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Hinter den Kulissen

Aktuelles und Alltägliches · Kurzgeschichten
© Falcon
Sind Sie schon mal in einem so genannten „Bonzenviertel“ spazieren gegangen? Das ist schon eine Erfahrung. Beeindruckende Villen (oder zumindest große Einfamilienhäuser) inmitten von wundervoll gepflegten Gärten, die mit exakt geschnittenen Hecken gesäumt sind, ruhige, breite Straßen – natürlich in Top-Zustand – erlaubte Höchstgeschwindigkeit maximal 30km/h, Gehwege, die noch breiter sind als die Straßen, Garageneinfahrten, die NOCH viel breiter sind als die Gehwege und noch vieles mehr. Man weiß gar nicht, worauf man zuerst und worauf man mehr als auf anderes eifersüchtig sein soll.
Aber mal ehrlich. Wofür sind eigentlich die Garagen da? Ja sicher, Garagen haben den Zweck, das ach so heiß geliebte Auto vor Wind, Wetter, Kindern und anderen Vandalen zu schützen. Gelegentlich werden sie auch gebaut, damit die Versicherung billiger wird. Schließlich sind Garagenbesitzer vorsichtigere Verkehrsteilnehmer. Sagt mein Versicherungsvertreter.
Wenn ich nun durch diese bestimmte Schlossallee laufe, dann sehe ich zwar scharenweise Garagen, aber seltsamerweise stehen die Autos alle davor! Zuerst kommt der Audi-Block, dann ein paar BMW-Adressen, gefolgt von einigen Mercedes-Einfahrten. Natürlich dürfen auch diverse Exoten wie Chrysler und Jaguars nicht fehlen. Und dann gibt es noch die Ewignaiven, die sich immer noch von Fernsehwerbung beeinflussen lassen und sich tatsächlich einen Lexus vors Haus stellen. Sie kennen die Marke nicht? Eben!
Warum stehen diese teuren Schmuckstücke denn vor und nicht in der Garage. Ganz einfach! Wenn der 600SL IN der Garage steht, dann weiß ja keiner, dass man einen besitzt. Außer natürlich man bekommt zufällig mit, wie der stolze Besitzer damit durch die Straßen kurvt als wäre es ein 25km/h-Auto. Nur damit man auch ja gesehen wird. Steht der 100.000-Euro-Wagen aber VOR der Garage, so kann ihn vom Briefträger bis zum Bofrostfahrer JEDER sehen. Und vor Neid erblassen. Natürlich wird der Wagen dann auch von den Tauben gesehen (und anvisiert), aber das ist nicht weiter schlimm, er steht ja unter dem eigens gebauten Carport und ist somit überdacht. Da bleibt für Tauben und übrigens auch Regentropfen ein ziemlich schmaler Winkel übrig.
Vor jedem Haus steht natürlich noch ein Zweitwagen. Diese variieren zwischen Mini Cooper und Van. Was sie aber alle gemeinsam haben, sind Ledersitze, Einparkhilfe und Navigationssystem.
Die Bewohner dieser Häuser selbst wollen selbstverständlich nicht vor ihren fahrbaren Untersätzen zurückstehen. So kann es durchaus passieren, dass ein Familienvater wenn schon nicht im Armani-Anzug, dann aber zumindest im Polo-Shirt von Ralph Lauren und Lacoste-Shorts auf einem echten John-Deere-Rasenmäher den 25m² großen Rasen bearbeitet. Und dann mit dem GPS-Handy beim Edelausstatter für Außenmöbel einen neuen Briefkasten bestellt, weil er die Kurve nicht ganz gekriegt hat.
Wenn die Dame des Hauses tatsächlich noch selbst einkaufen geht, dann aber bitte im neuen Lagerfeldkostüm.

Soweit zur Fassade. Jetzt werfen wir mal einen Blick hinter die Kulissen.
Wenn einem bei der Geburt eine gesunde Portion Argwohn mitgegeben wurde und man die Zeit und Muße findet, ein solches Viertel einige Zeit zu beobachten, dann fallen einem Dinge auf, die die nagende Eifersucht ein wenig erträglicher machen.

Der Wagen einer jeden Garageneinfahrt wechselt nämlich maximal im Zwei-Jahresrhytmus. Und das Nummernschild trägt nicht etwas die Anfangsbuchstaben der Vornamen des Besitzers und seiner Gattin sowie zum Beispiel Datum der Hochzeit, sondern die Initialen der Firma, in der jener Besitzer sein tägliches Brot verdient. Er bezahlt also außer dem Benzin meist keinen Cent für sein Schmuckstück. Aber der Zweitwagen. Den bekommt man ja nicht einfach von der Firma zur Verfügung gestellt. Stimmt. Aber man bekommt ihn bei dem Händler, bei dem auch die Firma bestellt, weitaus günstiger. Und trotzdem ist er frühestens nach zehn Jahren abbezahlt.
Die Edelklamotten stammen meist aus dem letzten Türkeiurlaub, wo man sie zum halben Preis auf dem Wochenmarkt erstanden hat. Womit sich jeglicher Kommentar bezüglich der Authentizität der Designerlogos erübrigt haben dürfte.
Würde man bei der Bank nachfragen, könnte man erfahren, dass der Hausherr den Rasenmäher noch länger abbezahlen muss, als den Zweitwagen. Nicht, dass die Hypothek aufs Haus schon abbezahlt wäre. Aber zum Glück gibt es ja den Datenschutz. Das wäre sonst ZU peinlich.

Solchermaßen beruhigt kann man sich dann getrost in seine Mietwohnung zurückziehen und sich auf dem Balkon in der fünften Etage an der Tatsache erfreuen, dass – wie Oma schon wusste – halt doch nicht alles Gold ist, was glänzt.
Bleibt nur zu hoffen, dass man niemals im Lotto gewinnt. Sonst wäre wieder eine Familie versaut. Obwohl doch Bescheidenheit zu den Tugenden gehört, die man in Deutschland am häufigsten beobachten kann. Ähem…
 
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Kommentare  

Tut mir leid, Falcon, ich kenn solche Vorstadtviertel nur aus Satiren. Dagegen habe den Eindruck gewonnen, der Erzähler sei schrecklich neidisch auf Besitz und auf Leute, die einen Job haben, in dem es Firmenwagen gibt. Diese Leute sind aber doch nicht alle verschuldet. Worum geht es dir in der Geschichte? Auch Menschen in Mietwohnungen haben horrende Schulden, leben 'glücklich' auf Kosten anderer, bescheißen, wo und wann sie können. Und denkst du auch mal an die Reichen, die ihren Besitzt verantwortungsbewusst verwalten und verteilen? Den Aspekt habe ich vermisst. Insgesamt: Die Geschichte hat für mich eine ziemliche Schieflage. Vieleicht wird sie klarer, wenn eine konkrete Person, ein Aha-Erlebnis anhand seiner Erfahrlung mit EINER Protzerfamilie hat. Daraus könnte ich verallgemeinern, dass es sich ohne Schulden besser lebt. Und wenn du mal im Lotto gewinnst, gib mir dein Geld, ich mach was Sozialverträgliches draus. LG Arnika

Arnika (05.04.2008)

Wieder schön hinterfotzig geschrieben. Solche Viertel und Leute kennt wohl jeder, und du hast Recht: die leben nach dem Motto "Mehr scheinen als sein".
Volltreffer!
Volle Punktzahl!


Stefan Steinmetz (20.08.2006)

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