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Auszug aus "Das Baugerüst - kein Bildungsroman" II

Romane/Serien · Nachdenkliches
Sie hat in Lara einen effektiven Gesprächspartner gefunden. Manchmal unheimlich, diese gegenseitige Sympathie und innere Kongruenz. Ich frage mich, wer von hier stammt und wer aus einem Paralleluniversum hierher verbannt wurde.

„Meine Damen...“
Mir fällt der Platz quer gegenüber von beiden zu. Sie drehen sich zu mir und lächeln beide.
„Du hast mir nie erzählt, dass Carina Geschichte studiert“, sagt Lara leicht empört. Etwas unsicher antworte ich:
„Ist das relevant?“
Carina ergreift das Wort:
„Lara hat mir erzählt, dass sie auch mal Geschichte studieren wollte. Was für ein Zufall, oder?“
All diese Historik Interessierten. Es gibt sie also doch diesseits der Vierzig und dass Lara dazugehört, wusste ich nicht mal.

Manchmal stören mich Carinas inhaltslose, irrelevanten Feststellungen. Das ist nichts schlimmes, doch sie scheint in allem einen Sinn oder eine Verbindung suchen zu wollen. Die ist aber nicht immer vorhanden. Manchmal ist es einfach nur. Auch wenn es eine Erklärung für sein Entstehen gibt, braucht es keine für seine Existenz. Carina ist aber fest von einem Sinn in unserer Existenz überzeugt. Ich diskutiere nicht mit ihr darüber, das macht mich ihrer Nähe überdrüssig. Stattdessen sitzen wir in der Mensa, immer noch mit Lara und planen einen Kinoabend, Nate muss selbstverständlich auch erscheinen. Es kommt mir etwas ungelegen, dass man sie so schnell in unseren Freundeskreis integriert, zumal irgendwas in mir die Sache mit Argwohn betrachtet. Aber Lara hat schon Pläne, die sie mir offenbart, als Carina auf die Toilette geht.

„Am Donnerstag sitzt sie außen und du neben ihr. Dann kommt Nate, damit du nicht auf dumme Gedanken kommst, dann ich. Keine Sorge, ich dreh das schon richtig hin. Der Rest liegt bei dir. Ich befummel sie nicht für dich.“
Ich grinse etwas gedankenversunken und spüre im nächsten Moment ihre Fingerspitzen in meiner Magengegend.
„Schlag dir das Bild sofort aus dem Kopf!“
„Ach, Lara, das ist doch kein Hollywoodstreifen. Denkst du, so etwas unverhohlen offensichtliches funktioniert?“
Sie packt mich mit beiden Armen:
„Ja!“
„Hat sie dir gesagt, dass es funktionieren wird?“
„Darüber redet sie nicht, aber ich weiß es. Vertraue gefälligst der Intuition einer Frau!“
„Meinst du die gleiche Intuition, die dafür gesorgt hat, dass mich die letzte Frau, die du mir angepriesen hast für schwul hielt, weil ich auf deinen Rat hin ihr eines meiner schrecklichen Gedichte vortrug?“
„Ausnahmen bestätigen die Regel.“
„Verdammt, Lara. War das etwa gerade eine schlagfertige Antwort?“
Es fällt ihr jetzt auch auf. Sie dreht mir selbstsicher ihr Profil zu und bejaht, als wäre es selbstverständlich. Thema gewechselt und Carina kommt wieder.

Und geht wieder, sie hatte ja erwähnt, dass sie heute ein Seminar über die landwirtschaftliche Revolution im neolithischen Zeitalter durchstehen muss. Ich könnte mich problemlos dafür begeistern: Der Mensch entdeckt zum ersten mal, dass er nicht mehr von der Natur abhängig ist, er kann durch geschickte Erfindung und Verknüpfung vieler selbstentwickelter Vorgänge Teile der Natur kontrollieren. Der Mensch begreift sich zum ersten Mal als Erschaffer; ich finde es hochinteressant und bekomme, wie üblich Gänsehaut davon.

Aber ich verstehe ihr Desinteresse. Es ist der Beginn des Patriarchats und die langsame Zersetzung matrizentrischer Strukturen, die (laut Erich Fromm) ohne Destruktivität und den Krieg als Institution auskamen. Der menschliche (männliche) Erfindungsgeist hat auch Monstrositäten erzeugt, etwas, dass die Frau nicht tat, oder sogar konnte.
So habe ich gerade ihr Desinteresse erörtert und sie ist erstaunt, dass ich Erich Fromms Theorien kenne. Lara hatte schon bei „neolithisch“ abgeschaltet.
Nachdem Carina weg ist, gehe ich noch mit Lara ein Eis essen und erläutere ihr die prähistorischen matrizentrischen Strukturen. Ich hätte vielleicht doch Geschichte studieren sollen.
 
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Kommentare  

Vielen Dank.

Ich sollte vielleicht erwähnen, dass diese Auszüge aus dem
Roman eigentlich Abschweifung sind, die nur wenig
Handlungselemente handeln. Hier steckt ein wenig
Handlung des Buches drin, die einen aber nicht unnötig
verwirren sollte, da der Leser des Auszugs ja nicht die
Zusammenhänge kennen kann.


Lord Abstellhaken (09.09.2012)

Mit einem zwinkernden Auge schilderst du hier die angespannte Gedankenwelt Studierender. Schöne humorvolle Unterhaltung.

Petra (08.09.2012)

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