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16 Seiten

DER TODESKANDIDAT

Romane/Serien · Fantastisches
„IHR HABT VERLOREN“, bemerkte TOD mit einem diabolischen Grinsen auf seinen imaginären Lippen.
„Gebt ihr mir noch einen kleinen Aufschub, bevor ich sterbe und ihr mir meine Seele nehmt?“, fragte ihn der Verlierer Lord Byron.
TOD schüttelte erbost den Kopf. Seine leeren Augenhöhlen schienen vor Wut zu glühen.
„NICHTS DA, MEIN LIEBER. IHR HABT EURE CHANCE GEHABT. NUN SEID EIN MANN UND STEHT ZU EUREM WORT!“
George Gordon Noel Byron sah TOD ärgerlich an.
„Was erlaubt Ihr euch, Klappergerüst, an meiner Ehre zu zweifeln. Ihr sollt meine Seele erhalten, denn das Wort eines Ehrenmannes ist bindend. Aber ich habe euch einen Vorschlag zu machen, der euch vielleicht interessieren wird.“
TOD winkte gelangweilt ab und gähnte.
„ICH WEISS, ICH WEISS, BYRONCHEN. IHR WOLLT ALS HELD STERBEN UND AN DEM GRIECHISCHEN UNABHÄNGIGKEITSKRIEG TEILNEHMEN.“
„Ist das kein interessantes Angebot, TOD. Die Seele eines Helden, als einer Eurer Diener?“
TOD fuhr sich mit seiner rechten Knochenhand über sein kahles Skelettgesicht und überlegte angestrengt. Schließlich nickte er.
„NUN GUT, MY LORD. ICH GEBE EUCH DIESEN KLEINEN AUFSCHUB. NUTZT DIE KLEINE FRIST UND WERDET EIN HELD, WIE IHR ES EUCH SO WÜNSCHT. DOCH DANACH IST EURE SEELE MEIN!“
Lord Byron nickte dankbar.
„WIR SEHEN UNS BALD WIEDER, BYRONCHEN. LEBT BIS DAHIN WOHL!“

*

Einige Monate später in der griechischen Stadt Missolunghi
Anno Domini 1824

Lord Byron stand auf der befestigten Mauer Missolunghis, dem Hauptstützpunkt der griechischen Unabhängigkeitskämpfer, der von den Türken seit Wochen belagert wurde. Neben ihm stand Alexandros, ein Mitglied des Geheimbundes PHILIKE HETÄRI, der 1814 gegründet worden war und Jahre lang den Unabhängigkeitskrieg gegen die Türken vorbereitet hatte, der schließlich unter ihrer Führung vor drei Jahren zum Ausbruch gekommen war.
Aus allen Herren Ländern waren Freiwillige in Griechenland eingetroffen, um die Griechen in diesem Kampf zu unterstützen.
„Sieht nicht gut aus, Alexandros. Die Janetscharen machen sich zu einem neuen Sturmangriff bereit.“
Der Grieche nickte.
„Ja, sie werden wie üblich vorgehen. Sie werden uns erste einmal mit mehreren Salven ihren Kanonen eindecken und dann werden die Janetscharen angreifen.“
Alexandros rief etwas zu einigen seiner Kameraden und Sekunden später füllten sich die Mauern mit den Unabhängigkeitskämpfern, die ihre Gegner mit steinerner Miene erwarteten. Und dann ging der Tanz los.

*

Die Überlebenden Osmanen erreichten die Mauern. Hölzerne Leitern und Seile mit Widerhaken wurden an die Mauer gesetzt und Dutzende Osmanen kletterten wie die Affen empor, geschützt von einer Abteilung Scharfschützen.
Lord Byron zielte auf einen Angreifer und drückte ab. Die Kugel traf ihn mitten ins Gesicht und verwandelte seine Visage in eine blutige Masse. Mit einem Schrei auf den Lippen stürzte der Angreifer in die Tiefe.
Bevor er jedoch nachladen konnte, hatten bereits einige Feinde, trotz erbitterter Gegenwehr seitens der Griechen, die Mauer erklommen.
Byron packte sein Gewehr und schlug den Kolben seines Gewehres einer der ersten Janetscharen ins Gesicht, der ihn mit gezogenem Säbel angreifen wollte. Einen weiteren erschoss er mit seiner Pistole, die er immer als Reserve in seinem breiten, ledernen Gürtel trug.
Inzwischen waren die Reihen der Verteidiger frisch aufgefüllt worden und drängten bzw. warfen die osmanischen Krieger unbarmherzig von den Mauern herunter. Man hörte die Todesschreie der Unglücklichen und das Aufschlagen ihrer Körper auf dem Boden vor der Stadtmauer.
Lord Byron merkte unterdessen nicht wie einige türkische Schützen ihn und einige seiner Kameraden ins Visier nahmen. Er notierte nur nebenbei die Schüsse, die von allen Seiten zu kommen schienen.
Plötzlich wurde er an der Schulter getroffen und herumgerissen. Eine weitere Kugel traf ihn in die Brust, bevor er überhaupt bemerkte was geschah. Er taumelte.
Alexandros der neben ihn gekämpft hatte sah Byron zu Boden stürzen. Sekunden später war er über seinen Kameraden.
„George, was machst du denn für Sachen?“
Lord Byron versuchte zu lächeln.
„Es ist vorbei, mein Freund. Aber vielleicht ist mein Tod zu etwas nutze. Vielleicht wird er England und Frankreich endlich wachrütteln, deinem Volk in ihrem Unabhängigkeitskampf gegen die osmanische Herrschaft zu unterstützen.“
„Das wäre wirklich ein Wunder, mein Freund“, erwiderte der Grieche besorgt.
Blut quoll aus Byrons Mund. Seine Stimme war kaum noch zu hören.
„Nun hast du gewonnen, TOD. Nimm nun meine Seele in Dein Reich auf, wie es vereinbart war. Ich werde dir wie versprochen dienen“, murmelte der englische Dichter und verstarb.

*

TOD IC. rieb sich unterdessen vor lauter Freude die Hände. Lord Byrons Seele gehörte nun ihm. Bald konnte er sich zur Ruhe setzen und seinen Lebensabend auf der Erde verbringen. Er hatte endlich einen – seiner Meinung nach – würdigen Nachfolger gefunden.
TOD schaute mit einigem Bedauern auf die Leichen beider Kriegsparteien herunter. Krieg war schon eine furchtbare Sache, besonders wenn er so unbarmherzig geführt wurde, wie in diesem Unabhängigkeitskampf zwischen den Griechen und den Osmanen.
Seit Waterloo hatte TOD nicht mehr so viel zu tun gehabt. Er hatte schon befürchtet einzurosten.
Mit der Seele George Gordon Noel Byrons im Schlepptau verließ er die irdische Dimension.

*******

GEGENWART

Sherman McCrow hatte die Schnauze voll. Er hatte keine Lust mehr Jonathan zu Diensten zu sein und die ganze Drecksarbeit für diese jämmerliche Ausgabe eines Menschen zu erledigen. Er war schließlich wer. Wie Jonathan es geschafft hatte, ihn beim Schach zu schlagen, wusste er bis heute noch nicht.
Eine sehr peinliche Angelegenheit, denn als Tod IC. hatte er die Menschen in Angst und Schrecken versetzt und keine Seele war ihm entkommen.
Nachdem er nun in Pension gegangen war und TOD C., der ehemalige Mensch Lord Byron seine Nachfolge angetreten hatte, wollte er nun endlich in aller Ruhe seinen Lebensabend als Gangsterboss auf Erden verbringen.
Nur machte ihn dieser blöde Arsch Jonathan immer wieder einen Strich durch die Rechnung, wenn er irgendwelche Lakaienaufgaben für ihn parat hatte.
Wie sah das denn aus?
Er, ein gefährlicher Gangsterboss, der ‚Negerarbeiten für einen miserablen und drittklassigen Künstler machte. Sehr peinlich für sein Image. Nein, so konnte es einfach nicht mehr weiter gehen.
Er schnippte mit dem Finger und wie auf einen Befehl, tauchte aus einer Wolke aus Feuer und Rauch ein kleines Kerlchen auf.
„Ihr habt mich gerufen, TOD, äh entschuldigt bitte, Mister Sherman McCrow.“
Der Gangsterboss nickte erfreut über die Erkenntnis und die schnelle Auffassungsgabe des Elementarwesens.
„Schön dich zu sehen, Igor.“
Das Kerlchen hüpfte freudig auf seinen kurzen Beinen zu McCrow und stoppte etwa einen Meter vor ihm.
„Es ist mir immer eine große Freude Euch zu Diensten zu sein, Mister Mafiosi.“
Das Kerlchen grinste über seinen Witz.
Mister McCrow hob tadelnd seinen rechten Zeigefinger und blitzte ihn mit seinen Augen ärgerlich an.
„Na, na“, erwidert er mit erhobenen Zeigefinger.
Das Kerlchen senkte beschämt den Kopf zu Boden, hob ihn jedoch wieder und grinste den Gangsterboss erwartungsvoll an.
„Also, was kann ich für euch tun, Eure Exzellenz?“
„Ich habe da ein kleines Problem musst du wissen, Igor.“
Der kleine Kerl winkte ab und gähnte.
„Ihr meint doch nicht etwa diesen Jonathan Byron?“
„Doch. Woher weißt du denn das schon wieder“, erwiderte McCrow über das Wissen des Elementarwesens ärgerlich und dem Wicht nichts Neues erzählen zu können. Auch wirklich gar nichts schien Igor verborgen zu bleiben.
„Ich habe eben meine Ohren überall.“
„Ganz schön naseweis für so eine Zwergenausgabe eines Elementargeistes.“
„Ich kann ja wieder gehen“, erwiderte das Kerlchen in gespielter Gekränktheit.
„Nichts da, Igor. Ich habe dich gerufen und du wirst dir mein Problem gefälligst bis zu Ende anhören.“
„Wie ihr wünscht, Eure Exzellenz.“
„Was weißt du noch über diesen Menschen Jonathan?“
„Oh, etwas sehr interessantes, Eure Exzellenz“, Igor grinste McCrow frech an.
„Willst du meinen Geduldsfaden etwa weiter ungestraft beanspruchen?“
„Aber nein, Mister McCrow. Also, wo war ich stehen geblieben. Ach so, richtig. Euer Nachfolger, dieser ehemalige Dichter Lord Byron, hat seinem Nachfahren Jonathan bei Eurem Schachduell geholfen und darum hat dieser kleine Menschenwurm auch das Schachspiel gewonnen.“
McCrow erhob sich erstaunt und ärgerlich zugleich aus seinem Stuhl. Er wollte seinen Ohren nicht trauen.
„Was du nicht sagst. Er hat also gemogelt?“
Das kleine Kerlchen kicherte.
„Ja, so könnte man es auch sagen.“
„Ach so ist das also. Na warte, dem Kerl werde ich es zeigen. Ein weiterer Grund um einen Astralkiller auf diesen drittklassigen Künstler anzusetzen. Kennst du einen Profi, der diesen Auftrag ausführen könnte?“
Igor nickte.
„Ja, kein Problem. Was ist mit dem Preis?“
„Der spielt keine Rolle, solange der Astral - Assassine ihn aus dem Weg räumt!“
„Wir ihr wünscht, Eure Exzellenz. Ich werde alles in die Wege leiten.“
„Tut das, Igor. Und jetzt verschwinde“, erwiderte McCrow gelangweilt und mit einem Puff war das kleine Männchen auch schon wieder verschwunden.

*

Jonathan ahnte unterdessen noch nichts davon, dass sein Leben nur noch an einen seidenen Faden hing. Wären die Schicksalsgöttinnen nicht so blind geworden, das Alter hatte auch bei ihnen nach all den Jahrtausenden Früchte gezeigt, hätten sie seinem Leben bestimmt schon längst ein jähes Ende bereitet.
So aber kam für Jonathan ein Auftritt nach dem anderen und das Publikum schien von dem Künstler tatsächlich begeistert zu sein. Was selbst Vivian, seine Freundin, wenn sie ehrlich sein wollte, nicht verstand. Da ging es doch nicht mit rechten Dingen zu.
Einen Witz tat sich die schöne Frau noch an: „Schweben zwei Geister durch ein verfallenes Schloss. Kommt den beiden Gespenstern ein schwarzer Geist entgegen. Sagt der eine Geist zum anderen. Wohl ein Gastarbeiter.“
Vivian gähnte.
„Na, da habe ich aber schon weit bessere Witze gehört“, murmelte die Frau zu sich selbst und verschwand mehr als gelangweilt hinter der Bühne.

*

TOD C. saß auf seinem knöchernen Thron und las gerade die Abendausgabe der ‚DEATH POST‘ und amüsierte sich mal wieder köstlich über die Dummheit der Menschheit.
Er trug schon seine Abendgarderobe, einen schwarzen weiten Mantel mit Silberverzierungen und hatte seine frühere menschliche Gestalt angenommen, denn die Gestalt eines Sensemannes war in seiner Position als neuer TOD unter seinem Niveau.
Als ehemaliger Dichter fand er dieses Aussehen einfach nur lächerlich und bei weitem nicht mehr zeitgemäß.
‚Diese Erfindung stammte bestimmt von einem meiner Vorgänger aus dem Mittelalter’, dachte er bei sich, als er weiter amüsiert in der Zeitung blätterte.
TOD C. nahm gerade einen Schluck aus seiner Teetasse und schüttelte den Kopf, als er die neuen Todesanzeigen in der ‚DEATH POST‘ las, als plötzlich die angenehme Ruhe seines Feierabends durch eine rote und laute Warnsirene gestört wurde.
„WAS IST DENN JETZT SCHON WIEDER LOS!“, bemerkte TOD C. erbost, setzte die Tasse ab und schaute mit einem Anflug leichter Verärgerung und zugekniffenen Augen auf die rotleuchtende Sirene, die aber keine Anstalten zu machen schien, ihr nervtönendes Geräusch zu beenden.
Er trommelte mit seinen Fingern auf die Armlehnen seines Thrones, nunmehr vollkommen verärgert und beäugte weiterhin ziemlich erbost das rote Licht der Sirene.
Schließlich war er es leid. TOD C. warf wütend die Zeitung zur Seite und schrie: „EDGAR!“
Sekunden später näherte sich auch schon sein importierter englischer Diener mit aufrechter und äußerst vornehmer Haltung und gemäßigten Schritt seinem knöchernen Thron.
„GEHT DAS NICHT SCHNELLER, EDGAR?“, fragte der TOD erbost.
„Aber gewiss, Sir. Ich eile“, erwiderte der englische Diener weiterhin vornehm, der ein bisschen über die herben Worte seines Herrn gekränkt war.
Nichtsdestotrotz erhöhte er seine Schrittfolge, die aber an seiner Geschwindigkeit trotzdem nichts änderte. Schließlich erreicht er irgendwann doch noch den Thron seines Herrn.
„Sie haben gerufen, Sir!“
TOD C. verdrehte leicht die Augen und sah seinen Diener einige Zeit lang stumm an, schließlich fand er seine Sprache wieder.
„EDGAR, HABE ICH NICHT GESAGT, DASS ICH NICHT GESTÖRT WERDEN MÖCHTE?“
„Gewiss, Sir.“
„UND?“, hakte der TOD mit einem gewissen Unterton nach.
„Es handelt sich um einen Notfall, Sir.“
TOD C. winkte verächtlich ab.
„ICH HABE FEIERABEND, EDGAR. UM DIESEN NOTFALL KÖNNEN SICH DOCH MEINE MITARBEITER KÜMMERN.“
„Aber, Sir!“, erwiderte der Diener über die Worte seines Herrn sichtlich erbost
„EDGAR, WAS HABE ICH GERADE GESAGT?“, erwiderte der TOD und griff zu einer neuen Zeitung.
„Aber, Sir“, widersprach der englische Diener von neuem. „Es geht doch um Jonathan!“
„JONATHAN WER?“, fragte TOD C. mit schierer Unwissenheit.
„Na, um Euren Nachfahre Jonathan Byron, Sir, den Künstler!“
TOD C. spitzte die Ohren.
„UND?. NUN LASSEN SIE SICH DOCH NICHT ALLES AUS DER NASE ZIEHEN. WAS IST LOS MIT IHM?“
„Auf ihn wurde gerade ein Mordanschlag verübt, Sir.“
Vor lauter Schreck ließ TOD C. beinahe seine Teetasse fallen.

*

ADOLF III. stand vor Igor, dem kleinen Elementarwesen und hörte dem kleinen Elementarwesen interessiert zu. Schließlich nickte er.
„Und ich soll diesem Jonathan das Licht ausblasen?“
„Si, Senor Astralo.“
ADOLF III. sah das kleine Männchen mit leichter Verärgerung an und fuhr mit seiner rechten Hand über seinen gänzlich kahlen Schädel.
„Lass den Quatsch, Igor. Komm lieber zur Sache. Also, wie viel ist der Mord an Jonathan Byron Mister McCrow wert?“
„600 Seelen“, erwiderte das Elementarwesen.
„Nur 600 Seelen?“, fragte ADOLF III enttäuscht. „Es waren doch 700 Seelen vereinbart, du kleiner Mistzwerg.“
„Ich darf doch wohl bitten. Also gut, einigen wir uns auf 650 Seelen.“
„Einverstanden, aber 400 Seelen im Voraus. Der Rest bei Ablieferung der Leiche.“
Igor nickte.
„Gut, einverstanden, ADOLF“, erwiderte das Elementarwesen. Seine rechte Hand fuhr in die Innentasche seines karierten Jäckchens, die auf die irische Abstammung Igors hinzudeuten schien und kam mit der ‚SOUL-EXPRESS - Goldkarte zurück.
„Akzeptierst du die Goldkarte?“
Der Astralkiller nickte zufrieden.
„Natürlich. Die Karte ist doch immer gedeckt. Also Igor, lass uns das Geschäft mit Blut besiegeln.“
Nachdem sich beide ihre Handflächen eingeritzt hatten, gaben sie sich die Hände und besiegelten das Geschäft mit ihrem Blut, das eine ungewöhnliche Farbe aufwies.

*

Sekunden später erschien Igor wieder vor Sherman McCrow, der schon ungeduldig auf das kleine Kerlchen zu warten schien.
„Und?“, fragte der Gangsterboss gespannt.
Igor grinste als Antwort.
„Der Job ist erledigt, Eure Exzellenz.“
McCrow nickte erfreut.
„Nun erzähl schon und las dir nicht wieder jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen!“
Igor verbeugte sich knapp.
„Ich habe ADOLF III., einen der besten Astralkiller, der zur Zeit zur Verfügung steht, mit dem Mord beauftragt. Er ist bereits unterwegs um sich sein Honorar zu verdienen.“
McCrow rieb sich vor lauter Vorfreude seine schon arg strapazierten Handflächen.
„ADOLF III.“, murmelte er. „Sehr gut gemacht, Igor. Dafür bekommst du von mir einen Extrabonus. Wie viel hat der Astralkiller verlangt?“
„650 Seelen“, antwortete Igor.
„Was???“
McCrow verschluckte sich regelrecht, als er die Höhe des Betrages vernahm.
„Du scheinst wohl meine wohl verdienten Seelen nur so zum Fenster herauszuwerfen“, erwiderte der Gangsterboss erbost. „Tut mir leid, Igor, aber da muss ich mir leider noch einmal genau überlegen, ob ich dir einen Extrabonus zahlen kann.“
„Alter Geizhals“, murmelte das kleine Kerlchen.
„Was hast du gesagt?“, fragte der Gangsterboss mit gespitzten Ohren nach und funkelte Igor mit leicht zusammengekniffenen Augen böse an.
„Ach, nichts, Mister McCrow“, sagte das Elementarwesen etwas eingeschüchtert.
„Das wollte ich auch gemeint. Und jetzt verzieh dich!“

*

Jonathan sonnte sich regelrecht im Beifall der Zuschauer. Er wusste nicht wie ihm geschah. Er konnte den noch so ältesten Witz aus der Mottenkiste herausholen, die Leute lachten trotzdem. Früher hätten sie ihn wegen dieser ollen Kamellen ausgebuht und wahrscheinlich faule Tomaten nach ihm geworfen.
„Na ja, was soll’s“, überlegte er. „Hauptsache den Zuschauern gefällt’s.“
Als er zur Seite der Bühne schaute, sah er, dass Vivian verschwunden war.
„Jedenfalls ein Mensch der Geschmack hat“, dachte er und musste grinsen. Doch das Grinsen blieb ihm regelrecht im Halse stecken, als ein glühender Strahl ihn im Rücken traf und er mit schmerz verzerrten Gesicht auf die Knie sank. Ein weiterer fuhr in sein rechtes Bein und ließ Jonathan noch einmal zusammenzucken.
Die Zuschauer erhoben sich erschreckt von ihren Stühlen und schauten auf das seltsame Gebilde, dass über den Bühnenboden zu schweben schien, die Gesetze der Gravitation anscheinend völlig vergessend.
Das Gebilde sah aus wie eine rötliche Kugel, in deren Inneren es pulsierte. Und wieder schoss ein glühender, roter Strahl auf Jonathan, der sich jedoch duckte, so dass der Strahl einen der Zuschauer traf, der sich mehr vor Erstaunen, als vor Schmerzen auf den Hosenboden setzte.
Jonathan erhob sich schweratmend und starrte staunend auf das Gebilde, das sich ihm gefährlich näherte.
„Howard, bitte hilf mir!“, murmelte der Künstler und dachte mit geschlossenen Augen an seinen imaginären Schutzgeist mit dem er schon seit seiner Kindheit gesprochen hatte. Jeden Augenblick konnte die Kugel wieder angreifen und ihn diesmal vielleicht sogar töten.
Ein helles Licht war die Antwort auf seine ‚Gebete‘. Er schlug erstaunt die Augen auf und erkannte eine weiße Kugel, die vor seinem Gesicht schwebte und dem rötlichen Gebilde ziemlich ähnlich sah.
„Wer bist du?“, fragte er, seine Zuschauer die das ganze Geschehen mit großer Neugierde beobachteten, gänzlich vergessend.
„Ich bin dein Schutzengel Howard, Jonathan!“
„Aber, dich gibt es doch nur in meiner Phantasie“, erwiderte der Künstler.
„Sehe ich so aus, als wäre ich ein Geist“, hörte er die amüsierte Stimme des Gebildes in seinem Kopf.
„Nein ...“
„Siehst du, mein Junge.“

*

ADOLF III., der angeheuerte Astralkiller, der beobachtet hatte, wie sein weißer Gegenspieler plötzlich aufgetaucht war, schien sehr überrascht, überlegte kurz und entschied sich schließlich erst einmal zu verschwinden und seinen Auftrag später auszuführen.
Diesen jämmerlichen Wurm namens Jonathan konnte er auch noch ein anderes Mal ausschalten. Er wollte sich ja schließlich auch noch das restliche Honorar verdienen. Vor den Augen der Zuschauer löste sich die rötlich schimmernde Kugel auf und verschwand.

*

„Ein Wunder ist geschehen“, murmelte Jonathan, noch immer von dem Geschehen wahrlich mitgenommen. Hatte er das etwa alles nur geträumt.
„Von wegen Wunder“, wurde er von einer Stimme aus seinen Gedanken gerissen. Der Künstler sah auf und sah immer noch die weiße Kugel vor seinem Gesicht schweben.
„Du bist also Real?“
„Natürlich bin ich das, du Narr. Von einem Künstler hätte ich eigentlich mehr Phantasie erwartet.“
„Du kannst mich später fertig machen. Erst lass uns mal von der Bühne verschwinden, sonst halten mich die Leute noch für verrückt.“
„Tun sie das nicht schon längst?“, kam eine spitze Bemerkung von Howard, der weißen Kugel oder besser gesagt Jonathans Schutzgeist.
Byron sah ihn leicht verärgert an. Als er jedoch die Bühne verließ, hatten sich die Zuschauer soweit beruhigt und klatschten, als wäre der ganze Vorfall nur eine Show gewesen.
„Die klatschen auch über jeden Mist“, dachte Howard und schwebte Jonathan nach.

*

„SO, SO“, murmelte TOD C., „MEIN NACHFAHRE WURDE ALSO VON DIESEN HOWARD GERETTET?“
Der Diener nickte.
„So ist es, Sir.“
„UND WER IST DIESER HOWARD? ES STEHT NIRGENDWO GESCHRIEBEN, DASS JONATHAN EINEN SCHUTZGEIST BESITZT.“
„Stimmt. Der existiert auch nur in seiner Phantasie, Sir.“
„HÄH?“, erwiderte TOD C. nun vollkommen irritiert. „WIE NUR IN SEINER PHANTASIE? JETZT VERSTEHE ICH GAR NICHTS MEHR.“
Diesmal war es EDGAR, der die Augen verdrehte. Einen Herrn, der so schwer von Begriff war, hatte er bis zum heutigen Tag noch nie gedient.
„Ganz einfach, Sir. Euer Nachfahre Jonathan scheint wohl doch eine große Begabung zu haben, nämlich eine magische. Irgendwie hat er es geschafft, diesen Howard, während er sich in großer Gefahr befand, zu erschaffen.“
„ACH SO“, jetzt schien auch TOD C. zu verstehen. „WARUM SAGST DU MIR DAS DENN NICHT GLEICH, EDGAR. WARUM MUSST DU ALLES IMMER GLEICH SO KOMPLIZIERT ERZÄHLEN. WIE DU SIEHST, GEHT ES DOCH AUCH EINFACHER. ODER NICHT?“
Der Diener schüttelte als Antwort nur den Kopf und verstand die Welt nicht mehr.


*******


Vergangenheit, Anno Domini 1849

Die schwarzgekleidete Gestalt, die sich selbst Reynolds nannte, wandte sich zu dem etwas verwahrlost wirkenden, kleinen Mann, dessen Gehrock aus dünnen, glänzendem Stoff bestand, der leichte Risse aufwies, der hinter ihm Platz genommen hatte.
Das faszinierendste an dem Mann war nicht seine hohe Stirn oder sein weißes Gesicht, noch sein dünner, aber breiter Schnurrbart, sondern seine weiten und beseelten Augen, die für ihn anscheinend so charakteristisch waren.
„Mr. Poe?“
Der Angesprochene blickte Reynolds kurz an und schien mit seinen Augen bis tief in dessen Seele blicken zu können, denn der schwarzgekleidete zuckte zurück, als sich ihre Blicke kurz trafen.
Die Lippen Edgar Allan Poe verzogen sich zu einem angewiderten Ausdruck. Der Dichter hatte in seinem Leben schon in viele verwerfliche Seelen erblickt, und er war selbst auch kein Heiliger, doch diese war ihm zutiefst zuwider.
„Was wünschen Sie, mein Herr?“, fragte er den Unbekannten.
Der schwarzgekleidete hatte sich wieder gefasst und grinste den Dichter diabolisch an.
„Mein Name ist Reynolds, Mister Poe, ich soll ihnen von einem guten Freund etwas ausrichten.“
„Und das wäre?“
„Ihre Zeit sei abgelaufen.“
„Mehr nicht?“, fragte der Dichter von den Worten des Fremden anscheinend unbeeindruckt.
Reynolds schüttelte als Antwort nur den Kopf, erhob sich lautlos und ging aus dem Zugabteil ohne ein weiteres Wort zu sagen.

*

Wenige Tage nach dem geheimnisvollen Gespräch mit dem Mann namens Reynolds im Zug wurde der Dichter Edgar Allan Poe bewusstlos in der Stadt Baltimore aufgefunden und ins dortige Washington - Hospital gebracht.
Dort erwachte er ab und zu aus seiner Bewusstlosigkeit und sein Körper wurde dabei von heftigen Ausbrüchen geschüttelt, als würde sich Poe gegen einen unsichtbaren Gegner zur Wehr setzen. Ab und zu schrie er dabei den Namen Reynolds. Schließlich beruhigte er sich wieder.
Doch am 9. Oktober gegen fünf Uhr morgens wendete der Dichter seinen Kopf zu einer der anwesenden Krankenschwester, sagte die Worte: „Gott helfe meiner armen Seele“, und verstarb.

******

GEGENWART

Nachdem RAYMOND gegangen war, saß TOD C. noch einige Zeit stumm in seinem knöchernen Thron und überdachte die verzwickte Situation.
In seiner früheren menschlichen Existenz als Lord Byron wäre ihm schon längst etwas Passendes eingefallen, was er gegen seinen Vorgänger, der sich nun McCrow nannte, unternehmen konnte.
Doch seit er als TOD seinen Dienst schob, schien er von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer mehr zu verblöden. Bei dieser stupiden Arbeit auch kein Wunder. Leichen über Leichen und Seelen, die er zu ihrem Bestimmungsort begleiten musste.
Doch endlich, nachdem er lange Zeit vor sich hin gegrübelt hatte, kam ihm die rettende Idee. Sein alter Kumpel EDGAR würde ihm bestimmt helfen.

*

Besagter EDGAR war gerade dabei sein neuestes Werk zu vollenden, als TOD C. sein Arbeitszimmer betrat.
Der Dichter schaute kurz auf, nickte TOD C. zur Begrüßung zu und schrieb die letzte Zeile seines neuen Gedichtes. Nachdem er die Schreibfeder neben das Blatt gelegt hatte sagte er: „Was verschafft mir die Ehre Deines Besuches, alter Freund. Du hast dich ja lange nicht mehr blicken lassen.“
„JA, ICH WEISS, MEIN FREUND, ABER DIE VIELE ARBEIT HÄLT MICH EINFACH VON SOLCHEN VERGNÜGUNGEN AB.“
Edgar nickte.
„Also, was kann ich für dich tun. Du besuchst mich doch nicht ohne Grund in meinem Arbeitszimmer.“
TOD C., der nun seine alte Gestalt als George Byron angenommen hatte, lächelte.
„DU BIST SCHARFSINNIG WIE IMMER, EDGAR. DU HAST RECHT. ICH BIN GEKOMMEN, UM DICH WEGEN EINES PROBLEMS ZU KONSULTIEREN.“
„Du machst mich neugierig. Um was geht es denn?“
„ES GEHT UM JONATHAN.“
„Jonathan?“
EDGAR überlegte kurz.
„Ach so, der Jonathan. Du meinst deinen Nachfahren, diesen Schauspieler, dem du geholfen hast, das Schachspiel gegen Deinen Vorgänger zu gewinnen?“
TOD C. nickte.
„Und wo liegt das Problem?“
„Mein Vorgänger will ihn für immer zum Schweigen bringen. Er hat einen Astralkiller auf ihn angesetzt.“
„Ach, nein. Und ist ihm der Anschlag geglückt?“
„Natürlich nicht. Ich muss doch sehr bitten, EDGAR“, erwiderte TOD C. entrüstet.
Der Dichter grinste.
„Und wie kann ich dir helfen?“
„Du hast doch noch ein Hühnchen mit meinem Vorgänger und einem gewissen Reynolds zu rupfen, wenn ich mich nicht irren sollte.“
EDGAR Gesicht verdüsterte sich.
„Du irrst dich nicht. Aber ich verstehe aber immer noch nicht. Wie soll ich dir nun helfen? Ich bin doch nur ein einfacher Dichter.“
„DAS WARST DU ALS LEBENDER, ALS DU NOCH DER DICHTER EDGAR ALLAN POE WARST. DOCH SEIT DEINEM UNGLÜCKLICHEN TOT BESITZT DU FÄHIGKEITEN, DIE AUCH MEINEM VORGÄNGER SCHADEN KÖNNTEN.“
„Du willst also, dass ich zurück zur Erde gehe, um deinen Nachfahren zu beschützen?“
TOD C. schüttelte den Kopf.
„NEIN, EDGAR, ALTER FREUND. ICH WILL, DASS DU MEINEN VORGÄNGER FÜR IMMER VERNICHTEST!

*

Als Jonathan seinen Umkleideraum erreichte wischte er sich den Angstschweiß von der Stirn. Ihm war kalt. Doch trotzdem schwitzte er. Seine ganze Kleidung war feucht von seinem Schweiß. Und er hasste nichts mehr, als verschwitzte Kleidung, in der er sich mehr als unwohl fühlte.
„Jetzt eine Dusche“, dachte er und setzte sich auf einen Stuhl, wo er sich erst einmal vom Schecken erholen musste. Das ganze hatte ihn doch ziemlich mitgenommen. Soviel Angst hatte er seit dem Schachspiel mit dem TOD nicht mehr ausgetragen.
„Was für ein Tag“, murmelte er und bemerkte nicht, wie sich seine Freundin Vivian, die sich die ganze Zeit in der Umkleideraum aufgehalten hatte, von hinten näherte.
Als ihre Hand sanft seine Schulter berührte, blieb ihm vor lauter Schreck fast das Herz stehen.
„Vivian !“, rief er erschrocken auf und fasste sich mit seiner rechten Hand an die Brust.
„Entschuldige Jonathan, ich wollte dich nicht erschrecken“, erwiderte sie mit einem entwaffneten Lächeln, trat aber verwundert einige Schritte zurück, als sie plötzlich eine leuchtend weiße Kugel neben ihrem Freund auftauchen sah.
„Was ist das denn? Bist du neuerdings etwa unter die Zauberer gegangen“, fragte sie ihn erstaunt und zeigte dabei mit ihrem rechten Zeigefinger auf die Kugel.
„Ach, das ist Howard“, erwiderte er desinteressiert.
„Howard? Wer verdammt noch mal ist Howard?“
„Howard ist mein Schutzengel.“
„Dein was?“
Jonathan packte die Hand seiner Freundin und zog sie mit sich aus dem Umkleideraum.
„Ich erzähle dir alles später, Vivian, aber lass uns erst einmal nach Hause fahren. In Ordnung?“
Die Frau nickte stumm und blickte immer wieder auf die leuchtende Kugel, die ihnen folgte.

*

Unterdessen war McCrow schlechter Laune. Er hatte erfahren müssen, dass der Mordanschlag auf Jonathan fehlgeschlagen war. Er hatte damit 650 Seelen umsonst gezahlt.
„Wenn man nicht alles selbst macht“, murmelte er und fuhr sich mit seiner rechten Hand über seine rabenschwarzen Haare, die hinten zu einem Zopf zusammengebunden waren.
McCrow betrachtete sich im überdimensionalen Spiegel. Der ehemalige TOD hatte ein markantes, braungebranntes und gutaussehendes Gesicht. Sein muskulöser, großgewachsener Körper steckte in einem teuren, dunkelblauen Anzug, die er mit Vorliebe trug.
Nachdem die Begutachtung seines Aussehens positiv ausgefallen war, nahm er sich vor, das Problem Jonathan Byron selbst in die Hand zu nehmen.
Wie er gesehen hatte, konnte man sich auf niemanden mehr verlassen. Wenn jetzt auch noch Astralkiller versagten.
„In was für einer Welt Leben wir eigentlich“, murmelte McCrow.
Und sollte der Astralkiller ADOLF III. die Frechheit besitzen bei ihm aufzutauchen und auch nur eine einzige Seele für seinen Fehlschlag zu fordern, würde er ihm ein tödliches Ende bereiten.
McCrow schnippte mit dem rechten Daumen und zwei Elementarwesen brachten ihm seinen braunen Cashmere – Mantel und seinen Spazierstock auf dessen goldenen Griff ein Totenschädel prangte.
Er grinste, als er den Knauf polierte. Alte Gewohnheiten konnte man eben schwer ablegen.
„Steht mein Wagen bereit“, fragte er eines der Wesen.
„Ja, Eure Exzellenz.“
„Gut“, murmelte er, entließ die beiden Elementare und verließ gutgelaunt den Raum.

*

Als Jonathan die Tür öffnete stutzte er, als er bemerkte, das Licht in der Wohnung brannte.
„Hast du etwa vergessen, das Licht zu löschen, Vivian?“, fragte er seine Freundin.
„Nein. Hat sie nicht“, antwortete eine ihm fremde Stimme. Aus einem Sessel im Wohnzimmer erhob sich eine große, vollkommen in schwarz gekleidete Gestalt.
„Wer sind Sie?“
„Oh, ich vergaß mich vorzustellen, Mister Jonathan. Mein Name ist Reynolds.“
„Ich wüsste nicht, dass ich Sie kenne“, bemerkte der Schauspieler ernst, „Also, was machen Sie in meiner Wohnung?“
Jonathan baute sich vor dem Fremden, der sich Reynolds nannte, drohend auf. Dieser blieb jedoch unbeeindruckt.
„Ich soll Ihnen nur eine Nachricht von einem alten Freund ausrichten. Mehr nicht. Also regen Sie sich ab. Ich werde Ihnen nichts tun.“
Jonathan entspannte sich ein wenig.
„Ich höre.“
Reynolds grinste diabolisch.
„Deine Stunde ist gekommen, soll ich Ihnen ausrichten.“
Bevor der Schauspieler auf die Worte überhaupt reagieren konnte, war der Fremde auch schon durch die Wohnungstür verschwunden

*

Adolf III. war McCrow unbemerkt gefolgt. Sein Auftrag und seine Bezahlung hingen am seidenen Faden und wie er hörte war der Ex – Tod nach dem fehlgeschlagenen Mordanschlag nicht sehr gut auf ihn zu sprechen.
Lautlos schwebte er hinter dem Gangster her, doch der ehemalige Tod ließ sich nicht täuschen und verschwand plötzlich in einer Seitenstraße.
Der Astralkiller stutzte. Seine ‚magischen‘ Fähigkeiten versagten völlig. Er konnte nicht ‚sehen‘ wo McCrow abgeblieben war. Aber er spürte mit seinen Sinnen eine nicht zu definierende Gefahr.
Trotzdem schwebte er teils resigniert, teils mit dunklen Vorahnungen hinter McCrow her, als ihn plötzlich eine Hand mit eisernem Griff packte und erbarmungslos zudrückte.
Adolf III., der Astralkiller saß tief in der Patsche, aus der er nur sehr schwer wieder rauskommen würde.
„Na, wen haben wir denn da?“, hörte er McCrows sarkastische Stimme. „Ein erbärmlicher kleiner Astralkiller, der es noch nicht einmal fertig bringt einen ganz normalen Menschen um die Ecke zu bringen. Schäm dich!“
Der Ex – Tod verstärkte seinen mörderischen Griff, besann sich dann doch eines Besseren.
„Na schön, du Niete. Ich gebe dir noch mal eine letzte Chance. Nutze sie oder ich werde dich für immer vernichten, du Wurm!“
Adolf würgte eine kaum verständliche Antwort zwischen seinen Zähnen hervor.
McCrow nickte erfreut.
„Eine gute Wahl, mein Lieber.“

*

Howard sah nur noch wie Reynolds verschwand. Er war zu spät gekommen. Als er die Wohnung des Schauspielers betrat, sah ihn dieser vorwurfsvoll an.
„Wo hast du denn gesteckt, verdammt noch mal. Ich hätte deine Hilfe gut gebrauchen können.“
„Das weiß ich, Jonathan. Ich hatte vor langer Zeit schon einmal persönlich das Vergnügen Reynolds persönlich zu begegnen.“
„Und? Wie ist die Begegnung ausgegangen?“
„Was glaubst du wohl? Sieht man das nicht? Damals war ich noch ein Mensch und ich musste kurz nach unserer Begegnung das Leben lassen, nachdem mir dieser Bastard ebenfalls – wie so vielen - eine Nachricht ausgerichtet hat. Aber heute sähe die Sache ganz anders aus. Heute würde ich ihm kräftig in den Hintern treten!“
„Wer ist dieser Reynolds eigentlich, Howard?“
„Früher war er der Bote des ehemaligen Todes. Ich glaube du hattest bereits einmal das Vergnügen?“
Jonathan nickte.
„Nachdem TOD IC. seinen Beruf an den Nagel gehängt hat und die Welt der Menschen nun als Gangsterboss McCrow unsicher macht, hat er Reynolds so zu sagen adoptiert. Er erledigt immer noch die Drecksarbeit für ihn. Und das im wahrsten Sinne des Wortes.

*

Nachdem Reynolds die Wohnung des Schauspielers verlassen hatte, genehmigte er sich erst einmal einige Drinks in einer etwas heruntergekommenen Kneipe.
Er hasste seinen Job, der wirklich zum kotzen war. Immer musste er diese unbefriedigenden Nachrichten übermitteln. Alle hassten ihn. Kein Wunder bei diesem Scheiß Job.
McCrow brauchte ihn nur, um die Drecksarbeit für ihn zu erledigen, die er selbst nicht gerne machte. Das wusste er schon lange, er war schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Aber wer würde ihn schon einen anständigen Job geben, nachdem er so lange mit dem TOD verkehrt hatte. Und jetzt auch noch Gangsterarbeit.
Reynolds schaute auf die Oberfläche des Whiskies im Glas.
„Tiefer kann man eigentlich gar nicht mehr sinken“, murmelte er zu sich selbst und kippte den Alkohol mit einem Schluck herunter.

*

Sherman McCrow seines Zeichens Gangsterboss ging mit Pfeifen auf den Lippen und einen kleinen Mann im Schlepptau die Straße zu Jonathans Wohnung auf und ab.
„Na, mein lieber Adolf, hast du dich ein bisschen erholt?“
Der Astralkiller, der nun menschliche Gestalt angenommen hatte, würgte wieder eine unverständliche Antwort hervor.
„Schön zu hören. Dann bist du also auch bereit deinen Auftrag zu erfüllen?“
„Ja, Mister McCrow“, erwiderte Adolf nun weitaus verständlicher.
„Dann mache mir ja keine Schande. Du weißt, was auf ein weiteres Versagen steht?“
ADOLF III. nickte ängstlich und verschwand.

*

Howard spürte, dass ein feindliches Wesen sich dem Haus zu nähern schien. Er nahm plötzlich menschliche Gestalt an, was Jonathan und seine Freundin mit einiger Überraschung zur Kenntnis nahmen.
Vor ihnen stand plötzlich ein etwa mittelgroßer, kräftig und sehr muskulös gebauter Mann, dessen Augen eine starke Entschlossenheit ausdrückten.
„Was ist?“, fragte ihn der Schauspieler.
„Es droht Gefahr“, erwiderte er, holte ein Stück Kreide aus seinem altmodisch wirkenden Anzug und malte einen riesigen Kreis auf den Boden, nachdem er alle Teppiche weggeschafft hatte, und in dessen Mitte ein Pentagramm. Dann wandte er sich wieder den beiden Menschen zu.
„Stellt euch beide in das Innere des Kreises, er wird euch schützen und tretet unter keinen Umständen, was auch passiert, wieder heraus, bis ich zurück bin. Haben wir uns verstanden?“, fragte Howard mit einem Unterton in der Stimme nach, der keine Widerworte duldete.
Vivian und Jonathan nickten und taten wie ihnen geheißen.

*

Als Howard die Wohnung in nunmehr menschlicher Gestalt verließ, begegnete ihm ein kleingewachsender Mann, von dem aber ein gefährliche Aura ausging.
Der Schutzengel fixierte die Gestalt und ließ sie nicht mehr aus den Augen.
„Kann ich was für sie tun?“, fragte er den Mann.
Dieser schüttelte den Kopf, trat aber überrascht einige Schritte zurück, als er Howard trotz seines menschlichen Aussehens erkannte.
„Du?“, fragte er erstaunt.
Howards Augen verengten sich zu Schlitzen und plötzlich blitzte erkennen in seinen Augen auf.
„Adolf“, murmelte der Schutzengel und stürzte sich auf seinen Gegner.

*

Unterdessen erreichte McCrow über die Feuertreppe das Fenster zu Jonathans Wohnung. Er grinste diabolisch. Die Ablenkung durch den Astralkiller hatte die gewünschte Wirkung erzielt. Er war seinem eigentlichen Ziel schon ganz nahe.
Er hob seinen Spazierstock und schlug damit die Fensterscheibe ein und betrat das Domizil seines Opfers.

*

Das Geräusch des eingeschlagenden Fensters hatte Vivian und Jonathan aufgeschreckt.
„Was war das?“, flüsterte Vivian.
„Es scheint jemand in der Wohnung zu sein.“
Seine Freundin nickte und machte Anstalten aus dem Kreis zu treten. Jonathan packte sie am Arm und hielt sie zurück.
„Was hat Howard gesagt?“
Die Frau drehte sich verärgert um.
„Ich pfeife darauf, was dein so genannter Schutzgeist gesagt hat. Ich werde jetzt nachschauen, was das für ein Geräusch gewesen ist.“
Sie sah ihn erwartungsvoll an.
„Was schaust du mich so an. Ich denke gar nicht daran mitzukommen.“
„Feigling“, erwiderte Vivian schwach.
„Ja, ich bin ein Feigling und schon immer gewesen, dass gebe ich auch ehrlich zu. Aber schließlich will ich mein Leben noch einige Jahre genießen.“
„Ich hätte mehr von dir erwartet“, fällte die junge Frau ihr Urteil, trat aus dem Kreis und näherte sich der Zimmertür.
„Vivian, sei bitte ...“
Doch die Warnung kam zu spät.
Die Tür wurde aufgerissen und die junge Frau zu Boden gestoßen.
„Du hättest lieber auf deinen Freund hören sollen, Süße!“, sagte McCrow und erhob seinen Spazierstock zum Schlag.

*

Unterdessen kämpfte Howard verbissen mit Adolf, den Astralkiller. Der sah seine Felle schwimmen und versuchte zu fliehen.
„Nichts da, mein Lieber. Diesmal mache ich dich fertig“, schrie der Schutzengel.
Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen schossen plötzlich zwei grelle weiße Blitze auf ADOLF III. zu und beendeten dessen Karriere als Astralkiller für immer.

*

„So sieht man sich wieder, meine lieber Jonathan“, sprach der ehemalige TOD, immer noch die Hand mit seinem Spazierstock zum Schlag erhoben.
Der Schauspieler starrte wie gebannt auf McCrow.
„Was wollen Sie?“
„Was ich will? Kannst du dir das nicht denken. Ich will dich für immer fertig machen, du kleiner mieser drittklassiger Bühnenkünstler!“
Jonathan nickte.
„Aber erst lassen Sie Vivian in Ruhe.“
McCrow glaubte seine Ohren nicht zu trauen.
„Du kleiner Wurm wagst es mir Bedingungen zu stellen. Jetzt kannst du mal beweisen, dass du doch kein Feigling bist. Tritt aus dem Schutzkreis und ich werde deiner Freundin nichts tun.“
Als Jonathan nichts dergleichen tat, verlor McCrow langsam die Geduld.
„Tu hast zehn Sekunden Bedenkzeit bevor ich deiner Freundin vor deinen Augen den Hals umdrehe!“

*

Ein kleiner, etwas schmächtiger wirkender Mann mit schwarzen zerzausten Haaren, einem dünnen, aber breiten Schnurrbart und einem etwas gequält wirkenden Gesichtsausdruck, betrat lautlos ein Haus in der Market Street, stoppte aber abrupt, als würde er einem Geräusch lauschen. Doch dann beschleunigte er seinen Schritte und rannte die Treppe hinauf, mit der Gewissheit, dass er zu spät kommen würde.

*

Die drohenden Worte McCrows hingen in der Luft. Vivian die immer noch bewusstlos am Boden lag, konnte sich nicht wehren.
Jonathan, der allen Mut zusammennahm, nickte schließlich resigniert und sagte: „Gut, Sie haben gewonnen, ich komme“, und verließ den Schutz des Kreises.
„Jonathan. Nicht!“, hörte der Schauspieler eine Stimme hinter sich rufen. Aber es war bereits zu spät. Ein mörderischer Schlag traf seinen Kopf und löschten seine Lebenslichter für immer aus.


2002 by Ingo Löchel (Nach einer Idee von Thomas Gigold und Ingo Löchel)
 
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Kommentare  

Fast ein Roman! Heisst es nun "Tod Ic." oder "Tod C."?

peter (30.12.2005)

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