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Team "Frankenstone"

Fantastisches · Kurzgeschichten
Neulich habe ich schockiert einen Bericht im “GEOS” gelesen.
Überschrift: “Demnächst Regenwurm-DNS in menschlichem Erbgut”
Ich glaubte an einen Spaß, obwohl der “GEOS” weniger eine Comedy-Zeitschrift ist. Was dort drin steht hat Hand und Fuß und ist bitte ernst zu nehmen.
Neugierig las ich weiter:
Californien: Das Genforschungsteam “Frankenstone” um Watson, Crick & Wilkins ist nach 48 Jahren mühevoller Forschung die Entschlüsselung der Regenwurm-DNS gelungen. Es hat sich im Laufe von spektakulären Tests erwiesen, dass die vermeintlich niederen Lebewesen aus der Ordnung der Wenigborster in struktureller Hinsicht eine große Überlegenheit gegenüber der menschlichen Rasse darstellen. Auf unglaubliche Weise ist es diesen Tieren während ihrer schätzungsweise 6 Millionen Jahre dauernden Evolution gelungen, die gesamte Gliederung ihres neuralen Systems bis auf ein absolut notwendiges Minimum zurückzuentwickeln und gänzlich auf geschlechtsspezifische Unterschiede zu verzichten. Bemerkenswerte Laborversuche bestätigten, dass die Regenwürmer die durch den Wegfall des Geschlechtsakts (Kopulation) eingesparten energetischen Potentiale zur Kommunikation mittels Telepathie nutzen.
Die Forschungsgruppe arbeitet fieberhaft an der Herausfilterung des so genannten T-Gens der Spezies. Ziel ist die Anknüpfung dieses Gens an die DNS-Doppelhelix des Menschen. Die erhofften genetischen Folgen gelten in Fachkreisen als revolutionär. Der Homosapiens könnte schon bald ein zwittriges Individuum sein, welches losgelöst jeder Geschlechtlichkeit in der Lage ist, wann immer es will, selbstständig Nachkommen hervorzubringen. Es wird erwartet, dass die geistige Leistungsfähigkeit um ein 300faches über dem heutigen Normallevel liegt. Weiterführend wäre mit dem Wegfall sämtlicher Sprachen der Welt innerhalb von 70 Jahren zu rechnen, da die kontinentalübergreifende Kommunikation gleich der der Würmer nur noch auf telepathischem Wege bestritten wird. Die Fachwelt zeigte sich dahingehend zuversichtlich, das Welt AIDS-Problem durch den Wegfall des menschlichen Sexualtriebs dauerhaft abzuschaffen.
Noch im Herbst dieses Jahres werden junge Amerikanerinnen mit genmanipulierten Eizellen befruchtet. - Ende
Ich war wie gelähmt, lag tagelang wie Falschgeld in der Ecke und zermaterte mir das Gehirn, wie der neue Mensch wohl aussehen würde. Rein äußerlich betrachtet sicherlich weiblich, das war klar, denn irgendwo musste ja das Baby raus kommen und die Milch. Doch wo kommt der Samen her? Ich ging davon aus, dass sich der neue Penis als Anhängsel innerlich befindet. Idealerweise gleich neben den Eierstöcken. Aus der Öffnung dieses vergleichsweise winzigen Schleimhautzipfels werden bei persönlichem Verlangen tausende kleine flinke, geschlechtslose Spermien ausgestoßen, die ihren Weg in die erwartungsvolle Eizelle finden. Ich fragte mich, wo da der Spaß am Leben bleibt? Kein Verliebtsein, kein Geknutsche und Gefummel, keine Streicheleinheiten und kein SEX!
Nur emotionslose telephatische Gehirnakrobaten bevölkern die Erde.
Was fällt denen dann wohl als nächstes ein? Vielleicht kreuzen die uns noch mit Pflanzen? Dann brauchen wir keine Münder mehr. Zähne, Zunge, Speiseröhre, Magen, alles weg!
Die Nahrungsaufnahme aus nährstoffangereichertem Wasser erfolgt nur noch über die Haut. Vielleicht wächst uns dann am Ende auch noch der Hintern zu und der Darmtrakt bildet sich zurück, weil wir rückstandslos verdauen?
Gott, ist die Welt krank!
Vielleicht würden die Forscher alle geschlechtsreifen Frauen zwangsrekrutieren und ihnen perverse regenwurmgeimpfte Eizellen einpflanzen.
Aus Angst davor schloss mich zu Hause ein. Die sollten mich nicht kriegen.
Erst als am Montag, als der neue “GEOS” durch den Briefschlitz geschoben wurde, erhellte sich mein Gesicht.
Dort stand ganz fett:
Die Nation trauert! -Punkt-
Blutbad in californischem Genforschungsinstitut. -Punkt-
Forschungsergebnisse des Teams “Frankenstone” unwiederbringlich vernichtet.
 
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Kommentare  

Interessanter Gedankengang. Bloß gibt´s einen Haken an der Sache: Auch Regenwürmer können sich nicht selbst befruchten. Obwohl sie zwittrig sind, brauchen sie dennoch einen Zweiten Wurm zum Samenaustausch. Außerdem bezweifle ich, daß sie mit ihrem simplen neuronalen System zu telepathischer Kommunikation fähig sind. Trotzdem, eine interessante und unangenehme Zukunftsvision.

Tom (09.11.2005)

Crazy! Nie wieder Krieg der Geschlechter. Da fällt dann auch die leichte Artillerie wie tolle Schuhe, neue Jeans und knappe T-Shirts vollkommen unter den Tisch. Keine Kriegsbemalung (Wimperntusche, Lidschatten, etc.) mehr! Weitreichende Folgen für die Modewelt! Kein Armani, H&M, und Lagerfeld, Models gibt es nicht mehr. Keine Kriegsbemalung, kein Chat, keine Liebesbriefe, denn wenn sich jeder selbst befruchtet und das neurale System auf ein Minimum reduziert wird, wird es auch kaum Gefühlsausbrüche oder enge Freundschaften geben, ist eine Kommunikation miteinander also nicht unbedingt erforderlich, nicht mal eine telepathische. Kein Gefummel, kein Geknutsche, aber auch keine Heulereien von wegen "Er hat mich verlassen!" oder "Sie will nicht mehr mit mir schlafen!" Und Schwangerschaft allein auf eigenen Wunsch? Nie wieder Abtreibungen, die Lebenserwartung der Frauenärzte in den USA würde sprunghaft ansteigen! Ach, was sag ich... alle umschulen zum Zwitterarzt! Einer für alle, alle bei einem. Der Satz "Da mach ich es mir lieber selbst" bekommt eine völlig neue Bedeutung. Hach, aus all dem könnte man ja glatt einen Roman machen. Ein paar Ausarbeitungen solcher Konsequenzen hätten deiner Geschichte ganz gut getan. So ist es arg kurz und noch zu "vernüftig" geblieben. Und im ersten Satz des Zeitungsartikels muß es heißen: "DEM Genforschungsteam... ist es gelungen".

Trainspotterin (13.02.2004)

*lol*
*wieher*
Zu schön, um gelogen zu sein!


Stefan Steinmetz (23.01.2004)

Nicht schlecht, Herr Specht. Was mich nur "wurmt" ist die Tatsache, das dies ein guter Denkansatz ist, aus dem man ein ganzes Buch füllen könnte. Spinn doch den Gedanken einmal weiter und versuche eine Geschichte daraus zu machen, in der nun die gewurmten Menschen tatsächlich zustande kommen. Aber auf der anderen seite ist dein Denkansatz auch eine negative Kritik gegenüber der Gentechnik und ihrer Möglichkeiten, die schon heutte bedenkliche Formen annehmen könnte, gäbe es keine gesetzlichen Schranken.

Benjamin Reuter (24.12.2003)

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