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Die grüne Insel

Nachdenkliches · Kurzgeschichten
Früher mochte ich am liebsten den Sommer, weil ich dann immer viel mit meiner besten Freundin unternehmen konnte. Als Kinder haben wir Tür an Tür gewohnt, gingen in dieselbe Klasse und haben seitdem viel Zeit miteinander verbracht, aber am meisten im Sommer, wenn wir sechs Wochen Ferien hatten. Alle Jungs aus unserer Klasse hatten beste Freunde, aber ich hatte eine beste Freundin, und ich war ihr bester Freund.
Wir wohnten mitten in der Großstadt, aber hier und da gab es auch ein Stück Natur, irgendwann in einem Sommer fanden wir dazwischen einen kleinen Wald, er war so schön, so grün, er erschien uns viel grüner als jeder andere Wald, den wir kannten, er strahlte eine so angenehme Ruhe aus, und doch war er so lebendig. Die Vögel sangen, sie klangen so fröhlich, dazwischen sprudelte eine Quelle, es war wie Musik, eine Sinfonie des Waldes. Es wurde unser Lieblingsort, wir nannten ihn die grüne Insel. Tag für Tag verbrachte wir dort, den ganzen Sommer lang. Wir bauten uns dort sogar ein kleines Baumhaus, dort lagen wir oder saßen wir einfach so dar, lauschten der Musik der Natur, redeten und lachten. Im Winter waren wir auch öfter dort, aber wir freuten uns immer wieder auf dem Sommer, denn dann war es am schönsten dort.
Es vergingen immer mehr Jahre, wir waren bald keine Kinder mehr, sondern Jugendliche, sie hatte bald ihren ersten Freund, bald auch ihren zweiten, so langsam wurden wir erwachsen, aber sie ließ mich nie im Stich, ich war immer noch ihr bester Freund und sie meine beste Freundin. Ich hatte nie viele Freunde, viele hielten mich für langweilig, weil ich oft sehr schweigsam war, aber sie störte sich nie daran, was andere von mir dachten, sie mochte mich so, wie ich war. Bald hatten wir unser Abitur geschafft und sahen uns somit nicht mehr in der Schule, inzwischen hatte sie auch einen festen Freund. Es hatte sich viel geändert, aber an unserer Freundschaft hatte sich nichts geändert. Wir sahen uns nicht mehr so oft wie früher, aber wir unternahmen trotzdem noch oft etwas miteinander, wir waren noch immer füreinander da. Auch unsere grüne Insel hatten wir beide nicht vergessen, es war immer noch unser gemeinsamer Lieblingsplatz, auch unser Baumhaus hatten wir noch, wo wir uns dann trafen und uns in unsere alten Zeiten zurückversetzt fühlten.
Eines Tages, es war im Sommer, ging ich zu unserem Baumhaus, wo wir uns treffen wollten. Dort fand ich einen Brief von ihr. Es war ein Abschiedsbrief. Sie erklärte darin, dass sie fort gegangen war, weil sie von jemand verletzt wurde und sie den Schmerz nicht ertragen könne. Sie dankte mir für meine Freundschaft, und bat mich darum zu verstehen.
Für mich brach eine Welt zusammen. Ich konnte es nicht verstehen, sie schien doch so glücklich. Ohne sie würde nichts mehr so sein wie früher. Ab diesen Tag hasste ich den Sommer.
Sie hatte einen Hund, den ich zu mir nahm, so blieb mir noch ein Teil von ihr behalten. Immer wenn ich weinte, kam er zu mir und knurrte ganz traurig, dann fühlte ich mich nicht mehr ganz so allein. Auch er vermisste sie.
Ich beschloss, sie zu suchen überall, auf der ganzen Welt, bis ich sie wieder finden würde, und dann würde wieder alles so wie früher werden. Inzwischen sind fünf Jahre vergangen, ich habe sie nie gefunden. Doch ich weiß, eines Tages werde ich sie wieder finden. Und dann werde ich auch den Sommer wieder mögen.
 
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Kommentare  

Hallo, eine tolle Geschichte, traurig - berührend. Schön, wie du die Freundschaft beschreibst, die Natur und alles drum und dran. Man könnte fast meinen, es sei wirklich geschehen. lg Sabine

Sabine Müller (27.03.2006)

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