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11 Seiten

Alamo Teil 4

Erinnerungen · Fan-Fiction/Rollenspiele
© Aves
Das ist Santa Anna?

„Passt auf dass ihr nicht ins Kreuzfeuer geratet.“, erklärte James Bowie einigen seiner Männer „Bereitet genug Munition vor und steckt sie in die Ladeblöcke. Ihr müsst vielleicht schnell schiessen, aber jetzt noch nicht. Ihr ladet alle eure Musketen, aber ihr tut noch kein Pulver rein. Zehn Minuten in der Feuchtigkeit und das Pulver ist nass. Und – ah! – nichts mehr davon!“
Er nahm einem seiner Leute eine Flasche Scotch weg.
„Ihr müsst unbedingt nüchtern sein.“, sagte er „Also los, Jungs.“
Die Männer zerstreuten sich. Bowie seufzte laut und nahm dann einen kräftigen Schluck aus der Scotchflasche. Sofort fing er an zu husten, keuchte und hielt sich den Bauch.
Rasch hielt er sich ein Taschentuch vor den Mund und hustete hinein.
Als er es wieder wegnahm, war es von Blut rot gefärbt. Hastig steckte er es wieder ein, jedoch nicht rechtzeitig genug.
„Jim, was genau fehlt Ihnen eigentlich?“ Davy Crockett war unbemerkt an Bowie herangetreten.
Bowie blickte ihn an.
„Ich hab die Schwindsucht, Typhus und ausserdem Lungenentzündung.“, sagte er leise „Wenn schon, dann richtig, oder?“
Als sich Bowie ein wenig vorne über beugte, gab er Crockett den Blick auf sein berühmtes Messer frei.
Bowie bemerkte seinen neugierigen Blick und übergab ihm das Messer.
Prüfend hielt Crockett es in der Hand und schwang es ein paar Mal.
„Ein tolles Stück.“, meinte er dann und fügte dann fragend hinzu: „Dieser Kampf, in den Sie in der Nähe von Natchez geraten sind… der Sie berühmt gemacht hat. Ist das alles wahr?“
Er gab Bowie das Messer zurück.
Bowie grinste. „Glauben Sie eigentlich alles was Sie lesen?“
Crockett lachte. „Nein, ich hab’s nicht gelesen. Ich hab’s gehört. Ich habe gehört, er hat Sie mit dem Stockdegen und zwei Schüssen erwischt.“
„Ich kann mich nicht mehr erinnern…“, sagte Bowie.
Ein peinliches Schweigen entstand.
Dann änderte Crockett das Thema: „Der alte Sam wird bestimmt bald hier sein… Wenn er hier ist, wird es so schön wie früher sein.“
Bowie hustete und lachte dann kurz auf.
„Es waren drei Kugeln.“, sagte er ernst „Der Stockdegen ging durch meine Lunge und durch meine Hand. Dann hab ich sein Herz raus geschnitten.“
Crockett sah ihn nur an.
„Das sind keine Bären da draussen.“, fuhr Bowie fort „Haben Sie das verstanden… Davy?“
Micajah Autry, der das gesamte Gespräch mitgehört hatte, kam langsam näher.
„Und wieso glauben Sie, dass die uns nicht einfach angreifen?“, fragte er Bowie.
Dieser sah ihn mit durchdringendem Blick an. „Um einen Stier zu töten haben Vaqueros schon einen ganzen Tag gebraucht…“

Auf einmal erklang Trommelklang. Bowie, Crockett und Autry hasteten rasch auf die Mauer.
Auf einem Flachdach in San Antonio standen mexikanische Soldaten. Sie hielten Trommeln und Trompeten in der Hand. Zuerst spielten nur die Trommler.
Neugierig kamen die Texaner aus den Häusern oder stellten sich auf die Mauern.
Dann setzte die Trompetenmusik ein, ein rassiger und eindrucksvoller Marsch, der die Amerikaner richtig verwirrte.
„Seltsam.“, meinte Ward und blickte gen San Antonio „Die Musik spielt doch nur, wenn einer denkt, dass es was zu feiern gibt.“
Immer mehr Texaner kamen auf die Mauern, sie wollten sich das höchst seltsame Schauspiel nicht entgehen lassen.
„Sehr aufmerksam dass die uns ’n Ständchen bringen.“, sagte Crockett trocken.
William Travis erreichte die Westmauer und antwortete ihm: „Das ist zwar ein Kavalleriemarsch, doch ich habe gehört, dass Santa Anna ihn gerne zu anderen Anlässen gebraucht.“
Die Musiker spielten weiter und förderten dadurch nur noch die Konfusion der Texaner.
„Die Mexikaner übernahmen ihn von den Spaniern.“, erklärte Travis „Die Spanier von den Mauren. Er wird Degüello genannt.“
„Das klingt doch schön.“, meinte David Crockett.
„Degüello bedeutet ‚durchschnittene Kehle’“, sagte Travis. Die Männer auf der Mauer schluckten leer.
„Das klingt weniger schön.“, sagte Crockett.
Dann endete die Musik, die Trommler legten ihre Trommeln zur Seite und die Trompeter senkten ihre Instrumente.
Für einen Moment herrschte Schweigen auf beiden Seiten. Verwirrt starrten die Texaner auf die mexikanischen Linien.
Dann hörten sie ein lautes ‚Fuego!’.
Ein Knall ertönte, von San Antonio her stiess Pulverdampfwolke aus einem der Kanonenrohre und schon sauste die dazugehörige Kugel heran.
„In Deckung!“, brüllte Dickinson und alle warfen sich flach zu Boden.
Die Kugel war mit einer kurzen Zündschnur versehen und als sie auf dem sandigen Boden im Inneren Alamos auftraf, explodierte sie.
Männer wurden hinweggeschleudert und der Sand spritzte meterhoch.
„Fuego!“
Die nächste Kugel traf einen der Stützbalken an der Aussenmauer und riss ihn und einen der Pioniere in Stücke.
Eine nach der anderen feuerten die Kanonen der Mexikaner ihre tödliche Ladung ab. Kugel um Kugel riss Löcher in die Mauern Alamos, zerfetzte die Verteidiger oder liess die Grundfesten der Festung erbeben.
Crockett und Autry hasteten geduckt zur Palisade, wo Fauntleroy und die anderen sie in Empfang nahmen.
Rasch duckten sie sich hinter die roh behauenen Baumstämme, wohl wissend dass eine Kanonenkugel diese glatt durchschlagen würde.
„Fuego!“
Die nächsten Kugeln kamen von der Nordseite, dort wo der grosse Teich war, und zerschlugen unter lautem Getöse die Mauern der Kaserne.
Almeron Dickinsons Frau, Susanna, hielt weinend ihre kleine Tochter fest, als knapp neben ihnen die Wand in tausend Stücke zerbarst.
Sie hatten Glück, keine der messerscharfen Splitter trafen sie. Weniger Glück hatten viele der Männer ausserhalb der Gebäude.
Immer und immer wieder krachten Kanonenkugeln von allen Seiten gegen die Wände der ehemaligen Mission, rissen Löcher in die Mauern, brachten Unterstände zum Einsturz und zerfetzten Männer.
„Wann hört das denn auf?“, schrie Bonham über den Lärm hinweg.
Es sollte noch die halbe Nacht andauern.



Ein kalter Morgen begrüsste die Festung Alamo.
Es war still im Inneren der ehemaligen Missionsstation und keine Menschenseele regte sich.
Tot blickten die Rohre der Kanonen von den Mauern auf die vielen Tausend Mexikaner, die das Fort umstellt hatten.
Pfeifend fuhr der Wind durch die Gemäuer und wirbelten Sand auf.
Doch dann kam langsam Leben in das Fort.
Erst nur wenige, dann immer mehr Männer kamen aus den Gebäuden heraus. Sie alle blickten ungläubig auf die Mauern, die übersäht waren mit Einschusslöchern.
Jedem kam es wie ein Albtraum vor, dass er wirklich hier in Alamo eingeschlossen war und gleichzeitig waren sie froh, den Beschuss überlebt zu haben.
Langsam erwachten auch die Männer auf den Mauern. Sie erblickten als erste die erschreckende Streitmacht der Mexikaner.
Langsam wachten auch David Crockett und Micajah Autry auf. Müde rieb sich Autry den Schlaf aus den Augen, während Crockett auf den Boden spuckte.
Der berühmte Scout ging langsam auf die Brustwehr der Südwestmauer und blickte in Richtung San Antonio.
Die mexikanischen Soldaten hatten bereits – oder immer noch – ihre Stellungen bezogen und einige Kompanien marschierten in Reih und Glied die Front ab.
Kanonenkugeln wurden aus Kisten geladen und auf Haufen gestapelt, während einige Soldaten Kisten mit Schwarzpulver brachten.
Autry tauchte neben Crockett auf und starrte ebenso auf die feindliche Armee. Deren Anblick war am Morgen besonders zermürbend.
„Morgen.“, sagte Crockett leise zu Autry.
„Morgen.“, antwortete dieser.

„Leutnant, Sie überprüfen das Haupttor.“, befahl Travis Forsythe „Für General Houston brauche ich die Zahl der Soldaten.“ Falls er denn eintrifft…
„Ja, Sir.“ Forsythe eilte davon.
Travis blickte prüfend über den grossen Platz. Die Getöteten der letzten Nacht waren bereits fortgeschafft; man hatte für sie Gräber neben der Kirche ausgehoben.
Ein lautes Husten lenke Travis’ Schritte zum grossen Haupttor. James Bowie krümmte sich hinter der Mauer des Tores, sicher vor den Blicken seiner Leute.
Sein gesamter Körper wurde durchgeschüttelt und wieder spuckte er Blut aus.
Als er Travis sah, beherrschte er sich mühsam.
„Den Kanonendonner kann man eigentlich erst richtig hören, wenn er… wenn er vorbei ist…“, keuchte er.
Mit geschlossenen Augen lehnte er sich an die Mauer.
„Bis sie sich zum Angriff entschliessen, werden wir von ihnen sicher jede Nacht beschossen.“, sagte Travis „Das raubt uns den Schlaf.“
James Bowie rang sich ein Lächeln ab.
„Fangen Sie jetzt etwa an, hinter jeder Ecke Gespenster zu sehen?“, fragte er.
Travis lächelte auch. Dann wurde er wieder ernst und sagte: „Colonel, ich habe in Gegenwart Ihrer Leute leider ein wenig die Fassung verloren. Da war ich aufgebracht und es war nicht professionell.“
Bowie lachte, keuchte gleich darauf und hustete wieder.
Mühsam entgegnete er: „Ach, das macht nichts. Die meisten meiner Männer wissen gar nicht, was die Worte, die Sie benutzt haben, bedeuten…“
„Es ist wichtig, dass wir beide uns einig sind.“, redete Travis weiter „Für mich ist, trotz allem, Kapitulation keine Möglichkeit. Und darum schlage ich vor, wir greifen an und spielen auf Zeit bis Verstärkung eintrifft…“
Bowie schüttelte langsam den Kopf, als er sich zu Travis umwandte.
„Manchmal“, sagte er und lächelte humorlos „Manchmal ist es einfach nur die Art wie Sie etwas sagen, Travis. Daran liegt’s.“
Dann wandte er sich ab und ging davon.

Die Texaner verstärkten unterdes ihre Mauern wieder. Neue Baumstämme wurden an die Mauern gemacht, Lücken in der Mauer mit Steinen gestopft und Schutzwälle im Innern der Festung aufgebaut.
Ward stupste Forsythe an und zeigte in Richtung der Stadt.
„Und, fällt Ihnen an ihren Kanonen etwas auf?“, fragte er.
Forsythe starrte zur Stadt, konnte jedoch nichts entdecken.
„Die sind über Nacht ein wenig näher gekommen…“, klärte ihn Ward auf. Eigentlich konnte Bowies Freund den pflichtversessenen Forsythe nicht leiden, doch andere Gesellschaft hatte er momentan ja nicht. Ward seufzte leise.
„Noch ein wenig näher und Colonel Crockett schiesst sie übern Haufen.“, meinte Forsythe und grinste. Ward seufzte wieder.

William Travis war wütend. Da wollte er sich mit Bowie endlich versöhnen und dann warf dieser ihm so etwas an den Kopf!
Insgeheim musste er dem rauen Mann aus Kentucky leider Recht geben…
Doch Travis’ Stolz liess das nicht zu und so suchte er sich jemanden zum bestrafen.
Als er über den Platz ging kamen ihm die beiden Neger Joe und Sam gerade recht.
Rasch winkte er sie zu sich.
„Hier.“, sagte er und ritzte mit seinem Degen ein Kreuz in den Sand „Genau hier werdet ihr beide, wenn ihr nicht mit anderen Dingen beschäftigt seid, einen neuen Brunnen graben, da der alte langsam versiegt.“
Travis putzte seinen Degen an einem Tuch ab und ging davon.
Joe, der jüngere der beiden, machte sich sofort ans Graben. Sam knurrte unwillig und brummte Joe zu: „Schlimm genug dass wir ihnen das Wasser bringen müssen. Jetzt müssen wir’s auch noch suchen für sie!“
Dann fing auch er an zu graben, jedoch bedeutend langsamer und weniger pflichtbewusst als Joe.

Juan Seguin schritt rasch den Aufgang zur Südwestmauer hinauf. Die Mauer war gut 141 Meter lang, doch Davy Crockett hielt sich wie immer beim Aufgang auf.
Er, Micajah Autry und ein weiterer von Crocketts Freunden, der Indianerbekämpfer James Bonham, taten das was sie den ganzen Tag so taten: Die Mexikaner beobachten.
Seguin hatte wie immer seinen orangefarbenen Poncho umgelegt und sein Gewehr unter den Arm geklemmt.
„David.“, sagte er, als er die kleine Gruppe erreicht hatte „Du hast gesagt, du willst ihn sehen. Da ist er, der Napoleon des Westens.“
Crockett schaute wieder in Richtung der Stadt.
„Welcher denn?“, fragte er.
Seguin streckte den Arm aus und zeigte auf einen Reiter, der gerade die Kanonen inspizierte. Er fuchtelte wie wild mit den Armen und brüllte Kommandos.
„Das ist Santa Anna?“, fragte Crockett zweifelnd.
„Ja.“, meinte Seguin. Seit dem Tod seiner Familie durch Santa Annas Truppen hasste der Tejano ihn von ganzem Herzen.
„Stolziert rum wie ein Pfau, hm?“, sagte Crockett und grinste.
Die anderen drei Männer lächelten.
„Muevad estos canónes hacia adelante!“, befahl Santa Anna wütend – Bewegt diese Kanonen nach vorne!
Keiner rührte sich.
Santa Anna schäumte vor Wut. Was mussten diese elenden Rebellen über ihn lachen, wenn er nicht einmal seinen einfachen Soldaten etwas befehlen konnte?
Es war ihm völlig gleich wenn die soldados in das Schussfeld der Texaner gerieten. Dann würden sie wenigstens zurück schiessen.
Als sich immer noch nichts tat, stieg der General von seinem Pferd. Er wollte seinem Haufen von nutzlosen Schwächlingen beweisen, dass es völlig ungefährlich war. Auf die Distanz von gut 180 Metern würden die Amerikaner sowieso nicht treffen.
Und wenn doch, na und?
Als Santa Anna sich anschickte, zwischen den Schuss abhaltenden Bastblöcken vorbei zu gehen, trat ein Soldat etwas unsicher auf ihn zu.
Es war Teniente Enrique Esparza, der Bruder Gregorio Esparzas. Esparza hatte schwarze Haare, ein wettergebräuntes Gesicht und einen kurzen Schnurrbart.
„Bei allem Respekt für Ihre Sicherheit, Excelencia“, sagte er „Aber Davy Crockett ist in diesem Fort.“
Langsam ging Santa Anna auf den schmächtigen, wettergebräunten Esparza zu.
„Sie fürchten sich vor Crockett?“, fragte er leise. Seine Stimme hatte einen Unterton von Verachtung.
„Es heisst, er kann über Flüsse springen!“, sagte Esparza „Und sein Gewehr verfehlt nie!“
Der nächste Blick von Santa Anna war pure Verachtung für den Leutnant.
Rasch schritt der Diktator an den Kanonenstellungen vorbei aufs offene Feld.
Doch so rasch gab Esparza noch nicht auf.
Hastig rief er: „Es heisst, er trifft eine Fliege auf dem Schwanz eines Esels. Auf 180 Meter!“
Santa Anna ignorierte ihn. Er ging gut zwanzig Meter in Richtung Alamo, blieb dort stehen und rief: „Und wo ist dein Crockett jetzt? Los, bewegt die Kanonen nach vorne!“
Auf der Mauer von Alamo blickten alle gespannt auf den Diktator. Er war eigentlich viel zu weit entfernt für einen genauen Schuss. Eine Kugel würde diese Distanz wahrscheinlich knapp erreichen, aber auch noch einen umhergehenden Mann treffen?
Bedächtig stopfte David Crockett seine Muskete, deren Name in den Kolben eingeritzt war: Betsy.
Die Männer wandten sich sofort Crockett zu. Es wurde interessant…
Prüfend steckte Davy einen Finger in den Mund und hielt ihn dann in die Luft. Der Wind kam von Osten, also musste er etwas links an Santa Anna vorbei zielen.
„Vorrücken aqui!“, donnerte Santa Anna. Er verlor langsam aber sicher die Geduld mit diesem Pöbel. Wenn die so weitermachten, würde es heute Abend noch Hinrichtungen geben…
Langsam legte Crockett seine Muskete an, spannte den Hahn und zielte.
Die Leute um ihn herum hielten den Atem an.
Crockett schloss sein linkes Auge, zielte über den Hahn hinweg, holte noch einmal tief Luft und…
Die Mexikaner hörten den Knall erst, als die Kugel auch schon bei ihnen war.
Mit einem scharfen Sirren flog sie heran und mit einem dumpfen Geräusch fand sie ein Ziel.
Santa Annas Schulterzierde, vergoldet und mit langen Fliesen, wurde abgerissen und flog bis zu den Kanonen.
Ein ungläubiger Aufschrei ging durch die Reihen der mexikanischen Soldaten. Santa Anna wurde käseweiss im Gesicht und trat hastig den Rückzug an.
Autry lachte leise, während Davy Crockett die Muskete wieder neben sich stellte.
„Der Wind hat sich gedreht.“, meinte er entschuldigend.
„Antwortet diesen Piraten!“, brüllte Santa Anna und schlug Batres’ Hand weg, die neugierig die zerfledderte Stelle an der Uniform des Generals untersucht hatte.
„Batteria!“, rief Esparza und zog seinen Säbel „Feuert auf diese Stelle!“
Hastig luden die Mexikaner einen ihrer Mörser, schütteten ein wenig Pulver über die Zündschnur und warteten auf Esparzas Befehl.
„Fuego!“, rief dieser und die Lunte wurde in Brand gesteckt. Fast sofort knallte die Mörserkanone, rollte zwei Meter zurück und die Mexikaner sahen der Kugel nach, die in hohem Bogen in Richtung Alamo flog.
Sie verfehlte ihr Ziel, Davy Crocketts Stellung, und landete im Hof des Forts.
Hastig warfen sich alle in Deckung.
Doch der Knall blieb aus. Aus welchem Grund auch immer brannte die Lunte nicht vollständig ab, so dass die Kugel rauchend im Sand liegen blieb.
Vorsichtig standen die Texaner wieder auf. Travis, der am nächsten stand, erhob sich langsam und sagte: „Ihr bringt Captain Dickinson diese Kugel. Die können wir noch mal verwenden.“
Seine Leute starrten misstrauisch auf die immer noch rauchende Kugel. Sie konnte jederzeit doch noch hochgehen und keiner verspürte die Lust, von ihr in Stücke gerissen zu werden.
„Die müsst Ihr dann aber selber aufheben.“, sprach Ward es dann aus.
Gespannt sahen alle auf Travis. Dieser fackelte nicht lange, ging zu der Kugel und schnitt mit seinem Messer die rauchende Lunte ab.
Dann nahm er die Kugel in beide Hände und marschierte zügig zur Achtzehnpfünder.
Nun wurden die Augen der Texaner erst recht gross. Bis jetzt hatten die meisten Travis nicht die Spur von Mut zugetraut. Doch in diesem Moment hatte er etwas getan, wovor sich alle anderen gefürchtete hatten.
„Unglaublich.“, flüsterte Sam und schaute aus dem mittlerweile recht grossen Loch. Joe nickte langsam und lächelte.
William Travis schritt den Aufgang zur Mauer hinauf, drängte sich an Crockett vorbei und übergab Almeron Dickinson die Kugel.
„Schiessen Sie sie wieder zurück.“, sagte er.
Dickinson grinste. „Gerne, Sir. Leute, Kanone laden!“ Hastig stopften die Männer die Kugel, umhüllt von einem Lappen in das Geschütz. Einer stopfte sie und dann befahl Travis: „Feuer!“.
Die Achtzehnpfünder trat brav ihren Dienst und sandte die Kugel wieder zurück. Ehe die Mexikaner wussten, wie ihnen geschah, war das Geschoss bereits mitten unter ihnen und zerfetzte die behelfsmässigen Deckungen. Soldaten wurden umhergeschleudert und einer der Mörser fiel polternd um.
„Jede Kanone feuert ein Mal!“, befahl Travis laut.
Ausser Dickinson und seinen Männern reagierte jedoch niemand.
Stille Rebellion, dachte Travis verbittert.
Pfeifend fuhr der Wind durch die Gemäuer Alamos und nahm wenigstens etwas von der drückenden Stille im Inneren.
Alle starrten Travis an, gespannt was er jetzt tun würde.
„Tut was der Colonel sagt!“, schnitt dann eine Stimme scharf durch das Schweigen.
James Bowie stand mit verschränkten Armen vor der Kirche und blickte in die Runde. „Leutnant Colonel, bitte schön.“, erwiderte Travis und ein leichtes Lächeln schlich sich in sein Gesicht.
Jetzt starrten die Männer ungläubig Bowie an.
„Das war ein Befehl.“, fügte dieser hinzu, als niemand reagierte „Zeigt denen was sie erwartet!“

Sofort kam Leben in die Männer. Alle rannten zu ihren Posten, Kanonen wurden geladen und kurz darauf roch es scharf nach Pulver.
Dann erklangen die Stimmen der Männer: „Feuer!“
Das gleiche wie am Vorabend geschah, nur dass diesmal die Texaner auf der schiessenden Seite waren.
Jede der zwölf Kanonen, die nach aussen gerichtet waren, sandten ihre tödlichen Grüsse zur Armee der Belagerer.
Deckungen wurden zerschossen, Munitionskisten explodierten, Mexikaner segelten durch die Luft oder wurden zerrissen und eine Kugel traf einen der Mörser, der sogleich zerbarst.
Die Texaner jubelten, als sie den Feind sahen, der nun zum ersten Mal erklärt bekam, wieso Alamo so populär und tödlich war.


San Felipe, Texas

„In diesem Augenblick stehen unsere Soldaten in Fort Alamo einer Streitmacht von Tausenden gegenüber.“, liess William Burnet seine Stimme hören „Wir hofften auf Colonel Fannin, der aber trotz seiner Abstammung keine Armee zu führen imstande ist.“
Er sah die versammelten Leute an, die über die Zukunft von Texas zu bestimmen hatten. Sie sassen erneut in dem kleinen Parlamentsgebäude und diskutierten über die Situation in Alamo und allgemein. Burnet hielt einen kleinen Brief in die Höhe: „Das ist von Colonel Travis.“
Er las laut vor: „Ich wende mich an Sie im Namen der Freiheit, damit Sie uns so schnell wie möglich zu Hilfe kommen. Wenn dieser Bitte nicht entsprochen wird, dann bin ich fest entschlossen, dem Angriff so lange wie möglich Stand zu halten und wie ein Soldat zu sterben, der nie vergisst, was er seiner Ehre und der seines Landes schuldig ist. Entweder Sieg oder Tod.“
Betretenes Schweigen machte sich unter den Männern breit.
Dann erhob sich Sam Houston und sagte mit lauter Stimme: „Gentlemen… Ich stelle eine Armee auf. Wir werden Fort Alamo befreien. Aber erst nach Erklärung unserer Unabhängigkeit. Und auch nach dem Einsetzen einer Regierung, die von allen Nationen der Welt als rechtmässig anerkannt werden kann. Denn das ist das, wofür die belagerten Soldaten in Alamo kämpfen.“
Diesmal waren die Männer alle auf seiner Seite.

Juan Seguin war ein wenig mulmig zu Mute, als er von Forsythe in Travis’ Zimmer gerufen wurde.
Er nahm seinen Hut ab, als er eintrat.
Travis schrieb gerade die letzten Zeilen eines Briefes, unterzeichnete ihn und wandte sich dann Seguin zu: „Wir wissen nicht ob auch nur einer unserer Kuriere durchgekommen ist. Sie kennen das Land und die Sprache…“
„Aber das würde doch bedeuten, ich lasse meine Männer im Stich.“, unterbrach Seguin, der die Lage sofort begriffen hatte.
Travis erklärte ihm die Sache im selben Tonfall wie ein Lehrer mit einem unverständigen Schüler spricht: „Ich bitte Sie eine Nachricht zu überbringen und mit Houstons Antwort nach Alamo zurückzukehren.“
Als Seguin weiterhin zögerte, sagte Travis scharf: „Ich befehle es!“
Er versiegelte den Brief und hielt ihn Seguin hin. Zögernd nahm dieser ihn.
Travis begleitete ihn nach draussen, wo Bowie mit seinem Pferd wartete.
Seguin seufzte. Wieso genau er?
Langsam stieg er auf.
„Gib ihm nicht zuviel Wasser.“, sagte Bowie und versuchte zu lächeln „Er ist genau wie ich: Trinkt er zuviel, ist er nichts mehr wert.“
„Ich komme mit ihm zurück, Santiago.“, versprach ihm Seguin.
„Komm du selber zurück…“
Alle Männer in Alamo hatten sich versammelt und sahen Seguin an. Es schien wie ein Abschied für immer…
Seguin lief es kalt den Rücken hinab. Die starren mich an, als schaufle ich gerade mein eigenes Grab, dachte er erschüttert.
Dann pfiff Juan Seguin kurz durch die Finger und winkte den anderen Tejanos zu, die auf der Mauer standen: „Nos verramos pronto, amigos. Tenéis mi palabra.“ – Ich komme wieder, Freunde. Ihr habt mein Wort.
Zögerlich winkten ein paar. Esparza starrte ihn nur an.
Dann gab Seguin Bowies Pferd die Sporen und ritt langsam aus dem Fort hinaus.
Hinter ihm schlossen sich die grossen Torflügel Alamos und er verschwand bald darauf in der Dunkelheit.
Ein paar Sekunden später ertönte ein einzelner, lauter Schuss und ein Pferd wiehert panisch…

Davy Crockett wandte sich von seinem Guckloch in der Palisade ab und stiess nachdenklich die Luft aus. Sofort bildeten sich weisse Atemwölkchen vor seinem Mund.
Langsam trat Bowie näher, wickelte sich in eine Decke und setzte sich auf einen nahe stehenden Stuhl.
„Da kommt man ins Grübeln und denkt über die Möglichkeiten nach, was?“, fragte er leise und deutete auf das Guckloch „Ist ne absurde Situation hier…“
Crockett antwortete nicht.
„Was ist denn mit Ihrer Mütze?“, fragte Bowie und der Anflug eines Lächelns erschien auf seinen Lippen „Ist die weggerannt?“
Nun lächelte auch Crockett.
„Die trag ich immer nur dann, wenn es sehr, sehr kalt ist.“, sagte er und Bowie pfiff leise und etwas spöttisch durch die Zähne.
„Nein, in Wahrheit“, fuhr Crockett fort „habe ich angefangen sie zu tragen, weil dieser Schauspieler sie in dem Stück über mich getragen hat.“
Bowie lachte leise, hustete und wickelte die Decke fester um sich. Er lehnte sich an eine Mauer und sagte: „Darf ich Sie mal etwas fragen?“
„Bitte.“, nickte David.
„Was war schwieriger?“, begann Bowie und spielte auf Crocketts Berühmtheit an „Über den Mississippi zu springen? Oder das Reiten auf dem Blitz?“
Wieder ertönte ein Schuss von draussen und beide Männer zuckten zusammen. Dann fuhr Bowie fort: „Können Sie eine Kanonenkugel fangen? Und das Dampfboot… wie schwer ist es?“
Crockett seufzte leise, ehe er antwortete: „Diese Berühmtheit ist ein Fluch, wissen Sie… Ginge es hier nur um mich, David aus Tennessee, würde ich vielleicht eines Nachts über diese Mauern springen und versuchen durch zu kommen. Aber diesen Davy Crockett… den beobachten alle. Der war sein Leben lang auf Mauern wie diesen.“
Bowie nickte langsam. Dann stöhnte er, verdrehte die Augen und sackte zu Boden.
 
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Kommentare  

Schrecklich dieser Degüello! Die Armen Eingeschlossenen! Trotzdem musste ich grinsen, als David Crockett dem eingebildeten und brutalen Santa Anna die Schulterzierde abschießt *Hi,hi!*

doska (08.08.2005)

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