette an um sich zu beruhigen. Normalerweise rauchte Bernd nur selten.

* * *

Während der Busfahrt zu der Haltestelle neben dem Hochhaus, in dem sie beide ihre Wohnungen hatten, war starker Verkehr. David und Sarah quatschen ein wenig.
---Vorhin wollte David nur so schnell wie möglich nach Hause, ins Trockene, um sich von diesem bescheuerten Tag zu erholen. Während er aber mit Sarah plauderte, dachte er gar nicht mehr dran. Er war überrascht, dass ihm das Reden mit jemand anderem Spaß machte. Früher hatte er nie mit jemandem nur so geredet.
---Sarah erzählte ihm, dass sie mit ihrem Bruder auf das Konzert gehen wolle: "Das Konzert könnte eigentlich cool werden. Denn es wird das Erste, das ich von ihr besuche. Und da habe ich schon so lange drauf gewartet. Aber manchmal ist mein Bruder echt nervig, wenn er sagt: 'Die Jüngste ist sie
aber auch nicht mehr, ich glaub die hat sich schon Liften lassen. Und die Countrymusik, muß die wirklich sein? Fällt Madonna denn nichts Gescheites mehr ein?', in einer Tour geht das so weiter, wenn er erst mal angefangen hat zu nörgeln!"
---"Wenn mich einer so dicht labern würde ... Aber warum nimmst du deinen Bruder dann überhaupt mit?"
---"Ich habe keinen Bock alleine auf das Konzert zu gehen. Dort wird man bestimmt nur dumm angemacht und so. Und ich müßte dann auch noch Nachts mit der Bahn zurück fahren. Darauf habe ich echt keine Lust. Deswegen wollte ich jemanden mit nehmen, und weil keiner Zeit oder Lust hat, bleibt mir nur noch mein Bruder. Verstehst du?"
---"Das ist echt übel. Ich hätte einen besseren Vorschlag. Vielleicht können wir zusammen hingehen, wenn du willst?"
---"Zusammen? Keine schlecht Idee. Hättest du denn an dem Tag Zeit?"
---"Dienstag den 19?"
---"Ja, und um 20 Uhr fängt es an. Wir müßten also schon am Nachmittag mit der Bahn losfahren."
---"Da habe ich Zeit, denke ich doch. Schließlich kann ich mir ein Konzert mit dir doch nicht entgehen lassen!"
---"Ja, das wäre echt klasse. Dann kann mein Bruder zu Hause bleiben, ist auch besser so.", sagte Sarah und grinste.
---Als der Bus kurz vor der Kreuzung war, nach der sie aussteigen mußten, diskutierten sie immer noch darüber, was für alte Lieder Madonna wohl spielen würde.
---Während David neben Sarah saß breitete sich eine Wärme in ihm aus, die er noch nie erlebt hatte. Und als der Bus auf die Kreuzung fuhr, ergriff er ihre Hand. Sie zog sie nicht weg.
---Als seine Hand die ihre umfaßte, wurde aus der Wärme eine sengende Hitze. Und in dem selben Moment glaubte er draußen einen Regenbogen zu sehen, dessen Farben so bunt schillerten, wie er es bei keinem anderen zuvor gesehen hatte.
---Aber der Regenbogen verschwand sofort wieder, als wäre er nur ein kurzes Aufblitzen gewesen. "Könnte es nur eine Halluzination gewesen sein?" David fragte Sarah, ob sie ihn auch gesehen hätte.
---Sie nickte, "Ja, der Regenbogen war wirklich wunderschön. Aber ich habe ihn nur kurz gesehen. Dann war er wieder weg. Schon seltsam, da es ja immer noch wie in Strömen gießt und die Sonne
sich hinter den Wolken versteckt hält."

* * *

Wenige Minuten bevor Sarah und David den Regenbogen gesehen hatten, fuhr Bernd gerade mit dem Laster auf eine Kreuzung zu, da schaltete die Ampel auf rot. Gereizt ließ er die Jugendlichen
über die Straße gehen.
---"Na toll, jetzt kann ich wieder warten! Wenn das so weiter geht, komme ich noch zu spät mit der Ladung an. Und der Regen hat immer noch nicht aufgehört! Das ist vielleicht ein verdammtes Scheißwetter!", fluchte er und drehte das Radio laut auf.
---Bernd kam zur nächsten Kreuzung, es war dieselbe auf der in wenigen
Sekunden der Bus mit Sarah und David vorüber fahren würde, und er hatte wieder kein Glück. Er sah ein paar Leute an der Ampel stehen, die inzwischen gelb war. "Nein, nicht noch mal! Diesmal schaffe ich es!" Ihn
kümmerte es nicht, das es nun längst rot war und gab Gas. Er wollte jetzt seinen Job erledigen, und wenn die anderen ihm dabei im Wege standen, dann war das nicht seine Schuld!
---Die Leute, die gerade über die Straße gehen wollten, konnten sich gerade noch mit einem Sprung zur Seite retten. Der Fahrer des Busses 830 (In dem Sarah und David saßen.) hingegen hatte keine Chance. Der Laster rammte seinen Bus mit solcher Wucht, dass er in der Mitte durchbrach.

Es dauerte lange bis die Kreuzung wieder geräumt war, da der Laster stark zwischen dem vorderen und hinteren Teil des Busses eingekeilt gewesen war. Aber als die ersten Autos wieder über die
Kreuzung fuhren, hatte es aufgehört zu regnen und es stand ein strahlender Regenbogen am Himmel.


Anmerkung des Autors:
Dies ist die 3. Fassung vom 20.07.2001
 
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Kommentare  

Danke Edith für deinen Kommentar! Ja, der David, ihm könnte es besser gehen.
Wie die Gefühle beschrieben sind..., zu dem Zeitpunkt des Schreibens war es so gut, aber sicher gibt es viele andere Möglichkeiten.


Thomas F. (06.01.2002)

Danke Edith für deinen Kommentar! Ja, der David, ihm könnte es besser gehen.
Wie die Gefühle beschrieben sind..., zu dem Zeitpunkt des Schreibens war es so gut, aber sicher gibt es viele andere Möglichkeiten.


Thomas F. (06.01.2002)

eine schöne geschichte, die gefühlesind aus verschiedenen perspektiven beschrieben, denn ich denke, dass jeder gefühle anders beschreibt.
dieser david kommt mir sehr bekannt vor. !!!!
genauso einen menschen kenn ich.......


edith (05.01.2002)

Ich sage gleich vorneweg: Eine klasse Geschichte! Dieser Schreibstil ist doch sehr markant (!)... nun gut: Das Thema Begegnungen wurde sehr gut erarbeitet. Die Ausführlichkeit der Beschreibungen lässt den Leser tief in diese Geschichte eintauchen und miterleben, selten ist man so gefesselt von einer Story. Das Einzige was mich noch interessieren würde ist, ob Sarah und David diesen Unfall überlebt haben oder nicht.

SabineB (Jurorin) (01.09.2001)

Vielen Dank für eure Kommentare esmias und Marco. Ich werde mir die Geschichte noch mal angucken... vielleicht kann da noch was in Marcos Richtung geändert werden.
Warum gibt es eigentlich eine so große Differenz zwischen der Jury (5.) und der Leser Plazierung (31.)?
Tom


Thomas F. (01.09.2001)

Bei einigen Passagen gibt es zu große Schnitte vom Erzählerstil in die Umgangssprache, dass tut beim lesen nicht so gut!
Viele Äußerungen, Erscheinungen und Erklärungen wiederholen sich einfach zu oft, da wird das Lesen zum Kraftakt und das sollte ja nicht sein!
An der Geschichte sollte noch gearbeitet werden.
Aber bitte den Mut nicht verlieren! Die Idee ist ziemlich gut!


Marco Frohberger (28.08.2001)

Schöne Geschichte! Wenigstens konnte David noch die Liebe erleben, wenn auch nur kurz!

esmias (27.08.2001)

"ein bitteres Ende für eine zarte Geschichte"
Am Ende gibt es doch einen Regenbogen. Ob David und Sarah gestorben sind ..., wer weiß. Nichts ist unmöglich.
Es soll kein 'festes' Ende sein.


DeS-Autor (09.08.2001)

Anfangs denkt man sich durch die Ausdrucksweise verwirrt, was diese Geschichte überhauptsoll. In der Mitte bekommt man dann das Gefühl in ein modernes Märchen geraten zu sein und dann fühlt man glücklich mit, wenn David seine Sarah trifft und seine Gefühle zulässt, die auf ihn niederprasseln.
Am Ende ist der Schock dann groß... ein bitteres Ende für eine zarte Geschichte...


Nina (03.08.2001)

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