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5 Seiten

Pelle und und und und und

Amüsantes/Satirisches · Experimentelles
Meinen Plan, wenn ich einen hätte, würde ich nicht verraten, denn verratene Pläne sind leicht zu durchkreuzen. Das wissen James Bond-Gegner nicht, aber ich weiß es. Und um nicht allzu viel zu verraten, breche ich hier ab und schwenke meinen Schreibfluss in einer anderen Remoulade umher.
Hab ich euch schon mal von der lebenden Pelle erzählt? Dem Menschen, der als kleiner Junge am Strand in ein Koma fiel und deswegen nur noch verbrannte Pellenhaut am Körper hat? Seinen richtigen Namen hat die Stadt austragen lassen, weil „lebende Pelle“ viele Touristen anzieht und seine wahre Identität geheim gehalten werden soll. Eigentlich hat man aber vergessen, wie er mal hieß. Die Unterlagen sind irgendwo hinter einen Schreibtisch gefallen und die nächste Putze, die da ihren Mob hinterquetscht, muss erst noch geboren werden.

Dieser Mensch hat keine schöne Kindheit gehabt. Mit 3 Jahren schwamm sein Vater in eine Feuerquallenherde und starb, seine Mutter hingegen lebte noch lang. Mit 15 Jahren konnte er noch ihre Hand schütteln. Danach fehlte die Hand, weil der Rest im Grab lag.
Natürlich kam er ins Heim, stahl sich ein paar Male davon und blieb dann doch weiter im Heim, weil die gegebenen Plätze für Pellenhäutige rarer gesät waren als Krankenhausbetten für halbe Menschen. Wobei die gibt es ja auch. Im Krieg fetzt es ja gerne mal Beine und Arme weg. Dann ist man ja auch ein halber Mensch im Krankenbett. Also ein schäbiger Vergleich. Tut mir leid, ich schlage mir dafür die Augen zu.
Jetzt gerade, wo ich meine Augen geschlossen hielt, fiel mir ein besserer Vergleich ein. Die Plätze für unansehnliche Pellenleute waren damals so rar gesät, wie Wellensittiche, die auf Fruchtfliegen abgerichtet sind.
Wie mir das eben einfiel? Nun gut, ich werde etwas von mir verraten. Es gehört nicht zu meinem Lebensplan. Darum kann ich es ruhig erzählen:

In meiner Küche leben derzeit 8 Millionen Fruchtfliegen und nur Gott weiß, wo die herkommen.
Hab die nämlich nicht eingeladen. So viele Einladungen hätte ich auch nie verschicken können.
Bei mir steht keine Frucht rum, auch keine alte vergammelte, die ich vielleicht vergaß, weil sie unter die Spüle fiel und aus meinem Blickwinkel entschwand. Nein, nein, dass kann nicht sein, weil ich nicht lassen Frucht in meine Wohnung rein. Noch schlimmer als die Fruchtfliegen, die ich jetzt manchmal mit meinem Bier mittrinke, wären Körbe voll Früchte im Flur, auf dem Fensterbrett, neben dem Klo oder neben mir im Bett. Und weil ich eben keine Früchte mag, außer natürlich kleine freche Früchtchen mit Apfelpo und Zitronengesicht, können die Fliegen auch nicht gekommen sein, weil ich hier eine Menge Obst, Gemüse oder sonst was für Antifastfood habe.
Die sind wegen irgendwas anderem hier. Doch was ist es? Der Müll ist längst getragen zum Straßenmülleimer und kann so keine Brutstätte sein, aber sie müssen sich auch vermehrt haben, denn am Anfang waren da nur Fruchtfliege Adam und Fruchtfliege Eva. Von einem Tag, aber auf den anderen explodierte die Population und nun hab ich halt 8 Millionen Fruchtfliegen in der Küche. Nur vereinzelt ziehen Fliegen in andere Räume. Es sind mutige Eroberer und bewundernd sehe ich ihnen hinterher, wenn sie an mir vorbeifliegen. Manchmal schaffen sie es sogar bis ins Schlafzimmer. Findet meine Frau weniger lustig, weil sie, sie voll eklig findet. Mittlerweile weiß man auch, dass man sein Bier lieber bedeckt auf den Tisch stellt, weil man ansonsten Fleischeinlage hat.
Fruchtfliege schmeckt nach Wasser und nicht wie Hähnchen wie die meisten glauben. Übrigens auch sehr komisch, wenn Abenteurer oder Forscher mal gefragt werden, wie denn Krokodil, Gorilla oder Hund geschmeckt hat, dann sagen sie immer „wie Hühnchen“.
Munter und am liebsten tummeln sich die kleinen schwarzen Racker in der Spüle. Da gibt es nämlich lecker Happi, wenn mal einer wieder nicht abwäscht und leider ist das mein Aufgabengebiet und so bin ich dann Schuld. Nun kann man sich einer Fruchtfliegenbesetzten Spüle nicht ohne weiteres einfach nähern. Viel zu gefährlich ohne Atemmaske und Schutzbrille. Die Fliegen könnten aufgescheucht werden und in alle Körperöffnungen fliegen und dann ist man am Arsch. Würden sie in den Mund, würde man ersticken, in die Nase hätte man schwarze Popel, in die Ohren Tinitus und in die Augen blind oder man würde schwarze Schatten sehen.
Habe versucht sie loszuwerden. Mit Ofenreinigungsspray, einem Staubsauger und klatschenden Händen und wirklich mit letzterer alternativer Methode erzielte ich wahrlich tolle Erfolge.
Das tapfere Schneiderlein würde sich in seinem Grabe aufsetzen. Würde bei mir in Lehre gehen wollen. Vielleicht sollte ich mir nun auch, ein Band schustern und es besticken mit „15 auf einen Streich“. Das würd ich mir um den Wams mit ein paar Sicherheitsnadeln stecken und dann in die nächste Disco gehen. Dort würden die einen Heidenrespekt haben, weil ich der einzige wäre, der mit einem Schluck 15 Bier trinken könnte, böse Leutchen würden jeden Augenkontakt vermeiden, weil ich auch 15 Skinheads in die Erde geprügelt haben könnte. War da nicht mal was in der Volkszeitung von einem Mann/Jungen, der eine ganze Gang hopps nahm? Penner auf der Straße würden mich um Zigaretten oder Geld anbetteln, weil ich ja gleich Stückzahl 15 geben könnte.
Komisch, dass das tapfere Schneiderlein keine schlechten Erfahrungen mit seinem Spruch hatte.

Doch mögen wir zurückkommen zur lebenden Pelle. Zu diesem Zeitpunkt wird er 32 Jahre alt sein. Oder hatte er nicht letzte Woche Geburtstag?

Ich weiß es nicht so recht. Man merkt sich ja nicht alles. Geht ja auch gar nicht. Sonst ist die Festplatte voll und alles läuft viel langsamer. Alte Menschen sind doch auch alle so langsam. Die haben sich zu viel gemerkt. Da ist es gut zu schreiben. Man verschiebt von der Festplatte auf Papier und hat wieder freien Speicher. Man muss nur wissen wie man dann die Sachen löscht, sonst schleppt man sich ja tot. Es sollte jeder Mensch schreiben und sich der Öffentlichkeit zu erkennen geben. In jedem steckt viel Weisheit. Man muss sie nur verstehen können und so kann Heinz, mein imaginärer Nachbar, einen totalen Bestseller schreiben, aber nur für einen kleinen Jungen, der gerade irgendwo in Frankfurt sich einen Joint dreht. Wer schreibt muss seinen Leser finden. Den Leser, der gut finden kann. Nicht anders herum. Als Schreiber sollte man sich nicht fügen, sonst gibt man sein Sein auf, passt sich an und nichts neues passiert.

Aber ich glaube Pelle hatte nicht Geburtstag. Irgendwann, vor kurzem, erzählte er mir, dass er Brandstifter werden will. Ich hab natürlich gelacht und es als Scherz empfunden, aber er fing dann an die Vorteile vor mir auszubreiten. Er sprach davon 100 Vorteile für sich gefunden zu haben.

1. Brandstifter ist ein ehrenwerter Beruf.
2. Ein warmer Arbeitsplatz.
3. Ein sicherer und unkündbarer Job.
4. Gutes Geld bei guten Aufträgen.
5. Nach Brandlegung kann man Menschen retten und dann steht man in der Zeitung.
6. Vor seinen Kindern steht man gut da.
7. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Wiederaufbau.
8. Das freie Wählen und der eigene Zeitplan. Morgen mal um 18:30 das Altersheim.
9. Der Kick beim Feuer legen. Erwischt es mich heute und verbrenn ich mich mit?

Weiter konnte ich nicht zuhören, denn ich tat so, als wenn mein Handy klingelt. Hab einfach laut „Klingeling“ gerufen und bin dann rangegangen. Als er sah, dass ich im Gespräch vertieft bin, ging er.
Es wird für den Zuhörenden sehr anstrengend, wenn Pelle erzählt. Man kommt dann gar nicht nach. Irgendwann hat er wohl versucht seine verlorene Schönheit mit Schönheit der Worte auszugleichen, aber leider sind die auch nicht schön. Auch nicht die Kombinationen zwischen ihnen.
Doch ich will ihnen mehr über die „Pelle“ berichten. Hab ich wirklich noch nicht von ihm geschrieben? Eigentlich ist es komisch, denn ich kenne, keinen einzigen Menschen, der es mehr wert wäre, dass man über ihn schreibt.
Er hat keine Pickel, sondern nur Mitesser. Um Wasser zu sparen benutzt er ein Katzenklo. Er geht gerne in die Kirche, weil da so schöne Musik ist und sein Bruder ist im Gefängnis, weil er in einer Apotheke Pflaster klaute. Damals titelte die Bild „Bruder der lebendigen Pelle, stiehlt Pflaster. Schwerer Postraub“. Sein Pech war wirklich, dass die Pflaster für einen Versand verschickbar gemacht wurden.
Nachts trägt er Michael Jackson-Shirts und wenn keiner hinsieht küsst er das Antlitz darauf. Über seiner Tür hängt ein Plakat, dass er selber gebastelt hat : „Eine Stadt wird erst zu einer Metropole, wenn Jackson darin geschlafen hat“.
Ich stelle mir gerade vor, wie sich die Städte darum reißen würden, das Jackson da schläft. Ist der Star finanziell nicht so angeschlagen? Sollte man ihm vielleicht mal vorschlagen. Dann ruft er in Schwerin an und informiert sich über die Preise die geboten werden, wenn er da nächtigt. Blöd dann nur, dass keiner glaubt dass er da anruft.

Da fällt mir gerade ein, was meine Frau mir vor kurzem einmal erzählte. Damals hielt ich es für eine düstere Legende, aber heute weiß ich, das da was dran sein muss.
Sie sagte, dass jeder Mensch durch 10 Leutchen voneinander getrennt ist. Das heißt über 10 Ecken kenne ich George Bush. Gut ich würde lieber seinen Mörder kennen, aber das dauert wohl noch drei Jahre, bis der in Erscheinung tritt.
Ich weiß nur von ein paar Leutchen, die irgendwen Berühmten kennen, oder jemanden kennen, der einen kennt, der wiederum einen kennt. Aber was heißt kennen?
Auch ich schüttelte schon Honecker, Schäubel und Kohl die Hand. Kenn ich die jetzt?
Ich selbst kenne Buttlar, Däniken, Gottlieb Wendehals (heißt der so? Scheint so, als wenn ich über den schon mal geschrieben habe und deswegen ist es nicht mehr im Kopfspeicher), Schlingensief und das war es auch schon. Die kenn ich aber nicht richtig, aber ich hab mit ihnen gesprochen und das reicht ja schon mal.
Hiermit tausche ich meine Bekanntschaft gegen die Bekanntschaft von Shakira, Brigitte Bardot in jungen Jahren und Georg Kreisler.

Die Pelle hat ja nie wirklich einen Vater gehabt und so lässt er sich von seinen engsten Freunden nur „Papa“ nennen. Seine engsten Freunde sind Therapeuten und der Elektroniker der immer kommt, wenn Pelle sich das Leben nehmen wollte. Ständig versucht er nämlich sich mit einem Stromkabel die Pulsadern durchzuschneiden. Geht aber nicht und alles was bleibt sind klitzekleine Ratscher und kaputte Leitungen.
In der Freizeit schnitzt er aus Kasperlepuppen Holzscheite. Ein teures Hobby.
Auch sportlich betätigt er sich gerne. Die liebsten Sportarten sind ihm: Ball gegen Wand werfen, Kaffeekannenhochwurf, Arbeitslosenslalom (besonders schwierig, weil die Gänge eng sind und die Arbeitslosen beweglich) und Sackhüpfen in Filtertütenpapier.

Alles in allem ist das Pelle. Einen den man nicht kennen muss, wenn man mich kennt, weil ich ja dann eine Ecke von 10 bin. Sein „Sein“ bedeutet keine Verschönerung der Welt, aber eine Bereicherung der Vielfalt der Natur. Vielleicht auch das Aufzeigen von beschissenem Lebensverlauf.
Um die Wirtschaft Schwerins zu pushen, werde ich jetzt sofort einen kleinen Brief an Michael Jackson geben. Den werde ich nicht per Post versenden, sondern meiner Mutter geben, die muss das dann irgendwem anders geben und irgendwann kommt das dann auf seiner Range an.
 
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Kommentare  

Ich kenn den, der Roman Polanski kennt. Aber ich tausch ihn nicht. Gehört ja auch nicht mir, der Kerl ...

René (17.10.2003)

Hallo Robert!

habe deine Story mit Genuss gelesen, deine gewollt chaotische Stil gefällt mir sehr!
5 Punkte.
Gruß,
Heidi StN


Heidi StN (15.10.2003)

Grins! Reizender niedergeschriebender Small-Talk, und was für eine Story! Ich fands sehr erfrischend. Das Thema hüpft vom Höcksken aufs Stöcksken, verliert nicht den Faden und bleibt stets unterhaltsam, auch wenn ich finde, daß man hier und da noch Kleinigkeiten abrunden sollte.

Trainspotterin (13.10.2003)

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