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12 Seiten

Dreamvisions

Fantastisches · Kurzgeschichten
D
er Tag war heiß und schwül gewesen. Kein Lüftchen hatte sich geregt und keine noch so kleine Wolke am Himmel verhieß Abkühlung. Das Leben in der Stadt war weitgehend erlahmt und wer nicht unbedingt mußte, der hielt sich lieber im Haus denn auf der Straße auf. Die Meteorologen hatten schon seit tagen eine Gewitterfront gemeldet, die nicht kommen wollte. Alles dürstete nach Wasser. Das Gras in den Parks wurde schon seit tagen künstlich bewässert, denn man wollte verhindern das es verdorrte und nur häßliche braune Flächen zurück bleiben würden.
Die einzigen, die dieser Hitzewelle etwas positives abgewinnen konnten, waren die Schüler, die schon seit mehr als zwei Wochen nicht länger als bis halb zwölf Unterricht hatten und natürlich die Eisdielenbesitzer, die in diesem Sommer wohl Rekordumsätze würden einfahren können. Nicht zu letzt wären da auch noch die vielen Biergärten und Schwimmbäder zu nennen, denen dieses Heiße Wetter gerade zu willkommen war.
Robert lag in seinem Bett. Er war früh schlafen gegangen denn er wollte noch lesen, was er auch getan hatte. Sein Buch lag nun auf dem Boden. Es war ihm aus den Händen geglitten, als er endlich in einen unruhigen Schlaf fiel. Durch das weit geöffnete Fenster, unter dem sein Bett stand, wehte ein wilder, drängender Windstoß herein und durchpflügte die Seiten des Buches.
Der Vollmond verschwand hinter tief schwarzen Wolken, die sich rasch zusammen zogen und nichts gutes verhießen. Es war am Abend noch schwüler und drückender geworden als es den Tag über schon war. Die Häuser der Stadt wurden zu Backöfen, in denen die Menschen im eigenen Saft schmorten.
Robert hatte am Nachmittag zu einer kleinen Abenteuertour aufbrechen wollen, doch die unerträgliche Hitze hielt ihn davon ab. Gerne wäre er ins Schwimmbad gegangen, wie seine Freunde dies wohl getan hatten. Doch er hatte zu Hause zuviel zu tun gehabt. Sein Zimmer, das immer einem Schlachtfeld glich und in dem man nie sicher sein konnte nicht auf irgend einem Gegenstand auszugleiten und sich die Knochen zu brechen, mußte endlich in Ordnung gebracht werden. Eltern konnten grausame Despoten sein ! Warum er ausgerechnet an so einem Tag diese verhaßte Arbeit verrichten mußte wollte ihm nicht recht klar werden. Doch es half kein murren noch flehen. Roberts Mutter war hart wie Stahl. Ehe sein Zimmer nicht auf Vordermann gebracht war, würde er dieses Haus nicht mehr verlassen. Abgesehen natürlich um in die Schule zu gehen.
Vor seinem Fenster ballte sich die Dunkelheit bedrohlich zusammen und verschluckte alles Licht, das noch vom Tage übrig geblieben war. Diese Wolkenberge türmten sich so ungeheuer als wollten sie alles Licht auf Ewig vom Angesicht der Erde bannen.
Tief in den Wolken grollte es dumpf und Blitze durchzuckten die mächtigen Wolken und ließen sie für kurze Augenblicke wie filigrane Kunstwerke aus Licht erscheinen. Doch all das bekam Robert nicht mit. Er warf sich unruhig in seinem Bett umher und seine Träume schienen ihn zu quälen.
Der Wind wurde stärker und die Bäume an der Straße, die immer wieder im Schein der Blitze als schwarze Schatten auftauchten wurde zerzaust und bogen sich das man fast denken mochte sie müßten alle Augenblicke unter dem Druck des Windes bersten.
Mit einem mal saß Robert mit weit aufgerissenen Augen aufrecht in seinem Bett und seine Stirn war von Schweiß bedeckt. Ein Donnerschlag, laut wie eine Detonation hatte ihn aus seinem unruhigen Schlaf gerissen. Er blickte sich verwirrt um in seinem Zimmer und vergewisserte sich, das alles seine Ordnung hatte.
„ Ich hätte schworen können hier gingen seltsame Dinge vor “ sagte er mit leiser nachdenklicher Stimme. Im selben Moment fuhr ein Blitz nieder. Robert zählte leise. Als er bei drei angelangt war krachte der Donner. Der Schalldruck ließ die Scheiben in den Fenstern klirren und sogar der Boden unter seinem Bett vibrierte leicht.
Doch nun wurde Robert unruhig. Er hatte schon viele Gewitter erlebt doch irgendwas an diesem hier war anders. Das leichte Vibrieren des Bodens hatte nicht etwa wieder aufgehört als der Donner verhallt war, sondern es ging in ein leichtes Beben über, das nun immer stärker wurde. Verzweifelt hielt er sich an seinem Bett fest, was natürlich vollkommen irrational war. Eigentlich hätte er aus dem Bett springen und nach draußen auf die Straße rennen sollen, den dies schien eindeutig ein Erdbeben zu sein. Doch Robert vermochte sich nicht zu rühren. Wie ein Kaninchen vor der Schlange saß er gelähmt in seinem Bett. Robert fürchtete die decke müßte jeden Augenblick herunter stürtzen und ihn unter sich begraben. Doch er konnte nicht aufstehen. Verzweifelt versuchte er die Starre, die von ihm Besitz ergriffen hatte abzuschütteln doch es gelang ihm nicht. Er begann nun laut zu schreien. Er schrie so laut er konnte aber niemand schien ihn zu hören. Seine Eltern kamen nicht. Es kam auch sonst niemand, der ihm geholfen hätte.
„ Vielleicht sind sie schon tot !“ Dachte er voll entsetzen und malte sich seine traurige Zukunft in den finstersten Farben aus. Dann ließ er sich zurück in sein Kissen sinken und starrte angsterfüllt zur Decke empor. Die Erschütterungen waren mittlerweile noch stärker geworden. Aber die Decke blieb wo sie war. Und auch der Putz machte keine Anstalten herab zufallen.
Das Gewitter kam jetzt langsam richtig in Fahrt und es mußte nun direkt über ihrem Stadtviertel liegen. Die Erde bebte mehr und mehr, je näher diese Gewitterfront heran zog. Angstvoll sah Robert sich erneut in seinem Zimmer um. Er hatte die Augen weit aufgerissen und glaubte ihnen nicht länger trauen zu dürfen. Sein Zimmer wurde erfüllt von gleißend hellem Licht. Die Möbel stürzten um, Regale fielen haltlos von den Wänden. Das Licht breitete sich aus und alles was ihm im Weg stand zerrann konturlos und verwandelte sich in nichts, wie ein Stück Butter, das in der prallen Sonne lag. Wände gab es nicht mehr, der Boden um und unter seinem Bett löste sich in nichts auf und wurde zu purem Licht. Dieses Nichts unter seinem Bett bebte allerdings immer noch mit aller Heftigkeit, so als sei es immer noch der vertraute Holzdielenboden. Alles was noch real war, daß war die Decke über ihm und das tobende Gewitter. Sein Fenster war ihm auch noch geblieben. Es Schwebte nun in gleißendem Licht. Dahinter lag die Dunkelheit und das Unwetter. Der Rest, der einmal sein Zimmer gewesen war, existierte nicht mehr. Robert hatte sich in seinem Bett nun wieder auf gesetzt, kaum fassend, was hier vor ging. Robert schloß seine Augen und schüttelte heftig den Kopf.
“ Ich will das alles nicht! Es soll aufhören, es ist nicht real und ich schlafe wahrscheinlich immer noch tief und fest! “ Sagte er zu sich selbst in festem Ton. Doch als er die Augen wieder öffnete waren seine Wände, der Boden und alles andere noch immer verschwunden. Er heftete seinen Blick nun gänzlich an der Decke fest, denn er fürchtete, auch sie könnte einfach verschwinden.
Robert freute sich über jeden Fleck uns all die kleinen Unebenheiten, die er nun entdeckte. Er geriet ob des Anblicks seiner Zimmerdecke beinahe in ekstatische Erregung. Er klammerte sich regelrecht an diesen Zustand, immer fürchtend, den Verstand zu verlieren.
Ein mächtiger Blitz fuhr nieder und Sekunden später erzitterte die Luft von einem gewaltigen Donnerschlag. Robert erschrak, wie schon zuvor. Unsicher sah er zu dem im nichts schwebenden Fenster hin, nur um seine Augen sogleich wieder an der Zimmerdecke fest zu heften. Ein etwas leiserer aber lang anhaltender und rollender Donner veranlaßte ihn nochmals aus dem Fenster zu blicken. Doch er konnte nichts erkennen. Die Schwärze war undurchdringlich, zumal er von dieser gleißenden Helligkeit um ihn her gefangen war. Langsam wanderte sein Blick wieder zur Decke. Was er befürchtet hatte war nun eingetreten. Seine Zimmerdecke, der Strohalm, an den sich sein Verstand klammerte, war nicht mehr da. Sein Bett schwebte nun endgültig in einem Nichts bestehend aus Licht. Ein warmer Wind strich ihm über das Gesicht und spielte mit seinen Haaren. Dieses laue Lüftchen nahm schnell an Intensität zu und wurde zusehends zu einem handfesten Sturm. Nun begann Roberts Bett langsam zu schaukeln wie ein Boot. Dieses Schaukeln wurde von Minute zu Minute stärker. Im gleichen Verhältnis wie der Sturm zunahm ste3igerte sich das auf und ab des Bettes. Robert nahm die Dinge hin wie sie kamen, denn ändern konnte er ohnehin nicht das geringste. Er hatte nun also ein fliegendes Bett. Zumindest deuteten die äußeren Umstände darauf hin. Wo genau er sich befand ließ sich nicht fest stellen. Das gleißende Licht umgab ihn noch immer. Robert war sehr müde. Nach kurzer Überlegung kam er zu dem Schluß, daß es wohl das Beste sein würde sich der Lage anzuvertrauen und sich einfach schlafen zu legen. Unter seiner Matratze fand er einen Strick. Diesen hatte er immer benutzt um sich aus seinem Zimmer abzuseilen, wenn er Hausarrest erhielt. Robert glaubte seine Eltern wüßten nichts davon doch er täuschte sich. Eines Tages beobachtete ein Nachbar wie er sich aus dem Fenster ließ, und rief prompt seine Mutter an um ihr davon zu Berichten. Doch sie war schlau genug ihm davon nichts zu sagen. Der Hausarrest als Maßregelung wurde fortan nicht mehr angewendet. Was hätte es auch schon genutzt Robert einzusperren, wenn er dann doch nur auf halsbrecherische Weise versuchte dieser Strafe zu entgehen ? Die Sorge, er könnte abstürzen und sich etwas brechen überwog dann schließlich die Notwendigkeit einer Strafe. Man suchte und fand andere Methoden der Maßregelung.
Robert band sich nun mit diesem Strick am Bett fest denn er konnte ja nicht wissen was da noch so alles auf ihn warten würde. Nachdem er überprüft hatte, daß er auch wirklich nicht hinaus fallen konnte, legte er sich nieder. Das Schaukeln fand er nun sogar recht angenehm und es wirkte auf ihn wie ein Wiegenlied auf ein Kleinkind. Es dauerte nur wenige Minuten und er war eingeschlafen. Er schlief tief und traumlos.


* * *

Die Luft war feucht und es roch nach Regen, als die Jäger durch den Urwald streiften. Es hatte schon mehrfach geregnet an diesem Tag und die Feuchtigkeit hing wie ein schweres Tuch in der Luft.
„ Was ist ?“ Fragte Lopono, einer der beiden Jäger. Er hatte die Nachhut gebildet und hielt einen Pfeil in seinem Bogen schußbereit. Man konnte nie wissen auf was oder wen man stieß und es war nicht eben ratsam ohne schußbereite Waffe auf Krieger der Scotaka, einem feindlichen Stamm oder auf angriffslustiges Getier zu treffen.
„Ich weiß nicht genau,“ gab Aporu, der andere Jäger zurück. „Aber da vorne auf der kleinen Lichtung ist irgendwas und es riecht sehr merkwürdig...“
Lopono trat zu seinem Kameraden und bog einige Blätter, die ihm die Sicht versperrten zur Seite. Da war etwas, ohne Zweifel. Lopono hielt seine Nase in den Wind und schnupperte neugierig. Es roch in der tat seltsam. Einen Duft wie diesen hatte er noch nie vorher in die Nase bekommen. Er ließ den Bogen sinken, den er in seiner Hand hielt und strich sich mit der nun frei gewordenen Hand übers Kinn.
„Hm,“ meinte er und sah Aporu an, der unschlüssig aber neugierig da stand und überlegte, was wohl am besten zu tun sei. Schließlich trat Aporu hinaus auf die Lichtung und näherte sich vorsichtig dem seltsamen Ding, das mitten auf der Lichtung stand. Lopono hob wieder seinen Bogen und sah sich vorsichtig um. Der Pfeil lag genau im Ziel, wenn es notwendig werden sollte zu feuern. Doch es kam nicht dazu. Seine Neugierde stand der seines Kameraden in nichts nach und so hielt es ihn nicht sehr lange an seinem Platz.
Aporu schlich um dieses seltsame Gebilde, das wie ein Kasten aussah herum. Dabei hielt er seine Nase in die Luft und seine Augen glitten stetig suchend nach links und rechts und wieder zurück, ehe sie den Inhalt dieses Kastens fixierten. Nun begann er mit dem Kopf zu nicken uns sog dabei jedesmal kräftig Luft durch die Nase ein.
Lopono war näher gekommen, hielt sich aber geduckt und zur Flucht bereit. Er war Neugierig, gewiß, aber er war auch vorsichtig und besonnen, was ihm schon häufig das Leben gerettet hatte. Ihm war diese ganze Sache nicht recht geheuer.
„Hast du gesehen? Da liegt jemand drin. Was das wohl sein mag ?“ Aporu sah seinen Kameraden unschlüssig an.
Lopono schüttelte den Kopf und sagte schließlich nach einer Weile : „Ich hab keine Ahnung. Aber es ist sicher ein böser Geist ! Die bösen Geister sagt man, reisten in merkwürdigen Kästen. In so Dingern wie dem da“ meinte er und deutete auf das Ding. „Is sicher gefährlich ! Ganz sicher. Gefährlich sag ich!“ Fügte Lopono abschließend noch hinzu.
„Ich weiß nicht recht. So gefährlich sieht das eigentlich nicht aus“ stellte Aporu sachlich fest.
Es begann wieder einmal zu regnen. Donner grollte in der Ferne. Der Regen brachte etwas Abkühlung, die Aporu sehr gelegen kam. Doch der Regen war nicht kalt genug um die Temperatur wirklich auf ein angenehmes Maß herab zu kühlen.
„Scheiß Regen !“ Kommentierte Lopono gelangweilt. Ihm stand ins Gesicht geschrieben, wie sehr er diesen Regenguß mißbilligte. Er mochte Regen nicht besonders. Er hatte ihn noch nie gemocht. Schon als kleiner Junge war es ihm ein Greul gewesen im Regen unterwegs zu sein.
„Was wollen wir jetzt machen?“ Wollte Aporu wissen, wobei er immer und immer wieder um diesen Kasten herum schlich und am Inhalt dieses Kastens schnupperte.
„Keine Ahnung was du machen willst, aber ich will jedenfalls weg von hier. Dieses Stinkige Ding und was da drin ist interessieren mich nicht!“ Lopono war mißmutig. Sie hatten noch nichts erlegt und zu allem Überfluß regnete es schon wieder. Und schließlich war da ja auch noch dieses seltsame Ding, das sie gefunden hatten. Man konnte es nicht essen, soviel war klar. Was also sollten sie sich damit aufhalten ?
Der Fremde Geist in dem Ding schlief so fest wie der Mann, der gestorben ist. Deshalb hatte Lopono seine Fluchthaltung aufgegeben. Er sah hier keine ernstliche Gefahren. Und gegen Geister konnte er mit seinem Bogen ohnehin nichts ausrichten, das wußte er. Nur ein guter Medizinmann konnte das oder der Schamane. Beides war nicht sein Geschäft.
Ein Zweig knackte leise. Aporu zuckte zusammen. Er sah auf, konnte aber nichts verdächtiges erkennen. Seine ganze Konzentration galt dem Kasten von dem sie nicht das geringste wußten, abgesehen davon, daß dieser vor einigen Stunden noch nicht da gewesen war. Doch es beschäftigte ihn weniger unter welchen Umständen der Kasten hier her gelangt war, als vielmehr wer der Reisende in ihm sein mochte und wo her er kam.
„Aaah !“ Aporu schrei auf und wich dabei von dem Kasten zurück, wobei er immer weiter schrie.
„Was ...“ begann Lopono, beendete seinen Satz jedoch nicht. Er hatte sich blitzartig herum gedreht und sah nun was seinen Kameraden so erschreckt hatte. Der Geist in der Kiste begann sich zu regen. Sie waren verloren. Eine Flucht nicht mehr möglich. Aporu war bis zu einem Baum, der etwa drei Meter von dem Kasten entfernt stand, zurück gewichen und lehnte nun am den Stamm gestützt. Seine Lippen bebten doch er war mittlerweile verstummt.
Der Geist blickte sich verwirrt um und als er die beiden Jäger erblickte begann er ebenfalls markerschütternd zu schreien.
Lopono warf sich nun auf die Knie und begann Beschwörungsformeln zu murmeln, wobei er seine Hände über dem Kopf gefaltet hatte. Der Bogen lag neben ihm im Gras. Aporu zitterte am ganzen Leib und alle Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er hielt die Hände vors Gesicht und wartete auf seinen Tod.

* * *

Der Geist, der kein anderer als Robert war, schwieg nun betreten. Seine Reaktion war mehr als überzogen. Er war erschrocken, gewiß. Doch dies schien ihm nun kein ausreichender Grund mehr zu sein sich so gehen zu lassen. Er sah sich nun die beiden etwas genauer an. Sie waren beide von kräftiger Statur, wohl an die 170 Zentimeter groß und nur spärlich mit einem Lendenschurz bekleidet. Robert überlegte, wo er schon einmal dieses Anblicks gewärtig geworden war. Doch er konnte sich nicht erinnern.
„Wer oder was zur Hölle seid ihr“ fragte Robert die beiden mit leicht schief gelegtem Kopf ?
Robert beobachtete denjenigen der beiden, der auf dem Boden kniete. Sofort fiel ihm der Bogen ins Auge und die Pfeile, so dachte er sich, mochten auch nicht sehr weit entfernt liegen. So beschloß Robert sich zunächst einmal von seinem Seilgurt zu befreien und dann abzuwarten, wie sich die Sache weiter entwickeln mochte. Er fand sich erstaunlich ruhig, wenn man mal seine Situation bedachte. Er hatte weder eine Ahnung wo er war, noch wie er hier her gekommen war. Doch eine Frage war noch sehr viel wichtiger, nämlich : wie konnte er wieder von hier weg kommen ?
Die beiden Urwaldmenschen wirkten noch immer sehr verstört und Robert durfte ihnen auf keinen Fall einen Anlaß geben auf ihn zu schießen. So bewegte er sich denn auch ganz langsam und mit bedacht. Insgeheim fragte er sich ob nicht schon seine bloße Anwesenheit hier Grund genug geben mochte ihn niederzuschießen.
Einer der beiden öffnete nun vorsichtig seinen Mund. Gleichzeitig wiegte er seinen Kopf langsam und machte mit den Händen eine abwehrende Geste. Nur sehr spärlich drangen ihm die Worte aus dem Mund. Doch Robert konnte ihn nicht verstehen und seinem Gesicht war dies deutlich anzusehen. Zudem schüttelte er verneinend den Kopf.
„Hört mal Leute,“ begann er, „ich versteh leider kein Wort von dem was ihr da sagt. Is ein bißchen wirr das ganze. Aber ihr versteht mich sicher auch nicht, also was soll´s ?“ Robert erinnerte sich nun an die Episode im Pflegeheim, in dem er seinen Großvater besucht hatte. Manche der Leute dort redeten ähnlich wirr wie seine beiden neuen Freunde. Robert nannte sie seine Freunde. Ob sie es nun wirklich werden würden stand auf einem ganz anderen Blatt, wo sie sich doch offensichtlich nicht einmal verständigen konnten.
Schließlich kam derjenige, der am Baum gestanden hatte nun langsam auf Robert zu, der immer noch in seinem Bett saß.
„ Wu ta ? Ne ta...? Wa tune ta he ?“ Verlangte der Mann zu wissen, wobei er langsam und nachdrücklich gesprochen hatte und Robert neugierig anstierte. Dennoch hielt er gebührenden Abstand zu Robert. So nahe heran wie am Anfang traute er sich offenbar nicht mehr.
Robert blickte in ein paar dunkelbraune, intelligente Augen und fragte sich, wie man wohl zu einer Verständigung kommen sollte.
„Ich bin Robert !“ Sagte er laut und klar artikuliert, wobei er mit der Hand auf sich deutete. Dies wiederholte er etwa fünf mal.
„Ro....ro ...bet !“ Sagte der Mann und deutete auf Robert.
„Ja,“ gab dieser strahlend zurück. „ Ich bin Robert. Wer bist du ?“ Fragte er dann und deutete auf seinen Gegenüber. Der Mann sah ihn mit seinen Wachen Augen an. Plötzlich glomm ein Funke von Verständnis in ihnen auf.
„ Jo ta Aporu !“ Meinte der Mann und deutete auf sich.
„Aporu“ wiederholt Robert zufrieden. Nun wußte er wenigstens wie einer der beiden hieß. Er deutete auf den anderen, der wieder aufgestanden war, seinen Bogen in der Hand hielt und einen Pfeil auf Robert angelegt hatte. Jedoch hatte er den Bogen noch nicht gespannt. Doch sein Blick war mißtrauisch.
„Te tan resar Lopono“ sagte Aporu und deutete auf den anderen Mann.
„Gut. Nun weiß ich wie ihr heißt. Aber bringt uns das wirklich weiter“ fragte Robert resigniert. Er verstand nicht was die beiden sagten. Allenfalls ihre Namen verstand er. Doch das genügte nicht. Und für eine Kommunikation mit Händen und Füßen war Robert nicht bereit. Die Situation überforderte ihn ein wenig.
Aporu und sein Gefährte unterhielten sich einige Augenblicke, wobei Lopono niemals seine Augen von Robert abwandte.
Während die beiden miteinander diskutierten sah Robert sich ein wenig um. Die kleine Lichtung, auf der sie sich befanden war von dichtem Urwald umgeben. Ein vielfältiges Durcheinander von Gerüchen und Tierstimmen erfüllte die Luft. Zudem regnete es und er glaubte im eigenen Saft gegart zu werden, so heiß war ihm. Was ihn aber zu tiefst verwirrte, was die Anwesenheit seiner beiden neuen Bekanntschaften. Sie wollten so gar nicht ins zwanzigste Jahrhundert passen. Obgleich er sich eingestehen mußte, schon von Urwaldvölkern gehört zu haben, die auf einer primitiven Evolutionsstufe stehen geblieben waren und sich nicht weiter entwickelten.
Robert wurde schwindelig und für einen Augenblick verlor er das Bewußtsein. Der Regen klatschte ihm ins Gesicht und als er die Augen wieder aufschlug, standen Lopono und Aporu über ihn gebeugt.
„Was ist mit dir ?“ Fragten sie beide besorgt. Robert zog die Stirn in Falten und fragte sich ob er wirklich gehört hatte, was er gehört zu haben glaubte. Seine neuen Bekannten redeten mit ihm und er konnte sie verstehen !
„Was mit mir ist weiß ich nicht. Aber eine andere Frage: Wieso verstehe ich euch plötzlich ?“
Die beiden Jäger sahen sich an, dann blickten sie wieder besorgt auf Robert hinab.
„Offenbar hat sich etwas verändert,“ meinte Robert.
„Wie bist du hier her gekommen ?“
„Das kann ich dir nicht sagen Aporu. Ich weiß es selbst nicht“ antwortete Robert wahrheitsgemäß.
„Und was bist du“ wollte Lopono nun wissen ?
„ So weit ist es also mit Robert Held gekommen,“ meinte er und stand wieder auf.
„Held ?“
„Ja. Held“ antwortete Robert und wurde sich in dem Augenblick bewußt was er tun mußte, um die Situation in den Griff zu bekommen.
„Ich bin Robert der Held ! Der Rächer allen Unrechts. Beschützer der Witwen und Waisen,“ sagte er mit stolz geschwellter Brust. Es mußte überzeugend klingen, auch wenn es eine faustdicke Lüge war. Die Jäger durften auf keinen fall merken, was er doch im Grunde für ein Angsthase war.
„Du bist also ein Held,“ stellte Lopono fest und fuhr fort: „ Wenn du ein Held bist mußt du das beweisen. Wärst du hingegen ein Geist, was ich immer noch eher glaube, und prüftest uns nur, so nimm meine Unterwürfigkeit zur Kenntnis“ fügte er hinzu und Aporu nickte zustimmend.
„Da hab ich mir ja mal wieder was eingebrockt!“
„Ein Mensch bin ich, wie ihr auch. Allerdings komme ich von weit her. Von sehr weit her wie mir scheint...“
„Kannst du außerhalb dieser Kiste auch leben ?“
Robert sah die beiden verwundert an. Was war das für eine Frage ?
„Ja, kann ich. Dies ist übrigens ein Bett und man schläft darin,“ sagte er und schwang sich aus dem Bett. Er sah die beiden Jäger an und wollte sich eben wieder auf sein Bett setzten, als er zu Boden fiel. Sein Bett hatte sich einfach in Luft aufgelöst ! So saß er nun auf dem Boden und sah verdutzt drein. Er konnte es nicht recht glauben das seine Schlafstatt sich einfach in nichts aufgelöst hatte. Dies erklärte natürlich die seltsamen blicke von Aporu und Lopono, ehe er gefallen war.
Nun war also die letzte Verbindung zu seiner Welt wie er sie gekannt hatte auch nicht mehr existent. Dieser Verlust beschäftigte ihn tiefgreifend. In dem Augenblick, in dem er auf den Boden des Waldes knallte, wurde ihm schmerzlich bewußt, dies mußte die Realität sein, kein Traum. Wäre es einer gewesen, so müßte es wohl der intensivste Alptraum sein, den er je erlebt hatte.
„Du bist kein Held“ rief Lopono nun aus als er sich wieder von dem Schrecken erholt hatte, den ihm das verschwundene Bett eingejagt hatte. „ Du bist ein scheiß Geist! Ein scheiß getarnter Geist! Böses ist um dich !“ Lopono wurde beinahe hysterisch und keifte wie ein alte Waschweib, das von einer Konkurrentin um ihren guten Waschplatz gebracht worden war.
Aporu hob die Hände, wedelte rhythmisch mit ihnen und ließ sie wieder sinken. Dies wiederholte er mehrmals und murmelte dabei etwas, das Robert nicht verstand und schwieg dann wieder.
„Komische Sache,“ kommentierte Robert, „ sehr komische Sache!“
Lopono schlich nun um Robert herum und betrachtete ihn eingehend. Schließlich blieb er zufrieden stehen und sog laut eine Nase voll Luft ein.
„Du bist ein großer Zauberer ! Ist er das nicht ?“ meinte Aporu nun und sah seinen Gefährten fragend an. Er hatte mit seiner Beschwörungsformel aufgehört.
„Kann schon sein. Wenn er seine Kiste verschwinden lassen kann, dann muß er ein großer und mächtiger Zaubergeist sein“ entgegnete Lopono und nickte anerkennend.
Robert begann nun ein wenig auf und ab zugehen. Er mußte nachdenken. Diese ganze Situation war mehr als merkwürdig. Alles schien ihm real zu sein. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen warum aber er glaubte einfach fest daran dies alles wirklich zu erleben. Irgendwer oder irgend etwas schien ihn zu prüfen. Wenngleich ihm auch nicht klar werden wollte zu welchen Zweck. Doch irgend etwas mußte hinter dem ganzen hier stehen. Man mußte nur herausfinden was dies war!
„Sagt mal, wie nennt ihr euch eigentlich ? Ich meine wie heißt euer Stamm ?“
„Wir gehören zum Stamm der Kasambata. Unser Dorf ist einen halben Tagesmarsch von hier entfernt. Zumindest wenn es keine Zwischenfälle gibt...“ antwortete Aporu
„Habt ihr was dagegen, wenn ich euch andere Namen gebe als die, die ihr tragt ?“
Aporu und Lopono sahen sich skeptisch an. Im Grunde genommen wollten sie ihre Namen nicht ablegen. Doch weil Robert ein großer Zauberer oder noch schlimmer Zaubergeist war dachten sie sich man könnte dem zustimmen.
„Ich denke es ist akzeptabel“ sagte Aporu im Namen der beiden Jäger.
„Gut. Dann sollst du, Aporu, von jetzt an für mich Fred sein. Lopono will ich Tom nennen. Seid ihr einverstanden ?“
Beide nickten. Die neuen Namen gefielen ihnen recht gut. Obgleich sie nicht wußten, was sie bedeuteten. Robert war sehr zufrieden mit sich. Nun konnte er mit seinen neu gewonnenen Freunden der Zukunft ins Auge blicken.
Fred schlug nach einiger Zeit, in der sie geschwiegen hatten vor, ins Lager des Stammes zu gehen. Er war sehr neugierig zu erfahren wie sein Volk auf > den Geist der aus der Kiste kam < reagieren würde. Es bestand natürlich die Möglichkeit, daß sie ihn verjagen würden. Doch es war niemals ratsam einen mächtigen Zaubergeist zu vertreiben. Zumal dann, wenn man noch nicht wußte wie mächtig er war. Aus diesem Grund hatte Aporu, der nun Fred hieß, ein gutes Gewissen. Er glaubte nicht an schwerwiegende Zwischenfälle.

* * *

ENDE DES ERSTEN TEILS
 
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