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9 Seiten

Emotion~Feuer~/6.Teil

Romane/Serien · Fantastisches
„Winona, wach sofort auf!“, kreischte Kenya und rüttelte an Winonas Schulter. Der ganze Flur stand schon unter Wasser und sie mussten dringend hier raus, sonst würde es ein Unglück geben. Mit einem lauten Schrei fuhr Winona in die Höhe. Ängstlich krallte sie sich an Kenyas Schlafanzug. „Was....?“, rief sie.
„Irgendjemand hat da was mit dem Wasser veranstaltet. Du musst hier raus Winona. Es hört nicht auf zu laufen. Glynis ist Aris holen gegangen.“ Hektisch riss sie Winona vom Bett, gab ihr ihren Mantel und ein paar Schuhe und zog sie mit sich. „Rasch! Raus hier! Wir sind schon die Letzten.“ Winona stolperte hinter Kenya her und blickte sich verwirrt um. Überall schwammen Gegenstände und Wasser rieselte in kleinen Bächen von den Wänden, allerdings konnte man sehen, dass deren Intensität mit jeder Sekunde zunahm und es nicht lange dauern würde, bis sie wie Wasserfälle von den Wänden kommen würden. „Was...was ist denn passiert?“, rief Winona hilflos und schlüpfte im Rennen in den Mantel. Die Schuhe nahm sie in die Hand, da sie ihr im Nassen nichts bringen würden, da das Wasser ihnen schon bis an die Knie reichte.
„Ja, das wissen wir nicht. Tatsache ist, dass wir hier schnellstens raus müssen, das Haus wird wohl irgendwann den Wassermassen nachgeben und dann möchte ich nicht wirklich gerne hier drinnen sein.“ Kenya riss hastig die Tür der Gemeinschaft auf und sprang die Treppenstufen hinunter, auf denen das Wasser schon fast Wildbachausmaßen hatte. „Jetzt komm endlich, Winona!“, brüllte sie hektisch, denn das Rauschen aus dem Flur der Wohnung wurde immer lauter. Offenbar waren es jetzt keine kleinen Wasserbächlein mehr. Winona fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ihr Traum! „Oh scheiße nein!“, flüsterte sie erschrocken. Es konnte doch nicht wirklich daran liegen, dass sie in ihrem Traum so heftig an Wasser gedacht...Die erste größere Flutwelle kam aus der Wohnung geschossen und riss Winona fast um. Kenya war schon nicht mehr zu sehen, vermutlich hatte sie das Haus schon verlassen. Beweg dich Mädchen, rief sich Winona selbst im Geiste zu und rannte, so gut es das viele Wasser zuließ, die Treppenstufen hinunter.
Zweimal stürzte sie und schlug sich schmerzhaft die Knie an einer Treppenstufe, aber die Angst vor den Wassermassen die immer mehr zunahmen und mittlerweile bis an die Hüfte gingen, beflügelte sie und so schoss sie klatschnass aus dem Wohnhaus hinaus, direkt in die Arme von Klaas, der ihr sofort eine Decke reichte.
Die anderen Mitbewohner standen alle zitternd und bibbernd in einer Ecke und starrten fassungslos auf das Haus, aus dem in immer größeren Schwällen das Wasser schoss. „Wer auch immer das war, ich bring ihn um!“, knurrte Hank und fuhr sich durch seine Haare. Fiona zog ihn beiseite und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf Hanks Augen sich zu schmalen Schlitzen verzogen und er die Zähne bleckte wie ein Hund. Terese starrte die Beiden verächtlich an. „Jetzt reichts langsam mit deinen albernen Morddrohungen und eurer Geheimnistuerei. Langsam geht ihr mir so was von auf den Keks.“ Hank und Fiona stierten sie nur böse an und wandten sich dann von dem Rest der Gruppe ab um etwas zu besprechen.
In diesem Moment kam Aris angestürzt, er sah nicht so aus, als hätte ihn Glynis eben erst aus dem Bett geschmissen. Neben ihm, wie immer, Serena van den Kamp, die eher aussah, als wäre sie aus dem Schlaf gerissen worden.
Serenas Augen fixierten kurz Winonas und sie zog fragend die Augenbraue hoch. Winona wich ihrem bohrenden Blick aus, sie wollte ihr jetzt nicht zu verstehen geben, dass sie vermutlich an allem Schuld war.
Währenddessen hatte Aris sich vor dem Haus hingestellt, seinen Gehstock fest in der Hand, die andere Hand ausgestreckt. Er schloss die Augen und versetzte sich selbst in eine Art Trance. Natürlich wusste er, dass Winona getrieben von ihrer Angst diese Wassermassen verursacht hatte. Er kannte ihren Traum nicht, aber er musste sich hineinversetzen, ihn rekonstruieren und etwas unternehmen, bevor sie in ihrer Verzweiflung auf die Idee kam, die Amorphen-Kräfte anzuwenden.

„Was macht er da?“, murmelte Kenya und kuschelte sich eng an Klaas, der sie fest an sich drückte. Winona blickte betreten zur Seite. Alles war ihre Schuld. Und sie sollte ein Geniusmorph sein. Eine Looserin wie sie, die noch nicht mal richtig die Kontrolle über sich selbst hatte.
Sie blickte auf Aris, der schon seit gut 10 Minuten starr vor dem Haus stand, das mittlerweile so aufgeweicht aussah, wie ein Blatt Papier in einem Eimer Wasser und es war womöglich nur noch eine Frage der Zeit, bis es den Wassermassen nicht mehr standhalten würde.

Winona sprang auf und rannte auf die brodelnde Wand zu. Die Hitze brannte auf ihrer Haut und die Härchen auf ihrem Arm kräuselten sich.
Und wie jede Nacht sprang Winona durch die Feuerwand.
Ihre Haare schwelten und sie stand vor nacktem Stein. „Hilfe!“, keuchte Winona verzweifelt.
Aris hatte es geschafft. Er war in ihrem Traum drin und nun musste er eingreifen, sonst würde Winona noch einmal die Überschwemmung verursachen. „Winona!“, rief er laut und Winona drehte sich erschrocken um. „Aris?“, rief sie und ihre Augen weiteten sich. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab und ihr Gesicht war überzogen mit Schlieren aus Ruß und Tränen. Kurzzeitig ließ Aris seine Mission außer Acht, als er Winona beruhigend an sich drückte und sie dann hinter seinen Rücken schob. „Ganz ruhig. Ich beende alles...“ Er ballte seine Hand zu einer Faust und riss plötzlich seine Augen weit auf und die Hand ebenfalls. Aus seinen Augen, durch die Brille hindurch, strömte ein goldener Glanz, welcher Winona sogar hinter seinem Rücken noch blendete, dass sie glaubte blind zu werden. Der gesamte Flur füllte sich mit goldenem Licht und die Flammen gingen zurück.
Noch einmal kreischten sie laut auf und schlugen hoch empor, doch das goldene Licht drückte sie nieder, bis sie komplett vergingen. „Jetzt ist alles gut“, flüsterte Aris leise zu Winona, dann nahm er sie an die Hand und führte sie in die Dunkelheit zurück.

Plötzlich war es nicht mehr da, das Wasser. Wie von Geisterhand war es auf einmal weg. Und das Haus der Erdmorphen sah genauso aus, wie vorher. Nirgends ein Anzeichen von den gewaltigen Wassermassen, die vor kurzem aus der Tür geschossen waren, nirgends ein Anzeichen überhaupt von Wasser. „Wie...wie ist das möglich?“, stammelte Winona. Sie konnte sich das nicht erklären. Aris konnte unmöglich innerhalb von einer Millisekunde das Wasser mit einem Riesenmob weggewischt haben. Klaas und Kenya warfen sich einen raschen Blick zu, dann sagte Klaas rasch: „Aris hat’s halt einfach drauf. Nicht umsonst spricht man von ihm als einer der größten Amorphe.“
In der Zeit hatte sich Aris wieder umgewandt und richtete nun seine Worte an die verstörten Schüler. „Die Wassermassen sind nun beseitigt und ihr könnt nun wieder ohne Bedenken in eure Zimmer zurück. Das Wasser wird nicht zurückkommen, also keine Befürchtungen. An alle Neuen, die Tests finden wie angegeben statt, es wird keine Verschiebung geben, also seid bitte pünktlich!“ Damit wandte er sich zum gehen, während das Getuschel der Schüler anschwoll. Keiner konnte sich erklären, wie diese Wassermassen aufgetaucht und wie sie wieder verschwunden waren. Erste Theorien schossen durch die Luft, wurden weitergeflüstert, man verdächtigte andere Schüler, sogar die Lehrer wurden als potentielle Auslöser betrachtet.
Zu ihrem Ärger registrierte Winona, das Hank einer der Rädelsführer war, denn er hetzte die Schüler gegen die Lehrerschaft auf. Rasch ging zu ihm hinüber und fuhr ihn an: „Findest du das eigentlich witzig?“ Hank starrte sie nur böse an. „Jetzt schau mich nicht so bescheuert an, Hank! Ich bin noch nicht lange her, aber du geht’s mir schon gewaltig auf die Nerven mit deiner elenden Hetzerei und deinen ganzen negativen Einstellungen. Warum bist du denn bitte hier, wenn dir hier alles zu blöd ist?“ Hank blickte arrogant auf sie herab. „Mädchen, wir sprechen noch mal über dein Lieblingsthema, wenn du schon etwas Erfahrung aufweisen kannst und mir gewachsen bist. Und jetzt reg dich nicht so auf, es hört sich ja an, als wärst du an allem Schuld.“ Autsch, das hatte gesessen. Winona biss sich auf die Lippe, warf ihm noch einen letzten giftigen Blick zu und marschierte dann wieder zurück zu Kenya und Klaas, die sich schon auf den Weg zurück in die Wohnung machten.
„Ich schnall echt ab!“, murmelte Kenya, als sie in das Haus traten. „Nirgends ist ein Fitzelchen Wasser zu sehen. Wenn ich zum ersten Mal hier wäre, würde ich nicht denken, dass vor 5 Minuten noch alles unter Wasser stand und das Haus fast zusammengebrochen ist.“ „Aris ist einfach unglaublich...“ Wortlos schlurfte Winona in ihr unversehrtes Zimmer zurück und ließ sich rückwärts auf ihr Bett fallen. Innerhalb von einer Minute war sie eingeschlafen.

Der nächste Morgen und das Frühstück verliefen relativ leise, aber überall hörte man aufgeregtes flüstern. Einerseits wegen der Wasseraktion, andererseits wegen den anstehenden Prüfungen für die Neulinge, die man meist an den bleichen Gesichtern erkennen konnte.
Unauffällig musterte Winona diejenigen, mit denen sie von nun an zur Schule gehen würde. Sie fand es Schade, dass sie nicht mit Kenya und den anderen in einem Jahrgang war, aber nachmittags würde sie ja mit ihnen rumhängen und während der Schulzeit musste sie sich nun einmal andere Freunde suchen.
„Schmeckt’s dir nicht?“, fragte Glynis besorgt, da Winona nur in ihren brauen Cornflakes rührte, aber nichts unternahm, um die matschige Masse vor dem endgültigen Auflösen in sämtliche Einzelsubstanzen und Stoffe zu retten.
„Ich bin nur ein bisschen nervös...das ist alles“, murmelte Winona.
„Ach komm, das wird schon. Weißt du denn schon, welches Element deins sein könnte?“ Winonas Gedanken überschlugen sich. Warum musste diese Frage ausgerechnet jetzt kommen? „Nein...also, ich hab mir da noch keine Gedanken drüber gemacht. Vielleicht Wasser...“ „Das wäre ja blöd, wenn du dann umziehen müsstest.“ Klaas blickte leicht missgestimmt in die schweigsame Runde. „Nein, Aris meinte zu mir, egal was ist, ich bleib bei euch wohnen...“ Gary blickte von seinem Knäckebrot auf. „Wie du würdest trotzdem da bleiben? Das ist ja komisch...wenn du jetzt Wasser wärst, wäre das doch scheiße für dich, in einem Erdhaus zu wohnen. Na ja gut, Aris weiß wohl was er tut.“
Unbehaglich blickte Winona zur Seite. Dabei entging ihr völlig der misstrauische Blick, den Hank ihr zuwarf, welcher danach rasch etwas in Fionas Ohr wisperte.

Unbehaglich traten die Schüler auf dem Boden hin und her. Wie beim Militär, standen alle in schnurgeraden Reihen hintereinander, während ebenfalls in einer Reihe direkt vor ihnen das gesamte Lehrerkollegium stand.
„Wie ihr sicher schon erfahren habt und wenn nicht, dann erfahrt ihr es eben jetzt, laufen die Morphteilungen wie folgend ab: Nach und nach werden wir euch in einer der 3 Kammern bitten, in welcher ihr ein Serum gespritzt bekommt. Natürlich haben wir uns schon Gedanken über euren möglichen Morph gemacht und so ist anzunehmen, dass wir nicht daneben liegen.
Sollte dies der Fall sein, wird das Serum eine allergische Reaktion hervorrufen. In diesem Falle bitte ich euch nicht hysterisch zu werden, bei den geringsten Anzeichen einer allergischen Reaktion, werden wir sofort ein Gegenmittel spritzen. Und noch etwas, hier gibt es keine beste Amorphgruppe. In der letzten Zeit häufen sich die Prahlereien und Ausstechereien unter den Schülern und ich muss deswegen betonen, dass keines der Elemente eine höhere Bedeutung als ein Anderes hat.“
Eine mittelalte blonde Frau, sie hatte sich als Frederike Duchess vorgestellt, hatte die Eingangsworte an sie gerichtet und machte jetzt nun Aris Platz, der eine Namensliste mit sich trug. „Ich lese nun immer 3 Namen vor und ihr begebt euch bitte zu den Kabinen 1 bis 3. Jeweils 2 Lehrer stehen dabei. Einer wird die Kabine von außen Überwachen und der Andere wird euch spritzen und im Notfall eingreifen. Sollte jetzt jemand von euch noch Fragen haben oder an sich zweifeln, so bitte jetzt, denn nachher ist es schon um einiges zu spät.“
Ein etwas pummelige junge Frau, Winona schätzte sie auf 18,10 Jahre, hob schüchtern die Hand. „Wie ist das denn, wenn man auf mehrere Elemente nicht allergisch ist?“
Winona hatte das Gefühl, dass Aris ihr just bei dieser Frage zuzwinkerte, bevor er selbst das Wort ergriff. „Dies kann natürlich vorkommen, ist aber in den meisten Fällen nicht sehr wahrscheinlich, denn Amorphe, die mehrere Elemente haben, sind nicht sehr häufig. Sollte dies bei einem von euch passieren, dann lasst euch erst einmal nur gesagt sein, dass es extrem selten und eine große Gabe ist, welche allerdings noch nicht heißt, dass ihr auch mit beiden Elementen umgehen könnt.“ Getuschel brach unter den Anwesenden aus. Winona konnte sehen, wie sich die Menge Gedanken machte, ob sie vielleicht 2 Elemente beherrschen konnten. Innerlich zog sich alles in ihr zusammen. Sie war so ziemlich die Jüngste, alle anderen waren 18 oder vielleicht 19 und sahen so aus, als wüssten sie genau, was sie zu tun hatten. In dem Moment fielen ihr Worte von ihrem Fluglehrer wieder ein, die er einmal zu ihr gesagt hatte, als sie in einem großen Helikopter mit einer Formationsgruppe gesessen hatte und sich so elendig gefühlt hatte, dass ihr vor Angst fast schlecht war, währen die Anderen nur lachten und scherzten. In dem Moment kam ihr Lehrer zu ihr und sagt: „Die, die am lautesten Rufen und am meisten Spaß haben, sind die, die zu feige sind ihre Angst zu zeigen.“
Danach kamen ihr die Anderen nicht mehr so selbstsicher wie am Anfang vor. Bei Einigen entdeckte Winona mühsam unterdrückte Nervosität und eine junge Frau hatte so große Augenringe, dass es unverkennbar war, dass sie die ganze Nacht kein Auge zugemacht hatte.
„Meine Damen und Herren, bitte!“ Aris klatsche in die Hände und es wurde still. „Wenn Sie so freundlich wären, wir würden dann anfangen.“
Serena trat vor und in der Hand hielt sie in schlankes Buch, auf welches mit großer schnörkeliger Schrift: „Amorphe“ eingearbeitet war.
„Frederike Andres, James Carstens und Nathalia Petern“, sagte sie und 2 junge Frauen und ein junger Mann stürzten zittrig zu den Kabinen, während die anderen versuchten einen möglichst guten Platz in der Nähe einer der Kabinen zu bekommen um das Schauspiel zu beobachten.
Winona drückte sich weit nach hinten durch. Sie gab nicht viel darauf in der ersten Reihe zu stehen. Was gab es schon groß zu sehen? 3 Schüler, denen eine Spritze gesetzt wurde und die vielleicht ein paar ganz passable Verrenkungsaktionen hinlegen würden, falls das Element nicht das Richtige war.
Es gab schon die ersten unterdrückten Stöhner einiger Frauen, die vermutlich gerade angstvoll die Spritze beobachteten.
Winona schnaubte leise.
„Na? Dich scheinen hier ja auch alle so gar nicht beeindruckt zu haben!“ Eine Stimme riss sie jäh aus ihren verächtlichen Gedanken.
Ein junger Mann, Winona schätze ihn auf 18, hatte sich neben ihr an die Wand gelehnt und betrachtete sie durch graugrünverschleierte Augen. „Weißt du..“, fuhr er fort und strubbelte dabei in seinen Haaren rum, „Mich macht die ganze Aktion hier nicht so an. Übermenschen und so’n Quatsch. Was bringt mir das denn hier? Wenn ich Amorph bin? Na toll...ein Abitur wäre da viel praktischer!“ Winona grinste. „Ja, und als ich dich dann hier stehen sah, dachte ich mir nur, gut, dass da noch jemand ist, der nicht glaubt ihm wachsen Flügel und er hat sich seinen Platz in der Götterwelt schon verdient.“ Der junge Mann schob seine Hände in die Hosentasche und starrte Winona nachdenklich an. „Du siehst aber jetzt nicht aus wie die Zielgruppe.“ „Ja, ich bin auch erst 16 und...naja, ich wurde sehr überstürzt hier hingebracht.“ Winona dachte kurz an die Nacht, in der sie Serena „abgeholt“ hatte. „Gut, lassen wir die herzerwärmenden Lebensgeschichten. Ich bin Finn und du?“ Finn streckte ihr seine langgliedrige schmale Hand hin. „Winona.“ Herzlich schüttelten sie sich die Hände


Feuer 5

Mit einem hohen Schrei, der sofort in ein schmerzerfülltes Wimmern überging, brach die hochgewachsene, nunmehr verkrümmt daliegende Gestalt, über dem Tisch zusammen.
Durch den jähen Zusammenbruch hatte sie den Tisch mit umgerissen und diverseste Gegenstände verteilten sich über den Boden. Einige Gegenstände splitterten und übelriechende Dämpfe wurden freigesetzt, aber dies wurde von der Frau nicht beobachtet, die mit wehendem Haar in den Raum gestürzt kam.
„Dariusz!“, kreischte sie, wohlwissend, dass der Mann am Boden diesen Namen hasste und sie womöglich bestrafen würde. Hastig ließ sie sich neben ihn sinken und befreite ihn von allerlei Gegenständen.
Liebevoll nahm sie sein Gesicht in ihre Hände und blickte in zwei schwarze Augen, die sie hart fixierten. „Nenn mich nie...nie wieder bei diesem gottverdammten Namen!“, zischte der Mann und schlug ihre Hände weg, während ihm das Blut aus der Nase auf die schwarze Samtweste tropfte.
Die Frau rappelte sich auf und streckte die Hand aus um dem Mann ebenfalls auf die Beine zu helfen, aber er schlug wütend die Hand aus und sprang rasch auf.
Das helle Haar lag ihm bis über die Schultern und das ungewöhnlich hübsche und markante Gesicht wurde lediglich durch diese schwarzen Augen gestört. Die Augen, die keine Gefühle ausstrahlen, nur Kälte.
Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich das Blut vom Mund und kickte zornig an die Tischplatte.
„Bei den Göttlichen!“, brüllte er dann los und sein hübsches Gesicht verzog sich zu einer hässlichen, fanatischen Fratze. „Ich habe es gefühlt. Etwas ist passiert. Ich konnte dieses Mädchen nicht mehr halten...“
Die Frau griff nach seiner Hand und sie blickte mit großen Augen zu ihm auf. „Herr, was meint ihr? Es ist doch nicht möglich das....“
Der Mann blickte starr an ihr vorbei und sein Mund verzog sich unwillig. „Doch, ich fürchte, genau das... Bringt mir diesen alten Menschen her. Ich will sofort wissen, was vor sich geht!“
Rasch eilte die Frau davon, während der Mann mit einigen schnellen Bewegungen verstreut daliegende Sachen einsammelte und auf ein Regal in der Ecke stellte.

Winona verspürte keine Angst, als ihr die Spritze gesetzt wurde. Sie beachtete den Lehrkörper nicht, der sie betreute, sie konzentrierte sich nur auf die kühle Spur, die das eintretende Serum in ihren Adern hinterließ.
Wie einen Schweif, zog das Serum fließende Kälte hinter sich her und Winona fühlte sich, als würde es alle ihre Adern, ihre Venen, ihr Gehirn erstarren lassen.
Das Gefühl war ihr nicht unangenehm, vielmehr versprach sie sich eine interessante Erfahrung davon und sie hätte gerne mit den Fingern die Strecke nachgezogen, die das Serum in ihrem Körper nahm.
Irgendetwas nahm plötzlich von ihr Besitz. Nebel baute sich vor ihren Augen auf und die Decke schien auf ihren Kopf zu drücken. Winona zwang sich ruhig zu atmen, sie wollte nicht so ein Theater veranstalten wie einige Neulinge vorher, die heulend und schreiend aus den Kabinen getragen wurden, sehr zum Entsetzen der gesamten Zuschauer.
Der Druck nahm zu, doch sie kämpfte ihn nieder, bis sie plötzlich einen zweiten Einstich in ihren Arm spürte. Offenbar wurde ihr noch mehr Serum gespritzt.
Allerdings hinterließ dieses Serum auf seinem Weg das Gefühl, als würde Winona innerlich verbrennen und ihr Körper würde sich von innen heraus auflösen.
Mühsam unterdrückte sie einen gequälten Aufschrei.
Dann, die dritte Injektion. Diesmal war das Gefühl ein ganz anderes, ein sehr beruhigendes. Winona fühlte sich luftig leicht, so, als würde sie kaum einen Kilo wiegen und wäre bereit zum abheben in die Lüfte. Mit der Injektion verschwand auch ein Großteil des Druckes.
Den vierten Einstich hatte sie fast erwartet. Mit dem Gefühl, dass sie wieder ganz herstellte und sie sich so fühlen ließ, wie sie war, verschwand auch der letzte Rest des Druckes, der sie störte und Winona fühlte sich selbst nur noch ruhig und gelassen.
Erleichtert seufzte sie und ließ den Moment noch einmal vorbeiziehen, bis sie schließlich die Augen öffnete.
Aris Mund hatte sich zu einem triumphierenden Lächeln verzogen. Offenbar hatte er selbst die Spritzen gegeben.
Rasch registrierte Winona die gespannten und sensationsgierigen Blicke ihrer neuen Mitschüler und ebenfalls die verschleierten Blicke verschiedenster Lehrer, die sich neben Aris in der Kabine versammelt hatten.
Frederike Duchess nahm Winonas Arm und warf einen prüfenden Blick auf die Einstichstellen. Dann drückte sie vorsichtig auf die Punkte und nickte schließlich wissend.
„Aris, es besteht kein Zweifel!“, sagte sie schließlich und in diesem Moment war der Bann gebrochen. Die neuen Schüler begannen zu flüstern und auch die Lehrer warfen sich bedeutungsvolle Blicke untereinander zu, während Aris nur in der Kabine neben Winona stand und ihre Hand nahm und fest drückte.
 
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Kommentare  

so, jetzt bin ich richtig.
lg
rosmarin


rosmarin (04.09.2006)

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