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5 Seiten

Das sechste Gebot//2.Teil

Romane/Serien · Spannendes
Nicks Schadenfreude hielt nicht lange an. Er hatte sich diebisch gefreut, dass die Zeugin nicht von Jo verhört werden wollte, doch nun begann sie ihn zu nerven mit ihren Klatschgeschichten, die er sich alle anhören musste. Vermutlich hatte Jo ganz genau gewusst, dass diese Frau eine wandelnde Klatschzeitung war und sich deshalb daneben benommen, um ihm die Drecksarbeit zu überlassen. Was Interessantes hatte er auch nicht rausbekommen. Der Täter hatte eisblaue Augen. Na und? Viele Menschen haben blaue Augen, dachte sich Nick.
Sehnsüchtig blickte er aus dem Raum auf den Flur. Was würde er für einen Kaffee geben.
Im Flur stand Jo, einen Kaffeebecher in ihren schlanken Händen und vorsichtig trinkend. Ihr Locken hingen ihr wirr ins Gesicht. Nick liebte Locken, aber nicht an dieser Person. Sie war erstens jünger als er und dann auch noch seine Vorgesetzte, und das ging eindeutig zu weit. Sie sah zwar verdammt gut aus, aber Nick wollte sich von ihr nicht klein kriegen lassen. Sie hielt sich für was Besseres, wegen ihrer ganzen Auszeichnungen und weil sie von einem großen Revier kam. Weshalb sie zu ihnen gekommen war, hatte keiner so richtig gewusst. Es wurde gemunkelt, dass sie sich freiwillig versetzen lassen habe, weil sie sonst suspendiert worden wäre, aber das glaubte hier keiner. Jo hielt sich einfach zu perfekt an die Richtlinien, sie war sogar noch freundlich zu allen, obwohl sie keiner beachtete und sie keiner leiden konnte und das auch deutlich zeigte. Vielleicht war sie einfach zu perfekt.
Jo hatte Nicks Blick gespürt und blickte auf. Zwei Sekunden schauten sie sich in die Augen, dann wandte Nick den Blick wieder der Zeugin zu, denn er wollte nicht den Anschein erwecken, als sei er ernsthaft an einer Freundschaft mit Jo interessiert. Sie war eine Hochnäsige von einem der großen Reviere und das sollte sie auch spüren.
„Nun Mrs Smith, ist Ihnen an dem Mann noch etwas aufgefallen? Hinkte er oder ging er leicht gebückt?“
Mrs Smith nickt bedächtig, als ließe sie sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen. „Ich weiß ja nicht, ob ich es ihnen sagen soll...“, begann sie langsam.
Nick rutschte ganz nah an Mrs Smith heran. „Alles, was Sie zu sagen haben, ist wichtig für unsere Ermittlungen und vielleicht hilft es uns ja weiter.“
„Wenn das so ist“ meinte Mrs Smith, „Nun ja, wie soll ich sagen, der Mann erinnerte mich von seiner Schrittweise an meinen...also er war, bis er verschwunden ist...er erinnerte mich an meinen verstorbenen Mann!“
Großartig! dachte sich Nick. Endlich mal eine brauchbare Spur, nicht der üble Schmotz. „Sind Sie sich ganz sicher?“, fragte er aufgeregt. Er hatte eine Spur und Jo hatte nichts, was auch so bleiben sollte.
„Wenn Sie so fragen...ja, jetzt wo ich es sage, es kam mir gleich so komisch vor. Das ist mein Mann. Der Täter ist mein Mann Richard Smith!“

Jo zerknüllte den Plastikkaffeebecher, den der Automat ausgespuckt hatte, in ihren Händen. Nick unterhielt sich ja prächtig mit der Zeugin. Bestimmt klatschten sie bereits über sie. Wütend pfefferte sie ihren Becher in den Mülleimer in der Ecke.
Hinter ihr klatschte es. „Bravo Frau Oberkriminalkommissarin. Endlich mal einen Treffer gelandet!“, rief Terry spöttisch und ging wieder zum Empfang.
Jo spürte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten. Immer wieder diese Demütigungen und fiesen Witze. Wie lange wollte sie das noch durchhalten? Dabei hatte sie sich doch vorgenommen alles besser zu machen.
Langsam machte den Tränen ein roter Schleier aus Wut Platz. Was bildete sich dieser einfache Vorstadtpolizist eigentlich ein? Sie war seine Vorgesetzte, die ihn feuern konnte, wenn sie wollte, was sie jetzt auch machen würde!
Mit großen Schritten steuerte sie Terrys Tisch an und knallte ihre Hände auf die Platte, dass Terry zusammen zuckte. „Sparen Sie sich ihre Witzeleien für Ihre Frau auf, Sie jämmerlicher Weichling. Mit mir haben Sie es sich ausgescherzt. Noch einmal beleidigen Sie Ihre Vorgesetzte nicht. Sie sind entlassen! Fristlos! Damit ich gleich noch einen zweiten Treffer lande, was?!“
Bevor der fassungslose Terry überhaupt etwas sagen konnte, warf sie ihr Haar in den Nacken und stolzierte aus der Polizeistation

Der Mann schob seine Hände unter die Achseln. Es wurde immer kälter und er saß jetzt schon eine ganze Weile da, ohne sich zu bewegen. Doch bald mussten sie wohl oder übel auftauchen und dann würde er da sein, um Rache zu nehmen, wie er das jetzt schon mehrmals getan hatte. Rache zu üben, für das, was sie ihm angetan hatten. Und er würde keinen von ihnen verschonen, selbst wenn sie bis ans Ende der Welt fliehen würden. Es zählte nur noch eiskalte Berechnung.
Plötzlich raschelte es hinter ihm. Er wirbelte herum, seine Sig Sauer mit Schalldämpfer entsichert, bereit zu schießen. „Wer ist da?“, rief er leise und merkte wie kratzig seine Stimme klang. Vielleicht sollte er sich endlich das Rauchen abgewöhnen, aber es machte viel zu sehr Spaß auf Risiko zu leben, als sich absolut risikofrei zu verhalten.
Niemand antwortete auf seine Frage. Wahrscheinlich hatte er sich das Geräusch nur eingebildet, doch sicher war sicher. Seine Augen fuhren unruhig herum und er zog sich die Sturmhaube über den Kopf.
Es raschelte wieder. Vor Nervosität hätte er fast geschossen. Da kam auf einmal eine Katze aus dem Gebüsch gestoben, eine schlaffe Maus hing in ihrem Maul. Sie hatte mit der Maus gespielt, bis sie die Lust daran verloren hatte und sie einfach tötete.
Da kam ihm eine teuflische Idee.....

Nick massierte sich den Nacken, so gut es ging. Mrs Smith war eben gegangen und von Jo keine Spur. Sie war wohl in die Stadt gegangen, aus Wut, dass die Zeugin nicht mit ihr sprechen wollte.
Da wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen und Terry stürmte herein. Er sah sehr wütend aus. „Diese Schlampe hat mir gekündigt!“, rief er. „Fristlos! Wie kann Sie sich das nur erlauben? Ich mach Sie alle, diese dumme.....“
„Terry!“, besänftigte ihn Nick, „Das ist bestimmt alles nur ein Missverständnis. Sie kann dir doch gar nicht kündigen und wieso sollte Sie?“
Terry lachte bitter. „Natürlich kann Sie das. Sie ist immer noch unsere Vorgesetzte, schon vergessen Nick? Und Sie hat mich rausgeschmissen, weil ich Sie ein bisschen blöd angemacht habe. So wie immer halt. Hat es ja auch nicht anders verdient, mit Ihrem hoch erhobenen Näschen. Diesmal ist Sie halt völlig ausgetickt. Was soll ich denn jetzt machen? Ich find keinen anderen Job. Nick, hilf mir bitte? Red noch mal mit Ihr, ja?“ Nick nickte. „Mach ich. Kein Problem. Und wenn nicht, wird Sie es bereuen, dass Sie dich rausgeworfen hat, verlass dich darauf!“

Jo saß in ihrem Lieblingscafe und rührte in ihrem, mittlerweile kalten, Cappuccino.
Wie hatte sie sich nur, durch ihren Wutanfall bedingt, dazu verleiten lassen, Terry zu feuern? Er war ein hochqualifizierter Mann, der seine Arbeit gut und zuverlässig erledigt. Außerdem hatte er drei Kinder und eine Frau, die arbeitslos war. Eine neue Arbeit zu finden, wäre nicht einfach für ihn. Sie sollte die Entlassung zurückziehen und sich bei ihm entschuldigen.
Würde er ihre Entschuldigung überhaupt annehmen? Vielleicht würde er kündigen und es war ihre Schuld.
Damit hatte sie sich wohl auf Platz Eins der Sympathisantenliste geschossen.
Sie nahm einen großen Schluck und spuckte ihn unverzüglich zurück in ihre Tasse.
„Widerlich, so 'n kalter Cappuccino“, murmelte Jo und zog ihr Handy aus der Tasche, sie musste unbedingt die Stimme von ihrem Vater wieder hören.
Rasch wählte sie seine Nummer. Es tutete, doch keiner ging dran, dann ein Klicken und die Stimme ihres Vaters wurde hörbar. „Hier ist der Anrufbeantworter von Thomas Neill. Leider bin ich im Moment wohl weg, sonst würde ich ja dran gehen. Aber, ich kann es nicht, also hinterlassen Sie bitte eine Nachricht hinter dem Piepen.“
Doch da hatte Jo schon aufgelegt. Wo ihr Vater wohl steckte? Er war sonst immer zu Hause und ging auch ans Telefon, aber das war seltsam. Außer er war mit Marlene, seiner Lebensabschnittsgefährtin, weg, was in letzter Zeit häufiger passierte. Eine Heirat wäre bald nicht mehr auszuschließen. Jo seufzte tief. Wenn man ihn brauchte, war er nicht da. Überhaupt war niemand für sie da. Sie hatte keine Freunde in der Gegend und ihr Vater wohnte zu weit weg. Sie hielt es jetzt auch nicht mehr für nötig, an sein Telefon zu gehen.
„Ich möchte bitte zahlen!“, rief Jo dem Kellner zu, der ganz in ihrer Nähe einen Tisch abwischte.
„Sofort“, rief der junge Mann, steckte den Lappen weg, griff nach dem großen Portemonnaie und kam zu Jo an den Tisch. „Das macht dann zwei Euro bitte“, sagte er freundlich und lächelte ihr zu.
Jo registrierte, dass sein Gesicht voller Sommersprossen war. Er hatte ein nettes Lächeln. Sie gab ihm drei Euro, einfach, weil er der erste Mensch seit heute war, der nett zu ihr gewesen war.
„Stimmt so“, lächelte sie und zog sich ihre Jacke an. „Danke!“, rief der Kellner hinter ihr her, als sie das Cafe verließ, einen bitteren Geschmack auf ihren Lippen.
Auf der Straße herrschte das übliche Nachmittagsgewimmel und die Luft surrte vor Unterhaltungen, heulenden Kindern und schimpfenden Eltern.
Während Jo sich von der Menschenmenge treiben ließ, hing sie ihren Gedanken nach. Sie kannte keinen hier. Sie war völlig allein, absorbierte sich von der großen grauen Masse der Menschen, aus der es summte, wie in einem Bienenkorb. Sie war auch nicht willkommen hier und plötzlich hatte sie ein erdrückendes Gefühl auf der Brust, als würde die Menschenmenge immer näher auf sie zurücken und sie einschließen, um sie, das Fremde, anschließend zu zerquetschen.
Jo schnappte nach Luft. Der Druck war so real und schmerzhaft, dass ihr die Luft wegblieb.
Inmitten der schwatzenden, lachende, schimpfenden Masse verlor Jo das Bewusstsein. Das letzte, was sie sah, bevor sie weg war, war Nick, der sich den Weg zu ihr bahnte
 
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Kommentare  

hallo, zimtsternchen. ich bin begeistert, der text ist gut, flüssig und spannend geschrieben. bin gespannt, wie es weiter geht.
lg
rosmarin


rosmarin (27.08.2005)

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