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2 Seiten

Hättest Du nur mich gefragt...

Kurzgeschichten · Erinnerungen
© ThiloS
Es ist immer wieder das Gleiche. Ich sitze bei Uschis Geburtstag in trauter Runde, um mich herum die übliche Haute-Volaute von Uschis Töpferkunstbewunderern, die sich zusammensetzt aus Bänkern, Versicherungsvertretern, selbständigen EDV-Kaufleuten und ihren unselbständigen Freundinnen und natürlich Uschis unverwüstlicher Omi, die zwar nix mehr mitkriegt, aber so nett "jaja, wie früher bei uns in Heiligenbeil, bevor der Iwan kam" sagen kann.

Und ich unterhalte mich mehr oder weniger angestrengt und intensiv mit mir mehr oder weniger bekannten Leuten. Und irgendwann erwähne ich, dass ich mir vor zwei Wochen eine Espresso-Maschine für 600 Eier gekauft habe. Und jedes Mal, JEDESMAL springt plötzlich einer im Raum auf und brüllt quer durch das Zimmer "OH, hättste MICH gefragt, ich hätt´ sie Dir für vierhundert Maaak verkaufen können."

Und jedes Mal fühle ich mich dann like a complete idiot.

Lausche ich in mich hinein, so ist meine erste Reaktion Verblüffung. Wie hätte ich darauf kommen können, dass der Vorstand einer ländlichen Raiffeisenbank auch Espresso-Maschinen vertickt?

Alle sehen zuerst Dieter the banking Espressomachineman an und dann mich. Und alle haben sie die Frage im Gesicht "wieso hast Du nicht Dieter gefragt?"

Die zweite Reaktion ist Ärger. Wie kann dieser Sparbuchseller erwarten, dass ich ausgerechnet IHN, der schon Schwierigkeiten damit hat "10% von 140" ohne Taschenrechner zu berechnen als Espressomaschinenkoryphäe hätte erkennen können?. Hat er JEMALS zu mir gesagt "neben unseren Genossenschaftsbeteiligungen kriegen sie in unserer Bank auch Espressomaschinen"??? Hat er? Hä?

Nun, zumindest den anderen war es anscheinend bekannt

Darum ist die dritte Reaktion Scham. Alle blicken mich jetzt schweigend an. Schwer lastet das Schweigen im Raum. JEDER scheint zu wissen, dass Dieter von der Raiba auch Espressomaschinen verkauft. Nur ich wieder nicht. Nicht aufgepasst. Gleichgültig gewesen. Und jetzt weiß jeder, dass ich ein Depp bin. Und für Espressomaschinen zuviel Geld ausgebe.

Die vierte Reaktion ist wieder Ärger. Dieter hat ja wohl mitbekommen, dass ich augenscheinlich nicht mitbekommen habe, dass Dieter Sparbücher UND Espressomaschinen unter die Menschheit bringt. Wie kann er es dann wagen, MICH vor versammelter Mannschaft bloß zu stellen? Mich quasi als uninformierten Außenseiter zu outen? Was soll das überhaupt? Dieser verdammte Drecksack. Will er mich fertig machen? Gesellschaftlich erledigen?

Ich murmele ein "Entschuldigung. Woher hätte ich das wissen sollen?" und schlage schuldbewusst die Augen nieder, während mich Dieter generös mit einem "na ja, ist ja schließlich Dein Geld.." tröstet und die Lacher auf seiner Seite hat, die Sau.

Der Rest des Abends verläuft ungemütlich. Ich habe regelrecht Angst, von irgendeiner Anschaffung zu sprechen, Dieter oder einer seiner Aktienanlegerkumpane könnte ja aufspringen und beispielsweise auch Toaster, Steppdecken, Gasmasken, Picassos oder Cruise Missiles verscheuern und ich wäre der Einzige, der es nicht gewusst hätte.....

Während ich den Rest des Abends nur noch zuhöre, hin und wieder ein "hmm" oder ein "ach was" von mir gebe und ansonsten gar nichts mehr sage, höre ich, wie sich Dieter lautstark am anderen Tischende beklagt, seine beiden Kinder hätten so gar nichts von ihm ....

Ich grinse in mich hinein.

Hätte er mich gefragt.......
 
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Kommentare  

*kreisch*
Die Geschichte als solche war ja schon nicht schlecht und mitten aus dem bitterbösen Leben gegriffen, aber nach dem letzten Satz lag ich lachend auf dem Boden!
5 Punkte und ein SPITZE!!! dazu!


Stefan Steinmetz (25.06.2004)

echt klasse!

Aber wo wir schon mal beim Thema sind: Ich hätt' da eine für 100 Euro...


Tino Lingenberg (30.12.2003)

*s* Eine wirklich köstliche Geschichte...

scribbler (17.12.2003)

Zwar schon eine ältere Geschichte von ThiloS, aber trotzdem super.

Bingo (13.11.2003)

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