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Suppe ich haben will

Amüsantes/Satirisches · Kurzgeschichten · Experimentelles
Hinter einem Leuchtturm, irgendwo in Husum, fängt das Meer an. Nur ein kleiner Streifen Gras trennt.
Darauf liegt viel braunes Huckelzeug, Schafscheiße. Und die Verursacher, Ausscheider, Lämmer stehen überall auf ihren wolligen Beinen und gucken mit blöden Augen, wenn Menschen über ihren Rasen und dann auf den Deich gehen. Denken sicher, dass die Menschen nicht ganz sauber sind, dass sie sich die Schuhe ausziehen und durch den Matsch stampfen. Wie soll sich ein Schaf so etwas erklären? Macht so ein Schaf das überhaupt?
Zwischen dem Rasen und dem Watt, dem Meer liegen große Felsen herum. Wenn man über sie geht, hört man wie die Panzer der Krebse sich schreckhaft über das Gestein ziehen. Würde man Krebssuppe machen wollen, müsste man mit einem Kran anrücken. Geht aber leider nicht, weil die ganze Gegend unter Naturschutz steht. Aber gerade weil man weiß, dass das nicht geht, bekommt man darauf Hunger. Schön Krebssuppe mit Sahne und Tomatencreme.
Was denken Sie, wo ich den Text gerade schreibe? An einem PC irgendwo im Binnenland? Nein, ich komme gerade vom Leuchtturm, hab da den Wärter besucht und wollte dann ein wenig durchs Watt marschieren. Und nun sitz ich auf den Findlingen, mit den Füßen im Watt und unter mir, in den Steinmassen höre ich die leckeren Krebse kriechen. Mit ihren kleinen Beinchen schaben und ich kann ihr Fleisch fast riechen. Das, das nicht geht, weiß ich selber, aber wenn man sich sehr konzentriert, funktioniert das. Wenn sie eine Katze haben, können sie das mal ausprobieren. Schließen sie die Augen (jetzt aber noch nicht, weil erst weiterlesen) und stellen sie sich strenge riechende Katzenpisse vor. Na sehen sie, geht doch. Jemand Lust auf Apfelsaft? Oder darauf ein volles Katzenklo mit den bloßen Händen zu leeren. Alles kein Problem, aber lieber zurück zu den Krebsen.
Man kann in die Ritzen hineingucken wie man will, man sieht sie nicht. Ich bin mir aber fast sicher, dass sie mich sehen und jetzt in diesem Moment über mich lachen. Sicher sitzen sie zu fünft in einer Ecke. Ein wenig Wasser ist in ihrer Mitte und sie spielen Karten. Manchmal sehen sie dann mein Auge, wie es das kleine Loch in der Decke verdeckt und lachen, lachen, lachen. Sie wissen ganz genau, dass ich nichts machen kann. Sie werfen mikroskopische Partikel in mein Auge. Dass merke ich nicht, aber irgendwann werde ich beim Optiker sitzen und der wird mir eine Trübung bescheinigen. Finde ich ziemlich unnett von den Krebstieren. Die sollen sich doch geschmeichelt fühlen, dass ich sie haben möchte. Was sollte ich sonst vor ihren Steinen machen?
Da, schon wieder ein kratzendes Geräusch. Irgend ein Krebsbruder bewegt sich da. Wahrscheinlich hat er sich beim Partikelwerfen, die Schere ausgekugelt, die anderen Beinchen haben sich dann auch mit ausgekugelt (siehe Dominoeffekt) und er ist gefallen. Schade dass er nicht zum Loch hingeschlittert ist mit seinem Panzer. Gerne hätte ich ihn schnell gegriffen und ihn runtergeschluckt. Krebse muss man schnell hinunterschlucken, weil sie sich sonst mit ihren Scheren in der Halsinnenwand festpacken. Am besten ganz viel Wasser mit trinken. Ich kenn da einen Freund, der nicht so schnell mit dem Schlingen war und dem hat ein ausgewachsener Krebs, die Kehle von innen zerschnitten. Gott sei Dank, hatte er bei diesem Vorfall einen Rollkragenpullover an. Das hat ihn gerettet.
Wenn so ein Tier erst einmal bis zum Magen gerutscht ist, ist alles egal. Die Säure verwertet auch die Schale mit. Manche Menschen, besonders im asiatischen Raum, gehen sogar davon aus, dass sich die Schale stärkend an die Magenschleimhaut setzt und man daraufhin alles essen kann. Man kann sogar einen Liter Säure trinken. Heißt, wenn trinken bedeuten würde, dass die Säure in den Magen hineingezaubert werden könnte, denn auf dem Weg dahin, würde sie ja aus dem Körper ins Freie fließen.
Was hab ich für eine Möglichkeit, meinen Bauch mit frischem Panzertier vollzuschlagen? Gut, ich könnte schnell nach Husum reinfahren, mich in eine Kneipe setzen und Krebssuppe bestellen, aber das wäre ja nicht das Gleiche, denn ich würde das Tier ja nicht selbst erlegen. Würde nicht diesen jahrhundert währenden Kampf zwischen Mensch und Krebs erleben. Die Spannung, ob ich ihn mit einem Schluck in den Magen bekomme, die Freude über die Bändigung seiner Scheren und, und, und. Nein es wäre viel zu leicht.
Hab ich was zum ausräuchern mit? Shit, dass ich nicht rauche, dann hätte ich jetzt Qualm in die winzigen Zwischenräume blasen können. Feuer kann ich auch nicht machen, denn frisches Gras brennt nicht und Watt auch nicht. Das einzige, was hier brennen könnte, wäre ein Schaf. Das könnte ich auf die Steinlinie legen, anzünden und dann festhalten. Wenn ich Glück hab und das Schaf gut qualmt, kommen sie alle rausgekrochen. Dem Schaf passiert natürlich nichts, denn ich gehe zärtlich vor und es ist für das Schaf genau das gleiche Gefühl, als würden wir uns mit einem Feuerzeug die Haare auf dem Handrücken wegbrennen. Der einzige Hinderungsgrund ist, dass das Schaf ja nicht mir gehört und der Besitzer sich sicher aus der Wolle warme Socken stricken will. Heutzutage gibt es ja nur Sklavenschafe. Vorbei ist die Zeit, als freie Schafe in den Wäldern lebten.
Es muss eine andere Möglichkeit geben und wie mir gerade auffällt, habe ich auch gar kein Feuerzeug mit. Das nehme ich nur mit, wenn ich irgendwo Lagerfeuer machen will und im Watt macht man ja kein Lagerfeuer. Außer man ist total cool, aber Achtung, Coolness kann nach hinten losgehen.
Mh? Wie würde ich denn einen Menschen aus seinem Versteck bekommen? Ihn rufen, ach ja, erst einmal finden, weil er ja versteckt ist und dann locken. Was fressen Krebse? Ist das jetzt schlimm, dass ich das nicht weiß? Ist das eine große und klaffende Lücke im Allgemeinwissen? Ist es Allgemeinwissen?
„Krebse, alle mal rauskommen, es gibt leckere Aalbrötchen und wer sich nicht in meinem Hals als Schnitzer übt, bekommt Tee mit Kandiszucker. Krebse alle mal rauskommen.“
Da kommt keiner. Ich hab eben noch einmal gerufen. Diesmal ein wenig lauter und wütig bin ich auch geworden. Immerzu hab ich mit den Füßen gegen die Felsen geschlagen und Wattmatsch mit Würmern und so in die Zwischenräume gefeuert. Wenn das eine nämlich nicht klappt muss man andere Seiten aufziehen. Zum Beispiel rohe Gewalt, die Angst einflösst. Entweder kriechen sie gleich vor Panik aus ihrer Behausung oder sie bewerfen mich gerade alle mit Partikeln und spielen dann weiter Karten. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Ich gebe es auf und geh wieder zum Leuchtturm. „Hört ihr? Ich geh dann mal“.
Meine Schritte zerdrücken schon wieder saftiges Gras, da spring ich schnell und mit einem Satz auf die Steine und greif den Krebs, der auf meinen Trick reingefallen ist.
Geht doch.
 
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Kommentare  

Für mich ist das herrliches Nonsens. Genialer Blödsinn. 5 Punkte

NewWolz (19.02.2004)

Hi Robert!

wieder einmal ein gelungener Text, witzig und unterhaltsam.

ab jetzt schreie ich nicht mehr am Meer, wenn ich so ein winziges Krebschen sehe (die mich angeblich ohnehin nicht zwicken will, aber was ich nicht genauer herausfinden möchte - daher halte ich lieber Abstand, viiiiel Abstand), sondern denke an deine Krebssuppe... :)
Gruß und 4 Punkte.


Heidi StN (11.02.2004)

Wie kann man einem solchen Text denn nur einen Punkt geben? UNFASSBAR!

Mir hat er gefallen, und um die infamen Bewertungen meiner ignoranten Vorgänger ein wenig auszugleichen gebe ich volle fünf Punkte.
(Auch wenn ich für den Text wegen einiger Rechtscheib- und Grammatikschwächen eigentlich nur viereinhalb Punkte geben würde).

MfG,


Peter Hacke (09.02.2004)

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